Der SED-Reformdiskurs der achtziger Jahre

Zu Deutungen, Kontexten und einem neuen Archiv

Kommunist sein heißt auch,
den Platz suchen, finden und behaupten,
von dem aus man ein Maximum
an Veränderung durchsetzen kann.

Erik Neutsch

Die Dichte an Dummköpfen ist wahrscheinlich über die Zeiten hinweg systemübergreifend in etwa gleich. So kann man in einem Druckwerk, das wohl ursprünglich für den US-amerikanischen Leser geschrieben, dann aber von irgendwem auf den deutschsprachigen Büchermarkt geworfen wurde, folgende Passage zum Herbst 1989 in der DDR finden: ,,Alles begann an einem Montag in der Stadt Leipzig. Der berühmte Musiker Kurt Masur, Gewandhauskapellmeister in Leipzig, wagte es, aufzustehen und vor einigen hundert Menschen zu verkünden: ,So kann es hier nicht weitergehen.` Am 2. Oktober waren 50.000 Menschen auf der Straße. Eine Woche später war die Menge bereits auf 150.000 angewachsen. Am Ostberliner Alexanderplatz schrie eine halbe Million Arbeiter: ,Die Macht ist auf der Straße.` Am 23. Oktober wurde der ,eiserne Mann` Ostdeutschlands, Erich Honecker, abgesetzt. Eine Handvoll unerschrockener Kommunisten lieferte eine klägliche Demonstration ihrer unerschütterlichen Treue mit dem abgedroschenen Slogan: ,Wir sind die Partei.` Ihre Rufe wurden millionenfach von dem Ruf übertönt...: ,Wir sind das Volk!`"1 Wenn man Märchen erzählt zur Unterhaltung des staunenden Publikums, wie in ,,Tausendundeiner Nacht", dann sind Fakten nicht so wichtig. Dennoch wird die Einfalt gegenwärtiger antikommunistischer Sieger-Sichtweisen an solchen Primitiv-Texten besonders deutlich.

Die zitierte kurze Passage soll daher zunächst exemplarisch dechiffriert werden: Die Menschen, die am 2. Oktober in Leipzig auf der Straße waren, waren es nicht, weil etwa zuvor Kurt Masur dazu aufgerufen hatte, sondern Masur spielte eine historische Rolle am 9. Oktober, nachdem klar war, daß die Menschen auf der Straße sein werden; er trug dazu bei, daß an jenem Tage Blutvergießen in Leipzig verhindert wurde. Die Demonstration auf dem Berliner Alexanderplatz fand bekanntlich am 4. November, also nach dem Abtreten Honeckers (am 18., nicht am 23. Oktober) statt. Daß dies alles Arbeiter gewesen seien, ist nicht belegt; von einem Ruf ,,Die Macht ist auf der Straße!" wird durch teilnehmende Beobachter oder einschlägige Quellen nichts überliefert. Von einem Beinamen ,,eiserner Mann" für Honecker ist hierzulande ebenfalls nichts bekannt, aber das mag aus amerikanischer Sicht anders sein.

Das Historiographische soll uns im weiteren nicht beschäftigen. Die Denunziation, die Demonstration der Parteimitglieder (gemeint ist wohl die Demonstration von SED-Mitgliedern der ,Basis` vor dem Gebäude des Zentralkomitees der SED am 8. November anläßlich der 10. ZK-Tagung) sei eine ,,klägliche" Veranstaltung ,,unerschrockener Kommunisten" gewesen, entspricht allerdings einer verbreiteten Sichtweise, die auch für bisherige sozial- und geschichtswissenschaftliche Darstellungen typisch ist: Es wird negiert, welche Bedeutung die Verunmöglichung stalinistischen Machthandelns aus der Partei heraus für die Sicherung eines friedlichen Verlaufs des Umbruchs hatte. Methodisch bringt ein ,populärer` Text, wie der zitierte, nur konzentriert auf den Punkt, was andere, ,gelehrtere` Texte meinen. Mit anderen Worten: ,,Will man eine Hypothese erschüttern, so braucht man sie zuweilen nur so weit zu treiben, wie es geht."2

Das zitierte Popularbuch will Zufall und Dummheit über die Zeiten hinweg als Momente der Geschichte ausmachen; es beginnt demzufolge mit dem Pferd von Troja und endet mit dem Golfkrieg der USA 1991. Der Mauerfall in Berlin 1989 ist lediglich einer der dargestellten Fälle. Der Punkt ist nur, wie Pavel Kohout vor einigen Jahren sagte: in der Endphase des kommunistischen Herrschaftssystems kam es darauf an, daß in der Stunde der Entscheidung nicht nur die Tore von außen belagert werden, sondern daß jemand da ist, der sie von innen öffnet. Die Alternative dazu sind die Niederschlagung des Kronstädter Aufstandes durch die Bolschewiki im Auftrage Lenins oder die Aktion auf dem ,,Platz des Himmlischen Friedens" 1989 im Auftrage Dengs.

Stalinismus und Reformdiskurs

Aus der Sicht des primitiven Antikommunismus sind ,alle Katzen grau` oder ,alle Kommunisten rot`. In der Geschichte des realen Kommunismus aber erwiesen sich die Schriftgelehrten, die Disputanten des Kommunismus als die der ,vierten Buchreligion`; und die Geschichte des Kommunismus als Herrschaftssystem ist zugleich eine Geschichte der Ketzereien, der Abweichungen von dem Pfad der ,rechten Lehre` und des Insistierens der ,Amtskirche` in Gestalt des jeweiligen Generalsekretärs auf ihre Unfehlbarkeit. Wie also die Geschichte des Christentums auch eine Geschichte des Ketzertums ist, ist die Geschichte des Kommunismus zugleich eine Geschichte des ,Revisionismus` - und Torquemada und Berija schauen auf gleicher Augenhöhe den Scheiterhaufen und Erschießungskommandos zu.

Macht im kommunistischen Herrschaftssystem3 war innerhalb der respektiven Staaten wie im internationalen Staatengefüge nicht demokratisch, sondern ideologisch begründet. Demzufolge kam philosophischen und insgesamt gesellschaftstheoretischen Fragestellungen eine überhöhte, für weltliche Begründungssysteme, wie die bürgerliche Gesellschaft, unübliche Bedeutung zu. Geistige Auseinandersetzungen endeten im ,klassischen` Stalinismus nicht mit dem Überwiegen einer theoretischen Position, sondern mit der Erschießung des Theoretikers, der die ,falsche`, weil mit der aktuellen Politik der Partei nicht übereinstimmende Auffassung hatte. Worin diese jeweils bestand, war wiederum Gegenstand politischer, z.T. auch ideologischer Auseinandersetzungen innerhalb der Partei, die nach außen für sich in Anspruch nahm, eine ,historische Mission` und daher ,immer recht` zu haben. Die Untersuchung des Kommunismus als Staatensystem zeigt so, ,,daß Machtkonflikte in ideologischer Gestalt ausgetragen wurden ... und ideologische Konflikte machtpolitische Konsequenzen hatten".4 Das gilt in gleicher Weise auch für die politischen Auseinandersetzungen in den Gesellschaften stalinistischen Typs und hat seinen Ausgangspunkt im leninistischen Macht- und Parteiverständnis. Und hier beginnt dies bereits lange vor der Errichtung kommunistischer Herrschaft, im Grunde mit der Gründungsphase der Parteien leninistischen Typs.5 Nach Chruschtschow, zumal in der Breshnewschtschina, wurden die Mißliebigen in der Regel nicht mehr erschossen, aber immer noch zumindest aus der Partei ausgeschlossen und mundtot zu machen versucht.6

Die Beschäftigung mit den Reformdiskursen innerhalb der SED, vor allem in den 80er Jahren, muß Teil der sozialwissenschaftlichen wie zeithistorischen Untersuchungen zum Herbst 1989 sein, ist bisher jedoch nur fragmentarisch erfolgt. Und die Interpretationen sind seit Anbeginn konträr. So spricht Stefan Wolle etwa im Zusammenhang mit dem Forschungsprojekt Moderner Sozialismus an der Berliner Humboldt-Universität, das im Herbst 1989 kurzzeitig auch einige mediale Aufmerksamkeit erhalten hatte, von ,,Vertrauensleute(n) der Stasi an der Humboldt-Universität", deren ,,Häresien von vorgestern ... (in) der DDR keinen Hund mehr hinter dem Ofen hervor(lockten)".7 Demgegenüber sieht Sigrid Meuschel ,,eine ungewöhnlich modern anmutende Sozialismuskonzeption", die von ,,individueller Autonomie, freier gesellschaftlicher Assoziation, kommunikativer Verständigung und der demokratischen Einhegung ansonsten unbeeinträchtiger ökonomischer Rationalität aus(ging)".8

In jüngeren Publikationen, in denen sich Aussagen zum SED-Reformdiskurs der 80er Jahre finden, hängt seine Einordnung und Bewertung von der je gewählten Sichtweise ab. Ehrhart Neubert, der die bislang umfassendste und materialreichste Darstellung oppositioneller Aktivitäten in der DDR geliefert hat, mißt die SED-Reformer an der Bürgerbewegung, stellt fest, daß diese mehrheitlich keine Oppositionellen waren, und befindet schließlich die Materialien des Forschungsprojekts Moderner Sozialismus als ,,insgesamt enttäuschend". Sie hätten nur enthalten, was die Opposition seit Jahren moniert hätte, und überhaupt wäre dies ein ,,strategisch-taktisches Programm zur Machtsicherung der SED" gewesen, den Verfassern sei es darum gegangen, ,,die Dynamik der Veränderung zugunsten der SED zu kanalisieren". So erscheinen sie als Stellvertreter und Platzhalter der im Herbst 1989 nicht mehr handlungsfähigen Dogmatiker. An deren Statt seien in den Krisenverläufen die Reformer diejenigen gewesen, die als ,,SED-Vertreter die Dynamik der Revolution auf dem jeweils erreichten und erkämpften Stand einzufrieren suchten".9 Entgegengesetzt ist der Standort des ,richtigen marxistisch-leninistischen Klassenstandpunktes`: Der ,,neuen Opposition" innerhalb der Partei sei es nach der Abwahl Honeckers ,,gar nicht mehr um die Perestroika im Sinne einer Weiterentwicklung des Sozialismus" gegangen, sondern lediglich um ,,die ideologische Verklärung für den Weg in einen neuen ,gesamtdeutschen` Kapitalismus an der Seite der ,Bürgeropposition`". Das Auftreten der Vertreter des Forschungsprojekts Moderner Sozialismus, etwa im Januar 1990, habe ,,objektiv und in seiner Wirkung den strategischen Vorstellungen der Vereinigungsstrategen in Bonn" entsprochen.10

Der belgische Politikwissenschaftler Dirk Rochtus ordnet wichtige Strömungen des SED-Reformdiskurses dem breiter angelegten Label Dritter Weg zu. Damit öffnen sich Perspektiven, die bei den vorher genannten Sichtweisen nicht möglich waren: Die SED-Reformer erscheinen weder als bloß taktische Mutation des SED-Apparates noch als Handlanger der von Bonn gesteuerten ,Konterrevolution`. Dennoch ist auch diese Perspektive problematisch. Unter der Rubrik Dritter Weg werden Vertreter des SED-Reformdiskurses und der Bürgerbewegung bzw. Opposition zusammengefaßt, und es verschwinden die Differenzierungen innerhalb des Reformdiskurses, etwa zwischen den Protagonisten der 60er und der 80er Jahre.11 Damit sind die jeweiligen Konsequenzen für das politische Handeln im Herbst 1989 und später jedenfalls nicht hinreichend erklärbar.

Eine vierte zu betrachtende Perspektive macht sich an den Begriffen Erosion und Delegitimation fest. So schreibt etwa Walter Süß in seiner Darstellung des Zerfalls der Repressionsmacht der Stasi: ,,Vor dem Umbruch 1989 hatten ,Reformkommunisten`, diese Seiltänzer im Apparat, die objektive Funktion, die Widersprüche im Machtsystem zu befördern. Sie haben Perspektiven formuliert, die zu Rissen im geschlossenen Weltbild des herrschenden Dogmatismus führten, durch die, wer dazu bereit war, einen Blick von der Außenwelt erhaschen konnte. Die Angst der Politbürokraten vor ,Revisionismus` und ,ideologischer Diversion` war Ausdruck der tatsächlich ,zersetzenden` Wirkung solcher Ideen. Mit ihrem Zukunftsprojekt sind sie letztlich gescheitert, aber sie haben dazu beigetragen, daß es auch innerhalb des Apparats Menschen gab, die eher den Sturz des Alten Regimes riskierten, als es gewaltsam zu verteidigen. Das war von erheblicher Bedeutung, denn der innere Zerfall der Machtstrukturen wurde von Akteuren befördert, die auch anders hätten handeln können."12 Die Erosions- oder Delegitimationsthese ermöglicht die Aufhellung wichtiger Spezifika des Reformdiskurses der 80er Jahre.13 Doch hat diese Sichtweise ebenfalls Mängel, dann nämlich, wenn Erosion und Delegitimation nur negativ gefaßt und als Aufgeben von Positionen, Abkehr von Dogmen und Zerfall praktischer Bindungen behandelt werden. Die in den 80er Jahren entstandenen Ideen und Konzepte erscheinen in diesem Falle nur als Steinbruch für die kursorische Dokumentation mehr oder weniger halbherziger und diffuser Abweichungen vom offiziösen SED-Kanon. So hätten sie ihre Bedeutung spätestens mit der deutschen Vereinigung verloren; ein Rückgriff auf derlei Positionen erschiene als anachronistisch oder nostalgisch.

Ein solches Verständnis von Erosion greift jedoch zu kurz. Wird Erosion nicht als schlichte Abwendung, sondern als Konstruktion alternativer Positionen verstanden, dann wird erkennbar, daß die in den 80er Jahren entwickelten Positionen in die Vereinigungsgeschichte hineinragen und als Deutungs- und Handlungsrahmen fortwirkendes Gewicht besitzen. Einige der Eigenheiten ostdeutscher Entwicklung in den vergangenen zehn Jahren erscheinen so in einem anderen Licht, etwa Aspekte der Entwicklung der PDS oder die verbreitete Distanz gegenüber Aktivitäten der politischen Klasse der Bundesrepublik. Nicht die ,Rückstände` der alten DDR oder immer noch vorhandene Bindungen an Dogmen der SED, sondern mit der Erosion der SED-Herrschaft entstandene neue Positionen sind es, die die Maßstäbe etlicher, damals wie heute wissenschaftlich bzw. politisch engagierter Akteure für ihr Deuten und Handeln unter den Bedingungen des vereinten Deutschlands prägen.14

Verortungsprobleme

Wer aber ist der Reformer? So könnte man in Abwandlung einer bekannten Frage Brechts formulieren. Sitzt er in einem Haus mit Telefonen? Mancher saß auch in dem Haus mit Telefonen, oder anderenorts, wo man es als Außenstehender zunächst nicht vermuten würde, etwa an der Akademie für Gesellschaftswissenschaften beim ZK der SED, in einem Ministerium, einer Botschaft der DDR im Ausland, einer SED-Bezirksleitung, an der Universität als Dozent für ,,Marxismus-Leninismus". Nicht die Institution war entscheidend, sondern die Gesinnung und Gesittung. Insofern war die Entscheidung etlicher der neuen Herren nach 1990, bei den Personalüberprüfungen all jene für besonders belastet zu halten, die nach 1985 eine Parteifunktion zu übernehmen sich veranlaßt sahen, genau nicht dem wirklichen Ausdifferenzierungsprozeß seit Mitte der 80er Jahre gemäß.

Die Verbürokratisierung der Massenpartei SED in der späten Honecker-Zeit war recht weit fortgeschritten. Die jeweils untergeordneten Leitungen wußten, was wie nach oben zu melden war, um möglichst politisch unbehelligt zu bleiben, und die oben fragten nicht genauer nach; es sei denn, es wurden Machtkämpfe ausgetragen, etwa wenn ZK-Sekretär Mittag den Dresdner Parteisekretär Modrow in Bedrängnis bringen wollte und ihm deshalb eine Überprüfungsgruppe verschiedener ZK-Abteilungen ins Haus schickte. Die Mehrheit auch der Reformer befolgte das Ritual der ,Treue zur Partei und zur Sache des Sozialismus`, um sich Handlungsräume in den Institutionen bzw. aus ihnen heraus in die Gesellschaft zu erhalten. Wer, aus jahrelanger SED-Mitgliedschaft kommend, sich für den öffentlichen Widerspruch entschied, tat dies bewußt und unter Abwägung der zu erwartenden unangenehmen Vergegenwärtigungen, wie etwa Peter Ruben oder Rolf Henrich.

So war der Spielraum der jeweiligen Parteileitungen relativ groß, und sie reproduzierten die Partei nach ihrem Bilde. Waren es Leitungen, beispielsweise auf der Ebene der Grundorganisationen oder ihrer Gliederungen, in denen stalinistische Betonköpfe das Sagen hatten, wurden Menschen nach deren Bild zur Übernahme von Funktionen vorgeschlagen. Waren es dagegen Menschen, die die Ideen der Perestroika für sich angenommen hatten oder ohnehin meinten, daß Sozialismus anders aussehen müßte als der ,real existierende`, und darauf gewartet hatten, daß es einstmals anders komme, schlugen sie andere vor, solche, die ihren Vorstellungen entsprachen. Da jene, die Veränderung wollten, dies durchschauten, hatten gerade nach 1985 vielfach solche SED-Mitglieder sich um die Übernahme von Funktionen auf den verschiedenen Ebenen bemüht. Insofern gab es, von der Basisebene über Kreisleitungen und Bezirksleitungen bis hinein in Abteilungen des ZK, völlig gegensätzliche Funktionsträger: (Post-)Stalinisten, die darauf aus waren, andere anzuschwärzen, auszuschalten, Exempel im ,Dienst an der Sache` zu statuieren; reformerisch oder demokratisch gesinnte Menschen, die auf Veränderungen harrten und die Zeit bis dahin zu überbrücken hofften, indem sie die Aktivitäten der Stalinisten zu konterkarieren bemüht waren. Hinter der Fassade der ,Einheit und Geschlossenheit` der Parteireihen verbargen sich somit konträre Auffassungen, Konzepte und Verhaltensweisen.

Hier spielte - eben wegen des quasi-religiösen Charakters des Marxismus-Leninismus als ,vierter Buchreligion` - die Sprache eine ganz wesentliche Rolle. Als die neuen Prokuratoren durch die ostdeutschen Universitäten gingen und die Dissertationen der dort (noch) Arbeitenden visitierten, stellten sie vielfach fest: die zitierten ja alle Marx (und waren demzufolge für ,richtige` Wissenschaft nicht zu gebrauchen). Der Umstand nur war, es waren unterschiedliche Zitate, und um die unterschiedlichen Zitate rankten sich unterschiedliche Interpretationsfiguren, die ihre Wurzeln in den marxistischen Auseinandersetzungen im Grunde seit den Zeiten des Philosophen aus Trier höchstselbst hatten. Wollte man, als Person oder als Forschungs- oder Arbeitszusammenhang, nicht aus der offiziellen Sphäre herausfallen, mußte der parteioffizielle Komment zumindest dem Scheine nach eingehalten werden. Das bedeutete: es mußte, auch für kritische, reformerische Positionen, ein marxistisch-leninistischer Begründungszusammenhang gedrechselt werden. Neue Ideen mußten als nicht-neue oder zumindest als an die ,Schriften der Klassiker` oder die gerade aktuellen Äußerungen des Generalsekretärs anschließende präsentiert werden. Der politische und Wissenschaftsdiskurs innerhalb und im Umfeld der Partei verlief so in einer eigenartigen ,,Sklavensprache"15, die aus heutiger Sicht vielfach der Dechiffrierung bedarf, um - etwa den Nachgeborenen - verständlich zu machen, um welche inhaltlichen und politischen, oft existentiellen Auseinandersetzungen es dabei ging. Orthodoxe und Reformer unterschieden sich nicht darin, daß die einen Marx zitierten und die anderen nicht, sondern darin, was sie wie und in welchem Kontext zitierten; Reformer erkannten sich untereinander und kommunizierten miteinander über eine derart chiffrierte Sprache.

Da die kommunistischen Parteiführungen immer an ,Schulung` und marxistisch-leninistische Ausbildung geglaubt hatten, gilt das hier beschriebene Phänomen nicht nur für wissenschaftliche Debatten in kleinen Zirkeln von Gesellschaftswissenschaftlern, sondern für das Schreiben und Sprechen aller in den Verästelungen des politischen Systems, also bei allen - über die SED-Mitgliedschaft hinaus beispielsweise auch parteilose Abteilungsingenieure oder den Chef der Abteilung ,Handel und Versorgung` des Rates des Kreises, der in der Regel der CDU oder der LDPD angehörte -, die in der DDR irgendwo eine Funktion hatten, und für alle politisch relevanten Verschriftungsvorgänge in den Institutionen, nicht nur den Monatsbericht des Parteisekretärs des Betriebes X oder die Jahresanalyse des DDR-Botschafters im Lande Y. In diesen Sprachraum waren nicht nur quasi-gesellschaftswissenschaftliche Formeln eingeschlossen, sondern auch künstlerische Textteile, an deren kommunistischem Grundgestus nach offizieller Lesart kein Zweifel sein konnte.

Wenn die Kundgebung auf dem Berliner Alexanderplatz am 4. November 1989 gleichsam im Zenit des ,Revolutionszyklus` der DDR gestanden hatte, so gilt dies auch für die Befreiung des Wortes. Steffie Spira begann ihr berühmtes Schlußwort wie folgt: ,,1933 ging ich allein in ein fremdes Land. Ich nahm nichts mit, aber im Kopf hatte ich einige Zeilen eines Gedichts von Brecht, Lob der Dialektik: ,So wie es ist, bleibt es nicht. / Wer lebt, sage nie Niemals. / Wer seine Lage erkannt hat, / wie soll der aufzuhalten sein. / Und aus Niemals wird Heute noch!`" Was war der Sinn dieser Worte, über die unmittelbare Aussage hinaus, die man auch prosaischer hätte formulieren können? Steffie Spira - seit 1931 Mitglied der KPD, im November 1989 Mitglied der SED, danach, bis an ihr Lebensende, Mitglied der PDS (,,Ich habe mich 1931 für die Partei entschieden; ich trete doch jetzt nicht aus!") - stellte symbolisch (,,1933 ging ich...") ihre kommunistische Herkunft gegen die der herrschenden Greise, die von dorther stets ihre historische Legitimation abgeleitet hatten. Sie benutzte Brecht, um denen genau diese Legitimation zu bestreiten, und zwar ein Gedicht, das in offiziellen Gedenkfeiern der SED bzw. DDR seit den vierziger Jahren tausendfach gesprochen worden war und das jeder kannte, der in der DDR die Schule besucht hatte. Und sie setzte fort: ,,Ich wünsche mir für meine Urenkel, daß sie aufwachsen ohne Fahnenappell, ohne Staatsbürgerkunde..." Sie sprach damit jene Symbolik des kommunistischen Herrschaftssystems an, die für jeden sichtbar das Totalitäre im Realsozialismus der DDR verkörperte. Und weiter: ,,...und daß keine Blauhemden mit Fackeln an den hohen Leuten vorübergehen". Nicht die Militärparaden der NVA, sondern die uniformierten Jugendlichen mit Fackeln waren für sie das Symbol jener falschen Herrschaft, und vor Augen hatte sie die für sie schreckliche Analogie zu den braunen Hemden, die mit Fackeln durch das Brandenburger Tor marschieren. Die ,hohen Leute` waren die aus der eigenen Partei, die sich selbst erhöht hatten und deshalb fallen mußten. ,,Abtreten!"16 war die offen ausgesprochene Konsequenz. Hernach war Sozialismus in Deutschland nur noch demokratisch denkbar. Und die Sprache des Umbruchs hatte ein für alle Male das Korsett der ,Sklavensprache` verlassen.

Abgrenzungsprobleme

Manfred Lauermann, derzeit in Brasilien Soziologie lehrend, sagte während einer Veranstaltung der Brecht-Tage im Februar 2000 in Berlin, daß mancher aus der DDR Kommende wohl gern ,,ein wenig Totalitarismus" gehabt hätte, ,,zur eigenen Opferbedeutungssteigerung". Die ,,harmlose DDR" sei jedoch ein ,,autoritärer Staat" gewesen, allenfalls lateinamerikanischen Bananenrepubliken vergleichbar, ein ,,Kessel Buntes", in dem es vielfältig und auch gemütlich zugegangen sei. ,,Nur unter begriffslosen Historikern", wird sein Beitrag wiedergegeben, ,,sei es noch modisch, jedes autoritäre System unter totalitären Generalverdacht zu stellen. Intellektuelle wie Brecht seien nicht ,verführt`, sondern deshalb zu Sozialisten geworden, weil sie die Kapitalverhältnisse ihrer Zeit analysiert hätten."17

Was Lauermann hier als Invektive formuliert, ist in Wirklichkeit Ausdruck der Schwierigkeiten, den Charakter des dahingegangenen politischen Systems zu bestimmen. Der Politikwissenschaftler Juan Linz verweist im ,,Potsdamer Vorwort" zur deutschen Ausgabe seines klassischen Textes über ,,Totalitäre und autoritäre Regime" auf das Paradoxon, daß in einer Zeit, da sich Autoren im Westen zunehmend vom Totalitarismus-Begriff verabschiedeten, weil sie ihn für durch den Kalten Krieg politisch belastet ansahen, dieser in Mittel- und Osteuropa wiederentdeckt wurde, und zwar vor allem von seiten jener, die sich dem politischen Regime widersetzt hatten. In Spanien, nach dem Sturz des Franco-Regimes, war bereits etwas ähnliches geschehen. Menschen, die gegen das autoritäre Regime gekämpft hatten, ,,schien eine Charakterisierung als ,autoritär` zu beschwichtigend. Sie neigten daher mehr dazu, diese(s) als ,totalitär` zu bezeichnen".18 Die Unterscheidung zwischen totalitären und autoritären Systemen ist jedoch keine moralisch begründete (,schlimm` oder ,weniger schlimm`), sondern eine politikwissenschaftlich-analytische. Dabei geht es nicht um die Unterscheidung zwischen demokratischen und nichtdemokratischen Systemen; totalitäre und autoritäre Regime sind beide nichtdemokratisch. Es geht um die Unterscheidung totalitärer Regime von anderen nichtdemokratischen Herrschaftsformen. Und hier hält Linz nicht - wie die vielzitierte Hannah Arendt - den Terror für ausschlaggebend, sondern ,,eine bestimmte Form der Organisation des politischen Lebens".19

Linz' Bestimmung totalitärer Herrschaft enthält drei entscheidende Punkte:

1. ,,ein monistisches, aber nicht monolithisches Machtzentrum",

2. eine exklusive Ideologie, mit der sich die herrschende Partei oder Gruppe identifiziert,

3. die ,,Beteiligung und aktive Mobilisierung der Massen".20

Im Grunde ist hier die Ideologie das zentrale Moment, weil sowohl die Konstituierung des politischen Zentrums, hier der kommunistischen Partei, als auch das Mobilisierungsbemühen der politischen Führung gegenüber den Massen über die Ideologie vermittelt werden. Linz unterscheidet vom ursprünglichen Totalitarismus Stalins den Typus post-totalitärer Regime. Die politischen Führungen - etwa in der Sowjetunion nach dem XX. Parteitag der KPdSU, mit dem Chruschtschow die Entstalinisierung einleitete, in Ungarn nach dem Volksaufstand 1956 oder in der DDR unter Honecker - haben sich entschlossen, eine weniger ideologielastige Politik zu betreiben (im Vergleich zur vorherigen kommunistischen Politik im eigenen Lande) und größere Toleranz gegenüber einer Entpolitisierung des täglichen Lebens zu üben, begleitet von einer Bürokratisierung und Professionalisierung. Die Rücknahme des Ideologischen bleibt jedoch nicht folgenlos. Die Kader der verschiedenen Ebenen verlieren ihre ideologische Bindung. ,,Der Niedergang der Ideologie, deren Verknöcherung und Ritualisierung, und der Verlust jeglicher mobilisierender Utopie bedeuteten dann am Ende, daß sich die Kader, besonders die der mittleren und unteren Ebenen, nicht legitimiert fühlten, den zweifellos intakten und weiterhin großen Zwangsapparat in Krisensituationen einzusetzen. Verhandlungen mit Demonstranten und Runde Tische waren die Konsequenz." Die Nomenklatura hatte keine Antwort mehr.21 Es ist dies die Stunde, da die Reformer in der Staatspartei ihre geschichtliche Rolle spielen.

Was aber unterscheidet sie von anderen Akteuren und Handlungsmustern in der Bevölkerung? Rainer Land hat zwei Unterscheidungen vorgeschlagen. (Die erste ist auch im Hinblick darauf von Bedeutung, daß nach 1989 mancher erklärte, er sei schon deshalb im Widerstand gewesen, weil er zu DDR-Zeiten zweimal bei Rot über die Kreuzung gefahren war.) Die erste ist die zwischen bewußt politischem Handeln - im politischen Widerstand oder in der SED-Reformbewegung - und dem, was er das ,,eigensinnige Interessenhandeln der Bevölkerungsmehrheit" genannt hat. Dazu gehören die vielfältigen Formen von Aushandlungsprozessen, ,,formelle und informelle Formen der Kompromißbildung, gehört die ,passive Stärke` in Betrieb und Gesellschaft, mit denen Menschen unter Nutzung der Möglichkeiten und Defizite gegebener Gesellschaftssysteme versuchen, ihre individuellen Lebensinteressen zu verwirklichen." Dieses eigensinnige Interessenhandeln nennt er ,,ein praktisches und als solches unreflektiertes Verhältnis zu den Systemstrukturen", das ausgesprochen unintellektuell ist und von sich aus nicht zu einem reflektierten, ,,auf die Veränderung der Systemstrukturen" gerichteten Verhalten werden kann. Im Unterschied dazu sind Widerstand und Reformbewegungen ,,originär politisch".22 Der Widerstand gegen die bestehende Macht und die Reformbewegung innerhalb der diese Macht geistig oder praktisch tragenden Schichten stellen jeweils nur eine Minderheitsposition in der Bevölkerung dar.

Der zweite Unterschied ist der zwischen Widerstand und Reformbewegung. ,,Der politische Widerstand der entstehenden Oppositionsbewegungen war auf eine Veränderung des DDR-Systems durch äußere Einwirkung auf die Macht gerichtet", und zwar ,,unabhängig davon, ob die Perspektive der Veränderung in Reformen oder in einer Transformation gesehen wurde". (Transformation meint hier im Sinne der auch formellen Einführung grundlegender Institutionen der westlichen Moderne wirtschaftlich: autonome Unternehmen, Kapitalverwertungswirtschaft, Märkte; politisch: Pluralität politischer Subjekte, Wahlen, Rechtsstaat, Gewaltenteilung; juristisch: Bindung des Staates und aller Akteure an Rechtsnormen.) Insofern ist die ,,Zulassung einer unabhängigen Opposition ... die entscheidende Forderung bei der Formierung von Widerstand".23

Reformbewegungen dagegen formieren sich ,,aus der Perspektive der Macht selbst und sind auf deren Selbstveränderung von innen gerichtet". Daraus ergeben sich drei Merkmale, die Reformbewegungen in Ländern kommunistischen Typs von Widerstand unterscheiden: erstens soll der Kurswechsel aus der Staatspartei - hier der SED - heraus erfolgen. ,,Für den Beginn der Reformen werden also innerparteiliche Konstellationen gesucht." Zweitens wird ,,Opposition ,von außen` (außerhalb der Staatspartei)... für das Ingangkommen der Reformen ausdrücklich nicht vorausgesetzt, unter Umständen sogar ausgeschlossen." Drittens schließlich blieb eine Übernahme des westlichen Systems konzeptionell ausgeschlossen, auch wenn die Übernahme moderner Vorstellungen und Institutionen des Westens - gleichsam konvergenztheoretisch als beiderseitige Transformation gedacht - für möglich gehalten wurde. ,,Als Motor dieser Transformation galt immer die Selbstveränderung der Macht, nicht etwa ihr Sturz."24

Vergleichsprobleme

Die Frage, wer aber der Reformer sei, hat auch noch eine andere Dimension: die des internationalen Vergleichs. Das Ergebnis der Weltmachtambitionen der sowjetischen Führer war ein globales Überengagement, das in keinem Verhältnis zu den inneren Voraussetzungen stand. Der globale Machtkampf mit den USA, die im Bündnis mit allen anderen Mächten des Westens standen, hatte die Ressourcen der Sowjetunion und ihres Herrschaftsbereichs überbeansprucht. Das Imperium war überdehnt.25 Das war die Schlußbilanz der stalinistischen und poststalinistischen Machthaber, von Stalin über Chruschtschow bis Tschernenko, und der Ausgangspunkt der Perestroika-Politik. Gorbatschow trat an, um mittels Reformen den Realsozialismus in der Sowjetunion neu zu stabilisieren. Dazu war er bereit, auf die militärisch-politisch problematischen und wirtschaftlich ruinösen Positionen in der Dritten Welt zu verzichten, schließlich auch im Osten Europas, bis hin zur Elbe. ,,Aber es trat das ein, was bereits Tocqueville in seinem ,L'Ancien Régime et la Révolution` von 1856 geschrieben hatte: Wenn Reformen ernsthaft in Angriff genommen werden, verschärft sich die Krise noch mehr. Nichtbeabsichtigte Konsequenzen der Politik Gorbatschows führten letztlich nicht zum Überleben der Reformen, sondern zum Auseinanderfallen und schließlich zum Ende der UdSSR. Der Wechsel, der vielleicht durch soziale und wirtschaftliche Veränderungen vorbereitet oder gar beschleunigt wurde, war letztlich durch Entscheidungen der politischen Führung ausgelöst worden."26 Positiv formuliert: alle reformerischen Veränderungen in Mittel- und Osteuropa, die schließlich in das Ende des Realsozialismus als Gesellschaftssystem, den Zusammenbruch des sowjetischen Imperiums und die Unabhängigkeit der Staaten der Region, auch die deutsche Einheit, mündeten, hatten das friedvolle Handeln der Reformer in Moskau zur Voraussetzung. Kein kommunistischer Funktionär, wo auch immer, hätte mit einer solchen Tragweite wie sie auch anders handeln können.

Die Gruppe der Reformer in der Perestroika-Sowjetunion, so Michail Gorbatschow, Eduard Schewardnadse oder Alexander Jakowlew, waren nach formalen ,Kader`-Gesichtspunkten echte kommunistische Nomenklaturafunktionäre mit typischer Komsomol-, Partei- oder auch Geheimdienstkarriere, die es dazu gebracht hatten, über die reale Macht im Lande zu verfügen, und die aus einer nüchternen politischen Analyse der inneren und internationalen Situation der Sowjetunion heraus einen anderen, reformerischen politischen Kurs begründeten und in der politischen Führung der Partei und des Staates durchzusetzen verstanden. Sie handelten ursprünglich aus der Selbstgewißheit der gefestigten Macht heraus. Ihre Handlungsgrundlage waren die offiziellen Strukturen der kommunistischen Partei und des Staates.

Wojciech Jaruzelski und die Gruppe um ihn hatten einerseits am 13. Dezember 1981 das Kriegsrecht in Polen ausgerufen - ob im Auftrage Moskaus oder um eine sowjetische Intervention zu verhindern, ist in den heutigen tagespolitischen Kämpfen in Polen nach wie vor umstritten -, andererseits mühten sie sich, neue Reformkonzepte auf den Weg zu bringen, die Jaruzelski der damaligen sowjetischen Führung (es war noch Breshnew im Amt) als Ausdruck polnischer Schwierigkeiten und Besonderheiten zu erklären versuchte, nicht etwa als neues kommunistisches Konzept, wie es noch Dubcek 1968 in der Tschechoslowakei versucht hatte.27 Ende der 80er Jahre hatten die polnischen Reformer begriffen, daß sie die Lage im Sinne der Stabilisierung des kommunistischen Machtsystems nicht zu beherrschen vermochten. So wurden sie, neben den Protagonisten des pragmatischen Flügels der Solidarnosc, zu den Erfindern des ,,Runden Tisches". Die Gruppe der Reformer in Polen kam aus ,Randgruppen` der Nomenklatura, wie dem Militär (Jaruzelski) oder der Publizistik (Rakowski), hatte ihre Karriere aber in den Institutionen des Staates und der Partei gemacht. Sie handelten aus der Schwäche des kommunistischen Herrschaftssystems heraus, über dessen ,normale` Institutionen sie jedoch verfügten.

In Ungarn gab es Reformdebatten, insbesondere in Sachen Wirtschaftsreform, seit den 60er Jahren. In dieser Zeit bildeten sich in der Partei zwei politische und geistige Strömungen heraus, deren eine auf mehr Reform und wirtschaftliche Handlungsfähigkeit setzte, während die andere eine entschiedene politische Kontrolle favorisierte. Kádár war bemüht, beide Gruppierungen im Gleichgewicht zu halten, und präferierte zeitweise das eine, zeitweise das andere Vorgehen. Mitte der 80er Jahre war auch in Ungarn die allgemeine Gesellschaftskrise spürbar. Wurde diese in der Sowjetunion oder der DDR dem jahrzehntelangen Fehlen ernsthafter Gesellschaftsreformen zugewiesen, so bestand das ungarische Dilemma darin, daß mit den verschiedensten Varianten von Reformen experimentiert worden war, ohne daß ein sichtbarer Erfolg verzeichnet werden konnte. Die ungarischen Reformer waren sich darin einig, daß das politische System zum eigentlichen Hemmnis geworden war. Auf der USAP-Landeskonferenz im Mai 1988 wurde die Ära Kádár beendet. Die Reformer aus den Reihen der Staatspartei, wie Imre Pozsgay, Miklós Németh, der in der Übergangszeit ,letzter sozialistischer` Ministerpräsident wurde, oder Rezsö Nyers, der ,praktizierende Sozialdemokrat` und Vater der Wirtschaftsreform von 1968, bestimmten die politische Lage des Übergangs. Unter aktiver Mitwirkung vor allem von Pozsgay hatten sie bereits 1987 und 1988 an Treffen in der Ortschaft Lakitelek mit oppositionellen Intellektuellen teilgenommen, die dann zur Gründung des ,,Ungarischen Demokratischen Forums" führten. Ab 1988 hatten sie zielgerichtet eine eigene landesweite Struktur des Reformflügels der Staatspartei geschaffen. Die Gruppe der Reformer in Ungarn kam überwiegend ebenfalls aus Randgruppen der Nomenklatura (Wirtschaft, Wissenschaft, ,,Patriotische Volksfront"). Sie handelte unter den Bedingungen der Gesellschaftskrise und des Scheiterns der verschiedenen Reformvarianten und verfügte über wichtige Teile der Partei und des Staates (wenngleich nicht alle).

In der DDR waren die Akteure, die jedoch mehr verändert wurden als veränderten, in den Institutionen: Egon Krenz, der bald wieder abtreten mußte, und Hans Modrow, Ministerpräsident bis zur Übergabe an die erste frei gewählte Regierung der DDR. Es war die zweite, dann dritte Reihe der Nomenklatura, die 1989 und Anfang 1990 in der Verantwortung stand. Und sie hatte mit vier Problemen zu kämpfen. Die SED war erstens als ganzes nicht handlungsfähig im Sinne einer reformerischen Veränderung des Landes; insofern war sie gleichsam in einem Zustand, wie ihn Gorbatschow in der KPdSU 1985 vorgefunden hatte, nur die Verhältnisse waren nach vier Jahren Perestroika-Politik völlig andere. Zweitens hatte die DDR nur eine ,sozialistische`, keine nationale Identität, so daß bei Beendigung des kommunistischen Experiments die deutsche Einheit auf die Tagesordnung rücken mußte. Die vergreiste Führung unter Honecker hatte - dies drittens - durch ihre starrsinnige Verhinderungspolitik die SED in eine Lage gebracht, da aktives Agieren politisch nicht mehr möglich war, sondern ohnehin nur noch Reagieren. Viertens schließlich hatte die übergroße Mehrheit der Mitglieder die berühmte Parteidisziplin geübt, und dies auf eine sehr deutsche Art, so daß es nicht nur wirkliche politische Reformakteure mit Macht und Verantwortung, wie in der Sowjetunion und Polen vor 1989, nicht gab, sondern auch keine landesweiten, politisch relevanten Strukturen, wie in Ungarn. Wenn also von Reformern in der Sowjetunion, Polen oder Ungarn gesprochen wird, ist die Rede von politischen Akteuren; wird von der DDR geredet, geht es um mehr oder weniger deutlich abgrenzbare Gruppen oder besser Diskurszusammenhänge von Intellektuellen, deren Äußerungen im Herbst 1989 zwar kurzzeitig medial präsentiert wurden, die mit der Macht aber nichts zu tun hatten. Ironisch könnte man sagen - wie Heinrich Heine über die Revolutionen seiner Zeit geschrieben hatte: die Franzosen hatten sie in der Realität gemacht, die Deutschen in der Philosophie28 -, die anderen waren Reformer im politischen Raum, die deutschen im Raum der Konzeption. Das Paradoxe nur ist, nimmt man das Entstehen linkssozialistischer Parteien im Gefolge des gesellschaftlichen Umbruchs als Kriterium, so ist ein Unterschied zwischen Polen, Ungarn und Ostdeutschland nur insofern auszumachen, als die Verhältnisse in Deutschland mit der Vereinigung andere sind. In Rußland ist das Scheitern auch in dieser Hinsicht vollständig: was dort an Resten des Kommunismus da ist, hat mit Reformsozialismus nichts, mit großrussisch-imperialer Nostalgie aber viel zu tun.

Über Reformkräfte im Umfeld der SED zu reden heißt somit, über Reformdebatten, -überlegungen und -konzepte zu sprechen, die in intellektuellen Diskurszusammenhängen standen.

Reformdiskurse in der SED-Geschichte

Die Darstellung solcher Diskurse zielt auf die Rekonstruktion von Vorstellungen und Aktivitäten derjenigen, die Kritik und Neugestaltung aus einer Perspektive der Selbstveränderung politischer Macht dachten. Die Thematisierung reformorientierter Diskurse innerhalb der Staatspartei ist nicht nur belangvoll im Hinblick auf die Verläufe im Herbst 1989, sondern weil auch über sie die relative Funktionsfähigkeit und Stabilität von realsozialistischen Herrschafts- und Gesellschaftsstrukturen verstehbar wird. In Reformdebatten reproduzierten sich die Bindungen eines nicht geringen Teils der politisch aktiven Bevölkerung, insbesondere der SED-Mitgliedschaft, an das Projekt sozialistische DDR. Solche Bindungen existierten neben und in widerspruchsvoller Beziehung zu Unterdrückung und Konformitätszwängen, und sie erhielten sich nicht deshalb, weil Realität einfach ignoriert oder nur beschönigt wurde. Reformdiskurse gaben den mit der sozialistischen Idee verbundenen Emanzipationshoffnungen eine konkret-historische Gestalt, sie unterstellten die Möglichkeit gesellschaftlicher Veränderungen und vermittelten so zwischen sozialistischen Idealen, dem fortgesetztem Engagement ,für die Sache` und einer kritischen Sicht auf die Wirklichkeit.

Ausgangspunkte, Problembeschreibungen und Veränderungsvorstellungen der SED-Reformdiskurse waren jeweils verschiedene. Die Debatten Ende der 40er und in den 50er Jahren kreisten vor allem um den Weg zum Sozialismus, das Verhältnis zur Sowjetunion, den Umgang mit dem Stalinismus und der deutschen Frage. In den 60er Jahren ging es auf der Basis der formell gelösten Machtfrage um eine den sozialistischen Zielvorstellungen gemäße funktionsfähige Gestaltung von Wirtschaft, Staat, Bildung, Kultur; Träger dieser Diskussion waren die in der Praxis tätigen ,Macher` der Aufbaugeneration und ihre intellektuellen Anreger und Begleiter. Diese Reformdiskurse sind in ihren wesentlichen Zügen, auch in ihrem Scheitern durch die jeweilige Hinwendung der SED-Führung zu Politiken von Machterhalt und Machtsicherung, dokumentiert und analysiert. Dies läßt sich für die Debatten der 80er Jahre nicht in gleicher Weise feststellen. Ihre zentralen Akteure waren Vertreter der gesellschaftswissenschaftlichen Intelligenz unterschiedlicher Generationen. Nach dem Abbruch der Reformbestrebungen der 60er Jahre hatte ein Teil der damaligen intellektuellen Protagonisten Tätigkeitsräume an wissenschaftlichen Einrichtungen finden oder für sich erhalten können. Sie etablierten sich hier, arbeiteten in mehr oder weniger deutlicher Distanz zum dogmatisierten Marxismus-Leninismus und zur aktuellen Parteipolitik und wurden zu wissenschaftlichen Lehrern der nachfolgenden Reformergeneration. Für die Jüngeren - geboren in den 50er und politisch sozialisiert in den 70er Jahren -, war nach den fehlgeschlagenen Versuchen ihrer Eltern und den eigenen problematischen Erfahrungen mit DDR- und SED-Wirklichkeit der Weg unmittelbarer Praxisveränderung keine überzeugende Option mehr. Herausgefordert durch die Zuspitzung globaler Problemlagen, durch Veränderungen in der Ost-West-Konstellation und die Entwicklungen in den anderen sozialistischen Ländern, kam es dann in den 80er Jahren an Universitäten und Hochschulen, an Einrichtungen der Akademie der Wissenschaften der DDR und der Akademie für Gesellschaftswissenschaften beim ZK der SED zu einem neuartigen Nachdenken über Prinzipien und Grundstrukturen des Sozialismus.

Diese Reformdebatte fand ihren Höhepunkt in der Perestroikazeit, sie wirkte in den Krisenverläufen und Aufbrüchen des Herbstes 1989. Nach 1990 verschwand ein Teil der Reformer aus der politischen Öffentlichkeit; einige engagierten sich bei den Grünen oder im Umfeld der SPD, eine vergleichsweise große Gruppe betrieb die Reorganisation der SED zur PDS. Die wissenschaftliche Kenntnisnahme und Aufarbeitung dieser Vorgänge ist nach wie vor unterentwickelt, was in erster Linie der Materiallage geschuldet ist. Zwar liegen einige in diesem Zusammenhang wichtige Texte vor, so das SED/SPD-Dokument ,,Der Streit der Ideologien und die gemeinsame Sicherheit" und Dieter Kleins Buch ,,Chancen für einen friedensfähigen Kapitalismus". Viele der Ausarbeitungen gerade der jüngeren SED-Reformer aber existierten nur als interne Veröffentlichung der jeweiligen Institution, gewissermaßen als ,graue` Literatur, oder wurden von vornherein als Diskussionspapier in nur wenigen Exemplaren in Umlauf gebracht. Die mediale Aufmerksamkeit, die die SED-Reformer im Herbst 1989 kurzzeitig erhielten, hat zwar einige Personen und Ideen insbesondere des Forschungsprojekts Moderner Sozialismus bekannter gemacht und den Zugriff auf einzelne Materialien verbessert. Die kommunikativen Zusammenhänge jedoch, der zeitgeschichtliche Kontext von Einzelmaterialien und ihr Stellenwert in einem fortschreitenden wissenschaftlich-politischen Konzeptbildungsprozeß blieben weitgehend im dunkeln.

Rekonstruktionen

Angesichts der defizitären Materiallage und der konkurrierenden Urteile zum SED-Reformdiskurs der 80er Jahre haben Mitarbeiter der Berliner Gesellschaft für sozialwissenschaftliche Forschung und Publizistik von 1997 bis 1999 ein von der DFG gefördertes Forschungsprojekt realisiert.29 In seinem Kern zielte es auf die Sammlung von Dokumenten dieser Reformdebatten und die Bereitstellung von Möglichkeiten, sie sachgemäß zu deuten. Aus der Kenntnis von Diskussionsthemen und Kommunikationskreisen heraus wurde bei zentralen Akteuren der Reformdebatten begonnen und das Feld der einzubeziehenden Personen über wechselseitige Verweisbeziehungen erweitert. Die publizierten Materialien dieser Reformer wurden zur Kenntnis genommen und weitere, vor allem nicht publizierte Texte gesammelt. In Expertengesprächen mit den Akteurenging es um Aussagen zum politisch-wissenschaftlichen Selbstverständnis, zur Entwicklung von theoretischen Vorstellungen und Konzepten, zum Entstehungs- und Wirkungszusammenhang einzelner Materialien und zu den kommunikativen Zusammenhängen und Verbindungen. Das erstellte Archiv ,,Der SED-Reformdiskurs der achtziger Jahre" ist über das Institut für Politikwissenschaft der Universität Leipzig und die Rosa Luxemburg Stiftung (Berlin) der allgemeinen wissenschaftlichen Nutzung zugänglich. Es umfaßt 32 Bestände mit 61 Bänden, insgesamt ca. 15.500 Seiten.30 Dokumentiert werden u.a. folgende Diskussionszusammenhänge: die interdisziplinäre Forschungsgruppe ,,Philosophische und methodologische Probleme der Politischen Ökonomie", die ab 1977 an der Humboldt-Universität tätig war; der Jenaer Arbeitskreis zu Peter Weiss' ,,Ästhetik des Widerstands" - ein Forum insbesondere von Vertretern der jüngeren Generation; die Gruppe um Rolf Reißig an der Akademie für Gesellschaftswissenschaften; das Forschungsprojekt Moderner Sozialismus. Von den jüngeren SED-Reformern existieren Bestände u.a. zu Michael Brie, Rainer Land, Dieter Segert, Rosemarie Will, Jürgen Jünger, Hans-Peter Krüger - sie dokumentieren deren wissenschaftlich-politische Aktivitäten auch über das Forschungsprojekt Moderner Sozialismus hinaus -, zu Siegfried Kost aus Dresden, Wolfgang Frindte und Wolfgang Behlert aus Jena und Bernd Okun aus Leipzig. Das Archiv enthält bisher unbekannte oder unzugängliche Materialien von wissenschaftlich-zeithistorischer Relevanz; z.B. die 1980 nicht zur Publikation freigegebene, mehr als 400seitige Studie von Gerhard Haney ,,Sozialistisches Recht und Wert", den Text von Jürgen Jünger ,,Ökonomische Grundlegung eines modernen Sozialismus" von 1989 und Rosemarie Wills Manuskript ,,Was wir konkret darunter verstehen, wenn wir sagen: Mehr Sozialismus heißt mehr Demokratie", das Anfang November 1989 im Zusammenhang mit der Ausarbeitung eines alternativen Politbüroreferats zur 10. ZK-Tagung entstand.

Reformkonzepte und ihre Differenzen

Die Eigenheiten der gesellschaftskonzeptionellen Vorstellungen von SED-Reformern in den 80er Jahren sollen im folgenden exemplarisch im Vergleich der Positionen von Uwe-Jens Heuer einerseits und des Forschungsprojekts Moderner Sozialismus andererseits dargestellt werden.

,,Marxismus und Demokratie"

In den SED-Debatten der 80er Jahre war Uwe-Jens Heuer einer der herausragenden Vertreter derjenigen Generation, die sich um die Reformbemühungen Mitte der 60er Jahre formiert hatte. Seine Publikationen, insbesondere das 1988 fertiggestellte und 1989 in der DDR wie in der Bundesrepublik veröffentlichte Buch ,,Marxismus und Demokratie", präsentieren ein Konzept notwendiger gesellschaftlicher Veränderungen, dessen Grundgehalt folgendermaßen umrissen werden kann31:

1. Heuer grenzt sich ab von Auffassungen zu Demokratie, Staat und Recht, die die Thematisierung innerer Widersprüchlichkeiten sozialistischer Existenz und Entwicklung ausschließen. Sein Angriff richtet sich insbesondere gegen die mit der Babelsberger Konferenz zur herrschenden Lehre gewordene Theoriekonstruktion Karl Polaks, der, in Abgrenzung gegenüber kapitalistischen Verhältnissen und die kommunistische Utopie als Gegenwart setzend, die Identität von Staat und Volk, Gesellschaft und Individuum postuliert hatte.

2. Weist Heuer die Polaksche Identitätsthese zurück, so leitet er zentrale Funktionen des sozialistischen Staates vom gesellschaftlichen Eigentum ab. Sozialismus ist für ihn an nichtprivateigentümliche Verhältnisse, genauer: an gesamtstaatliches Eigentum gebunden; dem sozialistischen Staat kommt eine unverzichtbare und noch zunehmende wirtschaftsleitende Rolle zu.

3. Die notwendigen gesellschaftlichen Reformen sieht Heuer in der Kontinuität des Projekts der 60er Jahre. Die sich vollziehenden Wandlungen des Wirtschaftsmechanismus in den anderen sozialistischen Staaten und die sie begleitenden Diskussionen erscheinen als Wiederaufnahme der damals abgebrochenen Reformbemühungen und -debatten hinsichtlich einer funktionsfähigen Interessenabstimmung, des Verhältnisses von Plan und Markt und der Rolle von Ware-Geld-Beziehungen. Es gilt, so Heuer, den gesellschaftlichen Reorganisationsprozeß bis in die politisch-rechtliche Sphäre zu treiben, um die Grenzen des früheren Ansatzes zu überschreiten.

4. Heuer entwickelt in ,,Marxismus und Demokratie" seine gesellschaftskonzeptionellen Vorstellungen im Rahmen einer politiktheoretischen Argumentation. Er bestimmt die Beziehung von staatlicher Leitung und demokratischen Bedürfnissen der Individuen, von Volksmassen und eigenem Staat als politischen Grundwiderspruch des Sozialismus und behandelt vier Ebenen einer gesellschaftliche wie individuelle Entwicklung hervorbringenden produktiven Vermittlung. Die in den Ausführungen zur ,,Interessendialektik", zur Rolle von Wissenschaft bei der ,,Assoziierung des Verstandes", zu ,,politischer Kultur" und zum ,,Recht" enthaltenen Reformgedanken sollen hier nur in einigen Schlagworten verdeutlicht werden. Hinsichtlich der Ökonomie spricht er beispielsweise von einer ,,Vielfalt von Subjekten des staatlichen Eigentums" (S. 415), orientiert auf eine ,,stärkere Rolle ökonomischer, indirekter Leitung" (S. 456) und stellt das Problem, ,,in welcher Form das Recht als Vermittlung im Widerspruch zwischen Wirtschaftseinheit und Staatsorganen wirken kann" (S. 456). Ausgehend von der Funktion gesellschaftswissenschaftlicher Forschung im Sozialismus geht es Heuer um ,,Meinungsstreit", ,,Vielfalt - wenn man will Pluralität", ,,öffentliche Auseinandersetzung". ,,Der assoziierte Verstand kann nur ein öffentlicher Verstand sein." (S. 430) Anhand einer breiteren Darstellung von Positionen und Zielstellungen der Perestroika werden die Konturen einer von ,,Meinungspluralismus" (S. 447), ,,der Publizität, der gesellschaftlichen Kontrolle, Kritik und Selbstkritik" (S. 446) geprägten sozialistischen Öffentlichkeit umrissen; zum Zentralpunkt einer neuen politischer Kultur avanciert der Machteinfluß der Individuen: ,,Heute geht es vor allem darum, demokratische Haltungen durch reale Machtausübung zu stärken ... So wie Eigentümerbewußtsein nur der hat, der tatsächlich Subjekt des Eigentums ist, so hat auch nur der Machtbewußtsein, der tatsächlich Macht ausübt." (S. 445)

Die Ausführungen in ,,Marxismus und Demokratie" zum Recht nehmen viele der seinerzeit aktuellen Diskussionsthemen auf; als Zusammenfassung kann eine Vortragspassage Heuers gelten: ,,Die neue Sicht des Rechts, als Instrument des Staates und gleichzeitig als Maß seines Wirkens, ist letztlich auch Ursache dafür, daß in immer mehr sozialistischen Ländern heute vom sozialistischen Rechtsstaat die Rede ist. Menschenrechte, aber auch subjektive Rechte der Wirtschaftseinheiten, Vorrang des Gesetzes, Verbindlichkeit des Rechts für Bürger, Wirtschaftseinheiten und Staatsorgane gleichermaßen, Gewaltenteilung in dem Sinne, wie Marx sie 1848 charakterisierte als ,die profane industrielle Teilung der Arbeit, zur Vereinfachung und Kontrolle angewandt auf den Staatsmechanismus` sind dem Sozialismus nichts Fremdes, von außen Aufgezwungenes, sondern notwendige Ausdrucksform nicht der Widersprüche des Privateigentums, sondern der Widersprüche des sozialistischen Eigentums."32

Überschaut man die Heuerschen Vorstellungen im ganzen, wird deutlich, daß er versucht, gesellschaftliches Eigentum und politische Demokratisierung zusammenzudenken. Dieses sozialismuskonzeptionelle Paradigma hatte gegenüber den monolithischen Gesellschaftsstrukturen wie deren dogmatischer Reflexion in Parteiideologie und Gesellschaftswissenschaften beachtliche Sprengkraft. Insbesondere die Gedanken zur politischen Reformierung trieben in ihrem impliziten Gehalt noch über die Grenzen des eigenen Ansatzes hinaus, was auch daran zu erkennen ist, daß der Platz und die Rolle der Partei in ,,Marxismus und Demokratie" keineswegs nur aus politisch-pragmatischen Gründen nicht ausführlicher zur Behandlung kommen. Im von uns durchgeführten Gespräch deckte Heuer dies als theoretische Leerstelle auf: ,,Ich muß auch sagen, daß, wenn ich über diesen Sozialismus nachdachte, nie wußte, was ich mit der Partei anfangen sollte. Ich hatte ja eigentlich vor, in ,Marxismus und Demokratie` ein Kapitel über die Partei zu schreiben. Aber ich habe das dann nicht gemacht, weil ich mir nicht darüber klar war. Ich habe natürlich ein bißchen dazu geschrieben, etwas von Gorbatschow genommen. ... Wenn man eine Gesellschaft will, die den Einzelnen nicht mehr in den Marktmechanismus zwingt - wie wird die Gesellschaft dann in sich verbunden? Ich hatte das damals nicht lösen können, deswegen habe ich auch auf das Kapitel über die Partei verzichtet. Weil ich nicht nur sagen wollte, daß es in der Partei nett und ordentlich zugehen muß. Und das ist mir nach wie vor nicht klar. Ich weiß auch nicht, ob man das theoretisch beantworten kann."33

,,Moderner Sozialismus"

Das Forschungsprojekt Moderner Sozialismus formierte sich 1988 als Kommunikationskreis von jüngeren SED-Reformern. Wie bereits in der von ihnen vorgenommenen Selbstetikettierung34 sichtbar wird - urspünglich lautete der Projekttitel allgemein und unspezifisch ,,Grundlagen der Sozialismustheorie"35 -, zielte ihr Denken auf eine Verbindung von sozialistischer Emanzipation und Moderne. Die dabei bis Oktober 1989 entwickelten und damals nur intern publizierten gesellschaftskonzeptionellen Ansätze lassen sich folgendermaßen zusammenfassen:

1. Das den bisherigen Sozialismus charakterisierende Grundmodell der Ordnung gesellschaftlicher Bereiche, Verhältnisse und Subjekte hat seine Leistungskraft grundsätzlich erschöpft. Es bestand, so Michael Brie, in der Vorstellung vom Sozialismus als einem Monosubjekt, der administrativen Bindung aller gesellschaftlichen Subjekte an die Gesamtgesellschaft in ihrer staatlichen Form, der Hypersynchronisation gesellschaftlicher Teilbereiche über die Macht des Partei-Staates. Die Durchsetzung und nach wie vor gegebene Geltung dieses veralteten Sozialismusparadigmas haben in Stagnation und Krise geführt, es ist neu nach den Bedingungen von Emanzipation und Entwicklung zu fragen.

2. Die Thematisierung der Bedingungen von gesamtgesellschaftlicher und individueller Entwicklungsfähigkeit erfolgt bei den jüngeren SED-Reformern unter Aufnahme von nichtmarxistischen Theorieansätzen und mit einem insbesondere modernetheoretischen Zugriff. Zentralpunkt ist einerseits die Herausstellung allgemeiner, Sozialismus wie Kapitalismus übergreifender Strukturformen. Autonomie der Subjekte, Verselbständigung der gesellschaftlichen Teilbereiche von Wirtschaft, Politik, Wissenschaft und Kultur, deren interne Strukturierung gemäß ihrem je besonderen Wettbewerbsmodus gelten als allgemeine Charakteristika der Moderne. Andererseits ist die sozialistisch-emanzipatorische Perspektive zu wahren. Auf der Ebene des Nachdenkens in gesamtgesellschaftlichen Dimensionen vermitteln die jüngeren SED-Reformer Moderne und Sozialismus u.a. über den Begriff der Assoziation und die Fassung von Entwicklung als Ko-Evolution von Subjekten. Die ambitionierteste Theoriekonstruktion entwirft Hans-Peter Krüger.36 Er unterscheidet zwischen wirtschaftlicher, politischer und kultureller Evolution und bestimmt deren je besondere interne Wettbewerbsstruktur. Im Ökonomischen wird hier auf das Agieren von selbständigen Produktionseinheiten um den Zusatzgewinn von Innovationen abgestellt, im Politischen auf die Erreichung von Hegemonie in den Formen von demokratischer Gewaltenteilung und Öffentlichkeit, im Kulturellen auf die argumentative Auseinandersetzung um objektive Wahrheit, intersubjektive Richtigkeit und subjektiv überzeugende Sinngebung. Emanzipatorische Entwicklung wird, so Krüger, zunächst dadurch verfehlt, daß die je spezifischen Evolutionsstrukturen negiert werden - wie das im bisherigen Sozialismus und im Paradigma des Monosubjekts geschah. Darüber hinaus jedoch sind Dominanzverhältnisse bedeutsam. Der gesellschaftliche Gesamtzusammenhang konstituierte sich im klassischen Kapitalismus über die formationsbildende Kraft der Ökonomie. Insoweit deren monetäre Verkehrsformen und gewinnorientierte Rationalitätskalküle nach wie vor der wesentlichste Integrationsmodus bürgerlicher Gesellschaften sind, ökonomische Evolution die politische und kulturelle dominiert, kann von kapitalistischen Gesellschaften gesprochen werden. Ein neuer Sozialismus wäre dadurch charakterisiert, daß die argumentativ erarbeiteten Inhalte von Kultur gegenüber den politischen und ökonomischen Handlungs- und Evolutionszusammenhängen - ohne deren subsystemspezifische Eigenheiten zu brechen - Dominanz gewinnen, das kulturelle System in diesem Sinne zum evolutionär führenden wird.

3. Ähnlich wie in Krügers Theoriekonstruktion werden mit den Thesen von gesellschaftlicher Assoziation und ko-evolutionärer Subjektentwicklung die Notwendigkeiten politischer Reformierung realsozialistischer Verhältnisse in hochabstrakter Weise angesprochen. In unterschiedlicher Akzentsetzung finden sich bei den jüngeren SED-Reformern aber auch Ansätze, die Zukunftsgestalt von Politik und Recht als solche theoretisch zu erörtern. Michael Brie37 stellt die Konturen der herzustellenden Öffentlichkeit in den Mittelpunkt seiner Überlegungen. In ihr sollen die Artikulation der je besonderen Interessen der mannigfaltigen Subjekte, deren politische Repräsentation durch Parteien und Organisationen, ein öffentliches wissenschaftliches Leben möglich werden. Dieter Segert orientiert auf die Einbettung des Staates in die politische Gesellschaft und bestimmt deren Stärkung als die Hauptlinie der Neugestaltung politischer Macht im Sozialismus.38 Zentral ist für ihn die Setzung der Individuen als politischer Akteure, deren Handlungsfähigkeit rechtlicher Garantien wie institutioneller Grundlagen bedarf. Hier werden u.a. politische Menschenrechte, Interessenorganisationen und Massenmedien angesprochen. Rosemarie Will schließlich nimmt das apologetisch gemeinte Aufnehmen des Rechtsstaatsbegriffs durch die SED-Führung zum Anlaß, um deutlich zu machen, daß Rechtsstaatlichkeit gemäß ihrer Kantschen Begründung auch Freiheit gegenüber dem Staat und Gewaltenteilung bedeutet.39 Recht, so wird betont, hat die Unterordnung des Staates unter die sozialistische Gesellschaft zu garantieren, ist auch Maß der Politik. Werden so die dogmatischen Auffassungen von der staatlichen Gewalteneinheit, vom Recht als Instrument der Arbeiterklasse und ihrer Partei zurückgewiesen, erscheint der Ausbau subjektiver Rechte und ihrer gerichtlichen Verfahrensgarantien als unmittelbar anstehende Aufgabe.

4. Den Zugang zur Konzeptualisierung ökonomischer Reformen suchen die jüngeren SED-Reformer nicht über eine Diskussion der Eigentumsproblematik, sondern über die Frage nach den Bedingungen, die sozial progressive Innovativität ermöglichen. Entwicklungstheoretische Denkmodelle und Terminologie aufnehmend, bindet Rainer Land40 Kreation von Innovationen an die Reproduktionsnotwendigkeiten und Entwicklungsinteressen ökonomischer Subjekte. Ist damit die Autonomie von Wirtschaftseinheiten und deren Agieren gemäß Rentabilitätskriterien und Gewinnerwartung gesetzt, so bedarf die Gewährleistung sozialer Progressivität der Selektion von Innovationen. Zum zu beeinflussenden Kernprozeß gerät so die Entscheidung über betriebliche Innovationsstrategien, dazu werden mit Wirtschafts- und Sozialräten neuartige Institutionen vorgeschlagen. In ihnen sollen die Vertreter von Verbrauchern, Kommunen, Ökologieorganisationen ihre jeweils spezifischen außerökonomischen Interessen und Maßstäbe zur Geltung bringen. In einem Text, der zwar erst Ende Oktober/Anfang November 1989 geschrieben wurde, inhaltlich jedoch die vormalige Gedankenentwicklung zusammenfaßt, formulieren Brie und Land: ,,Der Versuch, eine den Bedürfnissen der Menschen und ihrer Entwicklung entsprechende Wirtschaftsregulierung durch zentralistische staatliche Mittel durchzusetzen, ist nicht gelungen. Die Alternative - Marktsteuerung ohne bewußte Gestaltung wirtschaftlicher Entwicklung - ist aber ebenso problematisch. Uns erscheint daher ein Konzept für bedenkenswert, bei dem die Unterordnung aller Wirtschaftssubjekte unter die Zentrale ersetzt wird durch die Bindung aller Wirtschaftssubjekte ... an die Gesellschaft. ... Bindung an die Gesellschaft heißt dabei Bindung an die Individuen und ihre Lebensbedürfnisse, die durch entsprechende Interessenorganisationen repräsentiert werden müssen: Gewerkschaften, Umweltorganisationen, Verbraucher- und Konsumentenorganisationen und andere mehr. Ist eine solche demokratische Form der Wahrnehmung der Eigentümerfunktion gegeben, so kann Selbständigkeit der Wirtschaftssubjekte nicht mehr dazu führen, daß sie Strategien verfolgen, die ausschließlich auf die Wirtschaftsentwicklung gerichtet sind, diese gemäß dem Profitprinzip gestalten. ... In der Herstellung demokratischer Rückkopplungen zwischen Wirtschaft und assoziierten Individuen scheint uns heute der Weg zu einem Wirtschaftssystem zu liegen, das Innovativität, Effektivität und soziale Progressivität verbindet, der Weg, der mit globalen Erfordernissen und progressiven Tendenzen und Kräften im modernen Kapitalismus korrespondiert."41

Bereits in dieser kurzen Darstellung wird exemplarisch deutlich, daß sich in den SED-Reformdebatten der 80er Jahre die unterschiedlichen Generationen mit paradigmatisch letztlich differenten sozialismuskonzeptionellen Vorstellungen äußerten. Doch standen sowohl das Konzept einer Verbindung von gesellschaftlichem Eigentum und politischer Demokratie als auch das einer sozialistischen Moderne quer zur gegebenen gesellschaftlichen Praxis und dogmatisierten Ideologie. Beide Reformer-Generationen haben so zur Delegitimierung des kommunistischen Herrschaftssystems beigetragen.

Auffällig ist, daß sich die damals artikulierten konkreteren Vorstellungen zur politischen Reform recht nahekommen. Dies scheint einerseits darin begründet, daß die hinreichend präzise Formulierung der anzustrebenden Inhalte - Aufhebung der führenden Rolle der Partei, Trennung von Partei- und Staatsapparat, Etablierung eines pluralistischen Parteien- und konkurrenzdemokratischen Wahlsystems, juristisch einklagbare Grundrechte - vor dem Oktober 1989 aus strukturellen Gründen unmöglich war, im Rahmen legalen Handelns nicht kommunizierbar schien. Insofern können die Vertreter der jüngeren Generation hier gebremst gewesen sein, ihre Positionen auch im Kontrast zu denen ihrer Lehrer zu entwickeln. Andererseits wohnt der Theorie und Praxis politischer Reformierung eine eigenständige, geradezu zwanghafte Dynamik inne. Auch die älteren SED-Reformer haben nach dem Oktober 1989 recht schnell die genannten Fixpunkte akzeptiert und zu den ihren erklärt. Anders stellt sich dies hinsichtlich der ökonomischen Reform dar.

Die Bedeutung der Eigentumsproblematik war und ist der eigentliche Differenzpunkt zwischen den Generationen. An der Frage der Vereinbarkeit von Kapitalverwertung und Emanzipation machen sich auch die langwierigen Auseinandersetzungen in der PDS um die Gegenwartsdeutung fest; hier stehen sich u.a. Uwe-Jens Heuer, der sich nunmehr im ,,Marxistischen Forum" verortet, und Michael Brie als Mitautor des Kommentars zum aktuellen Parteiprogramm gegenüber.42 Immerhin haben die im August 1999 von Gregor Gysi veröffentlichten Thesen ,,Gerechtigkeit ist modern" in Terminologie und Inhalt das Paradigma einer sozialistischen Moderne aufgenommen. Dessen Ausgangspunkte liegen im SED-Reformdiskurs der 80er Jahre.

Anmerkungen

1 Erik Durschmied: Der Hinge-Faktor. Wie Zufall und Dummheit Weltgeschichte schreiben, Frechen: Komet Verlag o.J., S. 232.

2 Denis Diderot: Gedanken zur Interpretation der Natur, in: Denis Diderot: Philosophische Schriften. Erster Band, Berlin: Aufbau-Verlag 1961, S. 454.

3 Die Begriffsverwendung erfolgt hier in Anlehnung an Peter Ruben; siehe u.a. seinen Aufsatz ,,10 Jahre danach. Bemerkungen zu ,Später Aufbruch - Frühes Ende`" in: Berliner Debatte INITIAL 11 (2000) 2, S. 18-30.

4 Ausführlicher dazu: Erhard Crome/ Jochen Franzke: Paradigmenwechsel in der Außenpolitik in Osteuropa, in: Osteuropa in Tradition und Wandel, Heft 4, Leipzig 1997, S. 7-44, Zitat S. 10.

5 Für die Problematik aus deutscher Sicht siehe: Klaus Kinner: Der deutsche Kommunismus. Selbstverständnis und Realität, Band 1: Die Weimarer Zeit, Berlin: Karl Dietz Verlag 1999.

6 So auch im Ungarn Kádárs etwa mit den Parteiausschlüssen der Soziologen András Hegedüs, Ágnes Heller u.a. im Jahre 1973 oder in der DDR noch 1980 mit der ,,Affäre Ruben". Siehe: Hans-Christoph Rauh: Gefesselter Widerspruch: Die Affäre um Peter Ruben, Berlin: Dietz Verlag 1991.

7 Stefan Wolle: Die heile Welt der Diktatur, Berlin: Ch. Links Verlag 1998, S. 340.

8 Sigrid Meuschel: Legitimation und Parteiherrschaft in der DDR, Frankfurt am Main: Suhrkamp Verlag 1992, S. 324.

9 Ehrhart Neubert: Geschichte der Opposition in der DDR 1949-1989, Berlin: Ch. Links Verlag 1997, S. 871/872.

10 Eberhard Czichon/ Heinz Marohn: Das Geschenk. Die DDR im Perestroika-Ausverkauf, Köln: PapyRossa Verlag 1999, S. 173, 332.

11 Vgl. Dirk Rochtus: Zwischen Realität und Utopie. Das Konzept des ,,dritten Weges" in der DDR 1989/90, Leipzig: Universitätsverlag 1999.

12 Walter Süß: Staatssicherheit am Ende. Warum es den Mächtigen nicht gelang, 1989 eine Revolution zu verhindern, Berlin: Ch. Links Verlag 1999, S. 479/480.

13 Neben Süß siehe auch: Stefan Bollinger: 1989 - eine abgebrochene Revolution. Verbaute Wege nicht nur zu einer besseren DDR?, Berlin 1999.

14 Die wissenschaftliche Produktivität eines solchen Ansatzes bewies jüngst Eva Sturm: ,,Und der Zukunft zugewandt"? Eine Untersuchung zur ,,Politikfähigkeit" der PDS, Opladen: Leske + Budrich 2000.

15 Wir verwenden hier bewußt einen Terminus, den Lenin für sein Schreiben unter den Bedingungen der zaristischen Zensur benutzt hatte.

16 Zitiert nach: Volker Gransow / Konrad H. Jarausch (Hg.): Die deutsche Vereinigung. Dokumente zu Bürgerbewegung, Annäherung und Beitritt, Köln: Verlag Wissenschaft und Politik 1991, S. 89.

17 Frankfurter Allgemeine Zeitung, 15. Februar 2000, S. 53.

18 Juan J. Linz: Totalitäre und autoritäre Regime. Potsdamer Textbücher 4, Berlin: Berliner Debatte Wissenschaftsverlag 2000, S. V.

19 Ebenda, S. VI.

20 Ebenda, S. 25.

21 Ebenda, S. XXXV.

22 Rainer Land: Reformbewegungen in der SED in den 80er Jahren. Möglichkeiten und Grenzen, in: Detlef Pollack / Dieter Rink (Hg.): Zwischen Verweigerung und Opposition. Politischer Protest in der DDR 1970-1989, Frankfurt a.M./New York: Campus Verlag 1997, S. 129/130.

23 Ebenda, S. 131.

24 Ebenda.

25 Zu diesem analytischen Konzept siehe: Paul Kennedy: Aufstieg und Fall der großen Mächte. Ökonomischer Wandel und militärischer Konflikt von 1500 bis 2000, Frankfurt am Main: S. Fischer Verlag 1989.

26 Linz, a.a.O., S. VIII/IX.

27 Vgl. Wojciech Jaruzelski: Hinter den Türen der Macht. Der Anfang vom Ende einer Herrschaft, Leipzig: Militzke Verlag 1996, S. 72.

28 Vgl. Heinrich Heine: Zur Geschichte der Religion und Philosophie in Deutschland, Leipzig: Reclam Verlag 1970.

29 Vgl. Erhard Crome/ Lutz Kirschner/ Rainer Land: Der SED-Reformdiskurs der achtziger Jahre. Dokumentation und Rekonstruktion kommunikativer Netzwerke und zeitlicher Abläufe. Analyse der Spezifik und der Differenzen zu anderen Reformdiskursen der SED, Abschlußbericht zum DFG-Projekt, 1999. Die folgenden Ausführungen fußen auf den Ergebnissen dieses Projektes.

30 Das Verzeichnis der Bestände und Materialien des Archivs ist einsehbar über: http://berlinerdebatte.sireco.de/projekte/SED/SED.htm.

31 Die Darstellung stützt sich - neben Uwe-Jens Heuer: Marxismus und Demokratie, Berlin: Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik 1989 - auf vielfältige Vortrags- und Aufsatzveröffentlichungen des Autors. Vgl. u.a.: Uwe-Jens Heuer: Überlegungen zur sozialistischen Demokratie, Sitzungsberichte der Akademie der Wissenschaften der DDR 1986 Nr. 7/G, Berlin: Akademie-Verlag 1987; Deres.: Die Verfassung der DDR und die effektive Nutzung des sozialistischen Eigentums, in: Staat und Recht 38 (1989) 6, S. 503-511; Ders.: Eigentum und Recht im gegenwärtigen Sozialismus, in: Wolfgang Hoffmann-Riem u.a. (Hg.): Rechtssoziologie in der Deutschen Demokratischen Republik und in der Bundesrepublik Deutschland, Baden-Baden: Nomos Verlagsgesellschaft 1990, S. 115-125.

32 Uwe-Jens Heuer: Eigentum und Recht im gegenwärtigen Sozialismus, S. 124.

33 Gespräch mit Uwe-Jens Heuer vom 21.5.1997, Zeilen 690-702, in: Archiv ,,Der SED-Reformdiskurs der achtziger Jahre", Bestand Heuer, Band 1.

34 Vgl. Forschungsprojekt ,,Philosophische Grundlagen der Erarbeitung einer Konzeption des modernen Sozialismus": Materialien der Eröffnungsberatung November 1988, Berlin: Humboldt-Universität 1989.

35 Vgl. Michael Brie, Rainer Land, Dieter Segert: Vorbereitungskonzeption des Projekts ,,Grundlagen der Sozialismustheorie. Internationale Diskussion und konzeptionelle Ausarbeitung", Juni 1988 (unveröffentlicht), in: Archiv, Bestand Forschungsprojekt Moderner Sozialismus, Band 1.

36 Hans-Peter Krüger: Die kapitalistische Gesellschaft als die erste moderne Gesellschaft, in: Forschungsprojekt: Materialien der Eröffnungsberatung, S. 94-123.

37 Michael Brie: Die Erarbeitung einer Konzeption des modernen Sozialismus, in: ebenda, bes. S. 51-53. Siehe auch die Materialien im Archiv, Bestand Michael Brie, Band 2: Sozialistische Öffentlichkeit - Entfaltungsform der Bewußtheit (Schreibmaschinenmanuskript, unveröffentlicht); Sozialistische Öffentlichkeit - Entfaltungsform der Bewußtheit (Computermanuskript, unveröffentlicht); Sozialistische Öffentlichkeit - Entfaltungsform der Bewußtheit. Öffentlichkeit - Modewort oder wissenschaftliche Kategorie? (Computermanuskript, unveröffentlicht); Sozialismusgestaltung und Öffentlichkeit (Computermanuskript, unveröffentlicht).

38 Dieter Segert: Einige Grundprobleme einer politischen Theorie des modernen Sozialismus, in: Forschungsprojekt: Materialien der Eröffnungsberatung, S. 75-93.

39 Rosemarie Will: Rechtsstaatlichkeit als Moment demokratischer politischer Machtausübung, in: DZfPh 37 (1989) 9, S. 801-812.

40 Rainer Land: Die sozialökonomische Seite der Konzeption der entwickelten sozialistischen Gesellschaft und ihre Weiterentwicklung, in: Forschungsprojekt: Materialien der Eröffnungsberatung, S. 57-74; Rainer Land: Mögliche wissenschaftliche Orientierungen für die weitere Strategiediskussion, in: Humboldt-Universität zu Berlin, Forschungsprojekt Sozialismustheorie, Sektion Philosophie: Studie. Überlegungen zu Problemen und Perspektiven des gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Wandels des Sozialismus und der Weiterentwicklung gesellschaftsstrategischer Konzeptionen der DDR und anderer sozialistischer Staaten des RGW, Juli 1989 (Manuskriptfassung), in: Archiv, Bestand Forschungsprojekt Moderner Sozialismus, Band 1.

41 Michael Brie / Rainer Land: Aspekte der Krise - Wege der Lösung, in: Einheit Heft 12/1989, S. 1088/1089.

42 Vgl. Zur Programmatik der Partei des Demokratischen Sozialismus. Ein Kommentar, Berlin: Dietz Verl. 1997; U.-J. Heuer: Der modernisierte Marx. Kommentar zu einem Kommentar: Braucht die PDS ein neues Programm?, in: Neues Deutschland vom 24./25.05.1997, S. 14.

Erhard Crome, Dr. habil., Politikwissenschaftler, Universität Potsdam

Lutz Kirschner, Dr., Soziologe, GSFP Berlin