Halbzeit! - Eine friedenspolitische Zwischenbilanz

Zwei Jahre Rot-Grün

Nach 16 Jahren Kohl eine neue Regierung. Erstmals wurde Rot-Grün auf Bundesebene möglich und tatsächlich auch realisiert.

Verständlich die Hoffnungen auf einen Politikwechsel:

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Auf ein Ende der Umverteilung von unten nach oben - auf mehr soziale
Gerechtigkeit,

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auf Verbesserungen im Bildungswesen - auf mehr Chancengleichheit
statt Studiengebühren,

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auf eine Außen- und Sicherheitspolitik, die sich aus den Fängen des
militärischen Denkens löst, die auf zivile Konfliktlösung, Verständigung
und Ausgleich setzt,

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auf eine deutliche Abkehr von der in weiten Bereichen
ausländerfeindlichen Politik der schwarz-gelben Regierung,

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auf einen schnellen Ausstieg aus der Atomkraft und eine umfassende
Förderung des Umweltschutzes ...

Tatsächlich ließen die Regierungserklärung und erste Schritte - wie die
Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, die Debatten um die Besteuerung der
Gewinne aus dem Aktienhandel, die Wiedereinführung der
Vermögenssteuer, die Einführung einer Ökosteuer, den schnellen
Atomausstieg, die doppelte Staatsbürgerschaft oder zumindest die
erleichterte Einbürgerung - die Hoffnungen weiter keimen.

Doch leider nicht lange! Dann

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verschwanden Wahlversprechen kommentarlos in der Versenkung, wie
die Wiedereinführung der Vermögenssteuer,

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wurde die Sozial- und Wirtschaftspolitik wieder dem angeblich
"Machbaren" untergeordnet und die alte Politik der Umverteilung von
unten nach oben fortgesetzt,

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machte der Umweltminister beim Atomausstieg seinen Salto mortale
rückwärts und sah zu, wie die Ökosteuer zweckentfremdet wird,

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beteiligte sich die rot-grüne Bundesregierung an dem völkerrechts- und
verfassungswidrigen Krieg der NATO gegen Jugoslawien.

Die Enttäuschung war allerorten zu spüren und die Wahlniederlagen
machten sie auch für die Regierenden spürbar.

Zur Halbzeit hat sich Rot-Grün wieder erholt:

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Auf Grund günstiger ökonomischer Faktoren. Steigende Exporte,
sinkende Arbeitslosenzahlen und das 100 Mrd. Geschenk aus der
UMTS-Versteigerung vergrößern den Spielraum und bringen positive
Schlagzeilen.

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In Folge einer skandalgeschüttelten Oppositionspartei, die ausreichend
damit beschäftigt ist, nicht noch weiter im Schwarzgeldsumpf zu
versinken.

Aber wie groß ist die Eigenleistung? Wie sieht die Bilanz nach zwei Jahren
Rot-Grün aus? Hoffnungen sind oft trügerisch, illusorisch, aber was wurde
aus den Ankündigungen der ersten Regierungstage, der
Regierungsvereinbarung, aus den Versprechen der Wahlprogramme? Wie
kann eine Politik aussehen, die tatsächlich mehr soziale Gerechtigkeit bringt
(im Inneren wie auch international gesehen), die sich aus der Militär
gestützten Machtpolitik verabschiedet, die die Zukunft der nächsten
Generationen im Blick hat - also zukunftsfähig ist.

Auf dem Berliner "HalbZeit-Kongress" treffen sich VertreterInnen aus dem
gewerkschaftlichen Bereich, aus Friedens- und Umweltinitiativen,
Jugendorganisationen und aus der Politik um zu bilanzieren und Vorschläge
für eine andere Politik diskutieren. Mit dem vorliegenden Dossier möchte
Wissenschaft & Frieden dazu seinen Beitrag aus friedenspolitischer Sicht
leisten.

Jürgen Nieth, Redakteur von Wissenschaft und Frieden

E-Mail: w-u-f@t-online.de