IWF senkt Wachstumsprognosen für die Globalökonomie

Die weltweite Konjunktur verliert nach Ansicht des Internationalen Währungsfonds (IWF) an Fahrt. Noch etwas stärker als die globale Wirtschaft, bekommt die Exportnation Deutschland die Abkühlung zu spüren.

Zwar wird die Weltwirtschaft das Anfang des Jahres prognostizierte Wachstumstempo des Jahres 2017 halten. »Zugleich ist die Expansion aber unausgewogener geworden und dürfte in einigen wichtigen Volkswirtschaften den Höhepunkt überschritten haben.« Die Wahrscheinlichkeit weiterer negativer Schocks sei gestiegen.

Der Boom der Weltwirtschaft laufe aus. Die Prognose von 3,9% Wachstum für 2018 und 2019 sei nicht mehr zu halten, kündigt die IWF-Chefin Lagarde an. Die größte Belastung für die Weltwirtschaft sind nach Ansicht des IWF die derzeit schwelenden Handelskonflikte – allen voran der Streit zwischen den führenden Volkswirtschaften USA und China. Hinzu kämen Unsicherheiten wie der Brexit oder die Folgen der Zinswende in den Vereinigten Staaten für viele Schwellenländer.

Nach Einschätzung des IWF sind die USA ein potenzieller Krisenherd: Bisher wachsen die USA stark, gestützt durch eine prozyklische wirtschaftspolitische Expansion und noch immer lockere finanzielle Bedingungen. Das könne aber zum Risiko werden. Die staatlichen Spritzen für die US-Wirtschaft sind größtenteils über Schulden finanziert. »Das Wirtschaftswachstum in den Vereinigten Staaten, gestützt von einem prozyklischen Fiskalpaket, geht mit einer robusten Geschwindigkeit weiter und treibt die Zinsen in Amerika nach oben.«

Der Handelsstreit zwischen den Wirtschaftsgroßmächten, der natürlich auch Lieferketten und Preise in und zwischen anderen Ländern beeinflusst, ist der wesentliche Grund, warum die IWF-Experten vorsichtiger geworden sind. Sie sagen nun etwas weniger Wirtschaftswachstum auf der Welt vorher als noch vor sechs Monaten.

Das Wachstum in den Entwicklungs- und Schwellenländern ist zwar noch auf hohem Niveau. Aber die internationale Kapitalbewegung in Richtung USA zeigt schon erste Wirkungen. Argentinien ist bereits akuter Problemfall beim IWF und die Türkei ist in schwierigeres Fahrwasser geraten. In Italien haben die internationalen Anleger schon deutlich reagiert und in gesunkenen Anleihekursen ausgedrückt, dass sie über die künftige Entwicklung beunruhigt sind. Auch abgesehen von der Zinsbewegung und der Kapitalbewegung gibt der Schuldenstand zu denken. Die Schulden von privaten und öffentlichen Haushalten sind auf ein Rekordniveau gewachsen. Mit 182 Bio. US-Dollar stehen sie weltweit in der Kreide. Das sind rund 60% mehr als noch vor der Finanzkrise im Jahr 2007.

»Diese Häufung macht Regierungen und Unternehmen anfälliger für eine Straffung der geldpolitischen Bedingungen«, sagt Lagarde. Sie spricht von der Gefahr einer »zweiten großen Depression«, weil sich Regierungen und Regulierungsbehörden nicht zu strengeren Spielregeln für die Märkte durchringen können. In den USA lockert Trump gerade die Zügel, die sein Vorgänger Barack Obama nach der Finanzkrise angelegt hatte.

Nötig seien Reformen, »kooperative Lösungen« und die Vermeidung von protektionistischen Reaktionen, erklärte der IWF. In vielen Ländern sei es zudem erforderlich, Finanzpuffer zu schaffen und so die eigene Widerstandsfähigkeit gegenüber einem Umfeld zu gewährleisten, in dem sich die finanziellen Bedingungen »plötzlich« verschärfen könnten.

Für die Bundesrepublik sagt der IWF in seiner aktuellen Prognose ein Wachstum des Bruttoinlandsprodukts (BIP) um 1,6% sowohl in diesem als auch im kommenden Jahr voraus. Im Vergleich zu seinem Ausblick vom April ist das ein Rückgang um 0,6 bzw. 0,1 Prozentpunkte. Gründe dafür seien ein sich abkühlendes Exportgeschäft und eine schwächere Industrieproduktion, heißt es.

 

Unruhe im internationalen Finanzcasino

Der IWF warnt zugleich vor möglichen Turbulenzen an den internationalen Finanzmärkten. Eine Eskalation der Handelskonflikte und wachsende geopolitische Risiken könnten zu abrupten Einbrüchen führen, heißt es im veröffentlichten Finanzstabilitätsbericht. In der Folge könnten sich die Finanzierungsbedingungen verschlechtern.

Eine Reihe von Schwellenländern hätten schon jetzt Schwierigkeiten eine Re-Finanzierung ihrer Dollarkredite zu beschaffen. Als Folge gebe es weltweit bereits moderate Belastungen für die Finanzstabilität. Auf mittlere Sicht könnten die Risiken noch zunehmen. Länder wie die Türkei oder Argentinien sind zuletzt unter starken Druck geraten. Viele Unternehmen und Verbraucher haben sich dort in US-Dollar verschuldet und leiden nun unter den erheblich schlechteren Wechselkursen.

Der IWF ermutigte die Entwicklungs- und Schwellenländer, finanzielle Puffer gegen aufkommende Risiken zu bilden. Die größte Gefahr sei der starke US-Dollar mit schnell anziehenden Zinsen in den USA, die zu Kapitalabflüssen aus Schwellenländern führen könnten. Die US-Notenbank Federal Reserve könnte Ende des Jahres den vierten Zinsschritt in diesem Jahr unternehmen.

Ein großes Problem auch für Industrieländer ist zweifellos der hohe Schuldenstand, vor allem außerhalb des Bankensektors. »Das Niveau an Schulden, die Haushalte, Unternehmen und Staaten halten, ist hoch und es steigt weiter.« Es zähle jedoch nicht nur, wie viel Schulden ein Land habe, sondern auch, was auf der Habenseite der Bilanz stehe, sagte IWF-Direktor Vitor Gaspar, der am Mittwoch den Bericht zur Fiskalpolitik vorstellte. Es gebe großen Spielraum für Staaten, ihre Guthaben besser zu managen. »Regierungen könnten drei Prozent der Wirtschaftsleistung an Einnahmen heben«, sagte Gaspar.

Auch ein Richtungswechsel in der Geldpolitik sei ein Risiko für die Weltwirtschaft, schreibt der IWF. In den USA und Großbritannien steigen die Zinsen bereits wieder, in der Euro-Zone könnte die EZB nach dem Sommer 2019 aktiv werden. Das kann dem Währungsfonds zufolge Schwachstellen aufdecken, die zuletzt von den niedrigen Zinsen kaschiert wurden. Die Bilanzen der Banken hätten sich zwar verbessert. Es blieben aber Schwächen, etwa im Euro-Raum, China, Japan und Großbritannien.

Dass die Ökonomen des Währungsfonds in Übereinstimmung mit der Weltbank und der OECD aktuell weniger zuversichtlich sind für die wirtschaftliche Entwicklung auf der Welt als noch vor einem Jahr, ist angesichts der Tendenzen wenig überraschend. Es bleibt allerdings auch festzuhalten, dass die vorgetragenen Risiken die Akteure sicherlich nicht zu einem moderateren Umgang veranlassen werden. Die internationalen Regeln werden weniger geachtet – das Recht des Stärkeren ersetzt zunehmend globale Spielregeln. Zu viele Bürger*innen fühlen sich als Globalisierungsverlierer – die Ära großer Freihandelsabkommen scheint an ein Ende zu kommen. Und die Folgen der dominierenden Konflikte werden wie bisher die breiten Schichten tragen müssen.

Der IWF weist zu Recht auf die in den vergangenen Monaten gewachsenen globalen Risiken hin. Der wichtigste Grund für den zunehmenden Pessimismus sind die Handelskonflikte, die insbesondere in den USA und in China das Wachstumstempo bremsen. Zudem ziehen viele Investoren Kapital aus Schwellenländern ab. Beunruhigend ist aber vor allem, dass angesichts der fragileren Konjunkturlage letztlich zu wenig Puffer geschaffen worden sind, um auf Verwerfungen und Schocks reagieren zu können.

Der Motor der Weltwirtschaft läuft in der zweiten Hälfte 2018 nicht mehr rund. Das Wachstum ist also global weniger synchron. In den USA ist die Dynamik ungebrochen: Die Arbeitslosenquote liegt mit 4% so niedrig wie seit 20 Jahren nicht mehr. Die Erwerbsbeteiligung steigt leicht an. Das milliardenschwere Ausgabenprogramm (Militär und innere Sicherheit) sowie die große Steuerentlastung treiben die gesamtwirtschaftliche Nachfrage. Auch in China unterstützen die staatlichen Ausgabenprogramme das Wachstum. Dagegen schwächelt das Wachstum in der Eurozone, in Japan und in Großbritannien.

Der geringer synchronisierte globale Aufschwung zeigt in Teilbereichen klare Schwächen: Während es einigen Ländern gutgeht, zeigen etwa die Schwellenmärkte deutliche Abschwächungssymptome. Außerdem wachsen die Risiken eines Umschlages durch die Gefahr eines Handelskriegs. Die Spannungen zwischen den USA und China nicht nur beim Handel, sondern auch in Bezug auf den Technologietransfer und die ausländischen Direktinvestitionen werden eskalieren.

Etliche Unternehmen leiden unter der Störung der globalen Wertschöpfungsketten. Das Vertrauen der Konsument*innen schwindet, weil die Güterpreise steigen. Und es gibt eine Wirkung auf die Finanzmärkte. Wann immer US-Präsident Trump das Thema Handelsungleichwichte eskalierte, zeigten die Wertpapiermärkte Schwächen. Falls der Handelskonflikt zwischen den USA sowie Europa und China eskaliert, droht eine deutlichere Korrektur der US-Börse und ein größerer globaler Effekt auf die Finanzmärkte und die Realwirtschaft.