Lampedusa in Berlin: (Im)Mobilität innerhalb des europäischen Grenzregimes

In diesem Beitrag analysieren wir die Situation von Geflüchteten in Europa anhand des Begriffes der Mobilität: Insbesondere konzentrieren wir uns auf die „Zweitbewegungen“ von Geflüchteten innerhalb Europas.

Keywords: Borders, mobility, forced migrants, everyday practices, Europe

Schlagwörter: Grenzen, Mobilität, Geflüchtete, Alltagspraktiken, Europa

„Ah, ihr kommt auch aus Italien?! Ich bin romano, und woher kommt ihr? […] Ich bin 60 % Afrikaner, 30 % italiano, romano! Und 10 % Deutscher … aus Berlin!“ (teilnehmende Beobachtung mit Amal in Berlin, Mai 2014)

In diesem Beitrag analysieren wir die Situation von Geflüchteten in Europa anhand des Begriffes der Mobilität: Insbesondere konzentrieren wir uns auf die „Zweitbewegungen“ von Geflüchteten innerhalb Europas. In der bisherigen Migrationsforschung, besonders in den refugee studies, herrscht vor allem eine sta(a)tische Perspektive vor. Ein großer Teil der Forschung konzentriert sich auf die Erstankünfte in Europa und untersucht die Auswirkungen von integration policies (Gesemann & Roth 2009; Aumüller & Bretl 2008; Zetter u.a. 2002). Nur vereinzelte empirische und theoretische Forschungen befassen sich damit, was nach dem Asylverfahren passiert, also dann, wenn Geflüchtete einen Aufenthaltsstatus bekommen haben. Wir betrachten die Geflüchteten als soziale Akteur_innen, also als aktive Subjekte, die unterschiedliche Wünsche und Lebensvorstellungen haben und sich gleichzeitig in gegebenen gesellschaftlichen Strukturen bewegen. Aus diesem Grund nehmen wir eine Mobilitätsperspektive ein, die uns erlaubt, die Spannungen zwischen der agency der Geflüchteten und den strukturellen Beschränkungen, die sie erfahren, zu beleuchten. Unter diesen Beschränkungen verstehen wir die Kontroll- und Managementmechanismen, die von europäischen Behörden und Polizei umgesetzt werden, um die Mobilität der Migrant_innen zu regeln. Wir beziehen uns dafür auf das Konzept des europäischen Grenzregimes, das von den border studies eingeführt wurde (Mezzadra 2004; Transit Migration Forschungsgruppe 2007; Hess & Kasparek 2010).

Die von den mobility studies eingebrachte Mobilitätsperspektive (Sheller & Urry 2006; Cresswell 2006) erlaubt uns, Migration nicht mehr als lineare Bewegung von einem Punkt A – Herkunftsland – zu einem Punkt B – Aufnahmegesellschaft – zu betrachten. Darüber hinaus werden die trajectories und die Bewegungen der Menschen als Hauptforschungsobjekte ins Auge gefasst und Orte werden nicht mehr als statische Anfangs- und Zielpunkte verstanden, sondern als Punkte eines Netzwerks (Schmoll & Semi 2013). Wir argumentieren hier, dass der Machtdimension in den mobility studies nicht genug Relevanz zukommt, da darin eine globale Gesellschaft beschrieben wird, die immer weniger Differenzierungsmechanismen hat. Es wäre sinnvoll, von einem mobility regime (Glick Schiller & Salazar 2013) zu sprechen, um die Dynamik von Mobilität und Sesshaftigkeit in weltumspannende Machtverhältnisse einzuordnen. Diese Machtverhältnisse produzieren Ungleichheiten im Zugang zu Mobilität. Mobilität ist zu einer wichtigen Ressource geworden, die im (im)mobility regime nicht allen Menschen gleichermaßen zugänglich ist. Der Begriff Regime bezieht sich sowohl auf die Rolle der Nationalstaaten und der internationalen Management- und Kontrollsysteme als auch auf die diversen Akteure, Diskurse und Praktiken, die die Mobilität der Subjekte beeinträchtigen. In diese Richtung gehen die border studies mit dem Konzept des europäischen Grenzregimes: In Europa wird das Management und die Kontrolle der Migrationsbewegungen von unterschiedlichen Akteuren auf supranationaler, nationaler und lokaler Ebene durchgeführt. Auf diese Weise vermehren bzw. verstärken sich auch Grenzziehungen innerhalb der europäischen Nationalstaaten und in den Städten. Solche Binnengrenzen manifestieren sich in Passkontrollen, Mobilitätseinschränkungen[1], unterschiedlichen Formen von Aufenthaltsstatus und im eingeschränkten Zugang zum Arbeits- und Wohnungsmarkt (Lebuhn 2012). Die unterschiedlichen Akteur_innen des Grenzregimes regeln und kontrollieren die Mobilitätsmöglichkeiten vor allem, indem Kategorien wie „undokumentierte Migrant_innen“, „Flüchtlinge“, „Arbeitsmigrant_innen“ und „Bürger_innen“ geschaffen werden. Diese unterschiedlichen Rechtsstatus produzieren Ungleichheiten innerhalb der europäischen Gesellschaften und können als Binnengrenzen bezeichnet werden (Rigo 2007). So entsteht eine Statushierarchie (De Genova 2013), die Unterschiede im Zugang zu Gesellschaft mit sich bringt (Morris 2003). Anstelle des Dualismus Inklusion/Ausgrenzung wäre deshalb besser von einer „differenziellen Inklusion“ (Mezzadra & Neilson 2013) zu sprechen, um die Komplexität der Filtermechanismen der Grenzen besser zu beschreiben.

An einem Fallbeispiel untersuchen wir die Spannungen, die sich zwischen den Kontrollmechanismen und der agency der Subjekte entfalten. Empirische Grundlage sind zwei miteinander verknüpfte ethnographische Untersuchungen in Italien (Turin und Mailand) und Deutschland (Berlin). Dargestellt wird die Erfahrung einer Gruppe von Geflüchteten (hauptsächlich Männer), die 2011 aus Libyen nach Italien geflüchtet ist und sich seitdem ständig innerhalb Europas bewegt. Der methodologische Ansatz ist die multi-sited ethnography (Marcus 1995) und es wurden teilnehmende Beobachtung, shadowing und in-depth interviews als Forschungstechniken benutzt[2]. Um die Bewegungen der Flüchtlinge[3] über die Grenzen zu untersuchen und die Binnengrenzen Europas aufzudecken und sichtbar zu machen, haben wir unterschiedliche Rollen angenommen[4] und unterschiedliche Zugänge zum Forschungsfeld gewählt. Wir haben den Forschungsprozess fortlaufend kritisch hinterfragt: Dabei spielte unsere Positionierung als europäische Forscher_innen eine zentrale Rolle, und die Geflüchteten sind aktiver Teil, und einige sogar Protagonisten der Forschung geworden. Die Namen der Personen wurden geändert.

Lampedusa ist in Berlin: von der Emergenza Nord Africa zur Besetzung des Oranienplatzes

Seit April 2011 sind 30.000 Personen aufgrund des Krieges in Libyen nach Italien geflüchtet[5]. Die Mehrheit dieser Personen sind keine libyschen Staatsbürger_innen, sondern Angehörige anderer afrikanischer Staaten. Diese Personen befanden sich seit mehreren Jahren in Libyen und arbeiteten dort. Als 2011 der Krieg anfing, beschlossen manche zu fliehen, andere wurden von Gaddafis Militär gezwungen, in Boote zu steigen und das Mittelmeer zu überqueren. Aus diesen Gründen kamen sie nach Italien, wo man ihre Fingerabdrücke aufnahm und Asylverfahren einleitete, da die italienische Regierung und die Behörden nicht auf die Ankunft so vieler Menschen in sehr kurzer Zeit (Januar bis Juli 2011) vorbereitet waren. Die italienische Regierung erklärte den Ausnahmezustand und erließ das Erstaufnahmeprogramm Emergenza Nord Africa, das parallel zum nationalen Erstaufnahmesystem lief. Dieses Programm griff auf bereits existierende Infrastrukturen wie alte Schulen, Hotels und leer stehende Gebäude als Erstaufnahmezentren zurück. Dort wurden die Geflüchteten untergebracht. Diese Erstaufnahmezentren wurden von Vereinen und Genossenschaften betrieben, die sich meist weder mit der Rechtslage auskannten noch Erfahrungen in der Asyl- und Flüchtlingspolitik hatten. Das Problem war, dass dieses Erstaufnahmesystem auf der Grundlage des Ausnahmezustandes geschaffen wurde und daher keine langfristige Aufnahme vorgesehen war. Im Herbst 2012, nachdem allen Geflüchteten Humanitärer Schutz[6] zuerkannt wurde, wurde das Programm Emergenza Nord Africa beendet und somit alle Erstaufnahmezentren geschlossen. Die Erstaufnahmezentren hatten zu diesem Zeitpunkt für jeden Flüchtling 500 € von der Regierung erhalten, die sie weitergeben sollten. Die Mehrheit der Flüchtlinge[7] hat dieses Geld auch bekommen. Im selben Zuge wurde ihnen von den italienischen Behörden geraten, Italien zu verlassen und in Nordeuropa Arbeit zu suchen, da es durch die wirtschaftliche Krise vor Ort keine Arbeit gäbe. Die meisten Flüchtlinge versuchten dennoch zunächst, in Italien eine Arbeit und eine Wohnung zu finden. Manche fanden etwas als Saisonarbeiter in der Landwirtschaft – illegale Arbeit mit sehr schlechten Arbeitsbedingungen –, andere eine Arbeit auf dem informellen Arbeitsmarkt in den Städten, doch die Mehrheit erlebte eine andauernde Arbeits- und Wohnungslosigkeit. Auf der Suche nach besseren Lebensbedingungen versuchten deswegen viele Flüchtlinge während des Jahres 2013, nach Nordeuropa zu gelangen. Viele von ihnen kamen nach Deutschland, wo sie jedoch aufgrund des Schengener Abkommens und der Dublin-Verordnung keinen Zugang zum Arbeitsmarkt haben. Geflüchtete, die in einem EU-Mitgliedstaat einen Aufenthaltstitel bekommen haben, dürfen nur in diesem Land arbeiten und alle anderen EU-Mitgliedstaaten nur für eine befristete Zeit von drei Monaten als Tourist_innen besuchen. Gegen diese Regelung haben in Hamburg und Berlin mehrere Flüchtlinge mit italienischem Aufenthaltstitel protestiert und Zugang zum deutschen Arbeitsmarkt sowie die Möglichkeit, selbst entscheiden zu dürfen, wo sie leben wollen, eingefordert.

Anfang 2013 begannen diese Flüchtlinge mit italienischem Aufenthalt, eine politische Gruppe in Berlin zu bilden, die sie Lampedusa in Berlin nannten. Der Protest entwickelte sich rund um die Besetzung des Oranienplatzes in Kreuzberg, die zwei Jahre andauerte. Während dieser Zeit verhandelte Lampedusa in Berlin, die politischen Unterstützer_innen und die politisch Verantwortlichen des Bezirks Friedrichshain-Kreuzberg und des Landes Berlin. Im April 2014 wurde ein Abkommen unterzeichnet, in dem die Bezirks- und Landespolitiker_innen versprechen, einen Zugang der Flüchtlinge zum deutschen Arbeitsmarkt zu prüfen. Dies hätte durch die Einzelfallprüfung der Situation jedes Flüchtlings erfolgen sollen. Des Weiteren sollten Flüchtlinge für die gesamte Dauer des Prüfverfahrens in das deutsche Asylsystem übernommen werden. Daraufhin wurde der Oranienplatz geräumt[8] und die Flüchtlinge wurden auf unterschiedliche Unterkünfte in der ganzen Stadt verteilt. Die Einzelfallprüfung fand jedoch nicht umfassend statt, und die Flüchtlinge erhielten fast ausnahmslos eine Ablehnung und wurden aufgefordert, nach Italien zurückzukehren. Im Falle der Flüchtlinge mit italienischem Aufenthaltstitel hätte eine tatsächliche Prüfung eine Ausnahme des Schengener Abkommens und der Dublin-Verordnung dargestellt, womit die deutsche Politik einen Präzedenzfall geschaffen hätte. Sie wollte aber von Anfang an keine Verantwortung für die Situation dieser Gruppe übernehmen, da nach europäischem Recht nur Italien dafür zuständig ist (Dublin Verordnung III, VO 604/2013 vom 26. 6. 2013). Das „Oranienplatz-Abkommen“ war de facto eine Täuschung und wurde selbst von einem der Vertragspartner, dem Berliner Innensenator Frank Henkel, fünf Monate nach der Unterzeichnung für ungültig erklärt. Das Verhalten der Politiker_innen führte dazu, dass die Flüchtlinge der Lampedusa-Gruppe voneinander getrennt wurden – durch die Umverteilung in unterschiedliche Unterkünfte und die Aufforderung, nach Italien zurückzugehen. Da sie aber zuvor in Italien zwei Jahre lang wohnungs- und arbeitslos gewesen waren, blieb die Mehrheit trotz der prekären Lebensbedingungen und ohne Zugang zum Arbeits- und Wohnungsmarkt in Berlin. Sie sind jedoch gezwungen, regelmäßig nach Italien zu reisen, um den italienischen Aufenthaltstitel zu erneuern. Die hohe Mobilität, die dadurch entsteht, ist ein Merkmal dieser Gruppe von Flüchtlingen, die sich zwischen den Grenzen verschiedener Länder bewegt und somit die Binnengrenzen Europas sichtbar macht.

(Un)Erlaubtes Mobilitätsverhalten: Wechselwirkung zwischen Flüchtlingen und Binnengrenzen in Europa

Dass die Geflüchteten, die ab 2011 von Libyen nach Italien kamen und daraufhin in das Programm Emergenza Nord Africa aufgenommen wurden, durch sehr hohe Mobilität gekennzeichnet sind, ergibt sich aus der Interaktion zwischen strukturellen Mechanismen, wie den normativen und sozioökonomischen Verhältnissen in Europa, und der agency der migrantischen Subjekte, die ihre Lebensvorstellungen verwirklichen möchten. Mit letzteren beziehen wir uns auf die Bedürfnisse der Geflüchteten, sich ein ‘normales’ Leben aufzubauen: frei entscheiden zu können, wo und wie sie leben, arbeiten und wohnen wollen, eine Familie zu gründen und dauerhafte Freundschaften schließen zu können. Die Mobilität der Geflüchteten nimmt unterschiedliche Formen an, welche durch Bewegungen innerhalb des Nationalstaats, zwischen den Nationalstaaten und als Pendel-Bewegungen[9] sichtbar werden. Diese verschiedenen Bewegungen können sich über die Grenzen auf lokaler, nationaler und supranationaler Ebene hinwegsetzen oder mit diesen kollidieren, wodurch sichtbar wird, wie das Grenzregime innerhalb Europas aktiviert wird.

Bewegungen innerhalb Italiens

Im Dezember 2012, als das Programm Emergenza Nord Africa beendet wurde, begann die Mehrheit der Flüchtlinge, sich in ganz Italien zu bewegen, um Arbeit und Unterkunft zu finden. Da die italienischen Behörden und die zuständigen Institutionen keine Zweitaufnahme vorgesehen hatten, nahmen die Flüchtlinge eigenständig Kontakt zu anderen Flüchtlingen auf, die sie in Libyen oder in den Erstaufnahmeeinrichtungen in Italien kennengelernt hatten. Diese Kontakte konstituieren sich als soziale Netze und erfüllen manchmal ähnliche Funktionen wie die sozialen Netzwerke, obwohl sie nicht so stark strukturiert sind. Unter „sozialen Netzen“ verstehen wir den Prozess, der durch die kontinuierlichen Beziehungen und Kontakte unter Geflüchteten zur Erstellung eines Netzes führt. Wir können nicht von einem „Netzwerk“ sprechen, da es darin unterschiedliche Akteur_innen gibt, die bestimmte Rollen haben und bestimmte Funktionen ausführen, und es deswegen eine festere Struktur hat (Glick Schiller u.a. 1995).

„Als das Lager in Varese geschlossen wurde, gaben sie uns 500 € und sagten uns, dass wir gehen müssen. Wir wussten nicht wohin, wir kannten das Land nicht, aber sie sagten uns: ‘Es ist uns egal, nehmt das Geld und geht!’ Also habe ich Freunde angerufen, die ich in Libyen kennengelernt hatte, und die sich in Foggia befanden. Sie sagten mir, dass ich mit ihnen dort arbeiten könnte, aber dass die Arbeit schlecht bezahlt sei: drei € pro Stunde. Ich arbeitete dort sechs Monate als Saisonarbeiter ohne Vertrag und Unterkunft. Wir hatten uns eine Hütte mit Karton und Holz gebaut. […] Aber so kann man nicht lange leben! Deswegen beschloss ich, wegzugehen, außerdem war meine Aufenthaltserlaubnis abgelaufen, und ich musste nach Varese, um sie zu verlängern. Aber auf dem Weg nach Varese bin ich eine Woche in Roma geblieben, und habe am Bahnhof Roma-Termini geschlafen. Da habe ich viele afrikanische Brüder getroffen, die mir gesagt haben, dass das Leben in Roma sehr schwer sei. Deswegen habe ich beschlossen, weiter in Richtung Norden zu fahren und als ich in Varese ankam, habe ich bei einem Freund übernachtet. Da ich, um meine Aufenthaltserlaubnis zu verlängern, eine Anmeldung brauchte, die ich in Varese nicht bekommen konnte, musste ich nach Milano fahren. Ich wusste, dass ich dort über NGOs eine solche Anmeldung bekommen konnte. […] Ich kannte niemanden in Milano, aber am Bahnhof traf ich viele afrikanische Brüder, die mir empfahlen, eine öffentliche Schlafstelle zu suchen.“ (Interview mit Essien in Mailand, März 2014)

Nur durch mannigfaltige Kontakte, die informelle Netze bilden, wird diese Mobilität ermöglicht. Wie Essien berichtet, wird die Bedeutung dieser Vernetzung für den Informationsaustausch über Arbeits- und Unterkunftsmöglichkeiten offensichtlich. Diese Netze funktionieren als Ressource, auf die sich die Flüchtlinge stützen können, und erstrecken sich über das gesamte Nationalgebiet, in dem einzelne Orte als Knotenpunkte des Netzes fungieren. Diese Orte sind nicht nur Städte, sondern auch bestimmte Bahnhöfe wie Milano Centrale, von Flüchtlingen besetzte Häuser wie das ex-Moi in Turin und Barackensiedlungen in landwirtschaftlich genutzten Gebieten wie das Gran Ghetto in Rignano Garganico, Foggia. Sie stellen für die Flüchtlinge Transit-Orte dar, an denen sie unterschiedlich lange wohnen und an die sie regelmäßig zurückkommen. So entstehen eine zirkuläre Mobilität der Personen und ein ständiger Austausch an Informationen und Unterbringungsmöglichkeiten. Die Flüchtlinge bewegen sich in diesem Netz, um Binnengrenzen zu umgehen und zu überwinden. Die Grenzen des Nationalstaats manifestieren sich auch innerhalb des Staatsgebiets und werden durch juristische und administrative Instrumente im nationalen Raum fragmentarisch implementiert. Die Binnengrenzen konkretisieren sich in Form von Abschiebehaft, Erstaufnahmeeinrichtungen für Asylbewerber_innen, Mobilitätseinschränkungen, willkürlichen Kontrollen von Polizist_innen innerhalb der Stadt, an Bahnhöfen, Flughäfen oder Bushaltestellen, willkürlichem Verhalten der öffentlichen Behörden und unterschiedlichen Aufenthaltstiteln (Cuttitta 2007). Durch ihren Aufenthaltsstatus tragen die Flüchtlinge die Grenzen mit sich und aktivieren sie durch ihre Bewegungen. Der Aufenthaltsstatus, der durch die Verwaltungsabläufe die Flüchtlinge an bestimmte Orte bindet, führt zu regelmäßigen Zwangsbewegungen zwischen diesen Orten und jenen, an denen sie sich eigentlich aufhalten.

„Als uns gesagt wurde, dass wir das Lager verlassen mussten, fuhr ich nach Brindisi. Freunde aus dem Lager hatten mir gesagt, dass es dort Arbeit auf dem Land gibt. Ich habe vier Tage gebraucht, um dort anzukommen, weil ich kein Geld hatte und ohne Ticket fahren musste. […] Nach einer Weile erfuhr ich, dass die italienische Regierung allen Leuten der Emergenza Nord Africa einen humanitären Aufenthaltstitel geben wollte, und fuhr zurück nach Torino, um diesen abzuholen. […] Da ich keinen Schlafplatz hatte, habe ich die Obdachlosen in der Stadt gefragt, wo ich schlafen konnte, weil ich jetzt auch einer von ihnen geworden war. […] Der öffentliche Schlafplatz, den sie mir empfohlen hatten, war für mich zu gefährlich. Also bin ich zum Bahnhof gegangen, wo mir andere Afrikaner empfahlen, bei der Caritas in Cuneo zu fragen. Dort fand ich einen Platz, und bin jeden Tag nach Torino gefahren, weil dort die Questura[10] ist, wo meine Papiere ausgestellt werden. Nach zwei Wochen mussten ich und andere die Caritas verlassen, also bin ich zusammen mit ihnen nach Mondovì gefahren, wo es eine Caritas gibt, die sie kannten. Aber dort war das Leben sehr hart: Es hat geschneit und wir durften tagsüber nicht in der Unterkunft bleiben. So habe ich meine ganze Zeit am Bahnhof verbracht, und nichts getan … und das ist nicht normal! So bin ich ratlos und traurig geworden. Im März hat mich dann ein Freund angerufen und mir von diesem Haus erzählt und gesagt: ‘Komm morgen zum Bahnhof Lingotto in Torino, ich hole dich ab! Es gibt in diesem besetzen Haus einen Schlafplatz für dich.’ Gott sei Dank!“ (Interview mit Nuru im ex-Moi, Turin, März 2014)

Nurus Erzählung zeigt, wie sich das Leben der Flüchtlinge auf das ganze italienische Staatsgebiet erstreckt und dass sie dieses in fragmentierter Art und Weise erleben. Bei vielen Flüchtlingen sind Wohnort, Arbeitsort und der Ort, an dem sich die für das Verfahren zuständigen Behörden befinden, auf drei unterschiedliche Städte verteilt. Somit wird die durch sozioökonomische Verhältnisse und rechtliche Einschränkungen erzwungene Mobilität dieser Personen erhöht. Diese Zwangsmobilität ist nicht als absolut zu interpretieren, sondern im Verhältnis zur agency der Flüchtlinge, die sich gegen diese widersetzen und so Zwischenräume schaffen. Durch Bewegungen und die Informationen, die in den Netzen zirkulieren, entsteht ein kollektives Wissen über die bürokratische Praxis an den verschiedenen Orten. Dieses kollektive Wissen wird von den Flüchtlingen genutzt, um einige Grenzen zu umgehen oder zu überwinden und um ihren Lebensvorstellungen zu folgen. So hat z.B. Obasi seine Verwaltungsangelegenheiten von Florenz nach Turin verlegt, weil es dort einen einfacheren Zugang zur Anmeldung und eine Unterkunft in den besetzen Häusern im ex-Moi gibt. Auf ähnliche Weise hat Rashid seine Verwaltungsverfahren von Varese nach Mailand verlegt, weil man dort das Zertifikat für die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis umsonst bekommen kann.[11] Diese Bewegungen, die sich teilweise durch Zwang, teilweise auf Initiative der Geflüchteten ergeben, machen die Binnengrenzen und deren Funktionsweisen sichtbar. Diese Grenzen existieren latent, werden erst durch bestimmte Handlungen der Flüchtlinge aktiviert und manifestieren sich dann mit unterschiedlichen Auswirkungen. Die Manifestierung der Grenzen ist manchmal direkt mit dem Aufenthaltsstatus verbunden, andere Male mit den sozioökonomischen Bedingungen, die ein solcher Status mit sich bringt. In Nurus Erfahrung werden die Grenzen in der Wohnsituation sichtbar, denn in einem kurzen Zeitraum[12] ist er gezwungen, ständig seinen Schlafplatz zu wechseln und sich zwischen unterschiedlichen Städten zu bewegen. So muss er seine Energie in die Suche nach einer Unterkunft stecken, die ihn – in Kombination mit der Wartezeit im Verwaltungsverfahren – in einer Zeitschleife gefangen hält. Dieser zeitliche Limbus ist das stärkste Hindernis für der Verwirklichung seiner Lebensvorstellungen. In Essiens Erfahrung hingegen manifestieren sich die Grenzen durch eine direkte Verbindung zum Aufenthaltsstatus, da er eine Anmeldung im kommunalen Register benötigt, um seine Papiere verlängern zu können. Auf ähnliche Weise zeigt folgende Erzählung, wie die Grenzen mit dem Körper der Flüchtlinge verbunden sind und sie diese somit auf dem ganzen Staatsgebiet ständig mit sich tragen.

„Um meine Papiere zu verlängern, musste ich von Milano nach Foggia fahren. Ich bin ohne Ticket gefahren, es ist einfach, weißt du?! Falls der Kontrolleur kommt, musst du ihm nur erklären, dass es in Italien keine Arbeit gibt, und alles ist ok! Als ich kontrolliert wurde, fing ich also an zu diskutieren und zu argumentieren, dass ich eine Arbeit suche und deswegen durch ganz Italien fahren muss. Aber wie soll ich ohne Geld fahren? Und ohne zu fahren, finde ich keine Arbeit! So kam ich problemlos nach Foggia […] Aber einmal habe ich einen Fehler gemacht: Ich habe mich auf dem Zug von Foggia nach Milano mit dem Kontrolleur gestritten. Er wollte meine Fahrkarte sehen, aber ich hatte keine. Dann hat er mich nach meinen Papieren gefragt, und als er gesehen hat, dass sie abgelaufen waren, hat er mich gefragt, warum ich sie nicht habe verlängern lassen. Ich habe geantwortet: ‘Du bist nur ein Kontrolleur, du darfst mich nicht nach meinen Papieren fragen. Das ist Aufgabe der Polizei! Du darfst mich nur nach meiner Fahrkarte fragen!’. So ist er wütend geworden und hat die Polizei gerufen. An der nächsten Haltestelle in Pescara musste ich aussteigen und mindestens zwanzig Polizisten haben dort auf mich gewartet. Als der Polizeichef mich gesehen hat, meinte er zu dem Kontrolleur: ‘Was? Und dieser Junge sollte das Problem sein?’ [er lacht] Er hatte sofort verstanden, dass ich eine gute Person bin! Alle anderen Polizisten gingen weg, und er brachte mich zur Bahnpolizei.“ (Interview mit Asad in Berlin, November 2014)

In Asads Worten wird deutlich, wie die Grenzen mit dem Aufenthaltsstatus verbunden sind und wie sie den Flüchtlingen über das gesamte Staatsgebiet folgen. Diese Grenzen manifestieren sich nicht immer, sondern nur dann, wenn eine Interaktion zwischen Flüchtling und Kontrollorganen stattfindet. Diese Interaktion wird zumeist durch racial-profiling-Mechanismen ausgelöst, also wenn Polizist_innen oder Kontrolleur_innen nur aufgrund körperlicher Merkmale auf die Herkunft einer Person schließen und daraus folgend nach Papieren fragen, oder (im Fall von Weißen) eben nicht (Harcourt 2004). Darüber hinaus werden die Grenzen individuell aktiviert, und zusammen mit der Willkür der Behörden und Polizist_innen bilden sie eher Filter denn Mauern. Die unterschiedliche Art und Weise der Interaktion zwischen Flüchtlingen und Kontrollmechanismen führt zu einer differenziellen Aktivierung der Grenzen (Mezzadra 2006), die unterschiedliche Folgen haben kann.

„Die Bahnpolizei fragte mich nach meinen Papieren und ich erklärte, dass sie abgelaufen waren und ich wegen der Verlängerung in Foggia gewesen war. Weil aber die Verlängerung so lange dauert und ich in Milano lebe, musste ich zurück nach Milano um meine Arbeitssuche fortzusetzen. Ich wäre wieder nach Foggia gegangen, sobald die Papiere fertig gewesen wären. Der Polizist stellte mir viele Fragen und suchte meine Angaben im Computer. Aber er konnte sie nicht finden, weil auf meinem abgelaufenen Aufenthalt mein Geburtsdatum falsch geschrieben war, und in Foggia gerade das richtige Geburtsdatum im Computer eingetragen worden war. Aus diesem Grund fragte mich der Polizist, ob ich die Papiere gestohlen hätte, und ich erwiderte: ‘Guck auf das Foto auf dem Papier! Das bin ich! Es ist mein Gesicht!’ Dann fragte mich der Polizist nach meinem Titolo di Viaggio[13] mit dem richtigen Geburtsdatum, aber ich hatte ihn nicht. Also brachte er mich in die Questura in Pescara, und auch dort haben die Polizisten meine Angaben kontrolliert, und mich nach meinem richtigen Geburtsdatum gefragt. Dann habe ich meinen Pass gezeigt, und der Bahnpolizist sagte mir: ‘Du hast dich über mich lustig gemacht! Du hattest einen Pass! Du hast mir gesagt, du hättest keinen!’. Ich war überrascht, er hatte mich nach dem Titolo di Viaggio gefragt, nicht nach dem Pass! Ich war ganz durcheinander! Zum Schluss, ließen sie mich gehen und brachten mich zum Bahnhof. Der Polizist fragte mich, wie ich die Fahrkarte zahlen würde, und ich sagte, dass ich an dem Tag keine Arbeit gefunden hatte und deswegen das Ticket nicht zahlen konnte. Er lachte und wünschte mir eine gute Reise. Ich nahm den Zug und fuhr nach Milano.“ (Interview mit Asad in Berlin, November 2014)

Die Geschichte von Asad zeigt nicht nur, dass der Aufenthaltsstatus als Grenze agiert sondern auch, wie die vielen Dokumente mit unterschiedlichem Zweck zu einer selektiven Bewegungsfreiheit führen. Diese individuelle Aktivierung der Grenzen und deren räumliche Beweglichkeit wird bei den zwischenstaatlichen Bewegungen der Flüchtlingen in Europa noch sichtbarer.

Zwischenstaatliche Bewegungen Richtung Nordeuropa

Einige Flüchtlinge versuchten sofort mit den 500 € der Emergenza Nord Africa in nordeuropäische Länder zu gelangen, um dort Arbeit zu suchen. Andere dagegen blieben erst in Italien, beschlossen aber nach etwa zwei Jahren unter prekären Lebensbedingungen und regelmäßiger zirkulärer Bewegungen, sich Richtung Nordeuropa zu begeben – in der Hoffnung dort mehr Stabilität zu finden. Diese Bewegungen nach Nordeuropa sind nicht als unidirektional zu verstehen, sondern viel mehr als eine Erweiterung der zirkulären Mobilität, die in Italien begonnen hat. Die binneneuropäischen Bewegungen basieren auf denselben informellen Netzen, die sich über Libyen und Italien bis nach Nordeuropa erstrecken. Unterschiedliche Orte in ganz Europa werden als Knotenpunkte der Netze erlebt (Schmoll & Semi 2013), zwischen denen die Flüchtlinge sich regelmäßig bewegen und somit territoires circulatoires (Tarrius 2010) erschaffen.

„Als das Lager geschlossen wurde, haben sie allen 500 € gegeben. Viele Leute sind nach Deutschland, Frankreich, Schweden und in die Schweiz gegangen. Ich bin nach Foggia ins Ghetto Grande gegangen, um auf dem Land zu arbeiten. […] Als es dort keine Arbeit mehr gab, fuhr ich nach Rosarno zur Orangenernte. Als es auch da keine Arbeit mehr gab, beschloss ich, in die Niederlande zu fahren, um einen Freund aus meinem Herkunftsland zu besuchen. Ich habe bei ihm in Amsterdam übernachtet und dort eine Arbeit gesucht. Aber das Problem ist die italienische Aufenthaltserlaubnis: Man kann damit keine Arbeit finden. Dort lebten auch andere Freunde von mir mit italienischen Papieren und hatten nur illegale Arbeit gefunden. Das war die einzige Möglichkeit für uns. Ich habe unterschiedliche Arbeiten gemacht: Spüler in Restaurants, Zeitungsausträger, Hilfe beim Koffertragen und Arbeit auf dem Markt. Aber mit solchen kleinen Arbeiten kann man die Miete nicht zahlen, man kann vielleicht überleben, aber ich wollte ein anderes Leben. Darum beschloss ich nach neun Monaten, zurück nach Italien zu gehen. Ich ging nach Torino und arbeitete vier Monate auf dem Land; und dann kam ich nach Milano, um Arbeit zu suchen. Und ich bin noch auf der Suche.“ (Interview mit Tahir in Mailand, Februar 2014)

Die Geschichte von Tahir ist ein Beispiel erfolgreicher Grenzüberquerungen innerhalb des Schengen-Raums. Sie zeigt, dass diese Bewegungen nicht nur durch strukturelle Verhältnisse erzwungen werden, sondern dass auch die agency der Subjekte eine wichtige Rolle spielt. Der Entschluss, zurück nach Italien zu fahren, wurde sowohl wegen der italienischen Papiere, die im Ausland keinen Zugang zum Arbeitsmarkt erlauben, als auch von Tahir selbst getroffen.

Andere Geschichten zeigen aber, dass die Grenzen zwischen den Nationalstaaten innerhalb des Schengen-Raums nicht immer überwindbar sind und dass jede Person diese Grenzen aktivieren kann und sie deshalb selektiv agieren. Dies ist die Erfahrung von Nuru:

„Ich habe mehrere Wochen in Cuneo geschlafen und bin täglich nach Torino gefahren, weil dort meine Papiere ausgestellt werden sollten. Aber ich konnte nicht länger in dieser Situation bleiben, also ging ich nach Frankreich, Marseille. Ich hatte keine Papiere bei mir, sondern nur den Beleg für die Verlängerung. Eines Tages haben mich zwei Polizisten angehalten und mich nach meinen Papieren gefragt. Dann haben sie gefragt, wie viel Geld ich bei mir hatte und ich antwortete: 400 €. Sie wollten das Geld sehen, und danach sagten sie mir, dass ich mit ihnen zum Polizeibüro gehen sollte, um die Papiere zu überprüfen. Ich war sehr wütend, weil ich den Grund dieser Überprüfung nicht verstand. Ich hatte nichts getan! Ich hatte eine legale Aufenthaltserlaubnis, ich wartete nur auf die Verlängerung. Und ich hatte auch Geld! Ich hatte nichts getan! Warum sollte ich mit ihnen gehen? Ich musste eine Nacht in dem Polizeibüro verbringen, und danach brachten sie mich mit dem Auto zurück nach Ventimiglia. In dem Auto hatte ich Handschellen an! Also bin ich von Ventimiglia zurück nach Torino gegangen und bin in Cuneo geblieben, bis meine Papiere fertig waren“. (Interview mit Nuru, ex-Moi in Turin, März 2014)

In dieser Erzählung wird deutlich, wie die Grenzen individuell aktiviert werden und auch zu erzwungener Rückkehr führen können. In Nurus Erfahrung scheint der Aufenthaltsstatus das entscheidende Element zu sein, welches die Grenze aktiviert und die Person zurückstößt. Aber diese Grenze ist nicht unbeweglich, sondern gestaltet sich in der Interaktion zwischen dem Subjekt und denen, die die Kontrolle durchführen:

„Als ich die Verlängerung meiner Aufenthaltserlaubnis hatte, war alles in Ordnung, und ich ging sofort zurück nach Marseille. Ich wollte dahin, auch weil die französische Sprache für mich einfacher zu verstehen ist. Ich kam am Dienstag an und wurde am Mittwoch verhaftet. Ich wusste nicht warum, die Polizei kam, es waren vier Leute, drei Männer und eine Frau. Ich zeigte ihnen meine italienischen Papiere, die verlängerte Aufenthaltserlaubnis, die noch gültig war. Dann fragte sie mich: ‘Hast du Geld bei dir?’ In dem Moment hatte ich 800 € in meiner Tasche, weil ich gearbeitet hatte. Ich zeigte ihnen das Geld und die Frau sagte: ‘Es ist nicht genug, um hier zu leben!’, und sie brachten mich zum Polizeibüro. Als wir ankamen, dachte ich ‘Scheiße!’ und blieb dort mit Handschellen bis vier Uhr morgens. Dann brachten sie mich zurück nach Ventimiglia – mit Handschellen wie einen Kriminellen! Ich dachte ‘Basta!’ Ich bin nur vier Tage geblieben. Jetzt basta! Ich gehe nie wieder zurück nach Marseille. Basta!“. (Interview mit Nuru, ex-Moi in Turin, März 2014)

Die asymmetrische Beziehung zwischen den Subjekten und den Polizist_innen erlaubt letzteren einen großen Spielraum, willkürliche Macht auszuüben und auch außerhalb der Gesetze zu agieren. In diesem Sinne produzieren sie dort neue Grenzen, wo es sie eigentlich nicht geben sollte: Nach europäischem Recht hätte Nuru mit dem Humanitärem Schutz und dem Titolo di Viaggio Italiens nach Frankreich reisen und sich dort für maximal drei Monate aufhalten können.

Nachdem die Personen die nationalen Grenzen überquert und ein Leben in dem neuen Land angefangen haben, müssen sie sich aber weiterhin mit neuen Binnengrenzen im neuen Land auseinandersetzen. Die Flüchtlinge entwickeln verschiedene Praktiken, um diese Grenzen zu umgehen und zu überwinden.

„In Paris konnte ich mit den Papieren einer anderen Person arbeiten. Und ich arbeitete fünf Monate dort. […] Dort achten sie nicht auf deinen Namen, aber falls kontrolliert wird, dann kannst du Probleme haben.“ (ethnographische Notizen mit Dakarai, ex-Moi in Turin, April 2014)

„Ich bin gezwungen, in Italien zu bleiben! Viele meiner Freunde aus dem Lager in Italien und aus Libyen haben ihr Glück in anderen europäischen Ländern versucht: Deutschland, Niederlande, Belgien. Aber ohne Papiere kann man dort nicht arbeiten, man kann dort gar nichts tun. Einige dieser Freunde haben europäische Frauen geheiratet […] Andere habe Asyl beantragt, obwohl sie italienische Papiere hatten […]Wenn sie nach Italien zurück geschickt werden, gehen sie wieder nach Deutschland [er lacht].“ (Interview mit Kato in Mailand, Februar 2014)

Das kollektive Wissen über diese sozialen Praktiken der Grenzüberschreitung wird über die informellen Netze vermittelt, die die Bewegungen zu dem einen oder dem anderen Ort hin orientieren. Diese Netze verbinden somit unterschiedliche europäische Orte und werden durch die Pendel-Bewegungen gestärkt.

Pendel-Bewegungen zwischen Berlin und Italien

Die Stadt Berlin ist – genau wie Hamburg – ein Sonderfall. In Berlin leben seit zwei Jahren circa 400 Flüchtlinge mit italienischem Aufenthaltstitel. Anders als in anderen europäischen Städten, in denen die Flüchtlinge mit italienischen Papieren im Schatten leben, liegt die Besonderheit dieser beiden Städte darin, dass es dort Proteste gegeben hat, die das Interesse der Medien auf sich lenkten. Nach dem Scheitern der „Oranienplatz-Verhandlungen“ leben in Berlin viele Flüchtlinge unter sehr prekären Lebensbedingungen. Sie haben weder Zugang zum deutschen Arbeitsmarkt noch eine stabile Wohnsituation und stützen sich hauptsächlich auf ihre informellen Netze und auf die von Unterstützer_innen.

„Während der Verhandlungen mit dem Berliner Senat sind manche von uns, die auf dem Oranienplatz gelebt hatten, in die Schlafstelle der Caritas nach Wedding gezogen. Sie versprachen uns, dass wir nach drei Monaten in der Caritas in ein richtiges Haus ziehen könnten. Sie haben es uns sogar gezeigt, ein richtiges Haus in Kreuzberg! Aber drei Monate später änderten sie ihre Meinung und sagten uns, dass das Haus nicht bewohnbar sei. Also verlängerte der Senat unseren Aufenthalt in der Caritas für weitere drei Monate, obwohl der Chef der Caritas nicht einverstanden war. An manchen Tagen hatten wir kein Wasser, die Dusche und die Toiletten waren kaputt, nichts war gut dort. Danach verlagerten sie uns zu einem anderen Ort in die Blaschkoallee. In jenen Wochen wurde das Oranienplatz-Abkommen unterschrieben. Wegen der Einzelfallprüfung hätten wir alle für die Interviews zur Ausländerbehörde gehen müssen, aber viele von uns wollten es nicht: Wir wollten nicht nochmal Asyl beantragen, weil wir schon italienische Papiere hatten! Die von uns, die zur Ausländerbehörde gegangen sind, haben einen Abschiebebescheid bekommen und mussten zurück nach Italien und durften nicht mehr in der Caritas bleiben. Die anderen wurden auch aus der Caritas rausgeworfen, und deswegen haben wir einige Monate in der besetzten Schule in Kreuzberg gewohnt, bis sie geräumt wurde. Danach haben wir in einem Kirchenraum am Rosenthaler Platz übernachtet, aber wir durften nur drei Wochen bleiben. Es war ein Studentenwohnheim: Die Studenten haben in den richtigen Zimmern geschlafen, und wir in dem großen Saal. Danach wurden wir in Gruppen geteilt und umverteilt: zehn von uns nach Wedding, zehn weitere in die Friedrichstraße. Und nun wissen wir nicht, wie es weiter gehen wird. Ich sehe keine gute Zukunft für uns, aber das Problem ist, dass ich keine Wahl habe. Ich weiß nicht, was ich machen soll.“ (Interview mit Amal in Berlin, Oktober 2014)

Aus den Worten von Amal wird die instabile und fragmentierte Wohnsituation in Berlin deutlich. Dadurch erleben die Flüchtlinge eine Verlängerung der prekären Verhältnisse, die sie schon in Italien erlebt hatten. Trotz dieser prekären Lebenssituation wollen die meisten der Flüchtlinge in Berlin bleiben, weil sie sich dort ein Stück Leben aufgebaut haben, auch dank der Beziehungen, die während der Zeit des Oranienplatz-Protests entstanden sind, z.B. zu den europäischen Unterstützer_innen, Einwohner_innen der unterschiedlichen Bezirke und Künstlergruppen. In Italien dagegen sind die sozialen Netze über das ganze Land verteilt und nicht so stark, da die Flüchtlinge aufgrund der Arbeitssuche hochmobil sind. Diese sozialen Netze sind das entscheidende Element, weshalb die Flüchtlinge in Berlin statt in Italien leben wollen, obwohl die Arbeits- und Wohnverhältnisse ähnlich prekär sind. Das Land Berlin stellt also den gewählten Wohnort dar, während Italien der Ort ist, um Verwaltungsangelegenheiten zu regeln. So entwickeln sich zwischen Berlin und Italien Pendel-Bewegungen, um z.B. den jährlichen Aufenthaltstitel und Titolo di Viaggio zu verlängern oder um den italienischen Ausweis zu beantragen. Genau an diesen Pendel-Bewegungen werden die Binnengrenzen des europäischen Grenzregimes deutlich sichtbar, sowohl zwischen den Nationalstaaten als auch innerhalb der einzelnen Staaten und Städte. Die Aktivierung dieser Grenzen ist mit dem Aufenthaltsstatus und dessen Gültigkeit verbunden, wie uns Rashid im Folgenden erzählt:

„Ich habe neun Monate in Berlin gelebt, bis ich nach Italien zurück musste, um meine Papiere zu verlängern. Ich bin mit dem Bus zusammen mit zwei Freunden gefahren. Als wir an die Grenze zur Schweiz kamen, wurden wir von der Polizei angehalten und kontrolliert. Wir mussten alle aus dem Bus steigen und unsere Papiere zeigen: Keiner hat Probleme gehabt, nur uns haben sie die Papiere nicht zurückgegeben. Ich habe nicht verstanden warum! Wir mussten mit zum Polizeibüro, aber der Bus fuhr weiter. Der Polizist sagte uns, dass wir nicht in die Schweiz durften. Und als ich fragte warum, sagte er, dass unsere italienischen Papiere nicht mehr gültig seien, und da zwei von uns ihre Pässe dabei hatten, hätten sie vor der Einreise ein Visum beantragen müssen. Ich sagte, dass ich nicht in die Schweiz wollte, und zeigte ihm meine Fahrkarte von Berlin nach Milano. Wir wollten nur nach Italien, um unsere Papiere zu verlängern, es ist nicht meine Schuld dass die Schweiz dort liegt! Wir wollten nicht in die Schweiz! Dann sagte uns der Polizist: ‘Kein Problem, ihr könnt weiterfahren, wenn ihr 350 € zahlt.’ Natürlich hatten wir das Geld nicht! Sie haben überall gesucht, in unseren Taschen und in unseren Kleidern: Sie zogen uns ganz aus, wir waren nackt! Ich möchte nicht mehr daran denken. Sie sagten: ‘Das ist die Grenze’, also müssen sie alle kontrollieren. Sie wollten, dass wir ein Dokument unterschreiben, aber ich wollte es nicht tun, denn sonst hätte ich zahlen müssen. Wir haben uns gestritten, und sie haben versucht, mich zu schlagen! Dann unterschrieb der Polizist selbst das Dokument und sagte: ‘Geh raus, ich will dich in der Schweiz nie mehr sehen! Wenn du zurückkommst, gehst du in den Knast.’ Ich nahm meine Sachen und ging raus. Draußen fragte ich, wie ich nach Italien kommen konnte, und mir wurde der Bus empfohlen. Ich schlief an der Bushaltestelle und ich wurde zwei Mal in der Nacht kontrolliert. Der Polizist wollte meine Papiere sehen und hat mir viele Fragen gestellt; ich sagte nur: ‘Ich antworte nicht!’ Er fragte mich nach meiner Fahrkarte, die ich ihm zeigte, und ging. Nach einer Stunde kam eine andere Gruppe von Polizisten und fragte mich erneut nach meinen Papieren. Ich zeigte sie ihnen! Sie haben viel gefragt, aber ich habe nicht geantwortet, mir war es egal, ich war so sauer! Am Tag danach bin ich mit dem Zug nach Milano gefahren, und wurde an jeder Haltestelle kontrolliert, bis ich in Milano ankam!“ (Interview mit Rashid in Mailand, Januar 2014)

Die Erzählung von Rashid zeigt auf, wie die Mobilität der Flüchtlinge die Grenzen sichtbar macht, die nicht nur zwischen den Staaten existieren, sondern auch an städtischen Orten wie Bushaltestellen und in öffentlichen Verkehrsmitteln wie Zügen.

Nachdem die nationalen Grenzen überquert sind und die Verlängerung der Aufenthaltspapiere beantragt ist, hängen die Flüchtlinge erst einmal in der Luft und wohnen an Transit-Orten, wie z.B. besetzten Häusern in Turin und der Stazione Centrale in Mailand. Während dieser Zeit erfahren sie die Wirkung der Binnengrenzen innerhalb der Stadt, in der die ihre Lebensverhältnisse am stärksten kennzeichnende Mobilität zu „Kurzschlüssen“ in der bürokratischen Maschine führt. Hierfür ist die folgende Erfahrung von Rashid in Mailand exemplarisch:

Der Polizist guckte auf die zwei Dokumente: Auf dem einen stand, dass Rashid in der Casa della Carità schläft, und auf dem anderem stand, dass er in der Stazione Centrale in Mailand übernachtet. Außerdem hatte Rashid eine deutsche Handynummer angegeben, was den Polizisten sehr irritiert hat: „Wir haben ein Problem hier: Das ist eine Person die sich bewegt! Ein Nomade! Aber wir sind eine sesshafte Zivilisation! Er hat keinen Respekt für unsere Kultur, und er ist dem italienischen Staat nicht dankbar dafür, einen legalen Aufenthalt bekommen zu haben, um hier problemlos leben zu können.“ Rashid ist durcheinander und versteht das Problem nicht: Vor zwei Tagen hatten zwei Freunde von ihm genau dasselbe angegeben, aber sie hatten keine Probleme, die Verlängerung der Papiere zu bekommen (ethnographische Notizen in Mailands Questura, Januar 2014).

Diese Beobachtung verdeutlicht die Spannung zwischen dem dominanten Diskurs der Sesshaftigkeit, der von den Institutionen implementiert wird, und der Mobilität der Flüchtlinge, die diese als alltägliche Praktik erleben. Mobilität als zentrales Lebensverhältnis wird von den Flüchtlingen als positive Strategie angewendet, um ihre Lebensvorstellungen zu verwirklichen. Da sie mit ihren italienischen Papieren nur in Italien Zugang zu bestimmten Dienstleistungen und Ausbildungskursen haben, bleiben sie eine Zeit lang in Italien, um eine Ausbildung zu machen oder einen Beruf zu erlernen, obwohl sie in anderen europäischen Städten wohnen und arbeiten.

„In Hamburg habe ich schnell eine Arbeit in einem Restaurant gefunden. Das Restaurant war am Hafen, und ich habe dort illegal gearbeitet: Sie haben mich angerufen, wenn ich arbeiten sollte, und sie haben tagsüber und manchmal auch nachts angerufen. In Hamburg ist es besser, weil es in Italien unmöglich ist, eine Arbeit zu finden. Jetzt muss ich drei Monate hier in Torino bleiben, weil ich meine Prüfung[14] machen möchte, und danach nach Hamburg zurück will. Die Prüfung ist im Juni, und ich muss sie jetzt bestehen, sonst muss ich nächstes Jahr von vorne anfangen!“ (Interview mit Rafiki in Turin, März 2014)

Die Erzählung von Rafiki betont die Strategien, die die Flüchtlinge anwenden, um die Grenzen, die durch das Schengener Abkommen und die Dublin-Verordnung produziert wurden, zu überwinden und auf diese Weise versuchen, ihr Leben frei zu gestalten. So entstehen die Anfänge einer „Europäisierung von unten“, die versucht die Binnengrenzen, welche im Aufenthaltsstatus Ausdruck finden, zu reduzieren.

Europäisierung von unten

Unsere empirischen Forschungen zeigen unterschiedliche zirkuläre Bewegungen von Flüchtlingen auf, die sich innerhalb, zwischen und außerhalb der nationalen Grenzen vollziehen. Obwohl die europäischen und nationalen Normen Flüchtlinge an die Grenzen der Nationalstaaten binden, entwickeln sich ständige Bewegungen innerhalb Europas, die zeigen, dass Mobilität anstelle von Sesshaftigkeit der Normalfall ist. Diese Bewegungen von Flüchtlingen sollten sowohl als Produkt der strukturellen Einschränkungen als auch als Produkt der agency der Subjekte, die ihre Wünsche und Lebensvorstellungen versuchen zu verwirklichen, betrachtet werden. Die hier dargestellten Geschichten der Flüchtlinge beleuchten, wie sich das Grenzregime in der Wechselwirkung zwischen migrantischen Subjekten und Kontrollmechanismen entwickelt. Diese Interaktion ist als Machtbeziehung zu verstehen, die den Behörden und der Polizei eine hohe Willkür erlaubt. So werden die Grenzen individuell aktiviert und wirken als Filter für den Zugang zu „Europa“: Arbeits- und Wohnungsmarkt, soziale und Menschenrechte sowie freie Bewegungsmöglichkeit. Die Besonderheit des europäischen Grenzregimes besteht in der Produktion von Binnengrenzen, die auf verschiedene nationale und städtische Gebiete verteilt sind. In diesem Beitrag haben wir uns auf den Aufenthaltsstatus als ein Beispiel dieser Binnengrenzen konzentriert, der mit dem Körper der Subjekte verbunden ist und somit all ihren Bewegungen folgt. Wir haben gezeigt, wie die Hierarchie der Aufenthaltsstatus zu Ungleichheiten bei den Mobilitätsmöglichkeiten innerhalb des Schengen-Raums führt, weswegen man von einem mobility regime sprechen kann. Die Flüchtlinge reagieren auf dieses mobility regime, indem sie Widerstandspraktiken entwickeln, die ihnen erlauben, die Binnengrenzen zu umgehen und zu überwinden. Diese sozialen Praktiken basieren auf direkten Erfahrungen der Flüchtlinge, die durch den ständigen Informationsaustausch ein kollektives Wissen schaffen. Dieses Wissen wird von den informellen Netzen der Geflüchteten und Unterstützer_innen – Netze, die sich über ganz Europa und darüber hinaus erstrecken – getragen und weitergegeben. Darüber hinaus sind diese informellen Netze die wichtigste Ressource für die ständige Mobilität der Geflüchteten, die unterschiedliche Orte verbindet. Diese Bewegungen, die zirkulär statt linear und unidirektional sind, verdeutlichen die Einbindung der europäischen Orte als Knotenpunkte eines Netzes. Die Versuche der Flüchtlinge, Bewegungsfreiheit für sich wahrzunehmen und zu erkämpfen, deuten auf einen Prozess der „Europäisierung von unten“ hin. Die Geflüchteten erleben somit den europäischen Raum als wäre er ein einziger Ort: In Berlin leben sie, in Mailand verlängern sie die Papiere, in Turin machen sie Fortbildungskurse und in Sizilien oder Apulien arbeiten sind als Saisonarbeiter. Der Prozess der „Europäisierung von unten“ zeigt wie sich Flüchtlinge durch alltägliche Praktiken den europäischen Gesetzen widersetzen, die sie an einen Ort festlegen und ihre Mobilität einschränken wollen.

Literatur

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Anschrift der Autorinnen:
Giulia Borri                                                                                            Elena Fontanari
giulia.borri@cms.hu-berlin.de                                                                elena.fontanari@unimi.it

Peripherie, Nr. 138/139, 35. Jg. 2015, Verlag Westfälisches Dampfboot, Münster, S. 193-211
Bestelladresse: info@zeitschrift-peripherie.de



[1]       Hierfür ist Residenzpflicht in Deutschland ein Beispiel.

[2]       Es wurden in der Forschung abwechselnd verschiedene Sprachen verwendet: Italienisch, Englisch, Deutsch und Französisch.

[3]       Wir benutzen den Terminus Flüchtling, wenn wir die Relevanz des juristischen Status betonen wollten, sonst verwenden wir aus ethischen und politischen Gründen Geflüchtete.

[4]       Wir haben Sprachkurse angeboten, Beratung gemacht, politische Unterstützung geleistet und Besuche bei Behörden, Ämtern, Ärzt_innen und Anwält_innen begleitet.

[5]       Diese sowie folgende Informationen wurden durch Feldforschungen, Konferenzen und den Austausch mit anderen Forscher_innen gesammelt. Bis jetzt gibt es noch keine Literatur über die Emergenza Nord Africa (Ausnahmezustand Nordafrika), da es ein relativ neues Ereignis ist.

[6]       Hierbei handelt es sich um eine einjährige, erneuerbare, im nationalen Gesetz verankerte Aufenthaltserlaubnis in Italien.

[7]       Ab jetzt benutzen wir das Wort Flüchtlinge statt Geflüchtete in Bezug auf deren humanitären Aufenthaltstitel.

[8]       Die Räumung erfolgte nicht ohne Widerstand. Die Bewohner_innen waren sich nicht einig: Ein Teil verließ den Platz freiwillig, andere stellten sich der Räumung entgegen und wurden von der Polizei gewaltsam vertrieben. Danach gab es mehrere Protestaktionen, u.a. Mahnwachen, einen Infopoint am Oranienplatz, Hungerstreiks und Dachbesetzungen in unterschiedlichen Vierteln in Berlin.

[9]       Pendel-Bewegung ist ein von uns gewählter Begriff, um die ständige Mobilität von Flüchtlingen zwischen Berlin und Italien zu kennzeichnen.

[10]      Questura ist das Polizeibüro, das eine Abteilung für Verwaltungsverfahren von Ausländer_innen hat.

[11]      Aus ethnographischen Notizen in Mailand und Turin, Februar und März 2014.0

[12]      In der Regel ist es in Italien nur möglich, eine kurze Zeit von zwei Wochen bis einem Monat in Schlafstellen für Obdachlose zu verbringen.

[13]      Titolo di Viaggio ist ein Dokument, welches von der Questura ausgestellt wird und gleichwertig mit dem Pass ist. Es wurde während Emergenza Nord Africa zusammen mit dem Humanitären und Subsidiären Schutz ausgestellt.

[14]      Hiermit ist eine Schulprüfung gemeint, die Zugang zur Hochschule und erleichterten Zugang zum Arbeitsmarkt erlaubt.