Chrysi Avgi: Gewalt als Politik, Polizei als Partner

Die neonazistische, griechische Partei Chrysi Avgi (Χρυσή Αυγή) oder „Goldene Morgenröte“ erlangte bei den griechischen Parlamentswahlen im Juni 2012 6,92 Prozent der Stimmen und zog mit 18 Sitzen in das Parlament ein. Die Anzahl der Parteibüros der Chrysi Avgi lag im Oktober 2012 bei circa 60. Die Neonazipartei verfügt über eine Jugendorganisation, die „Jugendfront“, die die Zeitschrift „Ante­pithesi“ (Gegenangriff) herausgibt und eine gleichnamige Radiosendung macht. In einigen weiterführenden Schulen hat sie sogar die Schülervertretungen beherrscht. Nationalistische Hooligans von Galazia Stratia (Hellblaue Armee) sind eng mit Chrysi Avgi verbunden. Unterstützer der Partei finden sich auch in der griechischen NSBM-Musikszene, darunter die Bands Der Stürmer, Legion of Doom sowie Naer Mataron.

Aufgrund der laufenden Ermittlungen wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung macht Chrisi Avgi ihre Mitgliederzahl und die Höhe des Parteivermögens nicht öffentlich. Auf jeden Fall ist sie in 61 Ortsgruppen unterteilt, nicht alle davon verfügen jedoch über eine der „Sturmstaffel“ genannten Schutz- und Überfallgruppen der Partei. Außerdem gibt es diverse Untergruppen der Partei, so z.B. die „Frauenfront“, Essensverteilergruppen und die „Grüne Gruppe“.

Ilias Panagiotaros, Abgeordneter der Chrysi Avgi, wurde wegen des Verdachtes der Bildung einer kriminellen Vereinigung verhaftet. Hier als Redner vor dem Imia Denkmal in Athen. | Foto: Nicolas Koutsokostas © 2014 Demotix, all rights reserved

Polizei und Neonazis eng verbunden

Überdurchschnittlich hohe Wahlergebnisse erreichte die Neonazipartei  in den Wahllokalen, in denen mehrheitlich Polizeibeamte wählten. Dort erlangte sie bei den Parlamentswahlen im Juni 2012 teilweise zwischen 17 und 25 Prozent. Im September 2013 wurden insgesamt 319 Polizisten, zwei Seepolizisten und 104 Polizeireviere unter die Lupe genommen, um eventuellen Kontakte mit Chrisi Avgi aufzuspüren. Zehn Polizisten wurden solche Kontakte nachgewiesen und mindestens vier führende Beamte wurden strafversetzt, weil sie in die Partei verstrickt waren, während drei Weitere aus dem gleichen Grund in U-Haft sitzen. Hierbei handelt es sich unter anderen um den Polizeihauptkommissar des berüchtigten Reviers des Athener Stadtbezirks Agios Panteleimonas (wo Chrisi Avgi ihre erste national befreite Zone ausgebaut hat) in dessen Besitz u.a. unzählige Waffen und Drogen beschlagnahmt wurden. Verhaftet wurde auch der persönliche Wächter des Parlamentariers Kostas Barbarousis, der öffentlich bei Überfällen gegen ausländische Kleinhändler in der Stadt Mesologi mitgewirkt hatte.

Nachdem die Ermittler_innen innerer Ange­legenheiten der Polizei dicke Akten zu den Beziehungen zwischen Chrisi Avgi und Polizei bekommen haben, wird aktuell weiter ermittelt. Drei Polizisten sollen demnächst wegen Beteiligung an einer kriminellen Vereinigung im Zusammenhang mit ihrer Beihilfe zur Ermordung von Pavlos Fissas angeklagt werden. Die öffentlich gewordenen Funkgespräche der in der Nacht der Ermordung des jungen Antifaschisten vor Ort befindlichen Polizisten waren zusätzlich schockierend.

Am 28. September 2013 wurden der Parteivorsitzende Nikolaos Michaloliakos, Parteisprecher Ilias Kasidiaris, mehrere weitere Abgeordnete und andere führende Mitglieder der Partei wegen des Vorwurfs der Bildung einer kriminellen Vereinigung festgenommen, ebenso ein Polizist, der beim Mord an Fyssas anwesend gewesen sein soll, sowie eine Polizistin in Piräus, der vorgeworfen wird, die Partei über laufende Ermittlungen informiert und in ihrem Haus ein Waffenarsenal angelegt zu haben.

Gewalttätige Politik

In den Ermittlungen sind 32 Hauptfälle  aufgeführt, die geschätzte Zahl steigt aber gemäß dem „Netz zur Auflistung von rassistischer Gewalt“ auf 166 Fälle mit 320 Opfern allein im Jahr 2013. Die hohe Zahl der Opfer ist auch auf die Vorfälle im westgriechischen Amaliada zurückzuführen, wo Aufseher der Erdbeerenplantagen auf 150 protestierende Arbeiter geschossen und 35 von ihnen verletzt haben.

Antonios Androutsopoulos, (auch „Periandros“), damalige rechte Hand von Parteichef Michaloliakos, attackierte am 16. Juni 1998, nach einer Kundgebung der Chrysi Avgi vor einem Athener Gerichtsgebäude Antifaschisten mit Knüppeln. Unter den schwer verletzten Opfern war der junge, linke Student Dimitris Kousouris.

Im Jahr 2008 warfen Angehörige der Partei Granaten in ein Zentrum für Einwanderer in Athen. Im September 2011 wurde ein afghanischer Asylbewerber in Athen angegriffen. Beteiligt soll auch Themis Skordeli gewesen sein, die für die Chrysi Avgi kandidiert hat und Teil einer Athener „Anti-Migranten-Patrouille“ war. Mittlerweile sitzt auch sie in U-Haft. Im Juni 2012 wurden Vouldis und der Abgeordnete Ilias Panagiotaros festgenommen. Sie sollen einen 31jährigen Pakistani attackiert haben. Unter den Festgenommenen war auch die Tochter von Nikolaos Michaloliakos. Der Sprecher der Partei, Ilias Kasidiaris, sorgte im Juni 2012 in einer Live-Sendung für einen Eklat, als er die beiden Parlamentarierinnen Liana Kanelli und Rena Dourou angriff. Gegen Kassidiaris lief ein Prozess wegen illegalen Waffenbesitzes und Mittäterschaft bei einem Raubüberfall. Er wurde freigesprochen. Im Gerichtssaal dominierten Mitglieder von Chrisi Avgi, da die Polizei jegliche Eintrittskontrolle unterlassen hatte. Im September 2012 kam es in Rafina zu gewalttätigen Angriffen von Mitgliedern der Chrysi Avgi auf Marktverkäufer mit vermeintlichem Migrationshintergrund. Zuvor kontrollierten die Abgeordneten Giorgos „Kaiadas“ Germenis und Iotis Iliopoulos Verkaufslizenzen.

Der Abgeordnete Kostas Barbarousis führte im selben Moment einen Schlägertrupp zu einem Einwanderermarkt in der Kleinstadt Mesolongi. Barbarousis war bei diesen Übergriffen auf mehreren Videoaufnahmen zu sehen. Der offizielle Leibwächter von Barbarousis, ein Polizist, wurde auf einem Video als Angreifer identifiziert und sitzt mittlerweile in U-Haft. Im April 2013 verletzte der Abgeordnete Giorgos Germenis beim Versuch, den amtierenden Bürgermeister von Athen, Giorgos Kaminis zu attackieren, ein 12jähriges Mädchen. Germenis wird auch beschuldigt, dass er versucht hätte, eine Schusswaffe zu ziehen.

Eine kriminelle Vereinigung

Die Justiz ermittelt wegen Totschlags, Körperverletzung, Erpressung, Sprengstoffanschlägen und Geldwäsche. 20 Abgeordnete und Parteifunktionäre der Partei wurden verhaftet. Von den Ermittlungen sind 31 Mitglieder der Partei betroffen, darunter neun Abgeordnete des Parlaments. Gegen den Parteivorsitzenden Michaloliakos und den Abgeordneten Giannis Lagos wurde Untersuchungshaft angeordnet. Drei Abgeordnete, unter ihnen Parteisprecher Kasidiaris, wurden gegen Auflagen vorläufig auf freien Fuß gesetzt. Michaloliakos verblieb in Haft, ebenso die Abgeordneten Christos Pappas und Giannis Lagos. Im Januar 2014 wurden Giorgos Germenis, Panagiotis Iliopoulos und Efstathios Boukouras in Untersuchungshaft genommen. Ihnen wird vorgeworfen, Schlüsselrollen in einer kriminellen Organisation innezuhaben, die für zahlreiche Angriffe auf Migranten verantwortlich gemacht wird. Ihre Schlüsselrolle soll darin bestehen, die Befehle geliefert und Aufgaben an die Mitglieder verteilt zu haben.

Gründung der „Ersatzpartei“ Ethniki Avgi

Anfang Januar 2014 stellte die Chrysi Avgi die neugegründete Partei Ethniki Avgi oder „Nationale Morgendämmerung“ vor, die aktiv werden sollte, falls die Chrysi Avgi als kriminelle Vereinigung verboten würde. Die Satzung der Ethniki Avgi, ist weitgehend identisch mit der der Chrysi Avgi, jedoch fehlen alle Klauseln, die als Anhaltspunkte für kriminelle Zielsetzungen gewertet werden könnten. Die Regierung hat jedoch ein Verbot vor den Wahlen unterlassen, denn so ein juristischer Eingriff hätte womöglich zur weiteren Verstärkung der Partei geführt.