PERIPHERIE-Stichwort „Embedded Feminism“

Die kritisch zugespitzte und zugleich griffige Formulierung „embedded feminism“ geht auf die kanadische Feministin und Politikwissenschaftlerin Krista Hunt (2006) zurück und beschreibt die strategische Indienstnahme feministischer Positionen in Begründungs‑ und Legitimierungsdiskursen staatlicher und militärischer Gewalt. Hunt entwickelt diesen Topos im Kontext des „War on Terror“ in kritischer Auseinandersetzung mit der Kriegsrhetorik der Bush-Regierung. Nach den Anschlägen des 11. 9. 2001, zeitgleich mit den Vorbereitungen der Militärinvasion in Afghanistan, begann die US-Regierung, sich für die Situation der afghanischen Frauen zu interessieren. Konservative und antifeministische Politiker_innen – nicht nur in den USA, sondern auch in Deutschland und Europa –, wiesen plötzlich auf die Unterdrückung und Entrechtung dieser Frauen durch die Taliban hin und machten sich, begleitet und unterstützt von den Massenmedien, für Frauenrechte und ein Ende der Gewalt gegen Frauen (in Afghanistan) stark. Wie Hunt und andere Autor_innen argumentieren, blieb das „feministische“ Interesse jedoch an der Oberfläche. Die Berichte über das Leid der afghanischen Frauen, verbunden mit dem Ruf nach Wiederherstellung oder Einführung von Frauenrechten, wurden vielmehr bewusst zur Begründung und Legitimierung des Militäreinsatzes instrumentalisiert und dienten dazu, den Krieg gegen die Taliban als eine Aktion zur Rettung und Befreiung der afghanischen Frau zu (v)erklären (vgl. Hunt 2006: 52f; für den deutschsprachigen Diskurs Nachtigall 2012). Nach dem Sturz des Taliban-Regimes trat das politische und mediale Interesse an den Lebensbedingungen afghanischer Frauen ebenso schnell wieder in den Hintergrund. Zudem wurde zwar häufig über die afghanische Frau berichtet, die Möglichkeit, für sich selbst zu sprechen, blieb ihr jedoch weitgehend versagt.

Der Begriff „embedded feminism“ ist angelehnt an die vom US-Verteidigungsministerium zu Beginn des Irakkrieges 2003 eingeführte Strategie des „embedded journalism“ bzw. der „embedded media“ (Hunt 2006: 52). Journalist_innen wurde damit gestattet, integriert ins Militär direkt von der Kriegsfront zu berichten, was nicht nur eine faktengetreuere Übertragung des Geschehens, sondern auch eine stärkere Steuerung der Berichterstattung ermöglichen sollte, um die öffentliche Meinung in Richtung einer Befürwortung des Krieges zu lenken. Ähnlich funktioniert nach Hunt die Politik des „embedded feminism“: Die gezielte Einbettung feministischer Stimmen erwies sich im Falle des Afghanistankrieges als überaus erfolgreiche Strategie, den Krieg als humanitäre Aktion und Kampf für Frauen(rechte) moralisch zu legitimieren. Dadurch konnte eine breite Zustimmung innerhalb der Bevölkerung erreicht werden – auch unter Feminist_innen und Frauenrechtler_innen, die sich teilweise hinter die Regierungspolitik stellten. In Anbetracht der Tatsache, dass sich die Situation der Frauen nach Entmachtung der Taliban nicht wesentlich verbessert, teilweise sogar noch verschlechtert habe, definiert Hunt „embedded feminism“ als „Inkorporierung feministischer Diskurse und feministischer Aktivitäten in politische Projekte, die behaupten, den Interessen von Frauen zu dienen, dieses Ziel letztlich aber nachrangig behandeln und/oder unterlaufen“ (ebd.: 53).

Wesentlich für die Funktionsweise des „embedded feminism“ ist seine inhärente eurozentrische und (neo‑)kolonialistische Logik, mit deren Hilfe sich der „Westen“ damals wie heute als kulturell überlegen imaginiert und seine imperialistischen Herrschafts‑ und Interventionsansprüche absichert. Wie postkoloniale Feminist_innen seit langem deutlich machen, spielt der Rekurs auf das Geschlechterverhältnis der „Anderen“ bzw. die soziale Stellung der Frau dabei eine zentrale Rolle (vgl. z.B. Loomba 2005; Yeğenoğlu 1998). Die untergeordnete Rolle der subalternen Frau diente den Kolonialmächten nicht nur als Beweis für die „Rückständigkeit“ und „Primitivität“ der beherrschten Kulturen, sondern auch als Begründung für westliche Expansion und Einmischung – mit dem Argument, die Menschen, insbesondere die Frauen in den Kolonien bräuchten den „Schutz“ der Kolonialmächte und müssten von der „Barbarei“ befreit werden (Castro Varela & Dhawan 2005: 60f). Gayatri Chakravorty Spivak (1988: 297) hat diese altbewährte kolonialistische Rhetorik mit dem viel zitierten Satz „white men are saving brown women from brown men“ auf den Punkt gebracht. Kolonialisierung und imperiale Herrschaft werden als soziale und zivilisatorische Mission legitimiert, die angeblich v.a. den Frauen zugute kommt.

Hunts Argumentation folgend wäre es jedoch zu kurz gegriffen, hier bloß die missbräuchliche Aneignung „feministischer“ Positionen durch die herrschende Politik zu skandalisieren. Wie feministische Studien zeigen, waren und sind Frauen und Feministinnen der westlichen Länder zutiefst in das koloniale Projekt verstrickt und an der (Re‑)Produktion rassistischer Diskurse zur Absicherung und Legitimierung von Kolonialismus und Imperialismus aktiv beteiligt (vgl. Hunt 2006: 54f). In paternalistischer Manier eines „white women are saving brown women from brown men“ stellen sie sich aktiv in den Dienst (neo‑)imperialistischer Politiken und profitieren von westlichen Überlegenheitsdiskursen. Bezüge auf Geschlecht und Sexualität erweisen sich dabei auch in den neo-kolonialistischen und neo-imperialistischen Diskursen der Gegenwart für die Selbst-Vergewisserung und Aufwertung des Eigenen als zentral und verstärken die Grenzziehungsprozesse zwischen einem „zivilisierten Westen“ und einem „unzivilisierten Anderen“. Dadurch, dass Sexismus und Patriarchat ausschließlich „anderswo“, auf Seiten der „Anderen“ verortet werden, wird das Konstrukt einer auf Fortschritt und Modernität beruhenden westlichen Identität gestärkt – symbolisiert durch Emanzipation der Frau und Geschlechtergleichstellung. Es kommt zu einer fragwürdigen Aneignung von Anti-Sexismus und Frauenrechten, die nunmehr als spezifisch westliche „Grundwerte“ proklamiert werden, besonders dann, wenn es um die Abgrenzung von vermeintlich hypersexistischen bzw. hyperunterdrückten Muslim_innen geht.

Mittlerweile lässt sich eine Generalisierung jener Strategie des „embedded feminism“ und eine Erweiterung in Richtung eines „embedded queerfeminism“ bzw. „embedded anti-homophobia“ beobachten. Die Bezugnahme auf Frauenrechte und „Befreiung“ der subalternen Frau spielt nicht nur in außenpolitischen Diskursen eine wiederkehrende Rolle. Auch wenn es um die Themen „Migration“ und „Integration“ sowie „innere und äußere Sicherheit“ geht, werden Frauen und Frauenrechte herangezogen, um vermeintlich unüberbrückbare kulturell-religiöse Differenzen zwischen Mehrheitsgesellschaft und – als „Migrant_innen“ und „Muslim_innen“ markierten – nicht-westlichen „Anderen“ zu begründen. Dabei steht nicht mehr nur die Figur der subalternen Frau mit Emanzipationsdefizit im Mittelpunkt, sondern auch der Umgang mit „sexuellen Minderheiten“. Seit dem 11. 9. 2001 lassen sich in den westlichen Ländern sexual‑ und geschlechterpolitische Veränderungen beobachten, die (bestimmte) feministische und anti-homophobe Positionen in den politischen Mainstream aufgenommen haben. Dabei werden nun auch (einige) Schwule und Lesben in das nationale Projekt integriert, um die eigene Nation als fortschrittlich und schwulen‑ und lesbenfreundlich auszuweisen und aufzuwerten. Jasbir K. Puar (2007) hat hierfür den Begriff „Homonationalismus“ eingeführt, um die Eingemeindung von Schwulen und Lesben, die nicht nur von staatlicher Seite, sondern auch von Teilen der linken und schwullesbischen Szene forciert wird, in das nationale Kollektiv zugunsten neuartiger rassistischer Grenzziehungsprozesse zu beschreiben. In der Folge entstehen neue Zugehörigkeiten und Bündnisse zwischen weißen hetero‑ und homosexuellen Mitgliedern der Dominanzgesellschaft bei gleichzeitiger Verschärfung von Ausschluss und Abgrenzung gegenüber Migrant_innen, wobei v.a. „muslimisch“ mit „homophob“ gleichgesetzt wird. Der Mechanismus verläuft dabei immer ähnlich: Indem die Missachtung oder das Fehlen von Frauen‑ oder Homosexuellenrechten nach außen verlagert, ethnisiert und bei den „Anderen“ verortet wird, geraten eigene Macht‑ und Herrschaftsverhältnisse aus dem Blick, kann sich das Eigene als fortschrittlich und zivilisiert, frauen‑ sowie schwulen‑ und lesbenfreundlich – und damit als kulturell überlegen – profilieren.

Die Beispiele zeigen, dass die Strategie des „embedded feminism“ nicht auf den Kontext des „War on Terror“ beschränkt ist, wie auch Hunt betont. Seit Jahrhunderten werden Kriege mit dem Verweis auf bedrohte und zu beschützenden Frauen und Kinder – als Symbol für die (eigene) Nation – begründet und geführt. Die Dämonisierung des Feindes als „Vergewaltiger“ und „Mörder“ von Frauen und Kindern fungiert als Appell und Ansporn zum Kampf für die eigenen Männer, denen es traditionell obliegt, die Nation zu verteidigen. Cynthia Enloe (1990) bezeichnet die stereotype viktimisierende Repräsentation von Frauen in Kriegskontexten auch pointiert als „womenandchildren“. Neu an gegenwärtigen Legitimierungsdiskursen ist nicht die Instrumentalisierung von Frauen (und Kindern), sondern die dezidierte Einbindung von feministischen Theoriefragmenten und Forderungen, etwa nach Emanzipation der Frau und Frauenrechten, zur Begründung und Legitimierung staatlicher und militärischer Gewalt.

Insgesamt wird mit dem Begriff „embedded feminism“ deutlich, dass (queer‑)feministische Positionen nicht per se mit einer herrschafts‑ oder kriegskritischen Haltung zusammenfallen. Sie lassen sich im Dienste der herrschenden Politik vereinnahmen und zur Durchsetzung repressiver und rassistischer Politiken nach außen wie innen nutzbar machen. Feministische und genderbezogene Politik und Forschung muss sich deshalb aufs Neue damit beschäftigen, wie einer solchen Vereinnahmung zu entkommen bzw. was ihr entgegenzusetzen ist.

Andrea Nachtigall

Literatur

Castro Varela, María do Mar, & Nikita Dhawan (2005): Postkoloniale Theorie. Eine kritische Einführung. Bielefeld.

Enloe, Cynthia (1990): „Womenandchildren. Making Feminist Sense of the Persian Gulf Crisis“. In: The Village Voice, 25. 9. 1990, S. 29-32.

Hunt, Krista (2006): „‘Embedded Feminism’ and the War on Terror“. In: Hunt, Krista, & Kim Rygiel (Hg.): (En)Gendering the War on Terror. War Stories and Camouflaged Politics. Hampshire & Burlington, VT.

Loomba, Ania (2005): Colonialism/Postcolonialism. 2. Aufl., London & New York, NY.

Nachtigall, Andrea (2012): Gendering 9/11. Medien, Macht und Geschlecht im Kontext des „War on Terror“. Bielefeld.

Puar, Jasbir K. (2007): Terrorist Assemblages. Homonationalism in Queer Times. London.

Spivak, Gayatri Chakravorty (1988): „Can the Subaltern Speak?“ In: Nelson, Cary, & Lawrence Grossberg (Hg.): Marxism and the Interpretation of Culture. Urbana, IL, & Chicago, IL, S. 271-313.

Yeğenoğlu, Meyda (1998): Colonial Fantasies. Cambridge.

Peripherie, Nr. 133, 34. Jg. 2014, Verlag Westfälisches Dampfboot, Münster, S. 90-93
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