Aborto Libre

Proteste gegen die Rücknahme der Fristenlösung in Spanien

in (18.03.2014)

ABTREIBUNG WAR IN SPANIEN SEIT EWIGEN ZEITEN UND BIS zum Jahr 1985 illegal. Mit einer Ausnahme: einer extrem kurzen Zeitspanne der zweiten Republik zwischen 1937 und 1939, in der der freiwillige Schwangerschaftsabbruch (IVE) zum ersten Mal in einigen Regionen des Landes straffrei war. Zu dieser Zeit hatten nur drei europäische Länder das Recht auf Schwangerschaftsabbruch in ihre Gesetzgebung aufgenommen: die Schweiz 1916, die damalige Tschechoslowakei 1925 und Russland 1926. Die spanische Gesetzgebung war damals die fortschrittlichste, da sie auf Fristen basierte und es jeder Frau ermöglichte, während der ersten zwölf Wochen der Schwangerschaft abzutreiben. 

Während im restlichen Europa feministische Bewegungen wichtige Fortschritte im Bereich der reproduktiven Rechte erzielten, Abtreibung straffrei wurde und mehr und mehr Fristenlösungen umgesetzt wurden, herrschte im Spanien der 1970er-Jahre unter dem Regime von Franco Repression. Frauen waren innerhalb eines extrem ranzigen patriarchalen Systems der Kirche und der Vormundschaft ihrer Ehemänner unterworfen. Die Dynamik der drei Ks (Kinder, Küche, Kirche) stand auf der Tagesordnung. Abtreibung war illegal und stand unter Strafe. 

Interessanterweise konnte diese reduziert werden, falls es sich um die illegale Abtreibung einer alleinerziehenden Mutter handelte und mit der Familienehre argumentiert wurde. Die Illegalität der Abtreibung trieb Frauen in Praktiken mit tödlichen Konsequenzen. Viele Jahre lang waren illegale Abtreibungen einer der Hauptgründe für die Sterblichkeit von spanischen Frauen im fruchtbaren Alter. Erst im Jahr 1985 (zehn Jahre nach dem Tod des Generalísimo) trat die erste Gesetzgebung in Kraft, die Abtreibung im Falle von drei Sachverhalten straffrei machte: Vergewaltigung, Missbildung des Fötus oder physischer oder psychischer Schaden der Frau. Auf diesen letzten relativ flexiblen Punkt beriefen sich bis vor kurzem viele Abtreibungen. 

DOCH ERST 2010, UNTER DER REGIERUNG DER PSOE, WURDEAbtreibung während der ersten 14 Wochen der Schwangerschaft vollkommen legalisiert. In drei Fällen erlaubt das aktuell gültige Gesetz in Spanien die Abtreibung auch noch nach dieser Frist von 14 Wochen. Auch dieses Gesetz ist nicht perfekt, denn die Kombination aus Fristen und Sachverhalten führt in der Praxis in einigen Fällen zu unnötigen Komplikationen und seine Ausführung unterliegt komplizierten Formalitäten, wodurch der Zugang zu einer Abtreibung im öffentlichen Gesundheitssystem erschwert wird. 

Die Reform dieses Gesetzes, die vom Partido Popular im vergangenen Dezember angeleiert wurde, ist jedoch bei Weitem die schlechteste Gesetzgebung in Spanien. Sollte dieses Gesetz verabschiedet werden, bedeutet es einen enormen Rückschritt für die reproduktiven Rechte von Frauen. Abtreibung wird nur mehr in zwei extremen Sachverhalten in Erwägung gezogen: Vergewaltigung und hohe Risiken für die physische und mentale Gesundheit der Frau. In letzterem Fall müssen zwei Ärzte, unabhängig vom durchführenden Arzt, Gutachten darüber vorlegen, dass der Fötus eine Gefahr für die Gesundheit der Mutter darstellt. Frauen unter 18 werden die Erlaubnis ihrer Eltern brauchen und alle Frauen werden zuerst über Alternativen zur Abtreibung, wie Adoption, unterrichtet. 

Dieser neue Angriff der Regierung geht über die üblichen Versuche, Frauen auf ihre traditionelle Rolle als unterwürfige Brutkästen zu reduzieren, von der wir uns nach so vielen Jahren des feministischen Kampfes losgelöst geglaubt hatten, hinaus. Es ist ein Angriff auf die gesamte Gesellschaft, der weniger vermögenden Klassen eine ungewollte oder aus ökonomischen Gründen undurchführbare Elternschaft aufzwingt. Es ist nicht nur ein feministischer Kampf, sondern ein Klassenkampf, ein Versuch, BürgerInnen in jene, die sich einen Schwangerschaftsabbruch im Ausland leisten können und jene, die das nicht können, zu spalten. 

80 PROZENT DER SPANIERiNNEN SIND DAGEGEN, DAS AKTUELLEAbtreibungsgesetz zu modifizieren, und das beinhaltet laut El País 50 Prozent derjenigen, die sich als katholisch bezeichnen. Die Antwort der BürgerInnen waren sofortige Massendemonstrationen innerhalb und außerhalb des Landes. Mobilisierungen wie El tren de la libertad versammelten tausende Menschen auf der ganzen Welt. Frauen lassen ihre Körper als Protestmaßnahme in Zivilregistern als ihr Eigentum registrieren. Prominente, JournalistInnen, KünsterInnen und PolitikerInnen der ganzen Welt haben diesen Vorstoß in öffentlichen Aussagen verurteilt. 

Bereits nach Bekanntwerden der Pläne zur Modifizierung des Abtreibungsgesetzes (Anteproyecto de Ley Orgánica para la protección de la vida del concebido y de los derechos de la mujer embarazada) fanden die ersten Mobilisierungen in Spanien, aber auch in Städten wie Paris oder Berlin statt. Im Jänner kamen Edinburgh, London und einige französische Städte dazu. In Spanien begannen Mobilisierungen zunächst auf lokaler Ebene, wie im Fall von El tren de la libertad. Eine Gruppe von Frauen in Asturias entschied, der Regierung persönlich einen Text mit dem Titel „Weil ich entscheide“ zu überreichen und lud zur Zugreise nach Madrid ein. Die Reaktion war massiv, nicht nur in Spanien, und rief Solidaritätsbekundungen und -züge in Brüssel, London, Brighton, Paris, Ecuador, Mexiko und Argentinien hervor. 

Die zweite Mobilisierung, Aborto Libre, kommt von der Coordinadora Feminista, die von Anfang an über verschiedene Aufrufe informierte. Am 8. Februar gingen erneut tausende Menschen in Madrid, Barcelona, Portugal, Irland, Frankreich, Deutschland, Island und Großbritannien auf die Straße; am 14. Februar ebenso, diesmal im Rahmen des Events One Billion Rising for Justice. Neue Proteste werden Tag für Tag einberufen. Es ist ein Skandal, dass die lauten Forderungen von so vielen Personen auf taube Ohren stoßen. 

IM FEBRUAR WURDE AUF INITIATIVE DER OPPOSITION EINEgeheime Abstimmung abgehalten, um zu entscheiden, ob an den Modifizierungsplänen festgehalten werden sollte. Trotz der Geheimwahl stimmte die Mehrzahl der Abgeordneten (183 gegen 151) dafür, mit den Reformen des Abtreibungsgesetzes fortzufahren. Am 8. März wird unser nächster Termin sein und auch danach werden wir weiter gemeinsame Aktionen koordinieren, wo auch immer wir sein mögen. Wir werden keinen Schritt zurückgehen in den Rechten, die wir im feministischen Kampf errungen haben. Esta ley no pasará! Dieses Gesetz wird nicht durchkommen! 


ANMERKUNG 
Übersetzung: Gudrun Rath