Feldzerstörung: Verfahren eingestellt

Der Strafprozess wegen der teilweisen Zerstörung des Freisetzungsversuches von gv-Weizen in Gatersleben ist für drei Angeklagte ohne Urteil zu Ende gegangen.

Im April 2008 zerstörten sechs FeldbefreierInnen der Initiative Gendreck weg! einen Freisetzungsversuch mit gentechnisch verändertem (gv) Weizen auf dem Gelände des Institutes für Pflanzengenetik und Kulturpflanzenforschung (IPK) in Gatersleben (Sachsen-Anhalt). Seit Dezember desselben Jahres müssen sie sich vor Gericht der Verantwortung für ihr Vorgehen stellen. Dabei muss zwischen Straf- und Zivilprozess unterschieden werden. In dem Strafprozess wird seit August 2009 die Tat an sich verhandelt: Wer hat was getan und damit welche Gesetze übertreten? In dem Zivilprozess, der seit Dezember 2008 läuft, geht es in erster Linie um die Schadensersatzforderungen der geschädigten Institution. Während der Strafprozess - wenn auch schleppend - vorangegangen ist, steht der Zivilprozess im Grunde auf der Stelle. Das ist durchaus üblich, da Zivilverfahren oft erst dann entschieden werden, wenn die Strafsache an sich abgeschlossen ist. Der Strafprozess hat nun eine radikale Wendung genommen: Das Landgericht Magdeburg bietet den verbliebenen drei Angeklagten fünf Jahre nach der Feldbefreiung die Einstellung des Verfahrens auf Staatskosten an.

Revisionsverfahren erfolgreich

Insgesamt waren ursprünglich sechs AktivistInnen an der Feldbefreiung beteiligt. Der Freisetzungsversuch war dabei nur teilweise zerstört worden. Drei der AktivistInnen haben die Verurteilung wegen Sachbeschädigung zu höchstens 30 Tagessätzen Geldstrafe angenommen.

Die drei anderen waren trotz der geringen Strafhöhe in Berufung gegangen und in dem Berufungsverfahren vor dem Landgericht Magdeburg wegen Sachbeschädigung zu Geldstrafen verurteilt worden. Daraufhin beantragten sie vor dem Oberlandesgericht (OLG) Naumburg Revision. Das OLG hat dieser Revision im April stattgegeben, das Urteil des Landgerichtes Magdeburg kassiert und das Verfahren an eine andere Kammer des Landgerichtes Magdeburg zurückverwiesen.

Diese neue Kammer hat nun die Einstellung des Verfahrens bei Übernahme sämtlicher Kosten angeboten. Warum das Landgericht dieses Angebot unterbreitete, geht aus den Unterlagen nicht hervor. Nachdem die drei Angeklagten im Juli zugestimmt haben, ist der Beschluss zur Einstellung im Juli 2013 zugestellt worden.

Freisetzung rechtswidrig

Entscheidend für diese Wende war also die Aufhebung des Landgerichts-Urteils durch das OLG Naumburg im Rahmen der Revision. In ihrem Beschluss kritisieren die RichterInnen des OLG zum Beispiel, dass das Landgericht davon ausgehe, dass der ursprüngliche Genehmigungsbescheid des Bundesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) gültig - und damit für das Landgericht bindend - sei, ohne dies überprüft zu haben. Eine solche Prüfung hätte das Landgericht aber vornehmen müssen, nicht zuletzt weil die Angeklagten „zahlreiche“ Beweisanträge vorgelegt hatten, wonach der Genehmigungsbescheid grob rechtswidrig sei.

Die Frage nach der Rechtmäßigkeit des Genehmigungsbescheides spielte in dem gesamten Verfahren eine zentrale Rolle. Die Annahme, der Freisetzungsversuch hätte niemals genehmigt werden dürfen, kann als wesentliche Motivation der sechs FeldbefreierInnen angesehen werden, selbst zur Tat zu schreiten. Auch in der von den Angeklagten verantworteten, 2010 erschienenen Broschüre „Risiken und Nebenwirkungen - Die Genbank in Gatersleben und die Freisetzung von gentechnisch verändertem Weizen“ wird explizit Bezug zur geltenden Rechtssprechung genommen.(1) Sie schreiben: „Dabei könnte alles so gut sein“, und weiter: „Insbesondere mit der Anknüpfung an den jeweiligen Stand von Wissenschaft und Technik legt das Gesetz (…) die Exekutive normativ auf den Grundsatz der bestmöglichen Gefahrenabwehr und Risikovorsorge fest.“ Dass dies nicht so ist, zeigt in besonderer Weise eine Bemerkung des damaligen Leiters der Gentechnik-Abteilung des Bundesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit, Hans-Jörg Buhk: In einem Begleitschreiben zur Genehmigung empfiehlt er die Verlegung der Freisetzung - genehmigt aber nichtsdestotrotz den Versuch.(2)

Sowohl die erste Instanz im Verfahren gegen die Feldbefreier wie auch das Landgericht hatten sich konsequent dagegen gewehrt, inhaltlich über die Genehmigung zu verhandeln. Allein die Bestätigung durch das OLG, dass über die Rechtmäßigkeit der Genehmigung des Freisetzungsversuches verhandelt werden muss, kann als großer Erfolg der Angeklagten und ihrer VerteidigerInnen und Rechtsbeistände gewertet werden.

Zudem kritisieren die RichterInnen die Entscheidung des Landgerichtes Magdeburg, weil sie nicht erkennen lasse, „ob die Angeklagten davon ausgegangen waren, dass die Betreiberin des Feldversuches angeordnete Umweltschutzmaßnahmen, wie wohl tatsächlich geschehen, missachtet hatte. Dieser Feststellungen hätte es nach Auffassung des Senats [des OLG] bedurft, nachdem das Landgericht einen rechtfertigenden Notstand der Angeklagten verneint hat.“(3)

Bedeutung über Gentech-Verfahren hinaus

Die Entscheidung des OLG Naumburg könne „gar nicht hoch genug eingeschätzt werden“, heißt es in einem Beitrag auf der Internet-Plattform Indymedia. „Mit dem Einstellungsangebot zeigte das Landgericht Magdeburg genau die Reaktion, die nach dem klaren Votum des Oberlandesgerichtes zu erwarten war. Denn dank des Revisionsurteils hätten in einer neuen Verhandlung die genauen Umstände von Genehmigung, Finanzierung und Durchführung geprüft werden müssen. Offenbar war das den RichterInnen selbst zu heikel - und/oder dem IPK als Versuchsbetreiberin zu riskant.“(4) Ein Kommentar unter dem Beitrag zeigt aber auch, dass die Einstellung des Verfahrens nicht das bestmögliche Ergebnis ist: „Schade, dass die Verfahrenseinstellung angenommen wurde, aber das kann natürlich nur einfordern, wer sich den jahrelangen Prozessbelastungen nicht aussetzen muss.“ Die Einstellung des Verfahrens ist eben kein Freispruch - aber damit werden die drei Angeklagten leben können. C.*, einer der Angeklagten, meint, das Landgericht habe „keine Lust mehr gehabt“, sich mit dem Strafverfahren zu beschäftigen.

Der Strafprozess ist damit an sein Ende gekommen. Alle Augen richten sich nun in Richtung des Zivilprozesses: Hier geht es in erster Linie um Schadensersatz. Zwischenzeitlich war von bis zu 245.000 Euro die Rede. Da es auch für den Schadensersatz auf ein Verschulden der Beklagten ankommt, wird interessant werden, wie mit der Tatsache umgegangen wird, dass drei der ursprünglich insgesamt sechs Angeklagen rechtskräftig verurteilt sind, das Verfahren bei den drei anderen jedoch eingestellt worden ist.

Rechtsanwältin Katrin Brockmann hebt hervor, dass es für die RichterInnen sehr schwierig sein wird, die inhaltliche Auseinandersetzung mit der Genehmigung im weiteren Verfahren zu umgehen, auch wenn der Beschluss des Strafsenats des OLG Naumburg keine direkte Anwendung für das Zivilverfahren findet. Im Grunde böte sich Brockmanns Meinung nach eine ganz andere Variante an: Aufgrund von Umstrukturierungen am Landgericht Magdeburg hat es sich nämlich ergeben, dass das Zivilverfahren einer neuen Kammer zugeteilt worden ist. Die nunmehr völlig neu befassten RichterInnen könnten die Argumentation der Beklagten jetzt erneut aufgreifen, dass die Schadensersatzklage aus einer Reihe von Gründen nicht schlüssig ist und die Klage ganz abweisen. „Das wäre für das Gericht eine sehr elegante Lösung“, meint Brockmann.

Christof Potthof ist Redakteur des Gen-ethischen Informationsdienst und Mitarbeiter des Gen-ethischen Netzwerk.

*Name auf Wunsch der Person nachträglich von der Redaktion gelöscht.

Fußnoten:

(1) In der Broschüre werden Rahmenbedingungen der Zerstörung des Versuches dargestellt. Im Netz zum Beispiel unter www.gen-ethisches-netzwerk.de > weitere Veröffentlichungen.

(2) Siehe auch eine verkürzte Version der Broschüre von Miriam Anschütz. Im Netz zum Beispiel unter www.gen-ethisches-netzwerk.de > weitere Veröffentlichungen.

(3) Pressemitteilung des OLG Naumburg vom 07.05.13. Im Netz unter www.presse.sachsen-anhalt.de oder www.kurzlink.de/gid219_z.

(4) „Feldbefreiung Gatersleben: Keine Urteile mehr“ im Netz unter: http://de.indymedia.org/2013/07/346648.shtml.