Die Last der anderen

Stichwort Euro Hawk: Bei 600 Millionen Euro, die für die Pleitedrohne hierzulande bereits verballert wurden, und etlichen weiteren Millionen, die noch folgen werden, bis endlich Gras über die Sache wachsen kann, sollten dem deutschen Steuerzahler allein deswegen die Tränen in die Augen treten, weil die Mäuse tatsächlich unwiederbringlich weg sind und weil es sich wiedermal um sein Geld handelt. Aber nach all den Zig-Milliarden für Bankenrettung und Griechenland-Stützung heben Millionen wahrscheinlich niemanden mehr wirklich an. Nicht zuletzt: Es hätte auch viel schlimmer kommen können, denn die Drohne kommt schließlich aus den USA, und was deren Rüstungskonzerne im Zusammenwirken mit einer ebenso ambitionierten wie offenbar inkompenten Militärbürokratie, die von Legislative und Exekutive zu allem Überfluss offenbar auch noch an der ganz langen Leine geführt wird, tatsächlich drauf haben – dagegen ist Euro Hawk nicht mehr als eine Fingerübung.
Amerika ist bekanntlich nach seinem Selbstverständnis nicht nur „Gottes eigenes Land“, sondern zugleich eines der (militärischen) Superlative, womit hier ausdrücklich nicht der Sachverhalt gemeint ist, dass dort Fünfjährige mit eigens für Kinder konstruiertem Schießzeug ihre dreijährigen Schwestern final umnieten können. Es geht schon um das Kriegsspielzeug für die Großen.
Zum Beispiel um den – natürlich – modernsten und (zumindest vorerst) teuersten Kampfjet der Welt, F-22 Raptor mit Tarnkappeneigenschaften (Stückpreis: 189 Millionen Dollar). Schon als der noch überhaupt nicht im Kampfeinsatz war, mussten sämtliche Maschinen zeitweise monatelang am Boden bleiben oder durften nur für Kurzstrecken nahe ihrer Fliegerhorste aufsteigen, weil Piloten über Ohnmachtsanfälle durch Sauerstoffmangel klagten und daraufhin zum Teil das Fliegen des Vogels verweigerten. Patrouillenflüge von US-Kerngebieten aus nach Alaska mussten ausgesetzt werden.
Das war aber womöglich nur ein schaler Vorgeschmack auf kommendes Ungemach, denn was vom Entwicklungsgeschehen des nächsten Superfliegers, der F-35 aus dem Hause Lockheed Martin (Stückpreis: noch offen), so peu à peu durchsickert, das ist mit „Pleiten, Pech und Pannen“ eher verharmlost denn beschrieben.
Beim Start des Projektes vor nunmehr zwölf Jahren war die F-35 als künftiges Standardkampfflugzeug nicht nur der USA, sondern gewissermaßen des Westens generell gedacht – und zwar für die nächsten 50 Jahre: Die USA allein planen die Beschaffung von etwa 2.400 Maschinen, weitere acht Nationen (Australien, Dänemark, Großbritannien, Italien, Kanada, die Niederlande, Norwegen und die Türkei) wollen sich mit zusätzlich 500 Maschinen armieren und beteiligen sich deswegen auch an den Entwicklungskosten.
Exkurs: Bereits Anfang 2006, als die F-35 sich quasi noch nicht einmal vom Reißbrett erhoben hatte, wusste ein Vizepräsident des Herstellers, dass dieses Flugzeug im Luftkampf viermal effektiver, beim Einsatz gegen feste und bewegliche Bodenziele achtmal effektiver und in Fragen der Luftüberwachung und -aufklärung sowie bei der Unterdrückung der feindlichen Luftverteidigung immerhin noch dreimal effektiver sein wird als herkömmliche Modelle – nachzulesen auf der offiziellen Website von Lockheed Martin.
Doch zurück zu den Kosten. Um solche in Größenordnungen zu sparen, wurde mit der F-35 der Versuch unternommen, die bisherige Palette an unterschiedlichen Typen (und Herstellern) von Kampfflugzeugen für Luftwaffe, Marine und Marineinfanterie der USA auf ein Basismodell zu reduzieren, das dann in verschiedenen Varianten jeweils den Anforderungen der Teilstreitkräfte genügen sollte – als Tarnkappenbomber, als Abfangjäger, als Kurzstreckenstarter und Senkrechtlander (quasi wie ein Hubschrauber) oder zum Einsatz von Flugzeugträgern aus (mit einklappbaren Flügelspitzen), wahlweise mit konventionellen, nuklearen oder Laser-Waffen bestückt, ohne die in modernen Cockpits so verwirrende Vielzahl von Knöpfen und Schaltern, statt dessen gesteuert per Touchscreen et cetera, et cetera. Bereits aus den frühen 1970er Jahren – seinerzeit im Zusammenhang mit der Entwicklung des Mehrzweckkampfflugzeuges „Tornado“ in der Bundesrepublik und einigen Partnerländern – ist für ein derartiges Potpourri an militärischen Wunschvorstellungen und deren grundsätzliche Diskrepanz zum praktisch Machbaren und Finanzierbaren die Metapher von der so genannten „eierlegenden Wollmilchsau“ in Erinnerung. Die ist nun in kritischen Berichten über die F-35 bereits reaktiviert worden.
Was lässt sich nach einem Dutzend Jahren und immerhin schon 56 Milliarden verausgabten Dollars zum Projektstand sagen? Der kann, mit etwas Understatement, nur als suboptimal bezeichnet werden. Obwohl die Entwicklungs- und Anschaffungskosten bereits von ursprünglich veranschlagten 234 Milliarden Dollar auf 400 Milliarden hochgeschnellt sind – das ist das Sechsfache des Apollo-Programms, mit dem die USA zwischen 1969 und 1972 immerhin zwölf Astronauten zum Mond und wieder zurück gebracht haben –, gibt es zwar bereits eine gewisse Anzahl von F-35-Testmaschinen, allerdings noch kein voll einsatzfähiges Modell. Und das wird wohl auch noch eine Weile dauern, denn ein Untersuchungsbericht des Pentagon vom Februar dieses Jahres listet geradezu unglaubliche Mängel bei den bisherigen Maschinen auf; hier nur eine Auswahl:
- Konstruktiv bedingt sei die Sicht aus dem Cockpit schlechter als bei älteren Kampfflugzeugen, und zwar vor allem nach hinten. Ein Testpilot meinte sarkastisch: „Die Sicht nach hinten wird dazu führen, dass der Pilot ständig abgeschossen wird.“
- Das Helmdisplay, das entscheidende Informationen direkt auf das Visier des Piloten projizieren soll, funktioniert nicht störungsfrei oder fällt ganz aus.
- Das Bordradar zeigt bisweilen keine Ziele an oder verliert diese.
- Das interne Batterieladegerät der F-15 fiel schon bei 15 Grad Außentemperatur aus, so dass der Allwetter-Jet nachts im Hangar gewärmt werden musste.
- Hinreichender Blitzschutz für die Maschine ist nicht vorhanden (Gefahr von Totalverlust von Flugzeug und Besatzung).
Aus Sicherheitsgründen werde derzeit unter anderem verzichtet auf:
- Geschwindigkeiten von mehr als 0,9 Mach (gegenüber 1,6 Mach geplant);
- Flüge bei Nacht und Instrumentenflüge bei schlechtem Wetter;
- Auftanken in der Luft;
- Einsatz von Täuschkörpern gegen feindliche Luftabwehrraketen.
Andere Quellen haben von Rissen in Turbinen der F-35 und darüber berichtet, dass die Tarnkappeneigenschaft der F-35 die mögliche Waffenzuladung im Inneren der Maschine stark reduziere und Waffenaufhängungen unter dem Rumpf oder den Tragflächen sich negativ auf die Radarabsorbtion der Außenhaut auswirke, diese quasi Löcher in die Tarnkappe stanzten. Der Betrieb der Nachbrenner wiederum könne das Flugzeug beschädigen und das für Notfälle vorgesehene Treibstoff-Ablass-System gar die gesamte Maschine abfackeln. Auch bei Parametern wie Startstrecke, Aktionsradius und Systemlebensdauer würden die Vorgaben nicht erreicht.
Insgesamt, also einschließlich vorgesehenen jahrzehntelangem Betrieb, gehen Experten davon aus, dass die F-35 den US-Steuerzahler exorbitante 1,5 Billionen Dollar kosten wird – nach heutigem Stande. Und ein Ende dieser Fahnenstange ist nicht in Sicht.
Vor diesem Hintergrund wurden bei einer Anhörung im US-Kongress am 19. Juni bereits Teilalternativen bis hin zum Erwerb nur der Hälfte der vorgesehenen Stückzahl durch die USA selbst erörtert. Inzwischen sind auch auswärtige Interessenten nervös geworden: Kanada prüft alternativ zu möglichen 65 F-35 den Erwerb weiterer (älterer) F-18-Kampfflugzeuge, und die Türkei hat den Kauf der ersten von geplant 100 F-35 zunächst um ein Jahr verschoben, weil die technischen Fähigkeiten des Jets „noch nicht auf dem gewünschten Niveau“ seien.
In der Senderreihe „Streitkräfte und Strategien“ auf NDR 4 wurde kürzlich ein weiterer möglicher Superlativ verbalisiert: „Noch ist nicht ausgeschlossen, dass der F-35 als teuerster Flop aller Zeiten in die Geschichte eingehen wird.“
Dem ist nichts hinzuzufügen – außer vielleicht: Was ist dagegen unser bisschen Euro Hawk-Debakel? Peanuts? Provinziell? Beides!