Hoher Besuch

in (18.07.2013)
Wenn ein neuer Mann (das gilt auch für entsprechende Frauen) an die Spitze des Staates oder der Regierung tritt, macht er Besuche im Ausland. Allerdings hatte schon der chinesische Philosoph Laotse im 6. Jahrhundert v. u. Z. festgestellt: „Auch der längste Marsch beginnt mit dem ersten Schritt.“ Es gibt immer nur einen ersten Schritt, bereits der zweite ist nicht mehr der erste. So kann auch ein Staatsoberhaupt nur einen ersten 
Auslandsbesuch machen. Dafür gibt es nach historischer Erfahrung zwei Varianten. Nummer eins: Der Fürst eines abhängigen Landes macht zuerst dem Oberherrn seine Aufwartung. So reisten einst ein neuer Fürst der Walachei zuerst zur Hohen Pforte nach Istanbul, ein neuer Regierungschef Westeuropas nach Washington und ein neuer Generalsekretär aus Osteuropa nach Moskau. Oder, Variante zwei: Das Haupt des einen Landes besucht das des Nachbarlandes, und sie ehren sich gegenseitig durch diesen Besuch. Im Zuge der Renovatio Imperii Romanorum im Jahre 1000 reiste so Kaiser Otto III. nach Gnesen, um dort den polnischen Piasten-Fürsten Boleslav I. Chobry zu treffen und ihn als „königlichen Bruder“ mit einem kaiserlichen Diadem auszuzeichnen. Damit war die christlich-katholische Welt mit Rom als Zentrum weit nach Osten erstreckt. Heute ist das weit profaner, gleichwohl 
pflegt eine erste Auslandsreise von Kanzlerin oder Außenminister zuerst nach Frankreich oder nach Polen zu führen.Xi Jinping, gerade mal eine Woche lang Staatspräsident Chinas, reiste zu seinem ersten Auslandsbesuch am 22. März 2013 nach Moskau. Westzentristische Bauchnabel-Betrachter meinten, das sei eine Geste gegen den Westen. Das hat China gar nicht nötig. Die weitere Verschiebung der weltwirtschaftlichen Gewichte zuungunsten des alten kapitalistischen Nordens/Westens vollzieht sich ununterbrochen und unerbittlich. China hat in der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit inzwischen die 
Eurozone hinter sich gelassen. Nach neuesten Prognosen der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) wird es 2016 die USA als größte Volkswirtschaft der Welt überholen; im Jahre 2025 werden China und Indien gemeinsam eine größere Wirtschaftsleistung erbringen als die 
G-7-Staaten (USA, Kanada, Japan, Deutschland, Frankreich, Italien und Großbritannien) zusammen.