Monozid

Die Kehrseite von DIY heißt Selbstausbeutung

Schön sei sie gewesen, ihre Tour durch Russland, meint Franz, der Sänger und Gitarrist der Leipziger Noise-Post-Punk-Band Monozid, aber auch sehr anstrengend. 3500 km in sechs Tagen auf russischen Landstraßen unterwegs, bei Schneetreiben und ohne Winterreifen, wenig Schlaf. Aber das große Feedback und die Herzlichkeit der Menschen hätten für den ganzen Stress entschädigt, das Land sei auf jeden Fall eine Reise wert, konstatiert Franz.

Beeinflusst vom Wave und Punk der 80er gründeten sich Monozid 2003 in Leipzig, ihr Livedebüt fand in der Gieszer 16, dem alternativen Zentrum in Leipzig statt. Zwei in Eigenregie veröffentlichte EPs folgten, ebenso wie das in Zusammenarbeit mit Majorlabel/SM-Musik herausgebrachte Album Say Hello To Artificial Grey und eine Splitsingle mit Bootblacks aus New York. Aber das ist bei weitem nicht alles, Ralf, der zweite Gitarrist ist als Konzertveranstalter aktiv, er präsentiert mit Regelmäßigkeit Konzerte aus dem sperrigen Noise-Bereich und seit vier Jahren ein Festival für „Weird Music“, Franz brachte Bands aus dem düsteren Sektor nach Leipzig, Bands, die er gut fand und für die sich keine kommerzielle Promotionsagentur interessierte. So entstand im Laufe der Jahre ein Netzwerk aus Bands, aus dem zahlreiche Tourneen und ebenso viele musikalische Kooperationen hervorgingen. In mehr als zwanzig Länder hatte das Leipziger Trio, bestehend aus Max (Drums), Franz (Gitarre/Bass, Gesang) und Ralf (Gitarre/Bass, Synthesizer), bislang Auftritte.

Ein Netzwerk von FreundInnen

„Sasha vom russischen Label Drink And Be Merry Records haben wir im letzten Jahr in Köln kennengelernt. Er hat uns angeboten, die neue Platte mit zu veröffentlichen und für uns eine Tour zu organisieren“, berichtet Franz wie es zur Russlandtour kam. ZOSCH! aus Köln hätten dies zuvor schon gemacht und begeistert davon erzählt, also hätten Monozid sofort zugesagt. Das neue Album A Splinter For The Pure, bei dem Monozid verstärkt in Richtung eingängigen Post-Punk tendieren, erfährt durch die zahlreichen internationalen Kontakte eine größere Verbreitung, freilich nur im eng gesteckten Independent Kooperationsrahmen, SM-Musik aus Leipzig, Drink And Be Merry aus Moskau sowie Et Mon Cul C´Est Du Tofu aus Paris sind dieses Mal mit an Bord. „Also selbständig zu arbeiten ist uns schon sehr wichtig“, sinniert Franz über die Vor- und Nachteile von DIY-Aktivitäten. „Ich brauche niemanden, der mir in Artwork oder Sound hineinredet, es sei denn, ich bitte die Person darum. Der DIY-Ansatz hat sich aber zwangsläufig daraus ergeben, dass es doch recht schwer ist, jemanden zu finden, der Geld hat, um dieses in eine Band zu stecken. Damit sind natürlich Grenzen gesetzt. Wenn du auf dem Level wie wir eine Band unterhältst, zahlst du permanent drauf. Und die Kehrseite von DIY heißt Selbstausbeutung. Aber das ist halt so und wir bewegen uns freiwillig schon seit Jahren in solchen Gefilden.“ Was die Situation natürlich nicht besser macht. Wenn Kreativität ein Leben am Existenzminimum mit sich bringt oder einen Zweitjob erforderlich macht, so ist dies ein unhaltbarer Zustand. „Der Staat sollte ein bedingungsloses Grundeinkommen einführen“, greift Franz das Thema nochmals auf. „Eine Band zu unterhalten setzt einen enormen Grad an Selbstausbeutung voraus. Das macht mensch zu einem gewissen Grad auch freiwillig, weil es Spaß macht. Das würde aber auch eine generelle Wertschätzung von, ich sage mal ‚ehrenamtlicher Tätigkeit‘ voraussetzen. Musik für die Menschen da draußen zu spielen, ist eine notwendige Tätigkeit, die irgendjemand machen muss. Da brauche ich keinen Staat, der mich parallel gängelt und in meiner Freiheit beschneidet. Ein fixer Betrag im Monat, vielleicht noch ein ‚toll, dass es Leute gibt, die andere mit ihrer depressiven Musik erfreuen‘ und das war´s.“

Die Urheberrechtsdebatte habe er nur am Rande verfolgt, fügt er hinzu, sie seien mit Monozid nicht in der GEMA und hätten dies auch nicht vor, als Konzertveranstalter habe er einschlägige negative Erfahrungen mit dieser Institution gemacht. Für ihn lassen sich MusikhörerInnen in zwei Gruppen einteilen: Solche, die sich Musik prinzipiell nur (illegal) runterladen und Musik- bzw. Vinyljunkies, die sich den Tonträger ins Regal stellen wollen. „Von mir aus können sich so viele Leute wie möglich unsere Musik aus dem Netz runterladen und hören“, meint er pragmatisch, „schön wäre allerdings wenn sich Menschen für einen physischen Tonträger entscheiden oder ein T-Shirt von uns kaufen, da wir ja auch die Band finanzieren müssen. Diese sollten jetzt bitte eine E-Mail an uns schreiben und die hübsch gestaltete und teuer aufgenommene CD ordern oder sie bei unserem nächsten Konzert kaufen.“

Sagt´s und verliert sich in tausenderlei Anekdoten und Anekdötchen zum neuen Album A Splinter For The Pure, kleine Geschichten, die klarmachen, warum das Album genauso klingt wie es jetzt klingt. Wie es damals war, als sie zusammen mit der amerikanischen Band The Holy Kiss auf Tour durch Europa waren, wie aus Alli und Panther von The Holy Kiss schließlich Bootblacks entstand und wie Monozid bei der Tour in den USA 2010 mit Bootblacks Peter Mavrogeorgis von den Bellmer Dolls kennenlernten. Geschichten, die das DIY-Leben schrieb. Peter produzierte im Mai 2012 A Splinter For The Pure in den Dollhouse Studios auf Long Island/NY für die Band und hat Akustikgitarre-, Orgel- und einige Synthesizerparts beigesteuert, Alli ist auf der Platte mit Backingvocals zu hören. „Wer genau hinhört, wird feststellen, dass das Schlagzeug eben jenes ist, auf welchem Jim Sclavunous bei den letzten Bad Seeds/Grinderman Touren gespielt hat“, verrät Franz nicht ohne Stolz.

A Splinter For The Pure erscheint am 17. Dezember, danach geht die Leipziger Band auf Tour durch Frankreich, Spanien und Portugal. Im Frühjahr gibt es Konzerte in Leipzig, Gießen und Karlsruhe, im April geht es zusammen mit Bootblacks in Richtung Italien. „Im Herbst wäre auch mal wieder Osteuropa an der Reihe“, fügt Franz abschließend hinzu.

Infos: monozid.com

Dieser Artikel erschien zuerst in der Direkten Aktion #215 - Januar / Februar 2013