Renaissance oder Selbstdemontage?

Italiens Linke nach Berlusconi

Die Gespenster der linken Vergangenheit, d.h. Flügelkämpfe und Sektierertum, scheinen angesichts der nahenden Parlamentswahlen in Italien zurückzukehren. Dabei ist die Ausgangssituation so gut wie selten: Die Wählersympathien für die Parteien der Rechten, die von Korruptionsskandalen gebeutelte Lega Nord und Berlusconis PdL, sind auf einem Rekordtief gelandet. Der Frust der WählerInnen kommt dabei zwar nicht direkt den Linken zugute, bringt sie aber trotzdem in die unangefochtene Führungsposition. Denn zahlreiche Rechtswählende flüchten sich entweder in Wahlenthaltung oder gehen zu Beppe Grillos Cinque Stelle Partei, die schon angekündigt hat, ihr Image als Protestpartei nicht durch Regierungsbeteiligung zu verhunzen.

Bündnisfragen

Die postsozialdemokratische PD ist so die einzige Großpartei, welche die Krisen der letzten Jahre halbwegs intakt überlebt hat, aber sie steht bestenfalls bei 28 Prozent. Die restlichen progressiven Stimmen verteilen sich auf linke Kleinparteien. Deshalb versucht die PD ein altes Konzept wiederzubeleben: ein Parteienbündnis von der linken SEL, über die Antikorruptionspartei IdV bis hin zur christdemokratischen UDC. Letztere sieht sich aber als politischer Arm des Vatikans und ist dementsprechend homophob und frauenfeindlich. Um die Regierungsfähigkeit und die Prämie für die stärkste Partei zu sichern, die das gegenwärtige Wahlrecht vorsieht, hatte Nichi Vendola, der Vorsitzende der Sinistra, Ecologia e Liberta (SEL), seine Bereitschaft erklärt, trotzdem an einem Bündnis mitzuwirken. Diese Zustimmung lag auch an dem 10-Punktepapier, das der PD Vorsitzende Bersani zur inhaltlichen Plattform eines Mitte-Links-Bündnisses gemacht hat. Mit diesem linksreformistischen Programm kann die SEL gut leben und wenn die UDC ihm auch zustimme, dann sei eine Zusammenarbeit möglich. Dies führte zu einem Sturm der linken Entrüstung, in dem die gerade erst etablierte Linkspartei zu kentern drohte. Vendola ruderte auf dem SEL Parteitag im September zurück, es gelang ihm aber, seine Partei auf Regierungsbeteiligung im Bündnis von PD, IdV und SEL einzuschwören, aber ohne die UDC.

Modello Tedesco

Nun hoffen alle, dass das noch zu beschließende veränderte Wahlrecht die Notwendigkeit von Bündnissen oder Listenverbindungen abschwächt. Beim Wahlrecht wie auch in der Arbeitswelt und der Haushalts- und Finanzpolitik wird der italienischen Öffentlichkeit durch Premier Monti wie durch die Medien momentan das deutsche System schmackhaft gemacht. Dabei wird das Modello Tedesco, das deutsche Modell, dermaßen penetrant hervorgehoben, dass es in der italienischen Öffentlichkeit inzwischen einige Aversionen hervorruft. Die Tatsache, dass die PD Montis Regierung zumindest halbherzig unterstützt, unterminiert ihre WählerInnenbasis, vermutlich wäre es besser gewesen, wenn sie früher Neuwahlen erzwungen hätten. Aber Monti selber und Präsident Napolitano, der dem PCI/PS entstammt, haben darauf bestanden, die Legislaturperiode zu beenden und die PD, deren Apparat zur Schwerfälligkeit neigt, hat dem bereitwillig zugestimmt, wohl auch aus dem Grund, die unpopulären Sparmaßnahmen nicht selber verantworten zu müssen.

Gegen die Aufweichung des Kündigungsschutzparagrafen im Arbeitsgesetz hat sich eine Initiative linker Parteien gebildet, die dies mittels eines Referendums verhindern will. Sie wird nicht nur von zahlreichen kleinen Linksparteien unterstützt, sondern auch von SEL und IdV. Die PD, welche die Modifizierung des Kündigungsschutzes nach langen Verhandlungen mitgetragen hat, ist wenig begeistert über die Extratour ihrer Bündnispartner. Die Mainstreammedien reagieren, indem sie die Regierungsfähigkeit von SEL und IdV in Frage stellen und mangels regierungsfähiger Mehrheit auch nach den Wahlen eine Technokraten-Regierung heraufbeschwören.

Personalfragen

Diese Kontroversen spielen im Vorwahlkampf des linken Bündnisses eine große Rolle, hier entscheiden Parteimitglieder und linke WählerInnen über ihren Spitzenkandidaten. Die haben darin schon Übung, denn in den Regional- und Kommunalwahlen sind Vorwahlen seit Jahren Usus. Bersani wurde 2009 in einer Abstimmung, an der ca. 3 Millionen Menschen teilnahmen, zum neuen Parteichef gewählt. Diesmal werden es noch einige mehr werden, denn der Sieger hat gute Chancen, Premierminister zu werden. Favorit ist der PD-Vorsitzende Bersani. Obwohl die Vorwahlen erst am 25. November und 2. Dezember stattfinden, ist der Wahlkampf bereits seit Mitte September in vollem Gange und hat sich gleich zu Anfang in eine Schlammschlacht verwandelt. Denn unter den zahlreichen KandidatInnen befindet sich auch der rechtssozialdemokratische Bürgermeister von Florenz, Matteo Renzi, der selbsternannte Rottomatore, der Verschrotter der alten Garde, biedert sich an die rechte Mitte an. Er hat als politischen Inhalt einzig seine Jugend zu bieten. Die italienischen Medien lieben die Krawallschachtel und räumen ihm ordentlich Sendezeit ein. Er hat es geschafft, den Vorwahlkampf so stark in eine innerparteiliche PD Kontroverse zu verwandeln, dass Vendola damit droht, seine Kandidatur zurückzuziehen. Denn, wie er betont, sollen die Vorwahlen neben der Mobilisierung der eigenen Basis vor allem der programmatischen Auseinandersetzung dienen. Wenn es den Linken nicht gelingt, eine breitere Öffentlichkeit davon zu überzeugen, dass sie mit ihren Vorstellungen von Demokratisierung und Modernisierung der Gesellschaft, sozialer Gerechtigkeit und ArbeitnehmerInnenrechten, Gleichberechtigung und Pluralität der Lebensformen eine seriöse Alternative darstellt, dann sind die Erfolgsaussichten einer zukünftigen Mitte-Links-Regierung eher bescheiden.