Kommerzialisierung des Fairen Handels

Auswirkungen auf Produzenten am Beispiel des südafrikanischen Rooibos-Tee-Sektors

in (05.12.2012)

Die Ursprünge des Fairen Handels liegen in den 1940er Jahren, in denen vor allem kirchliche Wohltätigkeitsvereine in Europa und Nordamerika Produkte von benachteiligten Produzenten[1] auf der Basis direkter Handelsbeziehungen zu kaufen begannen. In den 1950er und 60er Jahren wurden in der Folge Alternative Handelsorganisationen (ATOs – Alternative Trading Organizations) gegründet, die – noch heute – ausschließlich fairen Handel betreiben. In den 1970er Jahren verbreiteten sich „Weltläden“ (auf Fair-Trade-Produkte[2] spezialisierte Geschäfte) und trugen zum Wachstum der Verkaufsmengen bei. Nachdem die Absatzvolumen Ende der 1980er Jahre stagnierten, fand mit der Gründung von nationalen Siegelinitiativen in Ländern Europas, Nordamerikas und Japan eine Neuausrichtung des Fairen Handels statt. Diese Initiativen entwickelten Fair-Trade-Siegel, deren Logos die Produkte wiedererkennbar machten und den Vertrieb über den konventio­nellen Einzelhandel ermöglichten (vgl. Fridell 2004; Murray & Raynolds 2007). Im Jahr 1997 schlossen sich die nationalen Siegelinitiativen unter dem Dach der Fairtrade International (FLO)[3] zusammen und schufen ein einheitliches Logo. Zudem wurden die von den Produzenten und Händlern einzuhaltenden Anforderungen von FLO in Fair-Trade-Standards vereinheitlicht (vgl. Renard 2005: 425).

Die folgende Definition der internationalen Fair-Trade-Dachverbände gibt Aufschluss über Vision, Grundwerte und Ziele des Fairen Handels:

„Fairer Handel ist eine Handelspartnerschaft, die auf Dialog, Transparenz und Respekt beruht und nach mehr Gerechtigkeit im internationalen Handel strebt. Durch bessere Handelsbedingungen und die Sicherung sozialer Rechte für benachteiligte Produzenten und Arbeiter – insbesondere in den Ländern des Südens – leistet der Faire Handel einen Beitrag zur nachhaltigen Entwicklung.“ (Verbraucher Initiative e.V. 2004: 14)

Zu den Kernprinzipien des Fairen Handels zählen hierbei die Schaffung von Marktzugang für benachteiligte Produzenten, langfristige und gleichberechtigte Handelsbeziehungen sowie Kompetenzentwicklung und Empowerment von Kleinbauern und Lohnarbeitern (vgl. WFTO & FLO 2009: 5). Diese allgemeinen Prinzipien werden durch konkrete, verifizierbare Instrumente und Vorgaben präzisiert und in Dokumenten niedergelegt, welche als „Standards“ bezeichnet werden. Diese beinhalten u.a. die Anforderung der Zahlung fairer Preise – zum Teil in Form von festgelegten Mindestpreisen – sowie einer Prämie, die in Gemeinschaftsprojekte investiert wird, welche die sozio-ökonomische Situation der Begünstigten verbessern sollen. Zudem sollen die Handelsbeziehungen zwischen Produzenten und Importeuren so direkt wie möglich sein und auf langfristigen Verträgen basieren. Zudem gibt es strikte Vorschriften zu Arbeits‑ und Umweltstandards (vgl. FLO 2011b; 2011c; 2011d). Die Einhaltung der Vorgaben wird geprüft, bei Erfüllung bescheinigt (zertifiziert) und mit Hilfe von regelmäßigen Kontrollen verifiziert.

Fair-Trade-Produkte erfreuen sich heute wachsender Beliebtheit und sind im Handel und im Alltag zunehmend präsent. Konsumenten finden sie nicht mehr nur im spezialisierten Weltladen, sondern auch in Supermärkten und bei Discountern. Auch transnationale Unternehmen, wie Starbucks oder Nestlé, bieten einen Teil ihrer Produkte mit dem Fair-Trade-Siegel an. Diese Ausweitung in den Mainstream – welche auch mit den Begriffen Kommerzialisierung oder Marktorientierung bezeichnet wird – ist innerhalb der Fair-Trade-Bewegung allerdings umstritten. Während die einen diese Entwicklung als ein Mittel für Mengensteigerungen begrüßen, das den Produzenten zugutekommen soll, befürchten andere, dass der Einfluss von marktorientierten Akteuren die Kernprinzipien und Ziele des Fairen Handels zum Nachteil der Produzenten untergraben kann (vgl. Barrientos u.a. 2007: 58; Low & Davenport 2005: 150). Im Zentrum dieser Diskussion steht die internationale Dachorganisation des Fairen Handels FLO. Diese hat in den vergangenen Jahren, mit dem Ziel Mengensteigerungen zu erreichen, Marktorientierung und Kommerzialisierung gefördert. Diese Politik war hinsichtlich eines stetigen Mengenwachstums sehr erfolgreich: In den letzten Jahren lagen die Umsatzzuwächse von FLO-zertifizierten Produkten jährlich im zweistelligen Prozentbereich, so z.B. bei 27 % zwischen 2009 und 2010 (vgl. FLO 2011a: 2). Welche Folgen diese Entwicklung jenseits der quantitativen Dimension der Mengenausweitungen auf diejenigen hat, die der Faire Handel als „Begünstigte“ bezeichnet – Kleinproduzenten und Arbeiter – ist bisher jedoch unzureichend untersucht worden.

Hiervon ausgehend wird am Beispiel des Rooibos-Tee-Sektors der Frage nachgegangen, welche Auswirkungen die zunehmende Kommerzialisierung und Marktorientierung auf die vorgesehenen Begünstigten des Fairen Handels hat. Schwerpunkte der Untersuchung bilden die Einbeziehung von Plantagen in das System des Fairen Handels, die Festschreibung der Fair-Trade-Prinzipien in Standards (Standardisierung) sowie die Mitbestimmungsmöglichkeiten der Produzenten im FLO-System.

Der Rooibos-Tee-Sektor wurde als Fallbeispiel gewählt, da es sich um einen (z.B. im Vergleich zu Kaffee) bisher wissenschaftlich wenig untersuchten und – mit nur sieben Fair-Trade-Produzenten, die alle im Südwesten Südafrikas gelegen sind – relativ überschaubaren Sektor handelt. Zudem sind bei diesem Fair-Trade-Produkt sowohl Kleinbauern als auch Plantagen zur Zertifizierung zugelassen, was aktuell in vier von 20 Fair-Trade-Warengruppen der Fall ist und der Diskussion eine zusätzliche Dimension verleiht. Es wurden 18 Experteninterviews mit Vertretern von zwei Kleinbauern-Organisationen, zwei Plantagen, fünf Nichtregierungsorganisationen (NRO) sowie der FLO geführt.

Im Folgenden wird zunächst die wissenschaftliche Diskussion um Mainstreaming und Kommerzialisierung des Fairen Handels dargestellt, um vor diesem Hintergrund deren Auswirkungen aus der Perspektive von Rooibos-Tee-Produzenten zu beleuchten.

Die Diskussion um Marktorientierung und Kommerzialisierung des Fairen Handels

In den letzten Jahren lässt sich eine zunehmende Zusammenarbeit des Fairen Handels mit konventionellen Akteuren beobachten. Fair-Trade-Produkte werden heute nicht mehr allein von ATOs und spezialisierten Verkaufsstellen, sondern mehr und mehr auch von großen Händlern sowie Supermärkten und Discountern vertrieben (vgl. z.B. Barrientos u.a. 2007: 56ff). Laura Raynolds und Siphelo Ngcwangu (2010) unterscheiden in diesem Zusammenhang zwischen werte‑ und marktorientierten Akteuren im Fairen Handel. So agieren beispielsweise viele ATOs seit den Anfängen des Fairen Handels als werteorientierte Partner der Produzenten. Sie vertreiben ausschließlich fair gehandelte Produkte und stimmen in ihren Werten mit denen des Fairen Handels überein. Gleichzeitig importieren zunehmend auch vorrangig marktorientierte Händler Fair-Trade-Produkte. Zwar müssen beide Händlertypen wirtschaftlich handeln und auch die marktorientierten Käufer sind an die Standards des Fairen Handels gebunden, sie agieren im Gegensatz zu den werteorientierten Händlern jedoch in erster Linie in Ausrichtung auf wirtschaftliche Interessen und eher vor dem Hintergrund, die vorhandene Nachfrage nach Fair-Trade-Produkten gewinnbringend zu bedienen.

Eine erste mit der zunehmenden Kommerzialisierung und Marktorientierung einhergehende Kontroverse, welche für die Produzentenseite von besonderer Relevanz ist, ist die Zertifizierung von Plantagen. Ursprünglich wurde das Modell des Fairen Handels zum Nutzen von Kleinbauern geschaffen (vgl. FLO 2006: 4). Das folgende Zitat erläutert die zugrunde liegende Intention:

„Die Bedürfnisse von Kleinproduzenten für einen Marktzugang unter fairen Handelsbedingungen bilden den Kern von Fair Trade […]. Nach Dekaden, in denen Kleinbauern von größeren Plantagen aus den Märkten gedrängt wurden, ist die Welt dabei, sich des Schadens, den dies auf sozialer und ökologischer Ebene verursacht hat, bewusst zu werden.“ (FLO 2009: 6)[4]

Nichtsdestotrotz können seit Anfang der 1990er Jahre neben Kleinbauern-Kooperativen auch Plantagen am Fair-Trade-System teilnehmen:

„Jedoch hat Fair Trade die umfassendere Zielsetzung alle Menschen zu unterstützen, die durch den konventionellen Handel benachteiligt sind und landlose Arbeiter gehören zu denen, die unser Modell am meisten benötigen.“ (FLO 2009: 6)

Diese Einbeziehung von Betrieben mit lohnabhängig Beschäftigten[5] in das FLO-System ist jedoch umstritten. Befürworter argumentieren, dass landlose Arbeiter auf den Plantagen sogar unter schlimmeren Bedingungen arbeiten als Kleinbauern und dass auch sie von besseren Arbeitsbedingungen und Gemeinschaftsprojekten profitieren sollten (vgl. FLO 2009: 6). Kritiker argumentieren, dass das FLO-System jedoch nicht geeignet sei, die Probleme von abhängig Beschäftigten zu lösen. Zudem könne durch die Einbeziehung von Plantagen, die größenbedingt über niedrigere Kostenstrukturen verfügen, ein höherer Preisdruck sowie Probleme bei der Festsetzung von Mindestpreisen entstehen, was das wirtschaftliche Überleben von Kleinbauern gefährden kann (vgl. Renard & Pérez-Grovas 2007: 150ff).[6]

Marie-Christine Renard und Victor Pérez-Grovas (2007: 150) argumentieren, dass die Zertifizierung von Plantagen im Zusammenhang mit der gestiegenen Kooperation mit transnationalen Unternehmen und dem Verkauf von Fair-Trade-Produkten über große Lebensmittel-Einzelhandelsketten zu sehen ist. Plantagen sind häufig eher in der Lage die hohen Anforderungen der marktorientierten Akteure an Qualität und Verfügbarkeit zu erfüllen als Kooperativen, die sich aus einer Vielzahl von Kleinproduzenten zusammensetzen (vgl. auch Cáceres u.a. 2007: 188ff). Dies stattet die Plantagen in der Konkurrenz mit Kleinproduzenten mit einem Wettbewerbsvorteil aus und bedroht letztere in ihrer Existenz (vgl. Barrientos & Smith 2007: 120; Renard & Pérez-Grovas 2007: 153).

Eine weitere Kernfrage betrifft das Ziel des Fairen Handels, den auf Plantagen angestellten Arbeitern Kompetenzentwicklung und Empowerment zu ermöglichen (vgl. WFTO & FLO 2009: 2). Empowerment lässt sich als Prozess definieren, durch den sich für Menschen die „Möglichkeiten [...] erweitern, ihr Leben zu bestimmen“ (Rappaport 1985: 269). Hierbei stellt sich die Frage, inwieweit durch den Fairen Handel Empowerment-Prozesse für die Plantagen-Angestellten erreicht werden können.

Neben dieser Einbeziehung von Plantagen in das FLO-System ist eine zweite Entwicklung, die mit dem Wachstum und der Kommerzialisierung des Fairen Handels einhergeht, die zunehmende Standardisierung der Anforderungen, welche Produzenten im Rahmen des Zertifizierungsprozesses erfüllen müssen. Hintergrund für diese Entwicklung sind zwei Veränderungen. Zunächst gab es in den Anfängen des Fairen Handels noch keine einheitlichen Standards und Zertifizierungsprozesse. Zwischen ATOs und Produzenten bestand eine enge und direkte Beziehung. Durch Besuche von ATO-Vertretern vor Ort konnte unmittelbar festgestellt werden, wie die Abläufe der Produktion vonstattengehen, die Produzentengruppe geführt wird und ob diese von den fairen Handelspraktiken profitieren (vgl. Nicholls & Opal 2003: 127). Mit der Zunahme der Anzahl von Produzentenorganisa­tionen wurde diese individuelle Behandlung für die ATOs schwieriger. Zudem waren die neuen marktorientierten Händler – welche in den 1990er Jahren hinzukamen – an einer weniger aufwendigen Vorgehensweise interessiert. Einheitliche Standards und Zertifizierungsbedingungen sollten hier zu einer Vereinfachung der Abläufe führen. Zweitens werden Fair-Trade-Produkte seit den 1980er Jahren nicht mehr nur in spezialisierten Weltläden verkauft, sondern auch im konventionellen Lebensmittel-Einzelhandel angeboten, um eine größere Anzahl von Käufern zu erreichen (vgl. Raynolds 2000: 301; Renard 2003: 90). Dies machte die Schaffung eines einheitlichen Siegels bzw. Logos notwendig, das für alle Konsumenten wiedererkennbar ist und Vertrauen schafft (vgl. Renard 2005: 421, 425; Renard 2003: 90). Die vor dem Hintergrund dieser Anforderungen entstandene Siegelorganisation FLO vereinheitlichte die Prinzipien und Praktiken, welche sich herausgebildet hatten, in Standards und führte ein System der Zertifizierung ein. Nachdem bis dahin eine Vielzahl von Siegeln existiert hatte, gab es nun das einheitliche FLO-Logo.

Für die Produzenten ergaben sich aus dem Siegel und dem Verkauf in konventionellen Geschäften Vorteile durch einen höheren Absatz. Jedoch brachte die Standardisierung auch neue Herausforderungen mit sich, da feste Regeln, Standards sowie ein System der Zertifizierung und Kontrolle notwendig wurden, um die Rechtmäßigkeit und Glaubwürdigkeit des Siegels sicherzustellen (vgl. Getz & Shreck 2006: 491; Renard 2005: 422). Diesbezüglich üben Michael Blowfield und Catherine Dolan (2008: 2, 12f) die Kritik, dass die festgelegten Standards keineswegs universell bzw. wertneutral seien und ihre Kontrolle durch eine Checkliste von abstrahierten Fragen der sozialen Realität nicht gerecht werde. Auch Christy Getz und Aimee Shreck (2006) weisen darauf hin, dass die Standardisierung zu einer starken Inflexibilität führe und plädieren daher für eine stärkere Einbeziehung lokaler Umstände in Standards und Zertifizierungspraxis. Renard (2005: 422f) gibt zudem zu bedenken, dass die zunehmende Standardisierung für die Produzenten einen erheblichen administrativen und finanziellen Aufwand bedeute und eine Barriere für den Eintritt neuer Produzenten in den Markt darstelle.

Diese Entwicklung einer zunehmenden Standardisierung erfolgte, wie deutlich wurde, aufgrund von Anforderungen des Verkaufsmarktes bzw. seiner Akteure (Händler und Einzelhandel), wobei hier insbesondere marktorientierte Akteure die Treiber waren. Gleichzeitig kommt FLO eine besondere Machtposition zu, da in dieser Organisation die Standards gesetzt werden und damit über Marktzugang und ‑ausschluss entschieden wird (vgl. Renard 2005: 425).

Eine dritte Kontroverse betrifft das Ausmaß der Mitbestimmung von Produzenten im FLO-System. Durch die enge Verbindung von Produzenten und ATOs hatten erstere in den Anfängen des Fairen Handels noch starke Mitbestimmungsmöglichkeiten. Bei der Gründung von FLO wurden diese jedoch zunächst nicht institutionell verankert (vgl. Renard 2005: 430; ­Taylor 2005: 140; Taylor 2002: 17). Auf Kritik daran (vgl. z.B. VanderHoff Boersma 2002: 20f; Taylor 2002: 26; Murray u.a. 2003: 22) reagierend, wurde die Partizipation der Produzenten im Laufe der Jahre gestärkt (vgl. FLO 2007a). So haben die drei Produzentennetzwerke[7] seit 2007 vier von 14 Sitzen im FLO-Vorstand inne, welcher sich außerdem aus vier Vertretern der nationalen Siegelinitiativen, zwei Händler-Vertretern[8] sowie vier externen Experten zusammensetzt (vgl. FLO 2011e: 23). Im (dem FLO-Vorstand unterstehenden) „Standards Committee“ sind zwei der drei Produzentennetzwerke – neben jeweils zwei Repräsentanten der Siegelinitiativen und der Händler – vertreten (vgl. FLO 2012a). Durch diese Mitbestimmung der Produzenten in den wichtigen FLO-Gremien soll auch ihre Perspektive in Entscheidungen einfließen, welche letztendlich vor allem sie betreffen. Trotz dieser institutionellen Verankerung der Partizipation von Produzenten in Entscheidungsprozesse des FLO-Systems gibt es Beschwerden von Produzenten-Seite:

„Dennoch halten die Schwierigkeiten an: Produzentenorganisationen haben den Eindruck, dass sich die Regulierungsorganisation des Fairen Handels stärker von kommerziellen Erwägungen als Solidarität leiten lässt und dass sie eher gegen sie handelt als zu ihren Gunsten.“ (Renard 2005: 435)

FLO hat als regulative Organisation eine zentrale Machtstellung inne (vgl. Renard 2005: 419), wobei Konflikte über die Ausübung dieser Macht entstehen. So werden von Produzenten-Seite mangelnde Transparenz und Repräsentation sowie unzureichende Kommunikationswege kritisiert (vgl. Murray u.a. 2003: 21; Pérez-Grovas & Cervantes 2002: 22; VanderHoff Boersma 2002: 20f). Peter Taylor (2005: 142) beschreibt, dass wirtschaftliche Interessen – so z.B. von marktorientierten Händlern und dem Lebensmitteleinzelhandel – an formellem und informellem Einfluss im FLO-System gewonnen haben (vgl. auch Taylor u.a. 2005: 207). Dies kann auch im Zusammenhang damit gesehen werden, dass sich FLO zu einem Großteil aus Lizenzgebühren von Händlern finanziert, die sich an deren Größe bemessen, wodurch große Unternehmen als Partner für FLO auch finanziell attraktiv werden (vgl. Hutchens 2010: 83). Die Interessen marktorientierter Akteure stehen allerdings häufig im Konflikt mit den Interessen von Produzenten.

Die Produzentenperspektive auf Marktorientierung und Kommerzialisierung

Der landwirtschaftliche Sektor Südafrikas ist bis heute stark durch die Geschichte des Landes geprägt. Kolonialisierung und rassendiskriminierende Gesetze führten zu einer starken Konzentration des landwirtschaftlich nutzbaren Bodens in den Händen der weißen Minderheit (vgl. Deininger & May 2000: 4; Hall 2004: 6). Noch heute ist Südafrikas Landwirtschaft von kommerziellen, großflächigen Plantagen dominiert, während die kleinbäuer­liche Landwirtschaft zum größten Teil subsistenzorientiert ist und nicht für den Markt produziert (vgl. Hall 2009; Lahiff 2009: 170).

Kontext und Fair-Trade-Sektor für Rooibos-Tee

Rooibos (Aspalathus linearis) ist ein 0,5 bis 1,5 Meter hoher Strauch, der weltweit nur im Südwesten Südafrikas, in der Region der Zederberge, wächst (vgl. Gerz & Bienabe 2006: 53f; Wesgro & Snyman 2000: 1). Die Pflanze wird von ca. 450 Plantagen (vgl. Hansen 2006: 7; Department of Agriculture, Forestry and Fisheries 2011: 3) sowie rund 280 Kleinbauern angebaut, welche sich zu drei Kooperativen zusammengeschlossen haben.[9] Sieben Produzentenorganisationen sind für Rooibos-Tee FLO-zertifiziert: drei Kleinbauern-Kooperativen sowie vier Plantagen.[10] Die Tabelle auf Seite 409 gibt einen Überblick über ihre Größe und weitere Daten.

Die Mitglieder der Heiveld Co-operative leben in der Suid-Bokkeveld-Region ca. 400 km nördlich von Kapstadt. Der zentrale Ort der Gegend ist Nieuwoudtville, wobei die einzelnen Kleinbauern der Kooperative in elf zwischen drei und 80 km entfernten, kleinen Siedlungen leben. Die zweite Kleinbauern-Organisation im Rooibos-Tee-Sektor (Wupperthal) liegt isoliert in den Zederbergen, 80 km von Clanwilliam, dem nächsten Ort, entfernt und rund 300 km nördlich von Kapstadt. Die Mitglieder der beiden Kleinbauern-Organisationen stammen vorwiegend von der indigenen Gruppe der Khoisan und kolonialen Siedlern ab und wurden unter dem Apartheid-Regime als „Coloured“ klassifiziert und diskriminiert. Arbeitsmöglichkeiten sind sehr begrenzt und für viele der Subsistenzwirtschaft betreibenden Familien bedeutet der Rooibos-Tee-Anbau die einzige Möglichkeit Geld zu verdienen, ohne als Saison‑ oder Fabrikarbeiter außerhalb des Ortes arbeiten zu müssen (vgl. Koelle & Oettlé o.J.: 4; Oettlé u.a. 2009: 5; Binns u.a. 2007: 336f).

Die Driefontein Small Farmers Primary Co-operative ist rund 200 km nördlich von Kapstadt gelegen und entstand aus der Initiative eines Plantagen-Eigners, der sein Land an die ehemaligen Angestellten verpachtet (Driefontein 2012).

Die Plantage Erfdeel Farming Trust liegt in der Nähe von Piketberg (ca. 130 km nördlich von Kapstadt), Wiedouw Estate ist in der Nähe von Vanrhynsdorp (ca. 300 km nördlich von Kapstadt) gelegen und die Plantagen Mouton Citrus sowie Citrusdal-Bergendal befinden sich bei Citrusdal (ca. 175 km nördlich von Kapstadt). Die dort angestellten Lohnarbeiter – im Rooibos-Tee-Sektor fast ausschließlich zur Gruppe der „Coloured“ gehörend – teilen mit den Kleinbauern eine ähnliche Kultur und Geschichte. Auch sie wurden jahrhundertelang unterdrückt und benachteiligt und verfügen ebenfalls zumeist über eine geringe Schulbildung. Häufig leben sie in vom Arbeitgeber gestellten Unterkünften auf dem Gelände der Plantage.

Tabelle: Übersicht der Fair-Trade-Rooibos-Tee-Produzenten

 

FLO-zertifiziert für Rooibos seit

Produkte

Produktions-
fläche

Jährliche Rooibos-
Tee-Produktion

Heiveld Co-operative

2003

Rooibos-Tee

402 ha

Ca. 120 t, davon ca. 30 t zu Fair-Trade-Konditionen verkauft

Wupperthal

2005

Rooibos-Tee

380 ha

Ca. 130 t, davon ca. 30 t zu Fair-Trade-Konditionen verkauft

Driefontein Small Farmers Primary Cooperative

2010

Rooibos-Tee

1.110 ha

k.A.

Erfdeel Farming Trust

2008

Tafeltrauben, Citrus, Rooibos-Tee

110 ha

50 t, davon ca. 10 t zu Fair-Trade-Konditionen verkauft

Wiedouw Estate

2009

Rooibos-Tee

350 ha

100 t, davon ca. 35 t zu Fair-Trade-Konditionen verkauft

Mouton Citrus

2005 oder 2006

Citrus und Rooibos-Tee

2.100 ha

600 t, Fair-Trade-Anteil unbekannt

Citrusdal-
Bergendal

2005 oder 2006

Tafeltrauben, Citrus, Rooibos-Tee

k.A.

Ca. 110 t, Fair-Trade-Anteil unbekannt

Quelle: Eigene Recherchen, Zahlen Stand Februar 2010

Einbeziehung von Plantagen – Wettbewerb zwischen den Produzententypen und Empowerment

Im Rooibos-Tee-Sektor verkauften zunächst nur die beiden Kleinbauern-Organisationen seit 1998 (Wupperthal) bzw. 2001 (Heiveld) Rooibos-Tee unter Fair-Trade-Bedingungen an ATOs. Im Jahr 2003 wurde Rooibos dann in das Tee-Register der FLO aufgenommen, was auch den Weg für die Zertifizierung von Betrieben mit abhängig Beschäftigten ebnete (EMG 2008: 14; Edozin 2008; vgl. auch Tab. 1).

Die beiden Produzententypen – Kleinbauern-Organisationen und Betriebe mit abhängig Beschäftigten – unterscheiden sich beträchtlich in ihren Voraussetzungen. Die Plantagen verfügen – infolge der über Generationen währenden Bevorteilung der weißen Minderheit und gezielter staatlicher Unterstützung – über das besser gelegene und landwirtschaftlich nutzbarere Land, einen höheren Kapitalisierungsgrad und die notwendigen Management-Kompetenzen (Wupperthal 2005: 1; Oettlé u.a. 2009: 2). Angesichts einer geografischen, politischen, sozialen und wirtschaftlichen Marginalität der Kleinbauern befinden sich diese im Vergleich zu den Plantagen in einer benachteiligten Position (vgl. Nel u.a. 2007: 12; Arendse 2001: 5). Aus den Differenzen resultieren zudem unterschiedlich hohe Produktionskosten. Für die befragten Kleinbauern-Organisationen ergeben sich beispielsweise höhere Kosten durch längere Transportwege und einen niedrigeren Mechanisierungsgrad (vgl. auch Nel u.a. 2007: 7).

Zusätzlich ist Rooibos-Tee für die Mehrzahl der FLO-zertifizierten Betriebe mit abhängig Beschäftigten nur ein Produkt unter vielen, wodurch sie ihre Angestellten je nach saisonbedingtem Arbeitsaufwand flexibel einsetzen können (vgl. EMG 2008: 13; Carmién Rooibos 2009), was einen weiteren Kostenvorteil für die Plantagen darstellt.

Gleichzeitig erhöhte sich durch den Markteintritt der Plantagen das Angebot an fair gehandeltem Rooibos-Tee erheblich, wie auch ein Vorstandsmitglied der Heiveld Co-operative berichtet:

„In der Vergangenheit, bevor die kommerziellen Farmer [Plantagen-Eigner, Anm. d. Verf.] in den FLO-Markt eindrangen, fühlten wir uns sicher, weil da keine kommerziellen Farmer waren, die uns unter Druck setzten. Aber jetzt ist es fast wie eine Bedrohung für die Kleinbauern, weil die kommerziellen Farmer da sind mit den großen Mengen und hier sind die kleinen Leute mit einer geringen Menge an Tee.“

Die von Kleinbauern und Plantagen produzierte Menge an fair gehandeltem Rooibos-Tee übersteigt die Nachfrage – es entstand ein Angebotsüberhang. Keiner der befragten Produzenten kann die gesamte Produktionsmenge im Fair-Trade-Markt absetzen, sondern muss den Rest im konventionellen Markt zu niedrigeren Preisen verkaufen, wie auch das Verhältnis der Produktions‑ und Verkaufsmengen in Tabelle 1 verdeutlicht. Während der Grund nach Meinung eines südafrikanischen FLO-Vertreters in einer unzureichenden Markterschließung liegt – seiner Meinung nach könnten durch bessere Marketing-Strategien auch höhere Mengen verkauft werden – beschreiben die befragten Produzenten den Markt hingegen als beschränkt und umkämpft. Sie erleben einen erheblichen Angebotsüberhang, welcher zu einer verstärkten Konkurrenz unter den Rooibos-Tee-Produzenten im Fair-Trade-Markt geführt hat. Hierbei haben die Kleinbauern einen festen werteorientierten Kundenstamm, der vor allem aus den werteorientierten ATOs besteht und bewusst nicht von Plantagen kauft. Dieser Kundenkreis ist jedoch begrenzt, wie Kleinbauern-Vertreter berichten. Daher stehen die Kleinbauern bei den Händlern, die bereit sind, auch von Plantagen zu kaufen, in direkter Konkurrenz mit den FLO-zertifizierten Betrieben mit lohnabhängig Beschäftigten.

Dieser Wettbewerb findet im konventionellen Markt vornehmlich über den Preis statt. Im Fair-Trade-Markt für Rooibos-Tee gibt es demgegenüber seit 2008 einen von FLO gesetzten Mindestpreis, der die Produzenten vor Preisschwankungen schützen soll (vgl. FLO 2007b). Dieser hat für Kleinbauern und Betriebe mit abhängig Beschäftigten die gleiche Höhe und stellt in den Verhandlungen zwischen Käufer und Verkäufer die Preisuntergrenze dar. Der Mindestpreis setzt sich zusammen aus einem Produzenten‑ und einem Prämien-Anteil. Während ersterer direkt an die Produzenten ausgezahlt wird, muss die Fair-Trade-Prämie für die Finanzierung von Gemeinschaftsprojekten verwendet werden (vgl. FLO 2011f: 5). Der von FLO gesetzte Preis liegt bspw. für biologisch angebauten Rooibos-Tee bei 35 Rand pro Kilogramm, wobei sich die Zusammensetzung zwischen den Produzententypen unterscheidet – der Prämienanteil ist für Betriebe mit abhängig Beschäftigten (12 Rand/Kilogramm) höher als für Kleinbauern-Organisationen (5 Rand/Kilogramm).[11] Diese unterschiedliche Preiszusammensetzung soll zum einen den Kleinbauern gleiche Marktzugangsmöglichkeiten trotz höherer Produktionskosten sichern, zum anderen bezweckt FLO mit dem bei Plantagen höheren Prämienanteil, dass hier die Farmarbeiter (in Abgrenzung zu den Eigentümern) den größten Vorteil aus der Fair-Trade-Zertifizierung ziehen (vgl. FLO 2007b).

Hinsichtlich der Festsetzung der Höhe des Mindestpreises forderten die Plantagen-Vertreter während der Konsultationsphase einen geringeren Preis als die Kleinbauern, woraufhin FLO den Mindestpreis in der Mitte der entgegengesetzten Ansprüche festsetzte (EMG 2008: 8ff). Den befragten Betrieben mit abhängig Beschäftigten reicht dieser Preis aus, er bietet ihnen zudem Planungssicherheit und verschafft ihnen eine feste Verhandlungsbasis gegenüber Händlern. Aus Sicht der Kleinbauern deckt der Mindestpreis jedoch nicht ihre Kosten für eine nachhaltige Produktion, welche, wie oben beschrieben, für die Kleinbauern höher sind als für Plantagen (vgl. auch EMG 2008: 10ff; Edozin 2008: 9). Die FLO-Argumentation, dass die Produzenten auch höhere Preise aushandeln können, ist nur bedingt anwendbar, da die Kleinbauern-Organisationen in der derzeitigen Marktsitua­tion nicht immer dazu in der Lage sind. Einerseits haben sie noch Kunden, die – wie vor der Einführung des Mindestpreises – deutlich höhere Preise zahlen. Andererseits kommen diese Händler selbst unter Druck, da sie mit anderen Händlern konkurrieren müssen, die Fair-Trade-Rooibos-Tee zu geringeren Preisen beziehen. Für die Endkonsumenten sind die Gründe für Preisunterschiede nicht unbedingt klar ersichtlich, da das FLO-Logo auf Rooibos-Tee-Verpackungen beider Produzententypen abgebildet ist und wie eine Fair-Trade-Garantie erscheint. Zudem spüren beide Kleinbauern-Organisationen, dass viele – gerade neuere, marktorientierte – Händler nicht bereit sind, mehr als den Mindestpreis zu bezahlen. Infolgedessen haben die Kleinbauern-Organisationen seit der Einbeziehung von Plantagen in den Fair-Trade-Markt für Rooibos-Tee einen starken Verkaufsmengen‑ und Preisrückgang erfahren, der zu Enttäuschung und Frustration gegenüber dem FLO-System führte.

Zusammenfassend lässt sich im Fair-Trade-Markt für Rooibos-Tee trotz der Einführung eines Mindestpreises eine Situation der Preiskonkurrenz zwischen den Produzententypen feststellen, in welcher die Kleinbauern-Organisationen durch die ungleichen Voraussetzungen benachteiligt sind. Zur Lösung dieser Problematik wurden in den Interviews verschiedene Vorschläge geäußert, die sich in folgende Möglichkeiten zusammenfassen lassen: ein Aufnahmestopp neuer Produzenten, ein völliger Ausschluss der Plantagen, eine Erhöhung des Mindestpreises, ein bevorzugtes Verkaufsrecht für Kleinbauern-Organisationen, die Schaffung eines Kleinbauern-Siegels und die Erschließung weiterer Märkte.

Eine zweite Kontroverse im Zusammenhang mit der Einbeziehung von Plantagen betrifft die Frage, inwieweit die dort beschäftigten Lohnarbeiter vom Fairen Handel im Sinne von Empowerment profitieren. Als Hauptbegünstigte beabsichtigt der Faire Handel neben Kleinbauern auch landlose, lohnabhängig Beschäftigte auf Plantagen zu erreichen. Neben einer Verbesserung ihrer Arbeitsbedingungen und Arbeitnehmerrechte (vgl. FLO 2009: 6) will der Faire Handel diesen eine Kompetenzentwicklung und Empowerment ermöglichen:

Fair-Trade-Beziehungen unterstützen Produzentenorganisationen, mehr über Marktbedingungen und ‑trends zu verstehen und Wissen, Fähigkeiten und Ressourcen zu entwickeln, um mehr Kontrolle und Einfluss über ihre Leben auszuüben.“ (WFTO & FLO 2009: 6)

Ein Teil der Befragten stellt infrage, dass der Faire Handel dieses Ziel im Falle der abhängig Beschäftigten auf Plantagen – insbesondere im Vergleich mit Kleinbauern – erreichen kann. Dieses umstrittene Thema lässt sich anhand mehrerer Instrumente, derer sich der Faire Handel bedient, um Kompetenzentwicklung und Empowerment zu erreichen, untersuchen: höhere Löhne, Partizipation, Prämienprojekte und Eigentümerschaft.

Auf der wirtschaftlichen Ebene kann der Faire Handel durch (im Vergleich zum konventionellen Sektor) höhere Löhne die Situation für die Farmarbeiter verbessern. In Südafrika gibt es u.a. für landwirtschaftliche Arbeitnehmer Mindestlöhne, und die FLO-Standards schreiben deren Einhaltung vor (vgl. Department of Labour 2012; FLO 2011c; 2011d).[12] Fair-Trade-Produzenten erhalten einen beträchtlich höheren Preis als sie im konventionellen Rooibos-Markt erzielen können.[13] Für Betriebe mit abhängig Beschäftigten steht der Produzentenpreisanteil zur Verfügung des Eigentümers und aus ihm speisen sich (neben den weiteren Ausgaben) die Löhne der Angestellten. Gehaltserhöhungen über den Mindestlohn hinaus liegen im Ermessen des Plantagen-Eigentümers und es gibt keine konkreten Fair-Trade-Vorgaben, wie eventuelle Gewinne in eine Erhöhung der Löhne umgesetzt werden sollten. Dadurch besteht zwar die Möglichkeit, aber keine Garantie, dass der höhere Preis bzw. gute Erlöse zu wirtschaftlichem Empowerment bei den Hauptbegünstigten des Fairen Handels führen und nicht in erster Linie dem Farmeigentümer nutzen.

Empowerment und Kompetenzgewinn können auch über die Beteiligung und Mitbestimmung von Kleinbauern und lohnabhängig Beschäftigten in ihren Organisationen erfolgen. Hierbei sind jedoch abhängig Beschäftigte auf Plantagen nicht im gleichen Ausmaß an Entscheidungen beteiligt wie Kleinbauern in ihren Organisationen. In letzteren ist das höchste Entscheidungsgremium die Generalversammlung aller Mitglieder. Diese wählt einen Vorstand, welcher den Mitgliedern rechenschaftspflichtig ist (vgl. FLO 2011c: 30). Die gleichberechtigte Arbeit im Vorstand einer Kleinbauern-Kooperative kann zu einem hohen Kompetenzgewinn bei den Beteiligten führen, wie von Befragten berichtet wurde. In Betrieben mit abhängig Beschäftigten hingegen trifft der Eigentümer oder Manager des Betriebs die geschäftsrelevanten Entscheidungen. Abhängig Beschäftigte auf Plantagen können nur bezüglich der Prämienverwendung im „Joint Body“ – einem aus Management und gewählten Arbeitervertretern zusammengesetzten Komitee – eine direkte Mitbestimmung ausüben (vgl. FLO 2011d). Jedoch wurden in der Befragung bezüglich der Vorgänge im Joint Body kritische Stimmen erhoben und bezweifelt, ob es in diesem Gremium eine wirklich gleichberechtigte Zusammenarbeit zwischen Managern und Arbeitervertretern geben kann, wenn der Arbeitsalltag stark hierarchisch geprägt ist. Kolonialismus, Sklaverei und Apartheid haben das Verhältnis zwischen den (meist weißen) Farm-Eignern und den (meist schwarzen)[14] Arbeitern nachhaltig geprägt, was sich auch heute noch in den Hierarchie-Strukturen niederschlägt (vgl. Arendse 2001: 1; Kruger & du Toit 2007: 205). So gibt es immer wieder Beschwerden von Farmarbeitern über eine zu starke Einmischung des Managements in Entscheidungen des Joint Body.

Hinsichtlich eines Empowerments durch aus der Fair-Trade-Prämie finanzierte Gemeinschaftprojekte wurden in den Interviews unterschiedliche Sichtweisen geäußert. Einerseits wird argumentiert, dass Farmarbeiter in jedem Fall in der einen oder anderen Weise einen Nutzen aus den Gemeinschaftsprojekten ziehen, so zum Beispiel durch Verbesserungen der Unterkünfte oder Kinderbetreuung. Andererseits warfen Vertreter der NRO Environmental Monitoring Group (EMG) die Frage auf, ob viele aus Prämiengeldern finanzierte Maßnahmen nicht ohnehin zu den Aufgaben des Farmeigentümers gehören und ob Prämienprojekte wirkliches Empowerment erreichen können:

„Es gibt einige Produzenten mit abhängig Beschäftigen, bei denen die Fair-Trade-Prämie für Schulungen oder grundlegende soziale Versorgungsleistungen ausgegeben wird, die – so kann argumentiert werden – von Anfang an von den Farmbesitzern hätten erbracht werden sollen. Und wenn Prämiengelder gänzlich dafür ausgegeben werden die Produktivität und soziale Stabilität unter den Arbeitskräften zu verbessern, ist es sicher eine win-win-Situation für die Farmeigentümer, weil sie nicht nur höhere Preise bekommen, sondern auch noch eine stabilere und produktivere Belegschaft haben.“

Wirksames Empowerment, in dem Sinne, dass Lohnarbeiter ihre Kompetenzen erweitern, dadurch unabhängiger werden oder gar eine eigene Farm gründen, finde selten statt und läge, so eine Befragte, gar nicht im (wirtschaftlichen) Interesse der Plantagen-Eigner, da sie auf ihre Angestellten angewiesen sind.

Ein viertes Instrument, um Empowerment zu erreichen, betrifft das Thema Eigentümerschaft der Fair-Trade-Begünstigten in ihren Organisationen, vor allem in Form von Unternehmensbeteiligungen. In Südafrika ist dieses Thema besonders wichtig, um weiter bestehende, starke Ungleichgewichte zwischen Schwarz und Weiß anzugehen. Zu den diesbezüglichen staatlichen Anstrengungen Südafrikas zählt das Gesetz des „Broad-based Black Economic Empowerment“ (B-BBEE). Dieses strebt vor allem eine höhere Gleichberechtigung sowie eine breite und effektive Partizipation von Schwarzen in der südafrikanischen Wirtschaft an (vgl. Republic of South Africa 2004). Des Weiteren hat das Gesetz unter anderem zum Ziel:

„[...] eine wesentliche Veränderung in der rassischen Zusammensetzung von Eigentümerschaft und Managementstrukturen sowie in den qualifizierten Berufen von bestehenden und neuen Unternehmen zu erreichen;

[…] ländliche und lokale Gemeinschaften durch eine Ermöglichung des Zugangs zu wirtschaftlichen Aktivitäten, Land, Infrastruktur, Eigentümerschaft und Fachkönnen zu ermächtigen.“ (Republic of South Africa 2004: 4f)

Um den spezifischen Gegebenheiten in Südafrikas Gesellschaft Rechnung zu tragen, wurde von FLO-CERT eine spezielle Zertifizierungsrichtlinie für südafrikanische Produzenten ausgearbeitet (vgl. FLO 2011d: 3; FLO-CERT 2008a; 2008b), die noch über die B-BBEE-Anforderungen hinausgeht. In der Praxis findet dennoch in den meisten Fällen keine Überschreibung von Land an Angestellte statt, vielmehr werden häufig Anteilsscheine ausgegeben (vgl. Raynolds & Ngcwangu 2010: 79), so auch im Fall der untersuchten Plantagen. Die Autoren Raynolds und Ngcwangu (2010: 79) sowie Sandra Kruger und Andries du Toit (2007: 205) sowie Befragte machen deutlich, dass diese Art der Arbeiter-Teilhabe jedoch keineswegs die Missverhältnisse im Landbesitz ausgleichen oder eine gleichberechtigte Beziehung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmern garantieren kann. Ein EMG-Vertreter schlussfolgert:

„Und man muss sich fragen, ob es da nicht eine ernstzunehmende gläserne Decke in vielen der Fair-Trade-zertifizierten Betrieben mit abhängig Beschäftigen in Südafrika gibt, wo Landarbeiter in Positionen wie Vorarbeiter, Fahrer oder Lagerhausmanager aufsteigen können, jedoch nie auf höhere Managementebenen vordringen. Wirtschaftliches Empowerment ist auf beiden Seiten sehr wichtig, aber es ist wahrscheinlich, dass Kleinproduzenten in einem sehr viel grundlegenderem Prozess involviert sind, der – wenn er gelingt – eine sehr viel höhere Ebene ökonomischen Empowerments erreichen wird. Farmarbeiter werden wahrscheinlich nie so weit kommen, besonders wenn die Standards von Bonn [Sitz von FLO, Anm. d. Verf.] aus gemanagt werden und nicht streng genug sind, diese Farmen in Richtung Unternehmensbeteiligung der Arbeiter zu drängen.“

Zusammenfassend erscheinen die Instrumente des Fairen Handels im südafrikanischen Rooibos-Tee-Sektor unzureichend, um wirkliches und nachhaltiges Empowerment für Farmarbeiter zu garantieren.

Standardisierung – Kritik am Zertifizierungssystem

In den Interviews mit Produzenten und Experten wurden verschiedene Aspekte der anhaltenden Standardisierung bemängelt. Ein Kritikpunkt an den Standards ist, dass sie zunehmend umfangreicher werden und kompliziert sind. Auf der einen Seite wird anerkannt, dass hohe Standards die Glaubwürdigkeit und Wirksamkeit des Fairen Handels schützen und sicherstellen sollen. Auf der anderen Seite machen die Befragten darauf aufmerksam, dass die immer komplexer werdenden Standards jedoch auch als Barriere für den Eintritt neuer Produzenten in den Markt fungieren, insbesondere da die beabsichtigten Profiteure des Fairen Handels – marginalisierte und benachteiligte Produzenten – häufig nicht über die notwendigen Kompetenzen für die Erfüllung der Standards verfügen:

„Die Durchschnittsperson in Wupperthal hat die Sekundarschule nicht abgeschlossen. Wie kann man dieser Person sagen: ‘Hier sind die Standards, wende sie an!’?“

„Es bedarf so eines hohen Maßes an Bürokratie und Qualifikation und Verständnis und analytischer Fähigkeit, um die Zertifizierung zu behalten, dass es extrem schwierig für die Kleinbauernorganisationen ist.“

„Aber unglücklicherweise können die Leute, die Fair Trade wirklich brauchen, die Standards nicht einhalten, weil sie zu schwierig sind.“

Die Produzenten kritisieren zudem, dass die Komplexität der Standards zu einem hohen Zeitaufwand und zusätzlichen Kosten für ihre Erfüllung und Zertifizierung führe.

Ein weiteres Problem in der Umsetzung der Standards stellt für die Produzenten die Tatsache dar, dass die entsprechenden Dokumente nicht in ihrer Muttersprache Afrikaans verfügbar sind. Dadurch wird ein tiefergehendes Verständnis des Fairen Handels behindert, insbesondere da der Großteil der Kleinbauern und Farmarbeiter wenig oder kein Englisch spricht, wie auch ein Plantagen-Manager beschreibt:

„Ich glaube, es wäre sinnvoll, wenn sie anfangen würden uns die Dokumente auf Afrikaans zu geben, weil ich mich mit dem Englischen schwer tue und wenn ich mich schwer tue, dann ist es bei den Arbeitern erst recht so, weil einige von ihnen nicht mal ‘yes’ oder ‘no’ sagen können. Ich würde die Standards viel besser verstehen, wenn sie auf Afrikaans wären, im Moment habe ich Schwierigkeiten zu verstehen, was sie wirklich bedeuten.“

Um diese Form einer Exklusion auf der sprachlichen Ebene zu vermeiden und den Zugang zu Informationen sicherzustellen, fordern die Produzenten, dass die Standards auch in Afrikaans übersetzt werden.

Darüber hinaus wird kritisiert, dass die Standards zu wenig Rücksicht auf individuelle bzw. regionale oder sektorale Besonderheiten nehmen, wie auch ein Vertreter des Southern African Fair Trade Network (SAFN) verdeutlicht:

„Das ist eine Beschwerde, die ich oft von Produzenten höre, dass die Standards irrelevant sind. Und daher ist die vielleicht größte Notwendigkeit, stärker regional basierte Standards zu haben, die lokal anwendbar sind und regionale Faktoren und Bedingungen einbeziehen. Denn es könnte einen Bedarf auf der lokalen Ebene geben, der extrem dringend ist, aber dann von den Fair-Trade-Standards übersehen wird, weil sie auf andere Regionen ausgerichtet sind.“

Die Standards sind nur insofern an die Bedingungen vor Ort angepasst, als dass sie beispielsweise durch die nationale Arbeitsschutzgesetzgebung – sofern sie höher ist – ergänzt werden und es für Südafrika eine zusätzliche Zertifizierungsrichtlinie hinsichtlich der Kompetenzentwicklung gibt. Es wird auf der anderen Seite argumentiert, dass es wichtig ist, trotz regionaler und produktspezifischer Unterschiede allgemeingültige Standards beizubehalten, um eine Gleichbehandlung und Einheitlichkeit über Ländergrenzen hinweg sicherzustellen. Jedoch besteht die Gefahr, dass das FLO-System bei fehlender Berücksichtigung individueller Umstände zu einer „bürokratischen Maschine“ wird, was zu einer „unfairen“ Behandlung von Produzenten führen kann, wie auch das folgende Zitat eines EMG-Vertreters verdeutlicht:

„Die Botschaft von FLO ist, dass Bürokratie wichtiger ist als die Prinzipien, dass ‘Wenn du die Regeln nicht befolgst, sagen die Regeln, dass du dezertifiziert wirst und so hat es zu laufen. Und wir haben nicht die Zeit, die Prinzipien zu untersuchen und zu schauen, ob du im Prinzip einen Anspruch hast oder nicht, und eine schwierige Entscheidung auf Basis der Prinzipien zu treffen.’ Die einfache Entscheidung ist die bürokratische, denn sie steht im Handbuch.“

Zudem wird von mehreren Interviewpartnern bemängelt, dass die Händler weniger strengen Kontrollen unterliegen als die Produzenten. Ein SAFN-Vertreter berichtet:

„Sie [die Produzenten, Anm. d. Verf.] beschweren sich auch, dass die Händler keine Verträge mit ihnen unterzeichnen und dass sie nicht die Stellung haben Händler dazu zu zwingen, obwohl es eine FLO-Anforderung ist. Also sagen Produzenten dann, dass es unfair ist, dass Produzenten viel strenger als Händler geprüft werden und die Händler mit allem durchkommen.“

Es wird daher gefordert, dass auch die Händler stärker kontrolliert werden, um die Interessen der Produzenten zu bewahren. Dieser Sachverhalt ist im Zusammenhang mit dem Eintritt von marktorientierten Händlern zu sehen und ist insbesondere im Rooibos-Tee-Sektor von Belang, da sich die Produzenten durch den Angebotsüberhang nicht in der entsprechenden Verhandlungsposition befinden, die Käufer zu einer Einhaltung der Fair-Trade-Standards zu zwingen.

Einfluss der Produzenten im FLO-System

Das Ausmaß des Produzenteneinflusses im FLO-System wurde von den Befragten unterschiedlich eingeschätzt. So äußert ein Vertreter des SAFN, dass die Produzentennetzwerke innerhalb von FLO viel Anerkennung erhalten hätten. Andere bemängeln hingegen, dass die Produzenten in den FLO-Gremien immer noch in der Minderheit sind und neue Initiativen weiterhin stark von Akteuren des Globalen Nordens angetrieben und dominiert werden.

Neben der institutionellen Mitbestimmung in FLO-Gremien werden die Produzenten bei der Standard‑ oder Mindestpreisfestsetzung konsultiert (vgl. FLO 2012c; 2012d). Es besteht bei den Kleinbauern-Organisationen jedoch der Eindruck, dass ihre Stimmen nicht ausreichend berücksichtigt werden. Gerade im Prozess der Zertifizierung von Betrieben mit abhängig Beschäftigten und der Festsetzung des Mindestpreises erlebten die Kleinbauern weder eine ausreichende Konsultation, noch einen greifbaren Einfluss ihrer Anliegen und Bedenken auf Entscheidungsprozesse, was zu einer zunehmenden Frustration gegenüber dem FLO-System geführt hat (vgl. auch EMG 2008; Edozin 2008: 2).

FLO wird zudem sowohl von Produzenten und Experten als auch von einem südafrikanischen FLO-Vertreter als bürokratisch und langsam agierend wahrgenommen. FLO trifft die die Produzenten betreffenden (Strategie‑)Entscheidungen, ist mit Sitz in Deutschland jedoch häufig weit von den Realitäten der Produzenten entfernt. Diesbezüglich wird eine Dezentralisierung der FLO-Strukturen vorgeschlagen, um die Machtkonzentration in Europa abzubauen. So plädiert ein südafrikanischer FLO-Vertreter für eine Abgabe von Verantwortung und Entscheidungskompetenzen in die Produzentenländer:

„Und es gibt niemanden, der besser weiß, wie man seine Probleme lösen kann als man selbst. Fair Trade als System sollte wissen, dass es niemanden gibt, der besser in der Lage ist, Südafrikas Probleme zu lösen als Südafrika.“

Zusammenfassend ergaben die mit Produzentenvertretern und weiteren Experten geführten Interviews, dass trotz der Anstrengungen von FLO in Richtung einer stärkeren Teilhabe von Produzenten diesbezüglich noch große Defizite bestehen.

Zusammenfassung: Fairer Handel zwischen Markt‑ und Produzentenorientierung

Während bei der Mehrzahl der Fair-Trade-Produkte nur Kleinbauern-Organisationen zertifiziert werden, sind im Fall des südafrikanischen Rooibos-Tee-Sektors auch Betriebe mit abhängig Beschäftigten vertreten. Diese Inklusion von Plantagen führte, so das Ergebnis der Interviews, zu einer Konkurrenzsituation, die die Kleinbauern-Organisationen benachteiligt und in der Konkurrenz mit Plantagen mehr und mehr aus dem Markt drängt. Dies widerspricht dem Ziel des Fairen Handels, benachteiligte Produzenten zu unterstützen.

Auf der Seite der Betriebe mit lohnabhängig Beschäftigten muss zwischen den Landarbeitern und dem Plantagenbesitzer unterschieden werden. Letztere haben durch ihre Einbeziehung in den Fair-Trade-Markt sowohl von einem zusätzlichen Absatzmarkt als auch von einem, im Vergleich zum konventionellen Markt, höheren Preis profitiert. Auch die abhängig Beschäftigten auf den Plantagen erfahren zum Beispiel durch Prämienprojekte oder verbesserte Arbeitsbedingungen einen Nutzen aus der Teilnahme im Fairen Handel. Allerdings stellen – gerade in Südafrika – historisch bedingte, verhärtete und stark hierarchische Strukturen eine Hürde für eine gleichberechtigte Zusammenarbeit zwischen Farmeigentümer bzw. ‑management und den Angestellten dar. Der Faire Handel kann hierbei nicht sicherstellen, dass die auf Plantagen angestellten Lohnarbeiter den vollen Nutzen im Sinne der Fair-Trade-Empowerment-Ziele erfahren.

Im Hinblick auf die im Zuge der Kommerzialisierung erfolgte Standardisierung und die Einführung eines Zertifizierungssystems ergab die Untersuchung, dass diese Maßnahmen durch die hohe Komplexität, die hohen Kosten sowie die unzureichende Berücksichtigung lokaler bzw. sektoraler Gegebenheiten – gerade für benachteiligte Produzenten – als ernstzunehmende Hürde für einen Markteintritt und das Bestehen im Fair-Trade-Markt wirken. Andererseits können die Lohnarbeiter auf Plantagen durch feste Standards und harte Kontrollen profitieren, da dadurch eine höhere Sicherheit gegeben ist, dass der Plantagen-Eigner die Fair-Trade-Prinzipien einhält.

Die Untersuchung gab auch Aufschluss über Wirkungen der mit der Kommerzialisierung einhergehenden Maßnahmen für Fair-Trade-Händler. Sie können von dem auf festen Standards basierenden Siegel durch eine erhöhte Vermarktungsfähigkeit der Produkte und einen höheren Schutz vor Skandalen profitieren. Allerdings treffen diese Vorteile vor allem für marktorientierte Händler zu, da die werteorientierten Händlern bereits mit ihrem Namen für die Einhaltung von Fair-Trade-Werten stehen bzw. dies ihr grundlegender Geschäftszweck ist und sie somit das Siegel (für dessen Nutzung Gebühren zu entrichten sind) nicht unbedingt benötigen würden. Marktorientierte Händler sind gleichzeitig die Treiber und die direkten Nutznießer des Kommerzialisierungsprozesses. Demgegenüber erleben werteorientierte Händler, die den Kleinbauern mehr als den Mindestpreis zahlen, Nachteile in der Konkurrenz mit marktorientierten Händlern, die preislich günstigeren Rooibos-Tee von Plantagen anbieten.

Durch die marktorientierten Akteure erhält die konventionelle Marktlogik mehr und mehr Einzug in das System des Fairen Handels – sie durchdringt zunehmend die gesamte Handelskette. Der Preis wird zur Basis des Wettbewerbs und die Werte und Ziele des Fairen Handels werden zunehmend in den Hintergrund gedrängt. Damit verwaschen die Unterschiede zwischen dem Fair-Trade‑ und dem konventionellen System zunehmend.

Die durchgeführte Untersuchung ergab zudem, dass die Mitbestimmungsstrukturen im FLO-System von den Befragten als ungenügend angesehen werden, um Produzenteninteressen wirkungsvoll einzubeziehen. FLO hat die institutionalisierten Mitbestimmungsmöglichkeiten von Produzenten zwar gestärkt, jedoch haben marktorientierte Akteure an Einfluss in Entscheidungsprozesse gewonnen. Mit dem steigenden Verkaufsanteil kommerzieller Akteure erhöht sich auch die Abhängigkeit der Produzenten und des FLO-Systems von diesen.

Um die negativen Auswirkungen der Kommerzialisierung des Fairen Handels auszugleichen, wurden seitens der Befragten verschiedene Gegenmaßnahmen vorgeschlagen. Zunächst ist im Rooibos-Tee-Sektor ein wirksamer Schutz vor unfairem Wettbewerb zwischen den zwei Produzententypen notwendig, zum Beispiel in Form eines höheren Mindestpreises. Bezüglich des unzureichenden Empowerments von Lohnarbeitern sind eine Stärkung ihrer Mitbestimmungsmöglichkeiten und ihrer Eigentümerschaft sowie Projekte, die auf einen Kompetenzgewinn zielen (z.B. Schulungen) besonders wichtig, um den Farmarbeitern tatsächliche Teilhabe und zusätzliche (Zukunfts‑)Perspektiven zu erschließen. Mögliche Maßnahmen, die negativen Effekte der zunehmenden Standardisierung abzumildern, sind eine stärkere Einbeziehung und Konsultation, die fallspezifische Behandlung sowie eine stärkere Unterstützung von Produzenten. Hinsichtlich der in den Interviews geübten Kritik eines mangelnden Einflusses von Produzenten im FLO-System kommen als Gegenmaßnahmen unter anderem eine weitere institutionelle Stärkung ihrer Stimmen sowie eine Dezentralisierung der Entscheidungsstrukturen in Richtung der Produzentenländer infrage. Diese für den Rooibos-Tee-Sektor geltenden Vorschläge können auch anderen Fair-Trade-Produzenten nutzen, die ebenfalls mit negativen Auswirkungen der fortschreitenden Kommerzialisierung des Fairen Handels konfrontiert sind. FLO hat inzwischen einige der Kritikpunkte aufgenommen und sich im Rahmen des Strategieprozesses u.a. die Ziele gesetzt, einen faireren Wettbewerb zwischen Produzententypen zu erreichen und die Standards zu vereinfachen (vgl. FLO 2009). Es bleibt abzuwarten, ob die Maßnahmen wirkungsvoll auf Produzentenbelange eingehen und nicht nur „Schönheitskorrekturen“ in einem bereits von konventioneller Marktlogik durchdrungenen System sind.

Das Beispiel des Rooibos-Tee-Sektors verdeutlicht die Wichtigkeit, neben der quantitativen Komponente eines Mehr an Produzenten und höherer Absatzzahlen auch die qualitative Dimension des tatsächlichen Nutzens für die einzelnen Begünstigten zu beachten. Die Zusammenarbeit mit marktorientierten Akteuren bringt mit sich, dass sich der Faire Handel einer Marktlogik unterwirft, die nicht mehr mit seinem Grundziel von sozialer Gerechtigkeit vereinbar ist und damit die Legitimität und Wirksamkeit des Fairen Handels untergräbt. Eine Ausweitung des Fairen Handels sollte nicht „um jeden Preis“ erfolgen. Stattdessen müssen die ursprüngliche Werteorientierung und damit eine grundlegende Ausrichtung an Produzentenbelangen (wieder) in den Mittelpunkt gerückt werden.

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Anschrift der Autorin:
Maria Tech
mariatech@yahoo.de

PERIPHERIE Nr. 128, 32. Jg. 2012, Verlag Westfälisches Dampfboot, Münster, S. 401-425
Bestelladresse: info@zeitschrift-peripherie.de



[1]       Im Folgenden wird stellvertretend für alle Geschlechter die maskuline Form verwendet.

[2]       Die Begriffe „Fair Trade“ und „Fairer Handel“ werden im Folgenden synonym verwendet.

[3]       Bis Anfang 2011 firmierte Fairtrade International unter dem Namen Fairtrade Labelling Organizations International. Da die Umsätze von FLO-zertifizierten Produkten einen Anteil von knapp 90 % des Fair-Trade-Marktes ausmachen, wird FLO in diesem Artikel vereinfachend als „der“ Faire Handel dargestellt (vgl. Raynolds & Long 2007: 21).

[4]       Diese und alle folgenden Übersetzungen stammen von der Verfasserin.

[5]       Die Begriffe „Plantage“ und „Betrieb mit (lohn‑)abhängig Beschäftigten“ werden im Folgenden synonym verwendet. Hierbei handelt es sich um Unternehmen, in denen der Hauptanteil der Aufgaben von Lohnarbeitern ausgeführt wird (im Gegensatz zu Kleinbauern-Kooperativen, die mitgliederbasiert und nicht strukturell von Lohnarbeit abhängig sind) (vgl. FLO 2011f: 3).

[6]       Auch unter den Siegelinitiativen, die Mitglied von FLO sind, gibt es Differenzen über die Teilnahme von Plantagen und die zukünftige diesbezügliche Strategie. Anfang 2012 erfolgte gar der Austritt der US-amerikanischen Siegelorganisation aus dem FLO-System, u.a. vor dem Hintergrund, dass diese eine Einbeziehung von Plantagen in weiteren Produktgruppen verfolgen möchte (vgl. Fair Trade USA 2012).

[7]       Afrika (Fairtrade Africa), Asien (Network of Asian Producers – NAP) und Lateinamerika (Coordinadora Latinoamericana y del Caribe de Comercio Justo – CLAC).

[8]       Einer der beiden vertritt die ATOs, der andere die marktorientierten Importeure (vgl. Nicholls & Opal 2003: 129).

[9]       In den vergangenen fünf Jahren lag die jährliche Produktionsmenge von Rooibos-Tee zwischen 12.000 und 20.000 t (konventioneller und Fair-Trade-Tee zusammen) (vgl. Department of Agriculture, Forestry and Fisheries 2011: 5).

[10]      Stand September 2012 (FLO-CERT 2012).

[11]      Die angegebenen Preise gelten für biologisch angebauten Tee, FOB (FLO 2012b: 20).

[12]      Bei einer der untersuchten Plantagen liegen die Löhne knapp über dem Mindestlohn, bei der anderen deutlich darüber.

[13]      So beträgt der Fair-Trade-Produzentenanteil – der Mindestpreis teilt sich, wie oben beschrieben, in den Produzentenpreis‑ und Prämienanteil auf – für Plantagen im Falle von biologisch angebautem Rooibos-Tee 23 Rand, während der durchschnittliche Preis im konventionellen Markt im Zeitraum 2009 bis 2011 zwischen 4,5 und 8,5 Rand pro Kilogramm lag (vgl. Department of Agriculture, Forestry and Fisheries 2011: 7). Gleichzeitig gehen mit der Einhaltung der Fair-Trade-Standards jedoch auch höhere Kosten einher.

[14]      Angelehnt an die in Südafrika verwendeten Bezeichnungen wird hier die allgemeine Bezeichnung „schwarz“ für die (konstruierten) Bevölkerungsgruppen der „Black Africans, Coloureds and Indians“ verwendet (vgl. Republic of South Africa 2004: 4).