Whitewashing

Editorial iz3w 333 (Nov./Dez. 2012)

Große weiße Flächen können etwas sehr Schönes sein. Jedes Designerherz schlägt höher, wenn eine bedruckte Seite nicht bis auf den letzten Quadratzentimeter mit Buchstaben ausgefüllt ist. (Unser hochgeschätztes Grafikbüro kann davon ein Liedchen singen.) Doch als die jüngste Ausgabe der entwicklungspolitischen Zeitschrift Südlink mit zwei weißen Seiten erschien, lagen dem keine ästhetischen Überlegungen zugrunde.

 

Was war geschehen? Fangen wir ganz von vorne an: In einem Dossier nahm sich der Südlink des Themas »Corporate Social Responsibility« (CSR) an. Das ist neudeutsch für »Unternehmensverantwortung« und meint, dass Unternehmen sich freiwillig verpflichten sollen, soziale und ökologische Mindeststandards einzuhalten. Im entwicklungspolitischen Kontext heißt das: Konzerne aus dem Norden zahlen den ArbeiterInnen in den Weltmarktfabriken des Globalen Südens halbwegs anständige Löhne, bieten einigermaßen faire Arbeitsbedingungen und zerstören die Umwelt nicht vollständig. Weil sich ein Image als sozial und ökologisch vorbildliches Unternehmen heutzutage zumindest teilweise in barer Münze auszahlt, liegt die Versuchung nahe, Greenwashing zu betreiben und die Unternehmensaktivitäten etwas zu beschönigen.

Wer sich journalistisch mit CSR befasst, kann also gar nicht anders, als Anspruch und Realität abzugleichen. Genau das tat Südlink-Redakteurin Christina Felschen in ihrem Beitrag über Greenwashing. Sie kritisierte dabei auch einige Konzerne, namentlich den Bergbaukonzern Vale, den Surf- und Outdoorhersteller Quiksilver und die Drogeriekette dm. Sie alle würden sich mit Nachhaltigkeit und gelungener Unternehmensverantwortung schmücken, de facto aber kaum Transparenz bei Arbeitsbedingungen und Umweltauswirkungen ihrer Produkte herstellen. »Verantwortung sieht anders aus«, so das enttäuschte Fazit von Felschen.

Der Beitrag gefiel dem Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) gar nicht. Das ist sein gutes Recht. Und es ist nach drei Jahren FDP-Führung auch keine Überraschung mehr, dass das BMZ seiner sozialen Verantwortung in Sachen Unternehmensfreundlichkeit immer wieder gerne nachkommt. Doch beim Südlink ging das BMZ einen entscheidenden Schritt weiter, als es mit einer liberalen Haltung vereinbar ist: Es drohte, den zugesagten Zuschuss für das 28-seitige Dossier zurückzuziehen, sollte der Beitrag erscheinen. Unternehmen würden darin einseitig kritisiert und an den Pranger gestellt.

Wer die finanziellen Verhältnisse kleiner entwicklungspolitischer Zeitschriften kennt, weiß, dass eine solche Drohung drastisch ist. Ohnehin nehmen die Zuschussnehmer schon allerhand Zumutungen in Kauf, etwa dass seit zwei Jahren gemäß Fördervertrag alle Beiträge einer Publikation vor Erscheinen dem BMZ zur Prüfung vorlegt werden müssen. Große Worte wie »Zensur« muss man für dieses Vorgehen nicht in den Mund nehmen. Das würde die Situation in Ländern verharmlosen, in denen sie wirklich herrscht und mit Gefängnisstrafen und schlimmerem durchgesetzt wird. Aber zu unterschätzen ist die Schere im Kopf nicht, die solche Auflagen wie die des BMZ hervorbringen. Die Macht der Verhältnisse denkt und schreibt immer mit.

Die KollegInnen von Südlink haben in dieser verzwickten Situation das Richtige getan. Sie verzichteten in der Printversion des Dossiers auf den inkriminierten Beitrag und behielten den Zuschuss. Zugleich aber legten sie ein Begleitschreiben bei, in dem sie den gesamten Vorgang transparent machten: »Wir standen vor der Entscheidung: Artikel umschreiben, Artikel weglassen oder den Zuschuss verlieren? Das Umschreiben kam für uns unter keinen Umständen infrage.« Die elegante Lösung des Problems war ein auf eigene Kosten produziertes Extrablatt mit dem Artikel. Kaum ein Beitrag des Dossiers dürfte so intensiv gelesen werden wie dieser… Ziel erreicht: Pressefreiheit gerettet und das Überschreiten einer Grenze durch das BMZ öffentlich gemacht.

Der Fall Südlink ist nicht der erste seiner Art. Bereits bei einer Publikation des Berliner Entwicklungspolitischen Ratschlages (BER) mit dem Titel »Wer anderen einen Brunnen gräbt… Rassismuskritik?/?Empowerment?/?Globaler Kontext« lehnte das BMZ kritische Beiträge als »einseitige Darstellung« ab und stellte die Förderung in Frage. Eine Projektgruppe des BER hatte Rassismus in Freiwilligendiensten und in der Entwicklungszusammenarbeit thematisiert. Die Broschüre konnte nur deshalb vollständig erscheinen, weil die Redaktion in einem »Hinweis« zugestand, keinen Anspruch auf »eine vollständige Abbildung aller Aspekte entwicklungspolitischer Freiwilligendienste und Aktivitäten« zu erheben. Man könne sich unter anderem auf der Webseite des BMZ einen »Überblick« über »andere Aspekte« verschaffen.

In der Vergangenheit hat sich das BMZ durch Gelassenheit gegenüber kritischen Positionen ausgezeichnet, selbst in Bezug auf die eigene Politik, die von der entwicklungspolitischen Szene oft und gerne aufs Korn genommen wurde. Dass die Meinungsfreiheit nun praktisch zurückgedrängt wird und weiße Flächen immer öfter aus anderen als ästhetischen Gründen eingesetzt werden, dem widersetzt sich

die redaktion