Selbstbestimmung statt Fürsorgementalität!

SexarbeiterInnen verdienen die gleichen Rechte wie andere Erwerbstätige

Als im Juli 2009 zwei Flatrate-Bordelle der „Pussy-Club“-Kette geschlossen werden mussten, kämpften die Mitarbeiterinnen der Clubs für den Erhalt ihrer Arbeitsplätze, während Lokalpolitiker, Kirchenvertreter und Feministinnen ohne die Spur eines Zweifels von „Ausbeutung“, „Vergewaltigung“ und „Menschenverachtung“ sprachen. Nach der Devise „Ihr seid Opfer, ihr wisst es nur noch nicht“ wurde komplett über die Köpfe der Frauen hinweg diskutiert. Die hoch emotionalisierte Pussy-Club-Debatte setzte nicht bei den Lebenslagen und Interessen der Sexarbeiterinnen an, sondern bei den bürgerlichen Wertebegriffen ihrer Gegner.

Diese bürgerliche Vorstellung von Prostitution konnte auch das Prostitutionsgesetz nicht aus der Welt räumen, obwohl es guten Absichten entsprang: Das Gesetz wollte die Doppelmoral abbauen, die SexdienstleisterInnen bis dato das Leben schwer gemacht hatte. Heute fühlen sich Prostituierte Kunden gegenüber nicht mehr rechtlos. Und wer als Bordellbetreiber humane Arbeitsbedingungen, saubere Zimmer und Kondome bietet, wird nicht mehr wegen „Förderung der Prostitution“ bestraft. Jedoch gibt es große Defizite bei der Umsetzung des Gesetzes. Die lange Tradition, Prostitution primär unter polizeilichen und moralischen Gesichtspunkten zu betrachten, wirkt bei Politik und Polizei fort: So ist für das ProstG das Ministerium für „Familie, Senioren, Frauen und Jugend“ und nicht das Arbeitsministerium zuständig. Allein die Tatsache, dass es neben weiblichen auch männliche und transsexuelle Sexarbeiter gibt, macht diese Verortung zu einem schlechten Witz! SexarbeiterInnen werden damit weiterhin zu Opfern erklärt statt sie als Erwerbstätige zu behandeln. Auch wird im Gewerberecht der Länder mitunter noch unterstellt, Prostitution sei sittenwidrig. Das bedeutet, dass eine Sexarbeiterin ihr Gewerbe gar nicht ordnungsgemäß anmelden kann. Prostituierte müssen des Weiteren Steuern zahlen wie alle anderen Erwerbstätigen auch. Doch statt des normalen Steuerrechts gelten für sie Sonderregelungen. Das sogenannte „Düsseldorfer Verfahren“ sieht eine tägliche Steuervorauszahlung vor, die über den Bordellbetreiber abgeführt wird. Das widerspricht sowohl dem Steuergeheimnis als auch dem Grundsatz der Steuergleichheit. Das ganze Gewerbe wird so als einzige Branche präventiv unter den Verdacht der Steuerhinterziehung gestellt.

Gleichzeitig wird kaum ein Wirtschaftszweig in Deutschland stärker kontrolliert als die Prostitution. Polizei, Zoll, Bauämter, Ordnungsämter, Finanzämter, Ausländerbehörden kontrollieren regelmäßig in Prostitutionsstätten. Die angeblich große Zahl von Menschenhandelsopfern konnte trotz dieser Kontrolldichte von offizieller Seite nicht bestätigt werden. Im Gegenteil: Die Kriminalstatistik weist seit Jahren rückläufige Fallzahlen auf. Aus Sicht von HYDRA wird das Thema Menschenhandel bewusst instrumentalisiert, um die Prostitution als gesellschaftliches Übel zu stigmatisieren. Die permanente Fokussierung auf die düsteren Seiten des Business ignoriert auch, dass viele Frauen die Sexarbeit nicht nur als Beruf, sondern auch als Lebensstil für sich wählen. Das Prostitutionsgesetz gleicht dem Besuch eines Freiers, der zu geizig ist, für die Zeit zu bezahlen, die er benötigt, um zum Orgasmus zu kommen und der die Schuld für seine Frustration dann der Hure zuschiebt.

 

HYDRA e.V.

ist eine 1980 in Berlin gegründete Hurenorganisation, die sich dafür einsetzt, dass Sexarbeit als eine berufliche Tätigkeit wie jede andere anerkannt wird. Dazu gehören die Gewährleistung von Arbeitnehmerrechten, die Anerkennung und Gleichstellung als freiberufliche Tätigkeit, die Abschaffung von Sperrgebietsverordnungen sowie die Abschaffung oder Änderung diskriminierender Steuerregelungen und Gesetze.