Gleich schlechter Lohn

Mit dem Mindestlohn in der Leiharbeit werden die Niedriglöhne gesetzlich zementiert

Seit Anfang Dezember ist es offiziell: Es wird ab diesem Jahr einen branchenspezifischen Mindestlohn für LeiharbeiterInnen geben. Die Berliner Taz feierte das bereits Mitte November: „Jetzt können die rund 900.000 Leiharbeiter hoffen“.

 

Diese Hoffnung besteht in einem Lohn von 7,89 Euro in West- und von 7,01 Euro in Ostdeutschland – in dieser Höhe ausgehandelt von den DGB-Gewerkschaften, die in der Öffentlichkeit doch eigentlich immer für einen Mindestlohn von 8,50 Euro eintreten, und festgenagelt bis Oktober 2013. Dann dürfen sich Gewerkschaften und Leiharbeitsverbände wieder an einen Tisch setzten und neu verhandeln.

Das ist ein allgemeines Manko der Mindestlöhne, nicht nur in Deutschland: Sie sind, genau wie Tarife, Verhandlungssache. Die Regierung spricht dem Verhandlungsergebnis lediglich einen gesetzlichen Status zu. Und da es bei den Verhandlungen um ein Minimum geht, wird auch nie besonders viel dabei herumkommen.

Equal pay in Scheibchen

Die Einführung eines Mindestlohns für LeiharbeiterInnen hatte die Bundesregierung bereits im März 2011 beschlossen. Nötig geworden war dies auch, nachdem die CGZP, die Tarifgemeinschaft Christlicher Gewerkschaften für Zeitarbeit, für nicht tariffähig befunden wurde. Dass es bis jetzt gedauert hat, über diesen Mindestlohn zu entscheiden, lastet die Taz einer Verzögerungstaktik der Leiharbeitsverbände, insbesondere der IGZ (Interessengemeinschaft Zeitarbeit), an. Diese hätten allerdings gar keinen Grund, die Verhandlungen mit den DGB-Gewerkschaften über die Höhe des Mindestlohns zu verzögern, liefert dieser doch die Rechtssicherheit, auch bei fehlenden Tarifverträgen um die Gleichbezahlung (equal pay) mit Festangestellten herumzukommen.

So hat die IG Metall in Friedrichshafen mit der Leiharbeitsfirma ZF AG erstmals einen Tarifvertrag mit Equal-Pay-Regelung abgeschlossen, der offiziell im Dezember in Kraft getreten ist. Der Haken an der Sache: „Ein Ausstieg ist möglich, wenn es gesetzliche Regelungen oder einen Flächentarifvertrag, der dies beinhaltet, geben sollte“ (Südkurier vom 21. November 2011). Der Ausstieg wäre also mit Einführung des „Mindestlohns“ möglich.

IG Metall und IG BCE versuchen nun, sich gegenseitig mit flächendeckenden Equal-Pay-Forderungen zu übertrumpfen, die in den nächsten Tarifrunden ausgehandelt werden sollen. Die IG BCE hat bereits Anfang Dezember eine entsprechende Vereinbarung mit den Leiharbeitsfirmen getroffen, die im Chemiebereich tätig sind. Danach soll der ungleiche Lohn „stufenweise“ abgebaut werden. Es ist schon fragwürdig, etwas „auszuhandeln“ oder erst „stufenweise“ einzuführen, das eigentlich längst europaweit gesetzlich geregelt ist. Das ist aber gleichzeitig auch der Hintergrund, warum sich hier plötzlich recht viel tut: Die EU tritt der deutschen Bundesregierung allmählich auf die Füße. ArbeitsrechtlerInnen gehen denn auch davon aus, dass die Gleichbezahlung nur noch eine Frage der Zeit ist. Mit Mindestlöhnen auf unterem Niveau wie auch mit deren stufenweisen Einführung versucht die Leiharbeits-Meute dies noch hinauszuzögern. Die Anerkennung einer stufenweisen Angleichung der Löhne spekuliert natürlich darauf, dass kaum LeiharbeiterInnen so lange in einem Betrieb bleiben, dass sie in den Genuss gleicher Bezahlung kämen.

Von der Leiharbeit zum Werkvertrag

Noch verheerender ist allerdings der Vorschlag aus Reihen der CDU, welcher von Seiten des christdemokratischen „Arbeitnehmerflügels“ im November geäußert wurde, nämlich diesen „branchenspezifischen“ Niedriglohn als Messlatte für einen allgemeinen Mindestlohn anzusetzen. Das würde nicht nur endgültig Niedriglöhne als wirtschaftliche Selbstverständlichkeit mit staatlichem Segen manifestieren, sondern auch die Leiharbeit entsprechend als Normalarbeitsverhältnis aufwerten: der gleiche schlechte Lohn für alle. Gleich kommt auch noch ein Vorschlag aus dem Unternehmerflügel der Union: Die Rentenversicherung solle doch einfach mal darauf verzichten, die Renten- Sozialversicherungs- und Krankenkassenkosten der Leiharbeitsfirmen zu überprüfen, die mit ungültigen CGZP-Tarifverträgen gearbeitet haben. Denn diese Firmen hätten ja nicht ahnen können, dass diese Tarifverträge für gut 200.000 LeiharbeiterInnen rückwirkend für ungültig erklärt werden.

Nichtsdestotrotz führen der Druck der LeiharbeiterInnen selber und entsprechender Kampagnen wie auch der institutionelle Druck aus der EU dazu, dass die Unternehmerseite unruhig wird und Equal Pay zwar für verzögerbar, aber nicht mehr für verhinderbar hält. Die „neue“ Lösung der Unternehmen ist eigentlich eine alte – das klassische Outsourcing. Ob Regaleinräumen im Supermarkt oder Einzelprozesse am Fließband – vermehrt werden Subunternehmen über Werkverträge engagiert. Schon hat sich ein neuer Arbeitgeberverband für diese Subunternehmen gegründet: Im Verband „Instore und Service Logistik Dienstleistungen“ (ILS) sind 14 von ihnen organisiert. Der ILS gibt an, dass durch Werkverträge 150.000 ArbeiterInnen beschäftigt würden; Gewerkschaftsschätzungen liegen weit höher. Laut der Zeit bekommen die 50.000 ArbeiterInnen der ILS-Unternehmen Tariflöhne: 6,50 Euro im Westen und 6,00 Euro im Osten.

Den Tarifvertrag hat der ILS mit dem Deutschen Handelsgehilfen-Verband (DHV) ausgehandelt – mal wieder einer Mitgliedsgewerkschaft des Christlichen Gewerkschaftsbunds. Dabei wurde schon im März 2008 gerichtlich festgestellt, dass der DHV nur für kaufmännische und Verwaltungsberufe tariffähig ist. Eine Equal-Pay-Regelung gibt es für WerkvertragsarbeiterInnen nicht. Dennoch: „Die Bundesregierung sieht keinen Handlungsbedarf“, wie es in einer Antwort auf eine kleine Anfrage zum Thema Werkverträge heißt.

Torsten Bewernitz 

Dieser Artikel erschien zuerst in der Direkten Aktion 209 – Januar/Februar 2012.