Antisemitismus nicht mehr rechtsradikal?

in (23.03.2011)

„Bis heute sind es zumeist die superreichen Familien Englands, Frankreichs und Hollands - größtenteils khasarische, also nicht-semitische Juden -, die das Wirtschaftsgeschehen der Welt bestimmen." Nach der Entscheidung des  Landgericht Würzburg (LG) vom 19. Mai 2010 (Az. 21 O 179/10) darf diese Äußerung nicht als rechtsextrem bezeichnet werden. Der Beklagte schrieb in Bezug auf diesen Ausschnitt aus einem Beitrag des Klägers in einem Online-Forum vom März 2009, dass dieser „rechtslastigen Dreck ins Internet kübele". Im Oktober 2009 legte der Beklagte nach: Der Kläger „liefere einen seiner typischen rechtsextremen originellen Beiträge zur Besatzerrepublik BRD", sein Denken unterscheide sich "vom klassisch rechtsradikalen verschwörungstheoretischen Weltbild nicht wirklich".

Diese Behauptung greift nach dem LG rechtswidrig in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers ein, also das Recht auf Achtung seiner persönlichen und sozialen Identität sowie deren Darstellung nach außen. Hier sei der Kläger durch die vom Beklagten verbreitete Behauptung in seinem privaten und als Rechtsanwalt vor allem in seinem beruflichen Wirken betroffen, da er als „nachhaltig uneinsichtiger, rechtsradikaler Außenseiter" dargestellt würde. Der Vorwurf des Rechtsradikalismus sei nicht gerechtfertigt, da Ausgangspunkt für eine  Zuordnung dazu die eigene Einordnung zu einer überlegenen Rasse oder Nation sei. Dies tue der Kläger nicht und bewerte die "khasarischen Juden" als Menschen mit großem wirtschaftlichen Einfluss, und nicht als minderwertige Gruppe. Nach dem LG überwiegt im Ergebnis der Stigmatisierungseffekt für den Kläger die Meinungsfreiheit des Beklagten.

Wenn jemand öffentlich behauptet, eine Gruppe von Juden beherrsche im Verborgenen das Weltgeschehen, muss er sich nicht gefallen lassen, dass dies öffentlich kritisiert wird? Nach dem LG entstand aber gerade dadurch eine Prangerwirkung für den Kläger. Diese Entscheidung wirft viele Fragen auf: So scheint erforderlich, dass eine Meinung richtig ist, damit sie geäußert werden kann. Das Gericht unterließ zu unterscheiden, ob es sich hier um eine Meinungsäußerung oder eine Tatsachenbehauptung handelt und fordert im Ergebnis grundsätzlich die Richtigkeit einer Aussage. Doch seit wann müssen auch Meinungen richtig sein? Genau das würde die grundrechtlich geschützte Meinungsfreiheit - wie das Gericht in diesem Urteil bei der Frage, ob der Kläger rechtsradikal ist, beweist - aber deutlich einschränken. Auf die Berufungsentscheidung des Oberlandesgerichts Bamberg kann man nun gespannt sein.

Lena Herbers, Freiburg