Die gegenwärtige Wirtschaftskrise und die Perspektiven der südafrikanischen Linken

Marx hat als erster den Zyklus von Konjunktur und Krise im Kapitalismus wissenschaftlich analysiert und aufgezeigt, dass er zu dieser Produktionsweise dazugehört. Krisen im Kapitalismus können im Ergebnis solcher Faktoren auftreten, die außerhalb des Akkumulationsprozesses stattfinden: Kriege, Naturkatastrophen, soziale Umwälzungen. Doch im Kapitalismus – anders als bei früheren Produktionsweisen – ereignen sich Kriege, Naturkatastrophen, soziale Umwälzungen eher als Konsequenz innerer Krisen des Kapitalismus selbst, als dass sie solche auslösen.

 

Das Muster von Auf- und Abschwüngen ist im Kapitalismus systembedingt, denn anders als beim Sozialismus und früheren Produktionsweisen handelt es sich hier, vom Grundsatz her, um eine Produktion für den Austausch (und somit für den privaten Profit) und nicht für den Nutzen der Gesellschaft. Wäre unter anderen Produktionsweisen (nicht zuletzt im Sozialismus) die Überproduktion von Gütern ein Grund zur Freude, führt „Überproduktion“ unter kapitalistischen Bedingungen – Produktion von mehr als mit Profit verkauft werden kann – zu einem Zusammenbruch des Systems, einer Überakkumulationskrise. Nun muss zwingend eine massive Welle der Zerstörung von Produktionskapazitäten folgen…, damit der Weg frei ist für die nächste Runde einer auf Wachstum basierenden Kapitalakkumulation. „Überproduktion“ im Kapitalismus darf nicht verwechselt werden mit einer Überproduktion solcher Produkte, wie sie die Masse der Weltbevölkerung dringend benötigen würde. Nein, es handelt sich um eine „Überproduktion“ gemessen an der „Nachfrage des Marktes“, also an dem, was mit Profit verkauft werden kann. So dynamisch und robust der Kapitalismus auch sein mag, seinem Wesen nach handelt es sich um ein zutiefst irrationales System.

In jüngster Zeit haben liberale Ökonomen sich immer wieder damit gebrüstet, dass makroökonomische Steuerung und Lenkung, verbunden mit einer angeblich der kapitalistischen Akumulation innewohnenden Fähigkeit zur Selbstkorrektur, den Auf- und Abschwungszyklus des Kapitalismus zu „überwinden“ in der Lage seien. So veröffentlichte beispielsweise Ricardo Hausman, der führende Kopf von Trevor Manuels „Harvard-Gruppe“, zusammen mit einer anderen Harvard-Koryphäe einen preisgekrönten Aufsatz, worin behauptet wurde, finanzielle „Dunkelmaterie“ werde den großen Knall der Weltwirtschaft verhindern. Es sei der fehlende Glaube an diese „Dunkelmaterie“, brüsteten sich die Autoren, weshalb „Analytiker Krisen voraussagen, die aus guten Gründen nicht nachvollziehbar bleiben“. Solche Prahlereien klingen heute allerdings etwas hohl. …

Neben den drei Mustern des Auf- und Abschwungs, die für den Kapitalismus typisch sind, muss noch ein vierter Faktor beachtet werden, um die augenblickliche Krise des kapitalistischen Weltsystems zu verstehen.


Stoßen wir an die biophysischen und geographischen Grenzen des Kapitalismus?

Zu den Grundannahmen des kapitalistischen Akkumulationsprozesses gehört die, dass das Wachstum immer weitergehen wird, und die Illusion, dass die Ressourcen unbegrenzt sind. Doch für die kapitalistische Produktion und Reproduktion – und überhaupt für jede Form menschlicher Zivilisation – gibt es auch absolute Grenzen. Die Wissenschaft ist sich heute wohlbegründet ziemlich einig, dass der jetzige Entwicklungsweg der Weltwirtschaft die menschliche Zivilisation in eine Katastrophe führt: Die nicht erneuerbaren natürlichen Rohstoffe sind irgendwann erschöpft, die Umwelt zerstört, die Erderwärmung nimmt zu, und damit sind wir bei den biophysischen Grundlagen menschlichen Überlebens. Der Kapitalismus und auch der bisher bestehende Sozialismus hatten die Illusion gemeinsam, dass unbeschränkte Naturschätze immer weiter ausgebeutet werden könnten. Heute setzt das sozialistische Cuba ein wichtiges Beispiel, wie eine nachhaltige Entwicklung völlig anders betrieben werden kann. Gleichzeitig äußern zwar führende Politiker kapitalistischer Länder ihre tiefe Besorgnis über die Zukunft des Planeten, gleichzeitig wird aber die tatsächlich vorliegende Situation geleugnet, das Mysterium des Marktes beschworen (dessen verborgene Hand irgendwie eine Lösung finden werde), es werden zynische bis hin zu völkermörderischen und sozialdarwinistischen Stimmungen („wo es Verlierer gibt, wird es auch Gewinner geben“) propagiert oder hoffnungslos unzureichende Teilreformen auf die Tagesordnung gesetzt.

Neben den biophysischen Grenzen des Kapitalismus gibt es auch solche Grenzen, die der erweiterten Reproduktion des Kapitals durch Kämpfe gesetzt werden können. Das Kapital strebt danach, die Ausbeutung der Arbeitskraft ständig zu intensivieren und auszuweiten, was auf verschiedene Arten geschieht: Verlängerung der Arbeitszeit, Erhöhung der Produktivität der Arbeit durch Nutzung des technischen Fortschritts, Abbau sozialer Errungenschaften wie des Wohlfahrtsstaats. Der relative Erfolg solcher Profitmaximierungsmaßnahmen hängt natürlich immer von der Fähigkeit der Arbeiterbewegung und anderen Kräfte der Bevölkerung ab, gegen die Verschärfung der Ausbeutung Widerstand zu leisten. Zu Schlüsselfaktoren im Streben nach erweiterter Kapitalreproduktion, mit einem zentralen Stellenwert in der Ära der „Globalisierung“, sind auch verschiedene Formen der Verschiebung von Menschen von einem Land zum anderen geworden. Insbesondere setzt das Kapital heute in erheblichem Maß darauf, dass die Kosten für die Reproduktion der Arbeitskraft (aus der Sicht des Kapitals) dadurch verringert werden, dass ihre Lasten auf die gerade noch das Überleben sichernden, auf Landwirtschaft beruhenden Ökonomien in der Dritten Welt abgewälzt werden. In den letzten Jahrzehnten gab es eine massive Ausweitung verschiedener Formen erzwungener und regulierter massenhafter Migration (als „billige Arbeitskräfte“ oder „brain drain“ aus der Dritten Welt). Oder es wurden, sozusagen als Kehrseite davon, Produktionen geographisch an andere Orte verlagert, wo die Arbeitskraft „rechtlos“ ist und mit unterschiedlichen Methoden „diszipliniert“ wird. (Beispiele sind die Internationalen Direktinvestitionen in Südafrika unter der Apartheid ab 1963, Brasilien unter der Militärjunta ab 1964, Chile unter Pinochet ab 1973, und zugleich – mit etwas anderen Vorzeichen – war dies auch ein Schlüsselfaktor des Wirtschaftswachstums in China in den letzten Jahrzehnten).

Doch so wie seinerzeit in Südafrika, Brasilien oder Südkorea und jetzt in China, braucht die Arbeiterklasse von der Tendenz her etwa eine Generation, um sich zu organisieren (oder umzugruppieren und neu zu organisieren) und höhere Löhne, bessere Arbeitsbedingungen und soziale Errungenschaften erkämpfen zu können. Die sich verstärkenden Klassenkämpfe innerhalb Chinas, auch innerhalb des chinesischen Staatsapparats und der herrschenden Partei, werden sich in der kommenden Etappe ganz entscheidend auf die Chance einer Neugestaltung (oder auch nicht) der Weltwirtschaft auswirken.


Die gegenwärtige Krise – ein „perfekter Sturm“

Die gegenwärtige weltweite Krise ist deshalb so tiefgreifend, weil hier in unterschiedlichem Grad alle vier der oben beschriebenen Systemfaktoren ineinander fließen:

kurzfristige zyklische Abschwünge, konvergierend mit

einem längerfristigen Abwärtstrend, zu einem Zeitpunkt, in dem

eine globale Hegemoniemacht deutlich zerfällt, im Schatten

bereits erkennbarer Auswirkungen der nahenden biophysischen, möglicherweise auch gesellschaftlichen Grenzen der erweiterten Reproduktion des Kapitalismus.

In mehrfacher Hinsicht befinden wir uns also in unbekannten Gewässern. Niemand kann genau vorhersagen, wohin all das führt. Doch einige grundlegende Voraussagen sind möglich:

Es wird keine nennenswerte kurzfristige Erholung der Wirtschaft geben.

Obwohl das kapitalistische Weltsystem sich in einer tiefen Krise befindet, wäre es naiv anzunehmen, dass der Kapitalismus einfach zusammenbricht oder dass die Krise spontan zur Geburt einer besseren Welt führt.

Der relative Niedergang der wirtschaftlichen Dominanz der USA (schrittweise seit Mitte der 1970er Jahre) hat sich in jüngster Zeit enorm beschleunigt. Die Volkswirtschaft der USA dürfte die mächtigste bleiben, muss sich aber in einer deutlich multipolareren Welt behaupten.

Während diese Multipolarität für die Länder der Südhalbkugel einige Möglichkeiten eröffnet, potentiell mehr Spielraum und Alternativen ermöglicht, sind es doch vor allem die Völker des Südens, die die Lasten der Krise zu tragen haben. Während sich die Volkswirtschaften der kapitalistischen Kernländer auf ihre eigenen Krisen und Rettungspakete besinnen, werden die ohnehin klägliche Entwicklungshilfe weiter heruntergefahren, Handelsbarrieren erhöht, internationale Direktinvestitionen im Süden weitgehend zurückgezogen, Prämien auf internationale Darlehen erhöht und bei Portfolioinvestitionen besteht noch weniger Neigung, auf den Süden zu setzen. Es sind aber nicht nur die kapitalistischen Kernländer, die den Rückzug aus den Ländern des Südens antreten. So haben beispielsweise in den letzten zwei Monaten über 60 chinesische Bergbaugesellschaften die Provinz Katanga der Demokratischen Republik Kongo wegen des Zusammenbruchs der Preise für Bodenschätze verlassen, und es wird berichtet, dass 100 kleine chinesische Firmen sich aus dem Bergbau Sambias zurückgezogen haben.

Möglicherweise können einige dynamische Volkswirtschaften von Entwicklungsländern wie Brasilien, Indien und China sich teilweise von der Rezession entkoppeln, aber keine kann sich ihren Auswirkungen entziehen. Vor allem China mit seiner auf die USA orientierten, exportgesteuerten Wachstumsstrategie ist mit einer ungeheuren Herausforderung konfrontiert.


Herausforderungen für Südafrika – Vom „Undenkbaren“ zum „Unaussprechlichen“

Die Weltwirtschaftskrise enthält für die Linke große Möglichkeiten, aber auch ernsthafte Herausforderungen. Hier in Südafrika ist die Umgestaltung unserer Produktivwirtschaft dringender als je zuvor, aber zugleich schwieriger geworden, da die sinkende weltweite Nachfrage für unsere Exporte auf die Arbeitsplätze und staatlichen Finanzmittel durchschlägt.

Auch die ideologische Auseinandersetzung wird sich verschärfen, sowohl mit Kräften außerhalb des ANC als auch innerhalb des ANC selbst. Mit dem Rücken zur Wand, aber gut finanziert führen unsere einheimischen Neoliberalen jeglicher Couleur einen ideologischen Kampf, um eine sinnvoll geführte demokratische Debatte in unserem Land über die Einschätzung der bisherigen Wirtschaftspolitik und über Veränderungen zu verhindern.

Doch das hatten wir schon einmal. In den entscheidenden Jahren von 1994 bis 1996 wurde ein ähnlicher ideologischer Kampf geführt, um die Agenda der Wirtschaftspolitik der neuen Regierung bestimmen zu können. Dazu gehörte natürlich, alternative Perspektiven zu dämonisieren, zu karikieren und als bedeutungslos darzustellen, vor allem wenn sie von der KP oder dem Gewerkschaftsbund COSATU kamen. Dabei wurde uns auch ständig gedroht, was die „Weltmärkte“ mit uns machen würden, wenn wir irgendetwas von ihrem neoliberalen Evangelium nicht befolgten. Endlos wurde diese Leier wiederholt.

Genau das wiederholt sich jetzt – außer dass uns das letzte Mal erzählt wurde, es gebe keine Alternative zum Konsens mit Washington. Jetzt sagt man uns, die Krise eben jener Agenda der Wirtschaftspolitik, die damals gepredigt wurde, sei so tiefgreifend, dass wir keinerlei Veränderung riskieren sollten.

Mit einer solchen Botschaft verabschiedete sich vor seinem Abgang der stellvertretende Finanzminister Jabu Moleketi in der Woche vor dem Wirtschaftsgipfel der Allianz im Oktober 2008. Er erzählte der Londoner Financial Times, es sei „selbstmörderisch“ für Südafrika, seine Wirtschaftspolitik zu ändern. „Jede plötzliche Veränderung der Politik durch die neue Führung Südafrikas wäre ‚selbstmörderisch’ für ein Land, dessen Wirtschaft – laut einem der Architekten der letzten Jahre der Stabilität – durch die Gnade ausländischer Investoren überlebt.“ (07.10.2008)

Der Taschenspielertrick in diesem einen Satz ist schon bemerkenswert. Einerseits soll unsere Wirtschaft „Jahre der Stabilität“ erreicht haben, andererseits lesen wie, sie hat „durch die Gnade ausländischer Investoren überlebt.“ Was ist denn das für eine Stabilität? Doch laut einem unserer Architekten der Stablität, Genossen Moleketi, ist die See so stürmisch, dass das Schiff nicht wenden sollte. Bezeichnend für diese Argumentation ist, dass sie eine Karikatur aus dem macht, was wir tatsächlich durchzusetzen versuchen („eine vollständige Kehrtwendung“). Wofür wir uns einsetzen, das wird übertrieben, um unsere angeblich „fehlende Weisheit“ zu demonstrieren.

Darüber könnte man sich hinweg setzen, wenn es nicht auf Teile des ANC und der Regierung Eindruck machen würde.

Schauen wir uns ein Interview mit dem Finanzminister, Genossen Trevor Manuel, an, das die Londoner Financial Times unmittelbar nach eben jenem Wirtschaftsgipfel der Allianz im Oktober 2008 veröffentlichte. Mit deutlich erkennbarer Bezugnahme auf die Hauptresolutionen des Gipfels sagt Genosse Manuel herablassend: „Wir müssen die Menschen von der Vorstellung abbringen, dass wir einen mächtigen entwickelnden Staat haben werden, der Beschäftigung jeder Art planen und schaffen kann. Das mag 1994 am Horizont sichtbar gewesen sein, aber das könnten wir jetzt nicht leisten.“ (28. 10. 2008) …

Mit anderen Worten, es sei wegen der Weltwirtschaftskrise nicht mehr möglich, an ernsthafte Programme zur Schaffung von Arbeitsplätzen durch den Staat zu denken.

Wie sprach Genosse Manuel vor einigen Jahren, als es die weltweite Krise noch nicht gab? Im Jahr 2000 erzählte er der Zeitung Sunday Independent: „Ich möchte, dass mir jemand verrät, wie die Regierung Arbeitsplätze schaffen soll. Es ist ein fürchterliches Eingeständnis, aber Regierungen in aller Welt sind machtlos bei der Schaffung von Arbeitsplätzen.“ (09.01.2000)

Damals war es NIEMALS möglich, jetzt ist es NICHT MEHR möglich! Vor einigen Jahren war die Änderung der Wirtschaftspolitik „undenkbar“, heute ist sie „unaussprechlich“.

Aber können wir uns das leisten?“

Eine Variante der Argumentationslinie „undenkbar/unaussprechlich“, die schon gegen das „Aufbau- und Entwicklungsprogramm“ (RDP) Mitte der 1990er Jahre feindlich in Stellung gebracht wurde, und die wir nun, bezogen auf das Wahlprogramm des ANC 2009 wieder zu hören bekommen, ist die abgenutzte Schallplatte: „Das ist alles schön und gut, aber können wir uns das leisten?“ Natürlich ist es für ein strategisches Programm wichtig, ob und wie es finanzierbar ist. Selbstverständlich wird die weltweite Wirtschaftskrise keinen Bogen um Südafrika machen. Sehr gut möglich also, dass der Regierung in den kommenden Jahren weniger Finanzmittel zur Verfügung stehen in dem Maß, wie durch sinkende Profite das Steueraufkommen zurückgeht. Unser bestehendes Netz des sozialen Sicherheit, zu dessen Ausbau wir uns verpflichtet haben, wird in dem Maß, wie die weltweite Rezession auf die Arbeitsplätze in Südafrika durchschlägt, zunehmend unter Druck geraten.

Diese und andere damit verbundene Herausforderungen muss man realistisch sehen. Was wir diesmal nicht zulassen dürfen, dass die Leier „Können wir uns das leisten?“ uns von der RICHTUNG unserer Strategie und unseres Programms wegführt.

Denn so lief das leider bei dem „Aufbau- und Entwicklungsprogramm“ RDP Mitte der 1990er Jahre. Das Argument, „ob man sich das leisten könne“, wurde eingesetzt, um Genossen in der Regierung einzuschüchtern (und dann auch von einigen Regierenden selbst). Angeblich um „Ressourcen zu finden“, um „Versprechen des RDP“ auch „erfüllen“ zu können, wurde das Programm reduziert auf eine Liste von „Erfüllungszielen“. Statt Umgestaltung bei der weiteren Entwicklung als oberste Priorität zu setzen, trat in der Praxis das Programm „Wachstum, Beschäftigung und Umverteilung“ G.E.A.R. an deren Stelle, und damit wurden die Prioritäten wieder auf die Stabilisierung und Wiederbelebung des gleichen jahrhundertealten Wegs des Wachstums gesetzt. „Entwicklung“ wurde uminterpretiert in ein ernsthaftes Bemühen, aus dem Wachstum heraus eine Umverteilung vorzunehmen – doch im Zuge des stabilisierten und maßvoll stimulierten Wachstums wurden weiterhin eben jene systembedingten Merkmale rassifizierter Unterentwicklung fortgeschrieben, die für jenen Weg der Entwicklung fast ein Jahrhundert lang charakteristisch waren.

Diesmal stellen wir klar, dass Arbeit zu vernünftigen Bedingungen und eine tragfähige Lebensgrundlage – nicht 6 % Wachstum oder sonst eine willkürlich gesetzte Zahl – der Maßstab sind, an dem Fortschritt gemessen wird. Umgekehrt wird das erfordern, unsere Ressourcen an einer vom Staat durchgeführten Industriepolitik auszurichten, bei der Umgestaltung unserer Produktivwirtschaft Priorität hat. Zu einer solchen Industriepolitik müssen dann folgende Maßnahmen gehören:

Der Würgegriff der privaten Monopolkartelle im Bergbau, im Energie-, Finanz-, Chemiesektor und bei der Verarbeitung landwirtschaftlicher Produkte muss aufgebrochen werden, damit kleine und mittlere Unternehmen eher eine Chance haben, sich zu entwickeln und tatsächlich Arbeitsplätze schaffen zu können.

Zwischen der Produktion für den Export und für unsere inländischen und regionalen Märkte muss ein ausgewogeneres Gleichgewicht hergestellt werden. Dazu gehört, dass die Handelspolitik sich der Industriepolitik unterzuordnen hat, nicht umgekehrt.

Die Energiepolitik muss besser und wirksam koordiniert werden, um die nationale Souveränität auf dem Energiesektor auszubauen und langfristig Nachhaltigkeit zu sichern, wofür Greening the Economy, also eine ökologische Transformation, so rasch wie möglich durchzuführen ist.

Der Sicherstellung der nationalen (und regionalen) Nahrungsmittelversorgung muss viel größere Aufmerksamkeit geschenkt werden.

Konsolidierung unserer Betriebe in Staatseigentum (SOEs) und Einrichtungen zur Finanzierung der Entwicklung, wobei sicherzustellen ist, dass ihr Mandat zur strategischen Entwicklung an der entsprechenden Politik ausgerichtet und klar formuliert ist.

Umgestaltung des Staatsapparats, die eine wirksame (und auf Teilnahme der Bevölkerung beruhende) Planung in allen Bereichen ebenso sicherstellt wie die Ausrichtung der Haushalte an strategischen und geplanten Prioritäten, die Gestaltung der makroökonomischen Politik nach unseren Entwicklungsprioritäten, und bei der zugleich die Professionalität und technische Leistungsfähigkeit des Staats deutlich verbessert werden.

Unsere Industriepolitik und im weiteren Sinn die gesamte Entwicklungsstrategie sollte nicht rein „nationalen“ Charakter tragen, sondern bewusst auch das südliche Afrika als Region und die Süd-Süd-Dimension im Blickfeld haben. Bei vielen kapitalistischen Mächten kann man davon ausgehen, dass ihre Antworten auf die Weltwirtschaftskrise von der Mentalität „jeder frisst jeden“ geprägt sind, jeder nur für sich Auswege sucht… Einerseits ist diese Tendenz bereits erkennbar, andererseits gibt es ermutigende Beispiele einer alternativen Herangehensweise, von denen wir lernen und die wir dort, wo es möglich ist, nachbilden sollten – so wie die Schaffung des Bündnisses ALBA (Bolivarische Allianz für Amerika) in Lateinamerika und der Karibik.

Als integraler Bestandteil unserer Entwicklungs-Agenda und um die Priorität der Schaffung von Arbeitsplätzen und tragfähiger Lebensgrundlagen zu untermauern, benennen wir vier weitere Gebiete, auf denen mit hoher Priorität eine Umgestaltung der Systeme stattfinden muss, um insgesamt eine nachhaltige Umgestaltung zu gewährleisten: Gesundheitsversorgung, Bildung, Entwicklung auf dem Land, Sicherheit in Wohngebieten. Das sind keine zusätzlichen Komponenten, sondern sie sind als integrale Bestandteile eines Entwicklungswegs in Richtung auf eine Umgestaltung des Systems zu verstehen.

Die Verschärfung der weltweiten Rezession und ihre Auswirkungen auf unsere Wirtschaft werden möglicherweise Konsequenzen haben für den Umfang und den Zeitrahmen, in dem unsere strategischen Entwicklungsprioritäten umgesetzt werden können. Im Fortschreiten werden wir laufend die erreichten Ergebnisse und den möglichen weiteren Fortschritt verfolgen und bewerten und auch die möglicherweise notwendigen Korrekturen vornehmen müssen. Was wir aber dieses Mal absolut NICHT zulassen dürfen, das sind Kompromisse über unsere strategische RICHTUNG und an unseren Zielen zur UMGESTALTUNG des Systems.

Um unsere Aufmerksamkeit weiterhin auf unsere strategische Entwicklungs-Agenda zu fokussieren, müssen wir uns auch aktiv in die Kritik an einigen immer noch vorhandenen Illusionen über die reale Lage in unserem Land einschalten.


LEGENDEN ÜBER DIE WIRTSCHAFT SÜDAFRIKAS

Im Mittelpunkt der neoliberalen Kampagne, die eine ernsthafte Debatte über und Auswertung der Wirtschaftspolitik unseres Landes verhindern soll, stehen einige miteinander verwobene Legenden über den tatsächlichen Zustand unserer Wirtschaft.

Legende 1: „In den letzten zehn Jahren hat ein ‚beispielloses Wirtschaftswachstum’ in Südafrika stattgefunden.“

Richtig ist, dass es seit 1994 ununterbrochen 14 Jahre ein Wachstum gegeben hat. Zwischen 1994 und 2003 betrug es im Durchschnitt 3 %, zwischen 2004 und 2007 5 %. Es wird jetzt vermutlich auf 1 % absinken oder auch bereits in ein Negativwachstum oder eine Rezession.

Ein so anhaltendes, wenn auch mäßiges Wachstum ist an sich keine geringe Errungenschaft, doch wir müssen im Auge behalten, dass sein Ausgangspunkt der Tiefpunkt war, in dem sich die Wirtschaft unter der weißen Minderheitsherrschaft Anfang der 1990er Jahre befand. In den letzten Jahren der Apartheid betrug das Wachstum in den meisten Jahren nur noch Null oder war negativ. Um von hier aus ein Wachstum zu erreichen, brauchte man keine Raketen zu erfinden.

Es stimmt aber nicht, dass zehn Jahre Wachstum bei uns „beispiellos“ waren, wie oft behauptet wird. Zwischen 1963 und 1973 betrug das Wirtschaftswachstum unter der Apartheid jedes Jahr im Durchschnitt zwischen 7 und 8 %. Zu Apartheid-Zeiten, wie gesagt, weshalb wir beachten sollten, dass solche Zahlen, für sich alleine genommen, nichts darüber aussagen, wer den Nutzen davon hat, ob ein hohes Wirtschaftswachstum für die Mehrheit der Bevölkerung gut oder schlecht ist.

Legende 2: „Wir haben seit 1994 gut gewirtschaftet.“

In den letzten 15 Jahren gab es weltweit eine riesige Woge des Wachstums, wobei der Aufschwung bei der Nachfrage nach Waren in den letzten Jahren den meisten unserer Esportindustrien gut getan hat. Wenn nun eine längere weltweite Rezession bevorsteht und diese Nachfrage nachlässt, müssen wir uns fragen, ob wir die Jahre des Aufschwungs dafür genutzt haben, um unsere Wirtschaft auf einer soliden, nachhaltigen und gerechteren Basis umzugestalten? Oder haben wir diese Möglichkeit weitgehend verschenkt?

Zu einer ehrlichen Antwort müsste das Eingeständnis gehören, dass wir in vieler Hinsicht Gelegenheiten haben verstreichen lassen, die nicht wieder kommen werden. Doch die veränderte Realität im Weltmaßstab macht eine Veränderung nicht unmöglich, sondern im Gegenteil, sie ist jetzt noch dringender nötig. Aber die Umgestaltung wird jetzt eine größere Herausforderung sein, in vielfacher Hinsicht.

Legende 3: „Grundsätzlich stimmt alles in unserer Wirtschaft (und daran sollten wir auch nicht rütteln!)“

Diese eingebildete Selbstzufriedenheit über das in den letzten 15 Jahren Erreichte ist im Grund die Selbstzufriedenheit einer Klasse. Für das südafrikanische Monopolkapital waren diese 15 Jahre insgesamt eine Periode großer Profitabilität, und die Schere zwischen ihren Managergehältern und den Löhnen ihrer Arbeiter wurde deutlich größer. Und sie hatten jahrelang Gelegenheit, ihr Geld außerhalb Südafrikas zu anzulegen.

Für die Arbeiter bedeuteten diese 15 Jahre zunächst immer weiter gehende Kürzungen und es pendelte sich dann ein bei einem Wachstum, an dem die Arbeitsplätze nicht teil hatten. Die Arbeitslosigkeit erreichte bis zu 40 % und hängt jetzt bei 33-35 % fest. In großem Stil wurden Arbeitsverhältnisse prekarisiert, so dass viele, die noch Arbeit haben, von dem Radarschirm der fortschrittlichen Gesetze für den Arbeitsmarkt nicht erfasst werden. Auch die Einkommensungleichheit hat sich in den letzten 15 Jahren verschärft; nach dem Gini-Koeffizienten gehört Südafrika zu den Ländern der Welt, in denen diese Ungleichheit am größten ist. Es ist lediglich gelungen, durch bedeutende soziale Programme – auch Stipendien, billige Wohnungen, Wasser- und Stromversorgung – das Maß absoluter Armut zu verringern.

Es ist also ein klassenmäßig bedingtes Vorurteil, dass das, was „grundsätzlich“ eine Wirtschaft kennzeichne, auf einige makroökonomische Indikatoren reduziert werden könne, und dabei solche Fragen wie die unhaltbaren Verhältnisse bei der Arbeitslosigkeit und Ungleichheit auszublenden.

Legende 4: „Durch vernünftiges Wirtschaften wurde Südafrika zu einem sicheren Hafen in den heutigen Turbulenzen der Weltwirtschaft“

Die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich in Basel führt in ihrem 78. Jahresbericht vom Juni 2008 Südafrika – zusammen mit der Türkei, den baltischen Staaten, Ungarn und Rumänien – unter den Ländern auf, die durch die heutige Globalisierung am meisten bedroht sind. Diese Feststellung der BIZ braucht man nicht für eine Offenbarung zu halten; schließlich hat diese Bank nicht im Entferntesten den damals schon drohenden Zusammenbruch von Banken in den USA vorausgesehen. Trotzdem sollte man über einige Feststellungen in diesem Bericht der BIZ nachdenken.

Sie basieren nämlich vor allem auf der unausgeglichenen südafrikanischen Leistungsbilanz – der Differenz zwischen den Gewinnen durch Exporte und den Aufwendungen für Importe. In der zweiten Jahreshälfte 2008 hat sich unser Leistungsbilanzdefizit nochmals deutlich verschlechtert. Im Oktober 2008 war das Handelsbilanzdefizit um 7,1 Milliarden Rand angewachsen, vor allem durch um 2,2 Millarden Rand höhere Importe von Maschinen und elektrischen Geräten. Kumulativ für Januar bis September 2008 errechnet betrug das Defizit 62 Milliarden, gegenüber 55 Miliarden im gleichen Zeitraum des Vorjahrs. Verschärft wird das Problem dadurch, dass Südafrika zum ersten Mal in seiner Geschichte seine Lebensmittel, unter dem Strich, vor allem importiert.

Es ist schwer vorherzusagen, wie sich kurz- und mittelfristige Turbulenzen im Weltmaßstab auf unser Leistungsbilanzdefizit auswirken werden. Es läuft in die Richtung einer Abwertung des Rand gegenüber dem US-Dollar und Euro, was unsere Produkte im Export wettbewerbsfähiger macht, doch die weltweite Rezession führt auch zu einer geringeren Nachfrage für unsere Exporte. Der Ölpreis ist durch die weltweite Rezession wieder so weit gesunken, wie er vor zwei Jahren war, was aber durch den sinkenden Wert des Rand teilweise aufgewogen wird.

Unser Leistungsbilanzdefizit – im Grund ein Ausdruck unseres Versäumnisses, in den letzten 15 Jahren ein aggressives Industrialisierungsprogramm für Produktion und Landwirtschaft zu fahren – bleibt die Stelle, wo wir ernsthaft verwundbar sind.

Legende 5: „Unser Finanzsektor ist gesund“

Obwohl die Geldinstitute unseres Landes nach außen gut reguliert werden und nicht so heftig wie die entsprechenden internationalen Institute von toxischen Anleihen betroffen sind, waren sie doch nicht völlig immun dagegen. Die Standard Bank verfügt über einige Beteiligungen in Form von Derivaten, und Old Mutual verlor über 1,4 Millarden Rand, als ihre Beteilungen an Bear Sterns zu nahezu wertlosem Papier wurden. Das bleiben hoffentlich Einzelfälle.

Aber kann man von einem gesunden Finanzsektor sprechen, wenn sich in unserem Land eine der weltweit schlimmsten Blasen bei den Immobilienpreisen entwickelt hat? Und sich die Verschuldung der Haushalte in den letzten fünf Jahren auf 1,1 Billionen Rand vervierfacht hat? Wenn 6 Millionen Südafrikaner ihre Schulden nicht bezahlen können? Wenn im 1. Quartal 2008 die Südafrikaner 82,3 % ihrer Einkommen zum Abzahlen von Schulden verwendeten, während es 1998 noch 60,2 % waren? Und wenn in jedem Monat 6000 Fahrzeuge und 2 000 Häuser und Wohnungen zwangsversteigert werden?

Bei der Bewertung des Gesundheit unseres Finanzsektors gibt es auch noch eine andere Seite der Realität, die oft höflich übersehen wird – ein bestimmtes enges Verständnis dessen, worum es im Rahmen der „Förderung schwarzer Geschäftsgründungen“ (BEE) geht und was dabei vereinbart wird. Oft wurde hier in komplizierter Weise Fremdkapital aufgenommen, um einer aufsteigenden Elite (ohne entsprechende Ersparnisse) Aktien zu verschaffen, die sie dann aus den angeblich „unvermeidlich“ sich einstellenden Gewinnen dieser Beteiligungen bezahlen sollte. Denn „der Aktienmarkt geht immer nach oben“ in dem wunderbaren neuen Südafrika und der Welt, in der wir heute leben. Laut einigen Quellen stehen heute 80 % dieser BEE-Verträge „unter Wasser“ – die Betroffenen können die Schulden für ihre erworbenen Aktien nicht zurückzahlen, jedenfalls nicht im vereinbarten Zeitraum. Das wirkt sich auf die Liquidität der Firmen aus und solche Schulden werden in vielen Fällen an den Banksektor weitergereicht. Wenn eine tatsächliche „Förderung schwarzer Geschäftsgründung“ stattfände, die sich ernsthaft im Sinne einer Umgestaltung auswirkt, könnte eine größere Verschuldung, die uns alle betrifft, hingenommen werden. Aber das enge Verständnis, dem die geschilderte Praxis folgte, war nichts anderes als eine bewusst betriebene Ablenkung vom Anliegen einer ernsthaften Umgestaltung.

Legende 6: „Wir haben die Wahl, alles so zu lassen oder einem unbedachten Makro-Populismus zu erliegen“

Bezüglich des Zustands unserer Wirtschaft können wir uns weder ein unbedachtes Herangehen noch Selbstzufriedenheit leisten. Zurückweisen müssen wie die falsche Alternative, als ob es darum ginge, entweder einem nicht durchhaltbaren „Makropopulismus“ im Sinne eines Woflfahrtsstattes zu folgen, oder „alles so zu lassen“, dass nämlich – angeblich – die Regierung eine „kluge makroökonomische Politik“ verfolge und alles Weitere der Markt regle.

Unsere Probleme sind in Wirklichkeit struktureller Art. Was wir verändern müssen, sind die Systemeigenschaften der weiterhin verfolgten Richtung unseres Wachstums, die die Krisen unserer Gesellschaft reproduziert – Arbeitslosigkeit, Armut, Ungleichheit, unzureichende Kompetenz, zunehmend weniger gesicherte Lebensmittelversorgung, unhaltbarer exzessiver Energieverbrauch, eine Leistungsbilanz, die uns angreifbar macht. Diese Krisen haben Auswirkungen auf einiges andere, was uns großes Kopfzerbrechen macht, darunter die hohe Kriminalität und die unhaltbare Verschuldung der Haushalte.

Allzu oft wird die Diskussion über Wirtschaftspolitik reduziert auf den Umgang mit der Inflation oder kleinen Haushaltsdefiziten. Zweifellos sind dies wichtige Themen, an die sorgfältig herangegangen werden muss. Aber sie sind von nachgeordneter Bedeutung.

Beim Wirtschaftsgipfel der Allianz waren wir uns einig, was die obersten Prioritäten sein müssen: Schaffung von Arbeitsplätzen, grundlegende Verbesserungen bei der Bildung, Gesundheitsversorgung und beim System der Strafverfolgung, und eine tiefgreifende Umgestaltung auf dem Land. Diese Prioritäten können nicht so angegangen werden, als ob es darum ginge, dass im Wohlfahrtsstaat irgendwann etwas heruntersickert („trickle-down-Effekt“), sondern sie sind als integrale Bestandteile eines vom Staat durchgeführten Industrialisierungsprogramms zu behandeln, der die Ausrichtung unseres Wachstums neu ausrichtet, das in in viel zu hohem Grad warenbasiert exportabhängig und kapitalgüter-importabhängig ist. Das ist weder ein dramatischer Abschied von makroökonomischer Klugheit noch ein selbstgefälliges Abwarten auf irgendwelche Kräfte des Marktes, die es irgendwie schon richten werden.

Legende 7: „Danken wir Gott“

Wenn südafrikanische Geldinstitute von der Krise wegen fauler Hypothekenkredite scheinbar weniger betroffen waren als in anderen Teilen der Welt, wenn alles nicht ganz so schlimm ist, wie es sein könnte, sollen wir an irgendein Wunder glauben. Bei Johann Rupert, dem Vorsitzenden von Richemont & Remgro, hörte sich das bei seinem kürzlichen Vortrag an der Universität Pretoria so an:

Ich bin für die Abschaffung der Devisenbewirtschaftung, aber ich muss dem Finanzminister Trevor Manuel zustimmen, dass die Devisenbewirtschaftung uns gerettet hat. Auch einige meiner Freunde unter den Bankiers und Fondsmanagern wären der Versuchung der höheren Erträge bei sub-prime-Hypothekendarlehen und anderen Märkten erlegen. Danken wir diesmal also Gott für die Devisenbewirtschaftung.“

Vielleicht wurden wir in der jüngsten Vergangenheit wirklich ab und zu von Gottes Gnade begünstigt. Es muss unbedingt anerkannt werden, dass Genosse Manuel dem großen Knall einer Aufhebung der Devisenbewirtschaftung widerstanden hat, wie sie von den sogenannten „Wirtschaftsspezialisten“ der Medien, Kreisen des Großkapitals und auch im Parlament von der „Demokratischen Allianz“ und der „Inkatha Freedom Party“ gefordert wurde. Wahr ist allerdings auch, dass im Zuge der bei GEAR („Wachstum, Beschäftigung und Umverteilung“) eingegangenen Verpflichtungen, schrittweise die Devisenbewirtschaftung abzubauen, der Finanzminister in den letzten acht Jahren nicht weniger als 26 Erleichterungen eingeführt hat.

Dass es in Südafrika immer noch einen gewissen Grad der Devisenbewirtschaftung gibt, kommt nicht von Gott oder dem Finanzminister, sondern hat viel zu tun mit ständigen Auseinandersetzungen innerhalb des ANC, insbesondere von der KP und dem Gewerkschaftsverband COSATU gegen die übereilten und viel zu weitgehenden Liberalisierungen, die ab Mitte der 1990er Jahre eingeführt wurden.

Es war vor allem die von der KP geführte Kampagne zum Finanzsektor, die die eher feindlich eingestellten Amtsträger des Schatzamts dazu zwang, sich gesetzgeberisch und auch in anderer Weise mit unseren Geldinstituten und ihren unklugen Neigungen beim Geldverleihen zu befassen. Was herauskam, war ein Gesetz über Kredite und die Ausweitung des Bankwesens auf einen erweiterten Markt im Inland.

Auch viele Mainstream-Kommentatoren räumen heute ein, dass diese beiden Maßnahmen – zusammen mit der Devisenbewirtschaftung – eine Schlüsselrolle beim Schutz unserer Banken vor der Weltwirtschaftskrise spielten. Hier „Gott zu danken“ vernebelt nur die Rolle der Mobilisierung der Bevölkerung für positive Maßnahmen in der Wirtschaftspolitik.

Johann Rupert sieht es vielleicht nicht so gern, dass wir uns daran erinnern. Wir sollten es aber nie vergessen. Die Umgestaltung unserer Produktivwirtschaft und überhaupt der Gesellschaft kann nicht allein von einem Entwickelnden Staat abhängen. Ganz entscheidend wird auch sein, wie die Bevölkerung beteiligt und mobilisiert wird, wie sie den Prozess verfolgt und bewertet.



Übersetzung: Lothar Letsche.


Vortrag im Chris Hani-Institut, 28. Januar 2009, redaktionell gekürzt. Die ungekürzte Fassung ist nachzulesen auf unserer Homepage www.marxistische-blaetter.de