Postkoloniale Studien und kritische Sozialwissenschaft

 

1. Einleitung

Bis zum heutigen Tag sind die Länder des „globalen Südens" und des „globalen Nordens" von den Nachwirkungen des Kolonialismus geprägt - in Wissenschaft, Kunst, und Kultur, wie auch in Ökonomie, Politik und Recht.1 Die Konzeptionalisierung dieser Nachwirkungen ist der gemeinsame Bezugspunkt postkolonialer Studien, die sich als transdisziplinäres Feld in den letzten drei Jahrzehnten etabliert haben. Sie rücken einerseits die (neo)koloniale Gewalt in den Fokus, die im Namen von Rationalität, Fortschritt und Entwicklung militärisch, ökonomisch und diskursiv ausgeübt wurde und wird. Andererseits zeigen sie auf, wie prekär und umkämpft koloniale und neokoloniale Konstellationen waren bzw. sind, und heben hervor, dass heutige Vorstellungen von Demokratisierung und Emanzipation nicht ohne die antikolonialen Befreiungskämpfe gedacht werden können.

Allerdings ist mit dem fast schon reflexhaften Verweis auf die Liaison postkolonialer Ansätze mit poststrukturalistischer Theorie sowie auf ihre institutionelle Verankerung in den Literatur- und Kulturwissenschaften den postkolonialen Studien in der Vergangenheit die Relevanz für sozialwissenschaftliche Forschung weitgehend abgesprochen worden. In der Folge ist, insbesondere im deutschsprachigen Raum, eine ernsthafte Auseinandersetzung mit postkolonialer Kritik bislang größtenteils ausgeblieben. Dies verwundert nun zumindest im Fall kritischer Sozialwissenschaft, teilt sie doch mit den postkolonialen Studien ein zentrales Anliegen: die Analyse und Kritik von Herrschaftsverhältnissen. Ausgeblendet wird dabei, dass es viele wichtige Beiträge aus historisch-materialistischer Perspektive zu postkolonialen Fragestellungen gibt, und dass die Diskussionen innerhalb des „battle ground" (Gandhi 1998: 3) der postkolonialen Studien, sowie deren Rezeption außerhalb der Literatur-, Kultur-, und Regionalstudien inzwischen fortgeschritten sind: Veröffentlichungen u.a. in den Geschichtswissenschaften (Conrad, Randeria 2002b; Cooper 2005), den Rechtswissenschaften (Fitzpatrick 1992; Chimni 2006) und den Internationalen Beziehungen (Chowdhry, Nair 2002; Slater 1998) haben versucht, postkoloniale Kritik für die jeweilige Disziplin fruchtbar zu machen und können wichtige Aufschlüsse über sozialwissenschaftlich relevante Einsichten aus den postkolonialen Studien und deren Grenzen liefern.

Dieser Artikel ist der Versuch, den aktuellen Diskussionsstand postkolonialer Studien hinsichtlich ihres Beitrags zu einer kritischen Sozialwissenschaft kritisch zu würdigen. Er ist dementsprechend selektiv (für eine Einführung in das Feld siehe Castro Varela, Dhawan 2005). Wir verstehen ihn außerdem als Plädoyer für eine überfällige Auseinandersetzung mit postkolonialen Perspektiven in sozialwissenschaftlicher Theoriebildung und Forschung. Wir werden mit der Darstellung der zentralen Thesen postkolonialer Studien (2) und ihrer Kritik (3) beginnen. Unter dem Stichpunkt „Widerstand und Transformation" (4) stellen wir zunächst postkoloniale Zugänge zu diesen für kritische Sozialwissenschaften zentralen Konzepten vor. Zahlreiche neuere Beiträge befassen sich mit einer postkolonialen Perspektive auf aktuelle Globalisierungsprozesse. Auf ihre Anschlüsse an eine kritische sozialwissenschaftliche Globalisierungsforschung gehen wir im Anschluss ein (5). Es folgt eine Betrachtung des Verhältnisses von postkolonialen Studien und Feminismus, das von persönlichen und programmatischen Überschneidungen und gegenseitiger Beeinflussung, aber auch von wechselseitiger Kritik geprägt ist (6). Abschließend sollen Implikationen postkolonialer Kritik für Epistemologie und Methodologie der Sozialwissenschaften systematisiert werden (7).


2. Eurozentrismus und Dekolonialisierung der Sozialwissenschaften

Postkoloniale Studien entwickeln aus der Untersuchung vergangener und gegenwärtiger Auswirkungen des Kolonialismus eine Kritik an westlicher Historiographie sowie an ungleichen Macht- und Repräsentationsverhältnissen, die eine Hierarchie zwischen dem aufgeklärten, entwickelten Westen und seinem „Anderen" etablieren (Hall u.a. 1996). Eine grundlegende postkoloniale Kritik an den Sozialwissenschaften zielt dabei auf die Aufrechterhaltung einer kolonialen wissenschaftlichen Arbeitsteilung ab: Während Soziologie und Politikwissenschaften sich vornehmlich mit den ‚modernen' westlichen Gesellschaften befassen, ist es Aufgabe der Anthropologie und Regionalstudien, Politik und Gesellschaften des „Rests der Welt" zu analysieren (Conrad, Randeria 2002a: 22). Diese dichotome Aufteilung wird in zweifacher Hinsicht kritisiert: Sie werde erstens der Tatsache nicht gerecht, dass Entwicklungen in kolonisierenden Gesellschaften wesentlich von der kolonialen Begegnung geprägt wurden. Und zweitens hielten sozialwissenschaftliche Kategorien, die vor diesem Hintergrund entwickelt wurden, ein eurozentrisches Weltbild aufrecht und müssten notwendigerweise dekolonialisiert werden. Beide Kritiken sollen im folgenden Abschnitt diskutiert werden. Abschließend soll auf die Repräsentationsproblematik, die sich für die sozialwissenschaftliche Praxis angesichts ihrer privilegierten Position gegenüber „beforschten" Subjekten ergibt, eingegangen werden.

Die koloniale Gewalt hat nicht nur die kolonialisierten, sondern auch die kolonisierenden Gesellschaften transformiert. Die wissenschaftliche Legitimation des Kolonialismus bot eine neue kollektive Selbstdefinition im Kontrast zu den kolonialisierten Anderen, die sich in vielfältigen Formen in der Alltagskultur der Metropolen manifestierte - auch im deutschsprachigen Raum (Aikins 2008). Postkoloniale Studien haben in vielfältiger Weise damit begonnen, ihre grundlegende Kritik an der verborgenen kolonialen Dimension in Politik, Kultur und Alltagsrepräsentationen mit Hilfe empirischer Analysen zu untermauern und auf die wichtige Rolle der Kolonien als „Labore der Moderne" (Stoler, Cooper 1997: 5) aufmerksam zu machen: In so unterschiedlichen Bereichen wie Rassismusforschung (Kilomba 2008), Erinnerungspolitik (Arndt 2001: 54-60; Aikins, Hoppe, i.E.), Analyse und Aufarbeitung der NS-Vergangenheit (Madley 2005), Migrations- und Arbeitsmarkpolitik (Ha 2008), sowie Analyse von Filmproduktionen und Alltagskultur (Golly, Cohrs, Ha 2008) oder Strafsystemen (Agozino 2003) zeigen sich unmittelbare, aber auch auf komplexe Weise vermittelte koloniale Kontinuitäten und Verläufe. So lassen sich vorgeblich interne Grundkonflikte wie beispielsweise die soziale Frage zu Beginn der Industrialisierung nicht ohne Einbeziehung der Migration in die europäischen Siedlungskolonien analysieren, wo rassistische Konstruktionen von Bürgerschaft die im Herkunftsland häufig weniger privilegierten Siedler_innen an die Spitze der Kolonialhierarchie stellten. Sie wurden im Rahmen einer zunehmend internationalen Arbeitsteilung neu positioniert - ein Statussprung, dessen symbolisches Kapital auch in die Metropolen zurückwirkte. So wurde der politische Handlungsdruck in Europa nicht zuletzt durch Migration in die Siedlungskolonien abgeschwächt.

Die Aufteilung der regionalen Zuständigkeit zwischen klassischen Sozialwissenschaften und Anthropologie oder Regionalstudien hat ebenfalls zur Folge, dass die Bedeutung der „kolonialen Begegnung" für sozialwissenschaftliche Grundannahmen wie für die Geschichte der Moderne lange verdeckt blieb. Postkoloniale Perspektiven wenden sich kritisch gegen dieses Verständnis, das nicht nur liberale Historiographie und Webersche historische Soziologie, sondern auch „dominante Traditionen des westlichen Marxismus" (Hall 2002: 250) insofern kennzeichnet, als dass sie die globale Dimension der kolonialen Aggression zugunsten einer verkürzten Geschichtsschreibung und Konzeptbildung allein aus „europäischen Parametern" (ebd.) vernachlässigt.

Die Kritik am Eurozentrismus der Sozialwissenschaften und deren Dekolonialisierung ist ein zentrales Projekt postkolonialer Studien und wird in den letzten Jahren u.a. von einer Gruppe lateinamerikanischer (Sozial-)wissenschaftler_innen, der „Grupo Modernidad/Colonialidad", verfolgt (vgl. Pachón Soto 2000; siehe auch den Beitrag von Ernst in diesem Heft). Ihre Beiträge dienen hier als Kontext für die Darstellung postkolonialer Eurozentrismuskritik. Gemeinsamer Ausgangspunkt der Untersuchungen der Gruppe ist ein Verständnis der Moderne als eurozentrischer Mythos, der im 18. Jahrhundert durch die genealogische Verbindung von geschichtlichen Ereignissen als ausschließlich europäische Erfahrung entstanden sei. Ausgehend vom Mittelalter würden italienische Renaissance, protestantische Reformen in England, deutsche Aufklärung und französischen Revolution als eine genuin europäische Geschichte des Fortschritts dargestellt (vgl. Dussel 1994). Durch die teleologische Geschichtsschreibung unter Ausblendung kolonialer Expansion und Beherrschung habe Europa sich zum Maßstab von Entwicklung und Zivilisation erhoben (Mignolo 2005: 5). Dabei werde ausgeblendet, dass die koloniale Begegnung Voraussetzung für, und nicht Folge der Moderne gewesen sei, letztere also nicht ohne koloniales Denken verstanden werden könne (Dussel 2002: 221). Anders als von postkolonialen Ansätzen aus dem anglophonen Raum wird dieser Zusammenhang ausgehend von einer Kritik und Erweiterung der Weltsystem-Theorie Wallersteins hergestellt (Quijano, Wallerstein 1992): Quijano (2000: 222) hebt hervor, dass nicht allein der Zwang des Kapitals Mehrwert zu produzieren die Etablierung Europas als Zentrum erklären könne. Vielmehr müsse beachtet werden, dass gleichzeitig die Idee der Rasse als biologische Kategorie zur Unterscheidung von Menschen und ihren Kulturen eingeführt und damit Hierarchien in der globalen Arbeitsteilung begründet wurden. Das Konzept der „Kolonialität der Macht" bezeichnet die Einschreibung rassistischer Kategorien in weltweite Machtverhältnisse, insbesondere die kapitalistische Produktionsweise und dominante Wissensstrukturen (Quijano 2000: 216ff, vgl. auch den Beitrag von Quijano in diesem Heft). Für eine Emanzipation von diesen Machtverhältnissen reiche es daher nicht aus, ökonomische Abhängigkeitsstrukturen zu bekämpfen. Vielmehr müssten die in der Erzählung der Moderne und den Sozialwissenschaften verankerten Wissensstrukturen dekolonisiert werden (vgl. auch Cooper 2005: 14).

Eine praktische Vorstellung von diesem Prozess der Dekolonisierung wird von Dussel mit dem Konzept der Trans-Moderne eingebracht, welches eine Neu-Interpretation der Moderne durch Einbezug von bisher ausgeschlossenen Ereignissen aus einer nicht-europäischen Perspektive fordert (Dussel 2002: 223f). So sei zum Beispiel die industrielle Revolution als eine Reaktion auf Veränderungen in der chinesischen Wirtschaft zu verstehen. Eine Hegemonie Europas habe sich tatsächlich erst im 18. Jahrhundert etabliert (Dussel 2002: 227, 331).

Auch aus anderen Richtungen wurde wiederholt die Forderung erhoben, die Idee der Moderne neu und ganzheitlich zu denken. Prominent ist in diesem Zusammenhang Dipesh Chakrabartys Forderung, „Europa [zu] provinzialisieren", d.h. nicht mehr als theoretisches Subjekt jedweder Geschichte zu begreifen (Chakrabarty 2002: 283). Hingegen müsse untersucht werden, wie die Auffassung begründet werden konnte, die Vernunft der Aufklärung habe ihren Geltungsbereich über den Ort hinaus, an dem sie entwickelt wurde. Dabei seien Zwangs- und Gewaltelemente in die Erzählung der Moderne zu integrieren (Chakrabarty 2002: 305). Die Gemeinsamkeit dieser und vergleichbarer Beiträge (Conrad, Randeria 2002a: 14; Bhambra 2007: 11) liegt in ihrem Plädoyer, den methodologischen Nationalismus der (vergleichenden) Sozialwissenschaften zu überwinden. Anders als Autor_innen, die diese Notwendigkeit auf aktuelle Globalisierungsprozesse zurückführen (so z.B. Beck 2005: 35ff), ergibt sie sich hier aus der Analyse des Kolonialismus als Möglichkeitsbedingung der Moderne.

Postkoloniale Studien verweisen jedoch nicht nur auf die Verwobenheit von lokaler und globaler Geschichte, um die Verwendung desselben analytischen Rahmens für die Analyse der Metropolen und ihrer ehemaligen Kolonien einzufordern (Anderson 2002: 643), sondern auch, um binäre Denkmuster, die den Kern kolonialer Ideologie und Wissenschaft ausmachen, zu kritisieren. Das binäre Denken in antagonistischen Kategorien wie zivilisiert/barbarisch, fortschrittlich/primitiv, rational/emotional, kultiviert/wild, entwickelt/unterentwickelt impliziere demnach immer bereits eine Naturalisierung von wahrgenommenen Unterschieden zwischen dem Westen und dem „Rest" sowie eine Hierarchisierung, die koloniale Aggression rechtfertigte (JanMohammed 1985; Loomba 1998). Die realen Herrschaftsverhältnisse von Beginn des Kolonialismus seien aber stets komplexer gewesen, als die Dualität des Kolonialdiskurses es erscheinen ließ: Koloniale Gewaltausübung legitimierte sich aus den widersprüchlichen Konzepten der Ungleichheitsbehauptung (Kolonisierte sind biologisch/kulturell anders, minderwertig und bedürfen europäischer Herrschaft) und der Zivilisierungsmission (Kolonisierte sind primitiv und bedürfen der „Hebung" durch aufgeklärte europäische Herrschaft). In Verbindung mit der Teile-und-Herrsche Strategie, die Kolonisierte untereinander hierarchisierte und die Kollaboration lokaler Autoritäten beförderte führten diese Strategien zu Hybridisierungseffekten. Unter anderem diese Widersprüchlichkeit der Kolonialideologie wurden zum Ausgangspunkt antikolonialen Widerstandes (Bhabha 2004, Fanon 2001 [1961]). In der Kritik an Befreiungsnationalismen, sie übernähmen das koloniale Institutionengefüge und schrieben damit diejenigen Dominanzverhältnisse fort, zu deren Überwindung sie angetreten waren, entwickeln postkoloniale Studien eine Kritik an kollektiven Identitätszuschreibungen in Politik und Wissenschaft. Individuelle und kollektive Identitäten seien Konstruktionen, die häufig von einem kolonialen Entstehungskontext bzw. von kolonialen Machteffekten geprägt sind.

Darüber hinaus verweisen postkoloniale Theoretiker_innen auf die Nicht-Repräsentierbarkeit der Subalternen, d.h. die Unmöglichkeit, in der Analyse von Dominanzverhältnissen die Perspektive der ‚Unterdrückten' authentisch darzustellen (Gandhi 1998). Die Bürde der Repräsentation führt so in eine in zweifacher Hinsicht problematische Position, der sich gerade die Sozialwissenschaften nicht entziehen können: Im Rahmen der (neo)kolonialen Arbeitsteilung zwischen und innerhalb des „Nordens" bzw. „Westens" und „Südens" nehmen Sozialwissenschaftler_innen selbst eine privilegierte, durch die Fortwirkung kolonialer Wissensregime aber problembehaftete Position ein, aus der heraus sie andere repräsentieren. „Nicht-Repräsentieren" oder Verschweigen vorhandener Hierarchien sind Optionen, die ebenfalls und nur aus diesen privilegierten Positionen heraus gewählt werden können. Kritische sozialwissenschaftliche Forschung ist so als inhärent politischer Akt zu verstehen, der eine kontinuierliche Reflexion des eigenen Standpunktes erfordert.

Bevor einzelne Themenfelder postkolonialer Kritik vertieft werden, sollen im Folgenden wesentliche Aspekte der Kritik an postkolonialen Studien skizziert werden.


3. Postkoloniale Studien in der Kritik

Dass literatur- und kulturwissenschaftliche Ansätze scheinbar die Deutungshoheit im Feld des Postkolonialismus haben, liegt paradoxerweise nicht zuletzt an ihren Kritiker_innen, die sich selten auf die vorhandenen materialistischen Analysen postkolonialer Zustände beziehen. So wird trotz der Feststellung, dass es mit Hamza Alavi (1972) ein erklärter Marxist gewesen sei, der den Begriff „postkolonial" in akademische Debatten eingeführt habe, die Begründung postkolonialer Studien zumeist Saids „Orientalism" (1995 [1978]) zugeschrieben (vgl. z.B. Lazarus 2004: 4), der gemeinsam mit Spivak und Bhabha die „heilige Dreifaltigkeit" des Feldes bildet. Hingegen betrachten wir die im Folgenden diskutierte Kritik, im Versuch diese Verzerrung zu vermeiden, nicht als Kritik an postkolonialen Ansätzen im Allgemeinen, sondern an einer Gruppe von Ansätzen, die postkoloniale Zustände analysieren. Es geht nach wie vor um die Frage, welche Machtstrukturen in der Postkolonialität wirksam sind und welche Emanzipationsmöglichkeiten sich bieten. Um dieser Frage nachzugehen, möchten wir auf drei zentrale Kritiken eingehen, die an poststrukturalistisch informierten Arbeiten geäußert wurden: erstens, die analytische Vernachlässigung ökonomischer und militärischer Strukturen zu Gunsten von wissensbasierten Unterdrückungsverhältnissen; zweitens, die Ausblendung des komplizinnenhaften Verhältnisses von postkolonialen Studien und neoliberaler Globalisierung; und drittens, die Vernachlässigung gegenwärtiger, politisch relevanter Themen (vgl. Krishna 2009: 105ff).

Seit den 1980er Jahren vollzog sich in der akademischen Auseinandersetzung mit postkolonialen Gesellschaften eine methodologische Verschiebung, die eine Stärkung von diskurs- gegenüber klassenanalytischen Perspektiven mit sich brachte. Marxistische Kritiker wie Aijaz Ahmad und Arif Dirlik problematisierten diese Entwicklung: ein diskurstheoretischer Zugriff lasse Kolonialismus als rein diskursives Ereignis erscheinen und verunmögliche dessen Abgrenzung von materieller Realität (Dirlik 1994). Im Zuge des linguistic turn sei die Erklärung sozialer Verhältnisse und Berücksichtigung ökonomischer und militärischer Abhängigkeiten vernachlässigt worden (Parry 2004: 75). Die „Basis für eine Verallgemeinerung [solle hingegen] nicht die Geschichte des Kolonialismus, sondern des Kapitalismus selbst" sein (Ahmad 1995: 27, Übersetzung d.A.). Andernfalls könne den Unterschieden zwischen ehemals kolonialisierten und den Gemeinsamkeiten zwischen kolonialisierten und nicht kolonialisierten Ländern keine Rechnung getragen werden.

Der Begriff „postkolonial" nehme somit die Möglichkeit, die besonderen Bedingungen des postkolonialen Staates, seine Funktionen bei der Organisation des Kapitals und das Verhältnis von imperialistischen Kräften und nationalen Eliten zu diskutieren. Vielmehr handle es sich bei den postkolonialen Texten um Beschreibungen „globalisierter postkolonialer Verhältnisse", in denen nicht jene Machtstrukturen bestimmt würden, gegen die man außerhalb des Diskursiven kämpfen könne (Ahmad 1995: 31). Die De-Thematisierung der Auswirkungen neoliberaler Globalisierung auf Nord-Süd-Abhängigkeitsverhältnisse, die mit dieser analytisch-politischen Entschärfung einer gehe, sei umgekehrt eine wesentliche Voraussetzung für die Akzeptanz postkolonialer Studien im westlichen Wissenschaftsbetrieb gewesen (Dirlik 1994). Indem dieser Zusammenhang nicht reflektiert werde, mache sich die postkoloniale Theorie zur Komplizin herrschender Verhältnisse im globalen Kapitalismus.

Ein dritter wichtiger Strang der Kritik an postkolonialen Ansätze zielt weniger auf deren „originäre" Stoßrichtung ab, als vielmehr darauf, dass sie diese in der Folge nicht erweitert und ergänzt haben (vgl. Krishna 2009: 199). Somit verfehlten sie die zentralen Fragen einer Auseinandersetzung mit globalen Machtverhältnissen. Ursache dieser Schieflage sei, so David Scott (2005), dass postkoloniale Studien sich nach und nach von einer politisch engagierten Kritik zu einer Untersuchungsmethode entwickelt und somit ihr kritisch-politisches Anliegen aus den Augen verloren hätten. Durch ihren dezidierten Anti-Essenzialismus hätten sie zudem an Fähigkeit eingebüßt, soziale und politische Kämpfe anzuleiten, die sich auf kollektive Identitäten stützen (Krishna 2009: 124). Nach wie vor müsse es vorrangig um Analyse und Kritik gegenwärtiger Machtverhältnisse gehen, nicht alleine darum, wie sich der Kolonialismus auf heutige Situationen ausgewirkt hat (siehe hierzu auch Abschnitt 7).

Wie bereits erwähnt ist die Gültigkeit, die jeder dieser Punkte (zumindest in der Stärke, mit der sie zum Teil in den kritischen Originaltexten vorgetragen werden) bezüglich des komplexen Feldes postkolonialer Studien beanspruchen kann, fragwürdig. Die Problematisierung der Bedeutung internationaler Arbeitsteilung für den globalen Kapitalismus oder der Stellung postkolonialer Akademiker_innen im weltweiten Wissenschaftsbetrieb durch Spivak (1988) wird beispielsweise weder von Ahmad (1994) noch von Dirlik (1994) in ihre Argumentation einbezogen. Auch wenn die Beobachtung Dirliks (1994: 331), dass die postkoloniale Studien mit der neoliberalen Globalisierung im Norden ankommen, wichtige Fragen aufwirft, ist der Vorwurf einer ausbleibenden Reflektion dieser Umstände unangemessen. Auch ist zweifelhaft, inwiefern Organisation und Widerstand einzig entlang essenzialistischer Kategorien möglich ist.

Dennoch gibt die Kritik am linguistic turn in der Konzeptionalisierung postkolonialer Verhältnisse wichtige Hinweise, was postkolonialen Studien zu leisten haben, sollen sie für kritische sozialwissenschaftliche Forschung relevant bleiben: sie müssen zu einer Analyse aktueller Machtverhältnisse unter Berücksichtigung ihrer kolonialen Ursprünge beitragen, die gleichzeitig Ausgangspunkt für politischen Widerstand sein kann. Tatsächlich wurde und wird im Kontext einer Revisions- und Reflexionsphase postkolonialer Studien die Kritik durch aktuelle Beiträge aufgenommen. Im weiteren Verlauf des Artikels wird daher auf aktuelle postkoloniale Perspektiven auf Widerstand und Transformation und ihre Beiträge zur Globalisierungsdebatte eingegangen.


4. Postkoloniale Perspektiven auf Widerstand und Transformation

Der Begriff postkolonial wird wiederholt in einer Weise konzeptualisiert, die eine temporäre Deutung des „post" zugunsten einer epistemologischen Interpretation zurückweist - postkoloniale Perspektiven haben demnach einen widerständigen, transformativen Anspruch (Ashcroft 2001; Hall 2003). Im Folgenden sollen postkoloniale Perspektiven auf Widerstand nachgezeichnet werden, die antikoloniale Theorie und Praxis auf transformative Elemente untersucht, die über die Dichotomien des Kolonialdiskurses hinausweisen. Eine solche Lesart von Widerstand bietet nicht zuletzt auch die Möglichkeit, postkoloniale Perspektiven über reinen Dekonstruktivismus hinaus für sozialwissenschaftliche Analysen von Transformationsprozessen sowie für Kontroversen am Schnittpunkt von Wissenschaft und Erinnerungspolitik nutzbar zu machen.

Widerstand ist ein zentrales Konzept der postkolonialen Studien, die häufig nach Handlungsmöglichkeiten angesichts umfassender kolonialer Aggression, fortbestehender Hierarchien und daraus entstehender struktureller Ungleichheit fragen. Postkoloniale Ansätze, die selbst den Gestus einer koloniales Machtwissen transformierenden Perspektive einnehmen, betonen dabei die Wichtigkeit der Veränderung kolonialer Strukturen. Widerstand soll jenseits eurozentrischer Zuschreibungen, die in ihm nur eine reaktive, auf die Kolonialmacht bezogene Aktivität sehen, betrachtet werden (Ashcroft 2001). So wird frühen postkolonialen Analysen wie Edward Saids Orientalism eine Überbetonung der Machteffekte des Kolonialdiskurses vorgeworfen, die Widerstand und Handlungsfähigkeit der Kolonisierten unsichtbar mache. Neuere postkoloniale Betrachtungen antikolonialen Widerstandes (Ashcroft 2001; Jefferess 2008) versuchen, einer solchen Geschichtsinterpretation entgegenzutreten, indem sie Theoretiker_innen des antikolonialen Widerstandes aufgreifen.

Fanon und Cesaire, deren Arbeiten in den 1950er und 1960er Jahren die Unabhängigkeitskämpfe begleiteten, verwiesen stets auf die Rolle der Kolonisierten als Widerständige und Kollaborateure und auf die materielle sowie die ideologische Aggression des Kolonialismus, die sich wechselseitig legitimierten und stärkten: so beschrieb Frantz Fanon antikolonialen Widerstand als Kampf „against hunger, against ignorance, against poverty, and against unawareness" (Fanon 1991 [1961]: 202). Aime Césaire verwies darüber hinaus auf die im Kolonialismus eingeschriebene kulturelle Aggression, die nicht nur in den Kolonien fatale Folgen hat, sondern vor allem auch die Kolonisierenden durch Überlegenheitsideologien, Rassismus und den dadurch entstehenden moralischen Relativismus „entzivilistert" (Césaire, Pinkham, Kelley 2001 [1955]: 36). Die Wortwahl verweist dabei auf die Tatsache, dass der umfassende Geltungsanspruch des Kolonialdiskurses ein wichtiger Referenzpunkt blieb.

Antikolonialer Widerstand stellt immer auch einen Kampf um die Möglichkeit dar, den kolonialen Referenzrahmen zu verlassen - weswegen Gyan Prakash eindringlich dafür plädiert, Akte des Widerstandes, ob Theoriearbeit, politische Aktion oder Alltagspraxis, die vielfach noch immer ihrer Interpretation als „theoretical events" (Prakash 1994: 5) harren, als solche ernst zu nehmen. Eine zu dichotome Sicht auf Kolonisierende und Kolonisierte, die letztere per se zu quasi automatischen Akteur_innen des Widerstandes macht, läuft dabei jedoch Gefahr, komplexere Realitäten kolonialer Kollaboration - die sowohl Fanon also auch Césaire klar benennen - ebenso zu übersehen wie den Facettenreichtum antikolonialen Widerstandes: dieser weist über die Konfrontation hinaus, da er nicht nur gegen die Kolonialaggressoren, sondern auch für eine selbstbestimmte Lebensführung auf Basis eigener Werte geleistet wurde und wird. Es sind diese „sources of knowledge and agency simmering beneath the calm surface of colonial history and historiography" (Prakash 1994: 4), die im Widerstand durchscheinen.

Thomas Jeferess' Analyse der transformativen Widerstandgeschichte Indiens und Südafrikas demonstriert die Möglichkeiten eines postkolonialen Ansatzes, der antikolonialen Widerstand auch theoretisch ernst nimmt, indem er die Strategien und Theorien, die diese beiden unterschiedlichen, aber historisch verbundenen Befreiungsbewegungen begleiteten, konzeptionell auswertet (Jefferess 2008).

Wichtige Akteure und Symbolfiguren der jeweiligen Bewegungen, unter anderem Ghandi und Mandela, werden dabei nicht als unhinterfragbare Helden und Befreier, sondern als strategische Akteure gesehen, deren politische Praxis die theoretische Einsicht manifestiert, dass koloniale Unterdrückung nur durch eine Transformation der dichotomen Logik der Konfrontation beendet werden kann. Beide Bewegungen operierten jenseits eines nur oppositionellen Paradigmas, in dem eine romantische Teleologie von Revolution durch Leiden und Entbehrung, Kampf und Überwindung des Gegners zur Befreiung führt. Beide griffen auf Konzepte der jeweiligen indigenen politischen Philosophie zurück, deren Konzeptionalisierung der Interdependenz von Subjektivität und Gemeinschaft (im südafrikanischen ubuntu-Konzept), der kollektiven Wohlfahrt (in Ghandis sarvadoya) und der Gewaltlosigkeit (Ghandis ahimsa) geeignet waren, Widerstand als befreienden politischen Prozess zu gestalten, in dessen Ausübung eine transformative Praxis bereits über koloniale Dichotomien hinausweist. Jefferess' Studie verweist auf die Möglichkeiten, die eine umfassende Analyse dieser Strategien für eine postkoloniale Theorie birgt, die über Dekonstruktion und Kritik hinausweist und angesichts gegenwärtiger Konfigurationen von Macht und Herrschaft eine „politics of change" artikuliert , die nach den Entstehungsbedingungen nicht lediglich eines „freedom from", sondern eines „freedom to" fragt (Jefferess 2008: 181).

Die in den genannten Zugängen vorgenommene, vielschichtige Konzeption von Widerstand und Transformation sowie der Fokus postkolonialer Studien auf den komplexen Nachhall von Dominanzstrukturen auch nach deren formeller Beendigung bietet Ansätze, die zunehmend auch auf andere Transformationskontexte wie den Balkan und ehemalige Sowjetrepubliken angewendet werden (Todorova 2009).


5. Postkoloniale Studien und Globalisierung

Die oben skizzierte Kritik, postkoloniale Studien müssten das politische Anliegen ihrer Forschung neu definieren um nicht irrelevant für Analyse und Kritik des globalen Kapitalismus zu werden, wurde zum Teil direkt mit der Notwendigkeit einer Auseinandersetzung mit dem aktuellen Globalisierungsprozess verbunden (z.B. Moore-Gilbert 1998: 62; Chowdhury 2006: 127; Krishna 2009: 120). Eine solche erfordere nicht nur eine stärkere Beachtung polit-ökonomischer Ansätze, sondern müsse ebenfalls Perspektiven für eine Widerstandspraxis bieten (vgl. Chowdhury 2006: 151, 156). Anhand von drei Aspekten sollen bereits bestehende und mögliche weitere Anschlüsse postkolonialer Studien an eine kritische Globalisierungsforschung kurz vorgestellt werden: die Frage nach der Konstitution globaler Machtverhältnisse, die Rolle des Nationalstaates bei der Gestaltung der Globalisierung und die Möglichkeiten des Widerstandes.

In der Globalisierungsdebatte herrscht nach wie vor Uneinigkeit darüber, ob der Prozess eine neue Form des Neo-Kolonialismus oder Imperialismus ist, die euro-amerikanische Interessen sichert oder ob es sich vielmehr um eine Machtverschiebung zugunsten einer globalen Zivilgesellschaft einerseits und aufstrebenden Staaten wie China und Indien andererseits handelt. Eng verbunden hiermit ist die Frage nach „Gewinnern" und „Verlierern" der Globalisierung. Einen wichtigen Beitrag zur Konzeptionalisierung von Kontinuität und Bruch der aktuellen Welt(un)ordnung mit vergangenen Konstellationen bieten Arbeiten postkolonialer Rechtswissenschaftler_innen, die sich u.a. unter den „Third World Approaches to International Law" (TWAIL) zusammen fassen lassen (vgl. z.B. Chimni 2006). Die zentrale These, die durch eine Verbindung postkolonialer und materialistischer Ansätze untermauert wird, ist, dass die aktuelle Aufweichung des Prinzips der Souveränität durch den Menschenrechtsdiskurs lediglich die Fortsetzung einer internationalen Rechtsordnung ist, die den Kolonialismus durch ein „ziviles" Europa legitimiert habe (vgl. Fitzpatrick 1992). Zwar habe Recht in erster Linie dazu gedient, materiell motiviertes Handeln abzusichern. Diese Legitimationsfunktion des Rechts sei aber nicht ohne den Diskurs der „zivilisierenden Mission" zu erklären. In ihren Arbeiten ziehen die Autor_innen daher Erkenntnisse darüber, wie durch Konstruktion von Binaritäten und der Naturalisierung von Unterschieden Herrschaft begründet werden konnte aus den postkolonialen Studien heran (vgl. Miéville 2006). Grundsätzlich können postkoloniale Ansätze zu einem substanzielleren Verständnis dessen beitragen, dass die Macht des Westens in Form der Globalisierung sich nicht nur auf politisch-ökonomische Kräfte, sondern auch auf kulturelle stützt (Moore-Gilbert 1998: 64).

Die Rolle des Nationalstaates wird in der Globalisierungsdebatte ähnlich kontrovers diskutiert wie in den postkolonialen Studien, wenn auch aus einer anderen Perspektive. Während die Diskussion über ein „Ende des Nationalstaates" bereits ganze Bücher füllt (für einen Überblick vgl. z.B. Scholte 2003), ist im Kontext der Diskussion über Beiträge postkolonialer Studien besonders die normative Frage danach interessant, ob die Stärkung des Nationalstaates als Raum für Widerstand wünschenswert sei. Während Marxisten wie During (2000) auf eine Wiederbelebung des Nationalstaates drängen um eine Organisation des Widerstandes zu ermöglichen, warnt Bartolovich davor. Es könne nicht darum gehen, das habe die postkoloniale Kritik gezeigt, nostalgisch auf koloniale Widerstandskämpfe Bezug zu nehmen (Bartolovich 2002: 3). Die Erkenntnis, dass Eliten nicht notwendigerweise die Interessen der Nation vertreten, müsse man bewahren. Ziel müsse es sein, neokoloniale und postkoloniale Perspektiven zu verbinden. Das bedeutet, sowohl die neue/weitere Ausübung von Dominanz aus den Zentren bzw. die Unterdrückung der ehemaligen formellen Kolonien als auch die Rolle der Eliten in der dritten Welt zu betrachten (Krishna 2009: 66).

Sowohl in der kritischen Globalisierungsforschung als auch in den postkolonialen Studien stellt sich die Frage nach der Möglichkeit von Widerstand. Während viele im Internationalismus der neuen sozialen Bewegungen die praktische Kritik der neoliberalen Globalisierung sehen, kritisieren andere deren Protestformen als angepasst und argumentieren, das Lokale als Aktionsraum sei der einzige Ort an dem Widerstand gegen die neoliberale Globalisierung möglich sei (so z.B. Esteva, Prakash 1998). Postkoloniale Studien können Beiträge zu dieser Diskussion leisten. So macht zum Beispiel Coombe in ihrem Aufsatz deutlich, dass der Versuch, indigenes kulturelles Gut im lokalen Raum durch strategischen Rückgriff auf intellektuelle Eigentumsrechte, insbesondere geographische Indikatoren, vor Einflüssen der Globalisierung zu schützen problematisch ist, da die Rechtsform an sich an den Markt gebunden sei und bestimmte Kollektivgüter nicht in ihrem Wesen schützen könne (Coombe 2005).

Diese Ausführungen zeigen, dass Kritik an literatur- und kulturwissenschaftlich geprägten postkolonialen Studien zu einer produktiven Auseinandersetzung mit aktuellen sozialwissenschaftlichen Fragestellungen geführt hat. Ein ähnlich produktives Spannungsverhältnis lässt sich für die Beziehung zwischen feministischen und postkolonialen Ansätzen feststellen.


6. Postkolonialismus und Feminismus

Das Verhältnis von Postkolonialismus und Feminismus ist von thematischen und personellen Überschneidungen, einem geteilten Interesse an kritischer Sozialwissenschaft, aber auch von massiver gegenseitiger Kritik geprägt. Feministische postkoloniale Kritik hat darüber hinaus sozialwissenschaftliche Theorie auch jenseits des akademischen Feminismus durch ihre Hinterfragung und kontextspezifische Historisierung der Kategorie Gender nachhaltig beeinflusst (für einen Überblick über aktuelle Beiträge feministischer Postkolonialer Theorie vgl. Castro Varela und Dhawan 2009).

Es waren in erster Linie Vertreter_innen des Schwarzen2 sowie des „Third World"-Feminismus (Hill Collins 2000; Mohanty 1988), die die Einheitlichkeit der Kategorie „Frau" kritisierten: Besonders weißen, aber auch im Westen positionierten, privilegierten Feminist_innen of color3 wurde vorgeworfen, durch die Universalisierung „der Frau" historische und gegenwärtige Hierarchien zwischen Frauen unsichtbar zu machen und so ihre eigene Kompliz_innenschaft mit und privilegierte Position in eben diesen Machtstrukturen zu maskieren (Eggers u.a. 2006). Die vorgebliche Dualität der Geschlechterbeziehungen wurde gleichzeitig auch durch eine kritische Analyse von Maskulinität aufgebrochen (Lewis, Mills 2003: 2), indem die Zentralität rassistischer Hierarchien für dominante Männlichkeitskontruktionen herausgearbeitet wurde. Avtar Brah betont „that racism is always a gendered and sexualised phenomenon. [...] [T]he idea of 'race' is essentially an essentialist narrative of sexualised difference" (Brah 1996: 154).

Postkoloniale feministische Perspektiven greifen darüber hinaus Intersektionalitätstheorien des Schwarzen Feminismus auf um die Relevanz der eigenen Positionierung für die wissenschaftliche Perspektive aufzuzeigen (Combahee River Collective 1992 [1977]). Intersektionalitätstheorien verweisen auf das zum Teil widersprüchliche Zusammenwirken unterschiedlicher Identitätszuschreibungen (z.B. weiß oder of Color, mit oder ohne Migrationserfahrung, innerhalb oder außerhalb des akademischen Systems) und wenden sie auf das Verhältnis von westlichen und „Third World"-Feminismen an. Der Verweis auf die Wirkungen von Differenz und das Einfordern einer Beachtung der Bedeutung unterschiedlicher Positionalitäten2 auch in der Wissenschaft machte postkoloniale feministische Kritik zu einem konstitutiven Bestandteil der sogenannten „Dritten Welle" des Feminismus, die sich durch eine kritische Analyse der Machteffekte von Kolonisierung, Rassifizierung und globalen Hierarchien von älteren feministischen Analysen absetzte. Dabei wurde und wird die koloniale Dynamik, die westliche Feminist_innen zu aufgeklärten Freiheitsbringer_innen für vorgeblich unterdrückte Frauen des Südens macht, als kontraproduktiv für die Interessen eben derjenigen Frauen kritisiert, für die westliche Feminist_innen zu sprechen meinen (siehe u.a. Mohanty 1988). Postkoloniale feministische Analysen zeigen beispielsweise eine Kontinuität in der Thematisierung des islamischen Schleiers als Symbol für die Unterdrückung der Frau auf, die sowohl historisch (z.B. Algerien) als auch gegenwärtig (z.B. Afghanistan) als Rechtfertigung für imperiale Aggression herangezogen wird. Die Rhetorik zur notwendigen „Befreiung" afghanischer Frauen ist eine der Legitimationen für den „war on terror", der - so die Kritik - faktisch die Unsicherheit eben dieser Frauen verstärkt, indem er Gewaltanwendung legitimiert, die westlichen Forderungen nach Gleichberechtigung in einen kolonialen Rahmen einbindet und so kompromittiert. Postkolonialer Feminismus dekonstruiert die in diesem Widerspruch manifeste epistemische Gewalt und verschränkt diskursive und materialistische Reflexion, um die geschlechtliche Dimension von Unsicherheit in der „post-cold war world" herauszuarbeiten (Ayotte, Husain 2005).

Dennoch ist das Verhältnis von Feminismus und Postkolonialismus nicht konfliktfrei: Feministische Kritik problematisiert die Tatsache, dass mit der fortschreitenden Kanonisierung des akademischen Postkolonialismus die politischen Debatten, aber auch die Sichtbarkeit feministischer postkolonialer Theorie nicht in gleichem Maße zugenommen haben. Mit Ausnahme von Gayatri Chakravorti Spivak, ist feministische postkoloniale Theorie im akademischen Kanon unterrepräsentiert, obwohl sie wichtige Impulse für die Reflexion von Positionalität, Weißsein und der Problematisierung der Kategorie „Frau" geleistet hat (Lewis, Mills 2003: 1-13). Dies gilt auch für den deutschen Kontext: Schwarze deutsche Feministinnen analysierten bereits in den 1980er Jahren Rassismus unter Einbezug deutscher kolonialer Traditionen und eröffneten so eine postkoloniale Perspektive (Oguntoye, Opitz, Schultz 1992 [1986]; Hügel u.a., 1999). Ihre Kritik an der Blindheit der Frauenbewegung und der Mehrheitsgesellschaft gegenüber vergeschlechtlichtem Rassismus gilt heute als Pionierarbeit der kritischen Weißseinsforschung. Postkoloniale Feminist_innen kritisieren die dennoch verspätete und zögerliche Rezeption dieser Beiträge, die häufig erst dann wahrgenommen werden, wenn sie im Rahmen feministischer Theorieimporte Akklamation durch weiß positionierte Autor_innen gefunden haben (Gutiérrez Rodríguez 2000). Der Zugang zu den Grundlagen, die Schwarze und migrantische feministische Theorie für eine Rezeption und Lokalisierung postklonialer Ansätze in Deutschland gelegt haben, wird damit bezeichnenderweise durch eben jene Effekte des machtvollen Weghörens und exklusiven Machtwissens erschwert, die postkoloniale Theorie selbst kritisiert.

Statt einer starren Identitätspolitik, die hinter postkoloniale Einsichten in die Instabilität von Zuschreibungen zurückfällt fordern, sollte postkoloniale feministische Theorie und Praxis den Herausforderungen der Repräsentation, der wissenschaftlichen Kritik und der politischen Intervention begegnen, indem sie das „doppelte Risiko" eingeht, „immer selbst- und machtkritisch in Erscheinung zu treten" (JanMohamed 1985). Die in diesem Rahmen angemahnte „Politik der Verortung", die „Sorge dafür trägt, dass kritische Intervention immer auch danach fragt, wer von welcher Position welche Frage stellt" (Castro Varela, Dhawan 2003: 280) ist insbesondere auch für Epistemologie und Methodologie der Sozialwissenschaften eine bleibende Herausforderung.


7. Postkolonialismus und Epistemologie/Methodologie der Sozialwissenschaften

Postkoloniale Perspektiven kritisieren Theorie und Epistemologie der Sozialwissenschaften als eurozentrisch, individualistisch, universalisierend und somit als in vielfacher Weise von ihrem kolonialen Entstehungskontext geprägt (Hall 1996; Smith 1999). Das ‚post' der postkolonialen Studien bezeichnet nicht zuletzt den Versuch, diese kolonialen Hypotheken zugunsten einer Epistemologie hinter sich zu lassen, die koloniale Denkmuster dekonstruiert und gerade daher den Nachwirkungen und Aktualitäten kolonialer Hierarchien in kritischer Absicht nachspüren kann (Hall 2002).

Dekonstruktivismus (Spivak 2000) und Diskursanalyse (Hall 1996) sind wichtige methodische Zugänge der postkolonialen Studien, mit denen das Machtwissen der Kolonialdiskurse analysiert und die Muster der vorgefundenen Wahrheitsregime mit gegenwärtigen Diskursen verglichen werden. Aus diesem Zugang ergibt sich eine epistemologische Kritik an vorgeblich objektiver Wissensproduktion, deren methodologische Konsequenz eine Ablehnung des „god-tricks" (Harraway zit. in Blunt 2005: 181) ist. Dieser besteht in der Anwendung eines nicht verorteten Blicks, der scheinbar von nirgendwo soziale Phänomene überall autoritativ analysiert und bewertet. Durch das Sprechen aus einer nicht markierten Position können die Machtverhältnisse, die das untersuchte soziale Feld strukturieren, ebenso ausgeblendet werden wie die eigene Machtposition im betrachteten Kontext. Postkoloniale Ansätze stellen diesem Standardmodus der Sozialwissenschaften Fragen der Situiertheit und daraus resultierend der Positionalität der eigenen Forschung entgegen. Dabei kommt der Reflexion der Möglichkeiten und Grenzen von „outsiders within academia" (Hill Collins 2003; Kilomba 2008), minorisierten und marginalisierten Positionen eine besondere Bedeutung zu - sie gelten zwar nicht automatisch als authentisch, aber dennoch als unverzichtbare Ergänzung der Forschung aus dominanten Positionen. Spivak verweist in diesem Kontext allerdings auf die Gefahr der Einverleibung der marginalisierten Position durch quotierte Repräsentanz oder und warnt vor einer „academic institutionalisation of 'marginality discourse'" (Spivak zitiert in Ghandi 1998: 56).

Kritische und indigene Perspektiven auf Methodologie und Methodik der Sozialwissenschaften versuchen, postkoloniale Kritik zu methodolgischen Zugängen zu verdichten, für die Fragen von Situiertheit, Positionalität und Forschung jenseits des methodologischen Individualismus zentral sind (Moosa-Mitha 2005). Dem Eurozentrismus der Sozialwissenschaften soll so durch das Ermöglichen anderer „ways of knowing" begegnet werden.

Diese Ansätze werden in der Methodologie der Sozialwissenschaften zunehmend rezipiert: So beginnt die dritte überarbeitete Ausgabe des einflussreichen „Handbook of Qualitative Research", herausgegeben von Denzin und Lincoln (2005), mit einem Verweis auf Linda Tuhiwahi Smiths programmatischen Band „Decolonising Methodologies: Research and Indigenous People" (1999).

Einen wichtigen methodischen Zugang zu diesen Wissensformen bieten Denzin, Lincoln und Tuhiwai Smith im 2008 gemeinsam herausgegebenen „Handbook of Critical and Indigenous Methodologies". In ihrer Einleitung verweisen sie auf Kolonisierte als Wissenssubjekte, die angesichts historischer und fortgesetzter epistemischer Gewalt die Rahmenbedingungen für einen Dialog zur Dekolonisierung der Sozialwissenschaften festlegen sollten. Kolonisierte, indigene und minorisierte Perspektiven reflektieren demnach Wechselwirkungen zwischen unterschiedlichen vorkolonialen Wissenskonzepten sowie der kolonialen Erfahrung in einer Weise, die neue methodische Zugänge zur geteilten Kolonialgeschichte und der daraus erwachsenen Gegenwart sowohl in ehemals kolonisierten als auch in ehemals kolonisierenden Kontexten ermöglichen. Westliche Sozialwissenschaftler_innen werden dazu angehalten, im Austausch mit indigenen/minorisierten Wissenschaftler_innen aus den kommunalen Pädagogiken, in denen epistemologische Konzepte indigener und marginalisierter Gemeinschaften tradiert und weiterentwickelt werden, zu lernen. Da das Verhältnis westlicher und indigener bzw. minorisierter Gemeinschaften von Dominanzverhältnissen, gewaltsamer Aneignung und Vermarktung dekontextualiserten indigenen Wissens geprägt ist, gehört dazu die im Dialog und der Selbstreflexion zu schärfende Fähigkeit, jenseits von Objektivierung des „anderen" eben diese als Wissenssubjekte ernst zu nehmen (Tomaselli, Dyll, Francis 2008). Angesichts der in postkolonialer Theorie wiederholt aufgezeigten Probleme der Repräsentation der „Anderen" bzw. der „Subalternen" scheint es zwar fragwürdig, Ansätze indigener Methodologie einfach additiv einem Methodenarsenal hinzuzufügen, aus dessen Kritik sie erwachsen sind. Die vorliegenden Ansätze können aber als wertvolle Herausforderungen zur Rekonzeptionalisierung gängiger Methodologien der Sozialwissenschaften gelesen werden: Die Herausforderung dieser Ansätze an sozialwissenschaftliche Praxis besteht darin, dass sie deutlich über eine einmalige deklamatorische Positionierung hinausgehen, indem sie einen iterativen Einbezug der Wechselwirkung von Positionalitäten in den Prozess der Forschung einfordert. So verweist Smith (1999) auf die Tatsache, dass sie aufgrund ihrer privilegierten Position als Sozialwissenschaftlerin das Feld keineswegs nur als insiderin betrat. Vielmehr produzierte ihre Rolle als Forschende neue Formen der Interaktion jenseits einer simplifizierenden insider-outsider Dichotomie. Erfahrungen wie diese fließen zunehmend in positionierte Konzepte und Forschungsprogramme ein (Moosa-Mitha 2005; Blunt 2005; Tomaselli, Dyll, Francis 2008). Von Smith (1999; Denzin, Lincoln, Smith 2008) weiterentwickelte Konzepte des indigenous research addressieren Sozialwissenschaftler_innen je nach Positioniertheit in unterschiedlicher Weise.

So ergeben sich aus der epistemologischen Kritik und den methodologischen Anregungen der postkolonialen Studien Bausteine einer veränderten sozialwissenschaftlichen Praxis, die sich jedoch nicht anhand einer postkolonialen Methodencheckliste abarbeiten lassen, sondern Wissenschaftler_innen immer wieder neu herausfordert, sich mit der eigenen Situiertheit und den daraus erwachsenden „politics of research" (Butz, Besio 2004) auseinanderzusetzen: „Wenn die/der postkoloniale Intellektuelle eine Aufgabe hat, so besteht sie (...) im Einsatz für die Ermöglichung eines demokratischen Dialoges zwischen der westlichen und nicht-westlichen Wissenschaft (academia), um auf diese Weise einen Ausweg aus der epistemologischen Gewalt der kolonialen Begegnung denken zu können" (Gandhi 1998: 63). Eine solche Reflexion bietet der sozialwissenschaftlichen Lehre und Praxis in Deutschland darüber hinaus die Möglichkeit, die wachsenden Zahl der angehenden und praktizierenden Sozialwissenschaftler_innen mit diasporischen Bezügen, minorisierten Hintergründen und Zugehörigkeiten zu ermächtigen, eben diese konzeptionell zu nutzen, ohne dadurch automatisch in eine vorgeblich partikulare Nische abgedrängt zu werden. Aus postkolonialer Sicht sind gerade diese Perspektiven, im Dialog mit denen sich der dominante Blick und die hergebrachte sozialwissenschaftliche Praxis anknüpfend an die ethnologische Methode einer dialogischen Autoethnographie hinterfragen können (Brah 1996; Tomaselli, Dyll, Francis 2008).


8. Für eine postkolonial informierte kritische Sozialwissenschaft

Postkoloniale Perspektiven markieren den kolonialen Entstehungskontext sowohl von Gegenständen als auch von Kategorien kritischer Sozialwissenschaft: Gesellschaften und Politik der Gegenwart sind von komplexen Nachwirkungen der kolonialen Expansion Europas gekennzeichnet. Die Relevanz postkolonialer Studien für kritische Sozialwissenschaften besteht daher in der Erarbeitung von Forschungsperspektiven die über Eurozentrismus und methodologischen Nationalismus hinaus weisen und auf diese Weise bestehende Machtverhältnisse umfassend hinterfragen. So können gegenwärtige globale Vernetzungen in die konstitutive Geschichte des Kolonialismus eingebettet und Globalisierung als Ausdruck von ökonomischen und wissensbasierten Machtverhältnissen gefasst werden. Dies ermöglicht einen neuen Blick auf Widerstandsforen, der die Geschichte und Erfahrungen antikolonialer Theorien und Bewegungen als theoretische Linse für gegenwärtige Widerstandspraxen nutzt.

Ungeachtet der neuen Einblicke, die eine Anwendung postkolonialer Perspektiven den Sozialwissenschaften ermöglichen, gilt es, bei der Anwendung postkolonialer Zugänge den deutschen Kontext zu beachten, in dem sich „Geschichten überblenden, ineinander widerhallen und sich gegenseitig auslöschen", da die spezifisch deutschen „Schichtungen von Geschichte" auf „jeweils mehr als auf sich selbst" verweisen (Steyerl 2003: 39). Vor diesem Hintergrund wird vor einer Relativierung jüngerer deutscher Geschichte gewarnt (Dietrich 2008). Demgegenüber sehen wir jedoch die Möglichkeiten, die postkoloniale Perspektiven gerade auch für die Analyse jener Schichtungen und ihrer Auswirkungen auf die jüngere deutsche Gesellschaft und Wissenschaft bieten.

Die hier vorgeschlagene Genealogie postkolonialer Theorie, die nicht mit literaturwissenschaftlichen Debatten oder gar der „holy trinity" der postkolonialen Studien, sondern mit den Theoretiker_innen des antikolonialen Widerstandes beginnt verweist auf eine wichtige Verknüpfungsleistung, die durch eine Anwendung postkolonialer Perspektiven ermöglicht wird: die Verbindung einer materialistischen Analyse von Ausbeutungsverhältnissen mit einer Kritik der wissensbasierten, diskursiven Normalisierung kolonialer Dominanz. Eine der wesentlichen Leistungen postkolonialer Perspektiven besteht darin, deren Verschränkungen sichtbar und in kritischer Absicht bearbeitbar zu machen.


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Endnoten

1 Wir danken Matthias Ebenau und Aram Ziai für hilfreiche Diskussionen und konstruktive Kritik.
2 Um zu kennzeichnen, dass „Schwarz" und „weiß" nicht einfach Antagonismen sind, wurde im Rahmen der kritischen Weißseinsforschung eine unterschiedliche Groß/Kleinschreibung eingeführt, die deren Unterschiedlichkeit markiert. So soll deutlich gemacht werden, dass Weißsein als unkonnotierter, dominanter Marker, als privilegierte, aber unreflektierte Wissensperspektive fungiert, während Schwarz in diesem Kontext eine bewusste, politische Selbstpositionierung bezeichnet (vgl. Eggers u.a. 2006).
3 Die Selbstbezeichnung „People of Color" benennt Menschen, die aufgrund ihrer Herkunft bzw. ihrer gesellschaftlichen Positioniertheit in Europa sowie in den aus Siedlungskolonien hervorgegangenen, weiß-dominierten Gesellschaften der Amerikas sowie des Pazifik Rassismuserfahrungen machen. Der Begriff bezeichnet keine biologisierte, sondern eine politische Kategorie, die der Benennung von Hierarchien sowie der politischen Bündnisbildung dient. Als solche unterliegt sie Veränderungen und Neuaushandlungen, die vermehrt auch in Deutschland zur postkolonialen Theoriebildung beitragen (Ha 2007).
2 Der Begriff Positionalität bezeichnet die Art und Weise, wie Selbst- und Fremdpositionierungen und die sich daraus ergebende gesellschaftliche Situiertheit von Wissensproduzent_innen deren Wissensproduktion beeinflussen - Positionalität ist demnach eine Eigenschaft von Wissen und verweist auf die unausweichliche Partikularität, die sich aus der stets in Machtkonstellationen eingebundenen wissenschaftlichen Tätigkeit ergibt.


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Dieser Artikel erschien zuerst in PROKLA. Zeitschrift für kritische Sozialwissenschaft, Heft 158, 40. Jg., 2010, Nr. 1, 9-28