„Living in a box“

in (10.01.2010)
Der Song mit diesem Titel schaffte es 1987 in die deutschen Charts, jetzt werden ähnliche Verhältnisse in Nordrhein-Westfalens Gefängnissen angeprangert: So kam und kommt es immer wieder vor, dass Gefangenen jeweils umgerechnet nur rund vier Quadratmeter Platz zur Verfügung stehen. Mehrere Personen teilen sich dabei eine Zelle, die oft auch nur über eine Toilettenschüssel verfügt, die weder abgetrennt noch verdeckt installiert ist.

Von den circa 17.000 Inhaftierten ist mittlerweile jedeR vierte in einer Gemeinschaftszelle untergebracht, obwohl das „Gesetz über den Vollzug der Freiheitsstrafe und der freiheitsentziehenden Maßregeln der Besserung und Sicherung" (StVollzG) bei Haftstrafen die Resozialisierung als oberstes Vollzugsziel angibt (§ 2 StVollzG) sowie die Einzelunterbringung als Regelfall (§ 18 StVollzG). Denn neben den damit einhergehenden, scharfen Einschnitten in die Privatsphäre der StraftäterInnen ist bei einer Überbelegung ein hohes Aggressionspotential vorprogrammiert. Als Extremfall sei an den „Foltermord von Siegburg" im Jahre 2007 erinnert, bei dem drei Gefangene ihren vierten Zellengenossen stundenlang folterten und ihn anschließend zwangen, sich selbst zu erhängen. Auch die 17 Suizidfälle im vergangenen Jahr in Nordrhein-Westfalens Knästen sprechen eine deutliche Sprache.

Nachdem das Oberlandesgericht Hamm (Az. 11 U 88/08) festgestellt hatte, dass jedem Häftling mindestens fünf Quadratmeter Zellenfläche zustehen sowie der Sanitärbereich einen Sichtschutz aufweisen muss, sieht sich das Land NRW nun einer „Klagewelle" auf Entschädigungszahlungen sowie Änderung der Haftbedingungen ausgesetzt. Die Oberlandesgerichte Köln und Düsseldorf dagegen wiesen die Schmerzensgeldklagen von Häftlingen ab, obwohl sich diese ebenfalls winzige Zellen mit weiteren Häftlingen teilen mussten. Die zuständige Justizministerin Roswitha Müller-Piepenkötter (CDU) hält Zahlungen an (ehemalige) Insassen ebenfalls für unangebracht und plädiert lediglich für eine Beendigung der Zustände. Dass dabei für die Ministerin wohl kaum humanitäre Vorstellungen ausschlaggebend waren, sondern eher die Scheu vor den mittlerweile 900 Klägerinnen mit einer Schmerzensgeld-Gesamtforderung von über 3 Millionen Euro darf durchaus vermutet werden. Da Verbesserungen der Knastbedingungen in nächster Zeit aber nicht abzusehen sind, heißt es (nicht nur in Nordrhein-Westfalen!) für einen Großteil der InsassenInnen wohl auch weiterhin „living in a box" - da sage noch jemand, die Menschenwürde sei unantastbar.

Karl Marxen, Berlin