Runter von der Terrorliste – was nun?

Atomverhandlungen mit Nordkorea - von Sungbok Cho

in (03.06.2009)
Ein „Schurkenstaat“ weniger? Nach langen Verhandlungen aben die Vereinigten Staaten Nordkorea im Herbst 2008 von ihrer schwarzen Liste der Terrorunterstützer gestrichen und locken jetzt sogar mit einem Friedensvertrag. Es bleibt jedoch abzuwarten, welche Früchte die Nordkoreapolitik des neuen US-Präsidenten Obama tragen wird.

Die koreanische Halbinsel stellt eine Gefahr für die Sicherheit der Welt dar. Seit dem Ende des Koreakriegs (1950-53) gibt es dort politische und sogar militärische Spannungen. Da sich die
USA und ihr Sicherheitsallianzpartner Südkorea mit Nordkorea Demokratische Volksrepublik Korea: DVRK) offiziell nur in einem Waffenstillstand befinden, kommt es zum Rüstungswettlauf.

Auch nach Ende des Ost-West-Konfliktes dauert der Kalte Krieg auf der Halbinsel noch immer an. Während Südkorea Anfang der 1990er Jahre seine Beziehungen zu China und Russland normalisierte, ist die Situation zwischen Nordkorea, den USA sowie Japan bis heute angespannt. Da Nordkorea nicht länger Schutz bei Russland suchen kann, ist es gezwungen, selbst für seine Sicherheit zu sorgen. Zu diesem Zweck entwickelte das nordkoreanische Regime sein Atomwaffenprogramm, wobei auch innenpolitische Interessen wie die Stärkung des Regimes, die Suche nach einem Trumpf für diplomatische Verhandlungen und Lücken in der Energieversorgung eine große Rolle spielen.

Seit dem Ende des Ost-West-Konfliktes liegt das Hauptinteresse der USA darin, die Weiterverbreitung von Massenvernichtungswaffen und Trägersystemen sowie das Auftauchen einer neuen Weltmacht zu verhindern. Aus diesem Grund versucht die US-Regierung, das nordkoreanische Atomprogramm zu beenden und Chinas Aufstieg zur Weltmacht zu kontrollieren. Es gibt jedoch einen widersprüchlichen Aspekt im Versuch der gleichzeitigen Erreichung beider Ziele: Um eine Kontrollfunktion in der Region ausüben zu können, müssen die USA weiterhin mit ihren Truppen vor Ort präsent sein. Allerdings sind die in Südkorea stationierten US-Soldaten für die Lösung der Nuklearfrage nicht hilfreich. Darin liegt das amerikanische Dilemma und führt zu einem widersprüchlichen Verhalten der USA: Zum einen kritisieren sie die nordkoreanischen Atom- und Raketenprogramme, die eine Rechtfertigung amerikanischer Raketenabwehrsysteme ermöglichen. Zum anderen vernachlässigen die USA in ihrer Darstellung jene Programme Nordkoreas, die für die Erhaltung des Status quo in Nordostasien sorgen. Um das Atomprogramm zu beenden, führen die USA einerseits diplomatische Verhandlungen wie z. B. die Sechs-Parteien- Gespräche in Peking sowie die bilateralen Gespräche in Berlin, New York und Singapur. Andererseits verfolgen sie eine harte Politik der Sanktionen, schließen die Möglichkeit eines Präventivschlages gegen Nordkorea nicht aus und drohen mit einem Regimewechsel in Pjöngjang.

Atomverhandlungen

Die Clinton-Regierung legte die erste nordkoreanische Nuklearkrise 1993/94 mit dem „Genfer Rahmenabkommen“ vorübergehend bei. Allerdings kam es aufgrund von Widerständen im
US-Kongress anfangs zu Problemen bei der Implementierung des Abkommens. Zum Ende der Amtszeit Clintons im Oktober 2000 verbesserten sich die US-DVRK-Beziehungen durch den gegenseitigen Besuch des zweiten nordkoreanischen Militärvertreters Cho und der amerikanischen Außenministerin Albright. Diese Entspannung hielt jedoch lediglich bis zum Amtswechsel im Weißen Haus Ende 2000 an. Nach dem 11. September 2001 kühlten sich die Beziehungen weiter ab. Einige Mitglieder der Bush-Regierung behaupteten, dass die Nord- koreapolitik Clintons ausschließlich Beschwichtigungspolitik gewesen sei und die USA die nordkoreanische Erpressung nicht belohnen sollten. Die Hardliner, die sogenannten Neokonservativen, hielten an dieser Position bis zum Atomtest Nordkoreas fest. Dagegen plädierte eine andere Gruppe der Regierung, die seit Ende 2006 für die Einbindungspolitik gegenüber Nordkorea verantwortlich ist, für wirtschaftliche Unterstützung und diplomatische
Verhandlungen.

Die Bush-Administration gab im Oktober 2002 bekannt, dass Nordkorea entgegen dem Rahmenabkommen sein Urananreicherungsprogramm wieder aufgenommen habe. Im November beschloss sie in der KEDO (Korean Peninsula Energy Development Organization), die Schweröllieferung an die DVRK auszusetzen. Diese Maßnahme war eine offizielle Aussetzung des Rahmenabkommens durch die US-amerikanische Seite. Als Reaktion Nordkoreas wurde der Forschungsreaktor in Yongbjon wieder mit Brennstäben beladen, die von der IAEA (International Atomic Energy Agency) installierten Videokameras wurden
entfernt und die beiden IAEA-Inspekteure im Dezember des Landes verwiesen. Danach trat Nordkorea aus dem NPT (Non-Proliferation Treaty) aus. Damit begann die zweite Nuklearkrise, die bis heute nicht gelöst ist.

Die seit August 2003 laufenden Sechs-Staaten-Gespräche zwischen Nordkorea, den USA, China, Südkorea, Japan und Russland zur Lösung der nordkoreanischen Nuklearfrage
endeten aufgrund von Meinungsverschiedenheiten zwischen den USA und Nordkorea zwei Jahre lang immer wieder in einer Sackgasse. Die sechs Staaten erreichten eine „Gemeinsame Erklärung“ erst in der vierten Gesprächsrunde im September 2005. Dieser Kompromiss beinhaltet, dass Nordkorea sein Atomprogramm aufgibt und im Gegenzug wirtschaftliche Unterstützung sowie Sicherheitsgarantien von den USA erhält. Allerdings wurde diese Vereinbarung nicht sofort umgesetzt. Im Oktober 2006 kam es zu einem erneuten Atomtest Nordkoreas. Erst im Februar 2007 einigten sich beide Seiten auf einen „Aktionsplan“ für die Implementierung der „Gemeinsamen Erklärung“. Der Plan wurde wegen einer verzögerten Aufhebung der Sperrung nordkoreanischer Konten bei der Bank Banco Delta Asia langsamer durchgeführt als vorgesehen.

Im April 2008 einigten sich die USA und Nordkorea bei einem bilateralen Treffen in Singapur auf eine konkrete Vereinbarung. Pjöngjang sollte eine Auflistung seines Atomprogramms abliefern und seine Nuklearanlagen schließen. Im Gegenzug sollte Washington die DVRK aus dem Feindstaatenhandelsgesetz und von der Liste der terrorismusfördernden Staaten streichen. Ende Juni sprengte Nordkorea einen Kühlturm in Yongbjon und übergab die vereinbarte Auflistung an China und die USA. US-Präsident Bush kündigte daraufhin eine Aufhebung der Handelssanktionen an und stellte eine Streichung der DVRK von der Terrorliste in Aussicht. Im Juli fanden die sechsten Sechsergespräche statt, die sich diesmal mit der Verifikationsmethode und den zu überprüfenden Bereichen der nordkoreanischen Atomanlagen befassten.

Die Streichung Nordkoreas von der Terrorliste verzögerte sich, weil die Bush-Regierung sie an einen überprüfbaren Abbau des Atomprogramms knüpfte. Ende August teilte Nordkorea daraufhin mit, die Abbrucharbeiten am Nuklearreaktor vorläufig einzustellen und die schon abgeschaltete Atomanlage wieder in Betrieb zu nehmen. Im Oktober besuchte der US-Chefunterhändler Christopher Hill Nordkorea, um Pjöngjang zur Weiterführung des
Abbauprozesses zu bewegen. Das nordkoreanische Regime wollte jedoch nur angekündigte Überprüfungen seiner Atomanlagen akzeptieren, während Washington eine unangemeldete Überprüfung aller Anlagen verlangte. Kurz darauf wurde Nordkorea von der seit 20 Jahren bestehenden Terrorliste gestrichen.

Zukünftige Optionen

Zunächst hatte die Bush-Regierung trotz der Teilnahme an den Sechsergesprächen eine Politik des Regimewechsels in Nordkorea verfolgt. Nach dem erfolgreichen Atomtest der DVRK ist die Nonproliferationspolitik vorrangig geworden. Die US-Administration hat ihre bisherige harte Linie in der Nordkoreapolitik zugunsten einer diplomatischeren Vorgehensweise verlassen, da der harte Kurs der Bush-Regierung die Herstellung nordkoreanischer Atombomben nicht verhinderte. Präsident Bush versuchte so am Ende seiner Amtszeit die Nuklearfrage durch Diplomatie zu lösen, wobei auch sein persönliches Interesse an einem auf diesem Wege erreichten Erfolg eine große Rolle spielte. Anfang November 2008 wurde Barack Obama zum neuen Präsidenten der USA gewählt. Im Wahlkampf befürwortete er eine Engagementpolitik gegenüber sogenannten Schurken- staaten bzw. die Lösung der nordkoreanischen Nuklearfrage durch ein Gipfeltreffen.

Aber es ist fraglich, ob Obama willens und in der Lage sein wird, die bisherige ambivalente Nordkorea- politik schnell zu ändern. Denn die Interessen der USA in Nordostasien ändern sich vorerst nicht. Es ist auch nicht sicher, ob die US-Administration das kommunistische Regime in Nordkorea anerkennen würde, wenn dies sich nicht um die Verbesserung der Menschen- rechtslage in seinem Land bemüht. Die USA sind so zunächst an der Weiterführung der Politik der Nonproliferation interessiert, nicht an der Normalisierung der Beziehungen zu
dem diktatorischen Regime. Selbst wenn die USA dies wollten, würde dieser Prozess viel Zeit benötigen. Die Beendigung des nordkoreanischen Atomprogramms wird auf sich warten lassen, da außer der Frage des Plutoniums weder die bereits bestehenden Atombomben, das Urananreicherungsprogramm, der Verdacht nuklearer Unterstützung für Syrien noch der Aufbau von Leichtwasserreaktoren auf der Agenda stehen.

Dem nordkoreanischen Regime bleiben letztlich zwei Möglichkeiten: Balancing (sich mit anderen Staaten gegen die USA verbünden) oder Bandwagoning (sich mit den USA verbünden). Die Balancing-Strategie kann Nordkorea nicht verfolgen, da sich heutzutage kein Staat den USA widersetzen möchte. Die Bandwagoning-Strategie ist wegen des angedrohten Regimewechsels durch die USA unwahrscheinlich. Da die neue US-Regierung auf diplomatische Annäherung setzt, hat Nordkorea eine Chance, seine Beziehung zu den USA zu normalisieren. Dadurch könnte es sowohl Sicherheit und wirtschaftliche Unterstützung
erreichen als auch sein Regime stärken. Allerdings bleibt unklar, ob Nordkorea im Gegenzug tatsächlich auf seine Atomprogramme und -bomben verzichten würde. Die Gerüchte über eine ernsthafte Erkrankung bzw. den Tod Kim Jong-ils spielen für die nordkoreanische Position keine große Rolle, da das Regime trotz eines solchen Ereignisses seine Atomprogramme nicht sofort aufgeben würde.

Das Sprengen des Kühlturms in Yongbjon war daher nur ein erster Schritt zur Lösung der nordkoreanischen Nuklearfrage. Auch die Streichung der DVRK von der Terrorliste besitzt bislang allenfalls symbolischen Charakter, da Nordkorea dadurch noch nicht die dringend benötige finanzielle Unterstützung durch die Weltbank bekommen wird. Nordkorea steht weiterhin unter den Sanktionen der nach dem Langstreckenraketen- und Atomtest
beschlossenen UN-Resolutionen 1695 und 1718. Es ist schwierig, die weitere Entwicklung der Atomverhandlungen vorherzusagen, da es noch viele ungelöste Probleme zwischen den USA und Nordkorea gibt und die Interessen beider Staaten sich nicht verändert haben. Der Atomkonflikt wird deshalb noch einige Zeit fortbestehen, auch wenn beide Seiten jetzt nach einer diplomatischen Lösung suchen. Es besteht jedoch die Gefahr, dass die US-Regierung je nach Interessenlage jederzeit den diplomatischen Prozess abbricht, wie es die Bush-
Regierung Ende 2002 getan hat. Auch das nordkoreanische Regime könnte die Durchführung einer Vereinbarung – wie vor wenigen Monaten zuletzt geschehen – zurückweisen.