Nach der Krise ist nicht vor der Krise

In allen Blättchen dieser Welt ist »Die Krise« eine nie endenwollende Geschichte.
Da wird hoch und runter geschrieben, was der Welt ökonomisch
droht. Apokalypsenartig werden die Bilder des ökonomischen Desasters gemalt.
Die demokratischen und ökologischen Themen bleiben außen vor. Die
politischen Ränkespieler versprechen gleichzeitig, dies und das zu lösen.
Doch der politische Aktionismus schlägt Purzelbaum und kracht in das Eingemachte
der herrschenden Wirtschaftslehre.
Es ist paradox, daß die, die das wirtschaftliche Desaster seit Jahrzehnten
vorbereitet haben, also die Politiker und die Manager, plötzlich retten wollen,
was sie nicht mehr verstehen. Sollten sie es geglaubt haben, die Geister zu
verstehen, die sie riefen, dann saßen sie dem Irrglauben vom selbst regulierenden
Markt auf.
Was bleibt?
Alle sind mit ihrem Latein am Ende. Hilflos werden Gelder in den wirtschaftlichen
Kreislauf gepumpt, der gerade schlapp macht. Ungefähr so ähnlich
würde sich ein Arzt verhalten, wenn er gegen Bluthochdruck ein Mittel
verschreibt, welches diesen nach oben treibt.
Die Helden der Neuzeit machen gerade diesen Fehler. In ihrer eindimensionalen
Sicht auf den Fortschritt dieser Welt setzen sie ihn mit wirtschaftlichem
Wachstum gleich. Obwohl sie wissen können, daß die Krise durch ein unkontrolliertes
Wachstum in fast allen volkswirtschaftlichen Bereichen erst entstand.
Die Immobilienkrise in den USA entstand dadurch, daß allen und jedem
ein Haus und der damit notwendige Kredit aufgequatscht wurden. Die Finanzkrise
beruht in allen seinen Verästlungen auf einen hemmungslosen Konsum
und: Geld sollte Geld erwirtschaften. In immer kürzeren Abständen erkauften
sich die Erwerber marginal veränderte Alltagsbewältiger. Ich konsumiere also
bin ich. Der moderne Mensch wechselt sein Handy, sein Auto, seinen Computer
immer schneller. Im Schnäppchengalopp einmal runderneuert in zwei Jahren.
Wachstum sollte der Motor und die Lösung für die Probleme dieser Welt
sein. Dabei wurde das Wachstum zum Problem. Es ist nicht möglich, in den
endlichen Grenzen eines Lebens und dieser Welt hemmungslos zu wachsen.
Die körperlichen Begrenzungen der natürlichen Welt und somit auch des Homo
sapiens beenden irgendwann den Wahn vom immer neueren Produkt fürs
Nichts. Die klassische Industriepolitik und Konsumsteuerung sind Ausdruck
einer Welt, die sich von der Natur emanzipiert hatte und somit zum Totengräber ihrer selbst wurde. Die Massenproduktion geht ihrem Ende entgegen. Sicherlich
nicht in den nächsten zehn Jahren, dafür gibt es zu viele weiße Flekken
auf der Konsumlandkarte der Unternehmen, aber in Zukunft werden nur
die Entwicklungen wachsen, die die Erde und die Menschheit erhalten.
Und trotzdem ist die jetzige Krise ein politisches Lehrstück.
Erstens fällt etwas Grundlegendes zu den Geschlechtern auf. Es ist bewiesen,
daß Weib und Mann gleich dämlich und arrogant sein können. Ob in Politik
oder Wirtschaft, ob in Medien oder in der Wissenschaft, die eindimensionale
Dummheit verbindet die Geschlechter.
Zweitens ist festzustellen, daß die moralische Reife proportional zur internationalen
Verschmelzung der Volkswirtschaften wächst. Früher hätte sich die
jetzige Krise in einem Weltkrieg aufgelöst. Dies bleibt uns diesmal – so ist zumindest
zu hoffen – erspart.
Drittens ist die reine Lehre vom selbst regulierenden Markt praktisch gescheitert.
Jeder Euro an Steuergeldern für marode Banken und Unternehmen
läßt den Glauben an die Marktkräfte schwinden.
Viertens wird immer deutlicher, daß die Propaganda fest in den Händen der
Wachstumsbefürworter ist. Jede Gegenaufklärung steht auf verlorenem Posten.
Fünftens ist anzumerken, daß die politische Linke von allem etwas weniger
will als die herrschenden Politiker, aber deswegen nichts anderes.
Sechstens bedeuten die anderen Erkenntnisse: Es wird wohl ohne Politiker
gehen müssen.