Blasenschwäche

Kredite, das lehrt diese Krise, sind organischer Bestandteil des Kapitals und
können daher zu faulen beginnen. Die Frage ist nur, fault der Kern, oder ist er
wie alle Apologeten behaupten, noch kerngesund. Es ist wohl so, daß nicht
nur einige Kredite faul sind. Morsch sind die Balken und Stützen des Systems.
Immer weniger überzeugt die vermeintliche Festigkeit. Der Kapitalismus bewegt
sich wohl im Zustand einer modernden Moderne. Dagegen helfen nur
neue Duftformate. Wir sind auf Blasensuche.
Geldeigner befinden sich zur Zeit in einer komischen Situation. Geben sie
es auf der einen Seite aus, das Geld, kommt es möglicherweise auf der anderen
nie wieder zurück. Halten sie es jedoch fest, fürchten sie (mehr instinktiv
als bewußt), daß es – gleich anderen Anlagen – verfallen könnte. Wahrlich,
die Geschäftsgrundlagen, die wanken. Aufgabe der ideologischen Apparate ist
es, die Verunsicherung zu eskamotieren. Da helfen nur noch Fürbitten in der
Art: »Mehr Stimmung bitte! Auf das richtige ›mindset‹ kommt es an.« (Die
Presse, 15. März 2009)
Im autosuggestiven Stadium geht Innovation in Animation über. Das aktuelle
Beispiel etwa sind die Verschrottungsprämien für Altautos und Anreize verschiedenster
Art, nur um das Geld ja zirkulieren zu lassen. Politik und Medien
sind fieberhaft auf Blasensuche.
So will das bürgerliche Gemüt die Blasenstörungen auch nicht als Platzen
von Organen wahrnehmen, sondern bloß als zeitweiligen Blasenkatarrh. Esmag zwar brennen, einiges Kapital sogar verbrennen, aber morgen, nach der
Kur mit Blasentee Marke Earl Keynes wird alles wieder ganz normal laufen.
»Das Weltfinanzsystem – vom Absturz zum Neuanfang. Ist ethisches Investment
ein Ausweg aus der Krise?«, lautet eines dieser typischen Symposien,
wie sie jetzt laufend abgehalten werden. Und es ist auch nicht gänzlich auszuschließen,
daß staatlich oder gar überstaatlich organisierte Megablasen entstehen
und die Menschen mit neuem Kredit erfüllen können. In der Wirtschaft
sei vieles Psychologie, sagen die Vertreter der ersteren. Dem ist noch viel mehr
so. Eifrig wird diskutiert, welche Narkose noch wirken könnte. An welche
Blasen gedenken wir noch zu glauben?
Am Wichtigsten ist jetzt die Rekonsolidierung der Kreditwürdigkeit. Daher
tritt die öffentliche Hand auf den Plan, um die unsichtbaren Hände des
Markts wieder zum Handeln zu bringen. Der viel gescholtene Staat hat jetzt
Vertrauen zu schaffen mit Bürgschaften und Unterstützungen, also einer Sicherung
durch Geld, das er zwar nicht hat, aber von dessen Verzinsung er sich
sogar Gewinne einredet. Dann, wenn die Krise vorbei ist und alles brav retourniert
wird. Notfalls wird Geld gedruckt und gehofft, daß es sich am Finanzmarkt
doch noch einmal rechnet. Blasen wir uns nochmals auf.
Daß hingegen die Steuerzahler einspringen könnten, um die drohenden
Verluste zu decken, ist unwahrscheinlich, denn woher sollen sie das viele
Geld nehmen. Zu Hause drucken? Trotz allem Privatisierungswahn, hat das
noch niemand vorgeschlagen. Es ist somit die Frage zu stellen, ob Verluste
dieser Dimension überhaupt noch sozialisierbar sind. Ob »Wir zahlen eure
Krise nicht« nicht eher ein Faktum als eine Forderung ist, weil die staatlichen
Garantien durch die Steuerzahler nicht mehr aufgebracht werden können.
Aber selbst wenn es ginge und man tatsächlich den Leuten das Letzte wegnähme
– womit sollen sie dann die Autos und Lebensversicherungen bezahlen?
Die Melkkuh ist erschöpft, was also kann man ihr wegschneiden, auf daß
die Schulden gedeckt werden, und Staat und Wirtschaft florieren? Brust oder
Keule?
Der ehemalige österreichische Finanzminister und jetzige Unternehmer
Hannes Androsch hat vorgeschlagen, mit dem Helikopter über das Land zu
fliegen und Geld abzuwerfen. Das ist keineswegs verrückter als das, was
sonst läuft. Blasen wir das Geld doch einfach aus den Hubschraubern …