Faschofeminismus?

Rechte Frauen sind auf dem Vormarsch – auch innerhalb ihrer eigenen Organisationen. „Völkischer Feminismus“, rechte Rollenangebote und germanische Emanzen.

Dass die Kritik an Globalisierung, Bush oder Israels Außenpolitik beunruhigende Allianzen zwischen Rechts und Links stiftet und sich die KritikerInnen mitunter selbst in ihren Outfits kaum noch 

voneinander unterscheiden, ist längst kein neues Phänomen mehr. Auch die Instrumentalisierung feministischer Positionen für rechte islamophobe Hetze sorgt inzwischen seit Jahren für Diskussionen. Nun aber wehren sich rechte Frauen nicht mehr nur gegen das Kopftuch, sie fordern auch einen „NationalenFeminismus" - und pochen innerhalb ihrer Szene ganz allgemein auf mehr Eigenständigkeit. 

 

Sind Frauen die softeren Skins? In der öffentlichen Wahrnehmung werden Rechtsradikalismus und Neonazismus als männerbündisch strukturierte und von Männern dominierte Ideologien wahrgenommen. Auch das gängige Vorurteil von einem rechten, gewalttätigen Skinhead ist das eines männlichen Jugendlichen. Die Zahlen und mehrere Vorkommnisse der letzten Jahre sprechen aber dafür, dass auch die Frauen in der rechten Szene zunehmend aktiver und somit auch sichtbarer werden. So notiert der Verfassungsschutzbericht des österreichischen Innenministeriums für das Jahr 2008 einen Anstieg der von Frauen verübten rechtsextremen Gewalttaten auf zehn Prozent - zuvor waren es lediglich zwei bis drei Prozent gewesen1. In Deutschland etwa gab es in den letzten zehn Jahreneinen regelrechten Boom an Neugründungen rechter Frauenorganisationen2 und ein genereller Modernisierungsschub der rechten Szene hat zu ideologischen Verschiebungen geführt, die sich auf das Bild der Frauen in rechten Organisationen auswirkten.

Ein gängiges Klischee, das in den letzten Jahren dekonstruiert wurde, ist jenes, dass Frauen weniger anfällig für rechte Ideologien und grundsätzlich weniger rassistisch, antisemitisch oder ausländerInnenfeindlich sind. Denn aus der Forschung weiß man mittlerweile sehr genau, dass ebenso viele Frauen in ihren Einstellungen und politischen Grundhaltungen rechtsextrem bzw. rechtsradikal sind wie Männer. Auch in Bezug auf rassistische Äußerungen oder Verhaltensweisen in Familie oder Freundeskreis stehen sie diesen um nichts nach. Allerdings sind Frauen weniger bereit, ihre Einstellungen öffentlich zu exekutieren, weiß Andreas Peham vom Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes (DÖW): „Das beginnt schon bei den weichen Formen, etwa dem Wählen einer rechtsextremen Partei. Je weiter man dann nach rechts außen geht, das heißt auch je mehr Gewalt vorhanden ist, desto weniger Frauen sind zu finden. Im Skinhead-Milieu gibt es deutlich weniger Frauen als etwa beim Ring Freiheitlicher Jugend, aber auch die sind sehr männerdominiert." 

 

Sichtbarkeit und Sportverein. In Deutschland, berichtet die Neonazismus-Expertin Renate Feldmann in einem Interview mit dem „Spiegel"3, sind in den Organisationen und Cliquen etwa ein Drittel der Mitglieder Frauen, in den Parteien nur etwa zwanzig Prozent. Vor allem die Führungskader rechter Organisationen sind noch immer zu 95 Prozent männlich, Frauen sind also eher an der Basis tätig. Aus der österreichischen Forschung weiß man, dass etwa zehn Prozent der bekannten FunktionärInnen und rechtsextremen AutorInnen Frauen sind.4 Auch hier zeigt sich das altbekannte Phänomen: je weiter unten in der Hierarchie, desto mehr Frauen. So gibt es bei den SpenderInnen und LeserbriefschreiberInnen einen Frauenanteil von etwa zwanzig Prozent. Auch über die verschiedenen rechten Organisationen sind Frauen nicht gleichmäßig verteilt, in Österreich etwa sind am meisten Frauen in entsprechenden Kultur- und Sportorganisationen vertreten.

Die Tendenz zu mehr Sichtbarkeit setzt sich dennoch auch in der Präsenz von Frauen in rechten Parteien fort. Frauen erlangen hier oft prominentere Positionen, um das Image der Partei zu verbessern und um die Modernisierung und die Distanzierung von den „Ewiggestrigen" zu veranschaulichen. Als Beispiel in Österreich ist hierfür das BZÖ zu nennen, wo sich die Frauensprecherin der Partei für eine Beibehaltung der Fristenlösung aussprach und als Begründung angab, Frauen dürften nicht zu Gebärmaschinen degradiert werden - ein Ausspruch, der grundsätzlich vom linken Feminismus geprägt worden war.

Sigrid Hunke und Barbara Rosenkranz. Grundsätzlich dominiert in der rechten Ideologie weiterhin ein sehr reaktionäres Frauenbild, das sich vor allem durch pronatalistische Appelle gepaart mit Rassismus auszeichnet.

Doch auch wenn rechte Genderrollenbilder den Frauen traditionell weiterhin den Platz zu Hause und bei den Kindern zuweisen, finden sich in den letzten Jahren in rechtsextremen Publikationen zunehmend auch(pseudo)-emanzipatorische Ansätze.4

Eine Vorläuferin solcher Ansätze war die 1999 verstorbene Sigrid Hunke, Vordenkerin des „Neuen Rechten". Sie berief sich auf die angebliche Gleichstellung von Männern und Frauen bei den Germanen. So propagierte sie etwa, es seien die „germanischsten unter den Frauen Europas gewesen", die für die Frauenbefreiung gekämpft hätten. Neben diesen Referenzen an „germanische Völker" hängen rechten Ideologien auch immer gewisse esoterische Vorstellungen an, in denen auch der Frau eine besondere symbolische Rolle zukommt: So wird ihr als Gebärende eine starke Verbindung zu „Natur" und zur „Erde" zugesprochen, sie wird als erdbezogen und mütterlich, aber auch als „von Natur aus friedvoll" dargestellt.

Analog zu diesen beiden symbolischen Erklärungsmustern gibt es auch in der Praxis sehr gegensätzliche Rollenbilder für Frauen in rechtsextremen Zusammenhängen. So wettern etwa manche nationale Frauen gegen das Eintreten von Frauen in die Erwerbstätigkeit und verurteilen diese als „Vermännlichung", andere fordern wieder den gleichberechtigten Einstieg in den Arbeitsmarkt und kritisieren Diskriminierung. Es gibt also bei den rechtenFrauen sowohl egalitäre als auch differenz-orientierte Haltungen, bei keinem dieser Ansätze ist aber von einer Unterordnung unter den Mann die Rede, beide Ansätze postulieren eine Gleichwertigkeit der Geschlechter. Die individuellen Lebensentwürfe der Frauen sind auch meistens eher durch ökonomische Situation, persönliche Neigungen und Handlungsspielräume gekennzeichnet als durch die jeweils postulierte Geschlechterideologie. Als österreichisches Beispiel wäre hier die FPÖ-Nationalratsabgeordnete Barbara Rosenkranz zu nennen, die das Dasein der Frau als Hausfrau und Mutter postuliert, sich selbst auch als solche bezeichnet, gleichzeitig aber parteipolitisch und als Autorin Karriere macht.

Sexismuskritik und Selbstverteidigung. Die Entwicklung des „Völkischen Feminismus" oder auch „Feminismus von Rechts" bringt mit sich, dass viele der Aktivitäten und Ansprüche rechter Frauen Ähnlichkeiten zu jenen linker Organisationen aufweisen: Sexismuskritik wird artikuliert, es werden Selbstverteidigungskurse angeboten, es gibt Proteste gegen Frauenhandel oder auch gegen sexuelle Gewalt an Frauen. Durch diese Positionierungen lassen sich linke und rechte Ideologienan der Oberfläche kaum mehr unterscheiden. Rechte Argumentationen rufen nach Gleichberechtigung, nach Beseitigung von Diskriminierung von Frauen, nach Hilfe für Alleinerzieherinnen etc. Sieht man sich diese Argumentationen jedoch genauer an, ist sehr schnell erkennbar, dass diese Gleichberechtigung nur für die „deutsche Volksgemeinschaft" bzw. für die „weiße Rasse" gilt. Ersichtlich ist diese Ideologie am Beispiel „Sexismus", wo die Bedrohung der deutschen Frau durch „fremde" Männer beschworen wird.

Die Wandlungen im rechten Frauenbild sind somit nicht mit Emanzipation oder einem aufstrebenden Feminismus gleichzusetzen, sondern vielmehr als eine Anpassung an aktuelle gesellschaftliche Verhältnisse zu sehen. 

 

Skingirls, Schutz- und Sexualobjekte. Unbeirrt von diesen Entwicklungen werden Frauen und Mädchen in den jugendlichen Subkulturen, also vor allem unter rechten Skinheads, nach wie vor auf der einen Seite als Sexualobjekte abgewertet, auf der anderen Seite aber als Schutzobjekte auf ein Podest gehoben. In dieser Funktion werden die Mädchen von den männlichen Mitgliedern der Gruppe nicht selten vorgeschoben, um Konflikte zu provozieren, die Unterstellung „Macht unsere Mädels nicht an" liefert noch immer einen willkommenen Grund, auf „Andere" (welcher Art auch immer) einzuprügeln.

Doch rechte und neonazistische Mädchen und Frauen haben auch in ihren Szenen damit begonnen, sich gegen diese passive Rolle aufzulehnen und organisieren sich zunehmend eigenständig. In den letzten Jahren ist etwa zu beobachten, dass sie bei Veranstaltungen nicht mehr nur als „Freundinnen" daneben stehen, sondern selbst aktiv mitgestalten. Dennoch spielen sich ihre Tätigkeiten großteils immer noch im Hintergrund der Organisation ab: Weil Frauen und Mädchen unauffälliger sind - und eben weil man ihnen aufgrund der Klischees weniger Nähe zu rechtem Gedankengut zutraut - werden sie vorangeschickt, um Versammlungen oder Aufmärsche bei den Behörden anzumelden, um Räume zu mieten, Konten zu eröffnen oder Telefonate zu führen. Es gibt zwar auch die „Skingirls" oder „Renees", die sich genau wie ihre männliche Pendants prügeln wollen, sie stellen innerhalb der Gruppe der rechten Frauen aber eine Minderheit dar. Trotz des genannten Anstiegs von Gewalt unter rechten Frauen: Die meisten Frauen der Szene wenden nach wie vor eher keine Gewalt an. Was aber noch lange nicht heißt, dass sie Gewalt deshalb ablehnen: Sie fordern diese durchaus ein - von den Männern oder auch vom Staat.

Style und Symbolik. Mädchen und Frauen werden also auch deswegen „vorgeschickt", weil sie rein äußerlich unauffälliger sind. Auch generell lässt sich der Trend feststellen, dass Neonazis bzw. Rechtsextreme zunehmend auf typische Szene-Outfits verzichten und sich ganz bewusst an verschiedenste Jugendkulturen angleichen und deren Musik und Style übernehmen. Die rechte Szene will also nicht mehr auf den ersten Blick erkannt werden - auch um effektiver arbeiten zu können. Oft werden Symbole und Marken anderer Szenen angeeignet. Renate Feldmann weist etwa darauf hin, dass die Mädelgruppe „Kameradschaft Tor Berlin" für ihre Homepage die Comicfigur „Emily the Strange" benutzte, die gleiche Figur wurde auch schon von Antifa-Gruppen benutzt, um gegen Nazidemonstrationen zu mobilisieren. Auch sonst haben rechte Organisationen in den letzten Jahren einiges dazugelernt: Sie gestalten ihre Publikationen und ihre Internetauftritte poppiger, sie imitieren andere Subkulturen. Und in dieses Modernisierungsbild passt eben auch gut, dass den Mädchen und Frauen mehr und sichtbarere Rollen zukommen. 

Stabilität und Scharnier. Was bringt die Sichtbarkeit der Frauen also der Szene insgesamt, in der Männlichkeit doch ein so gehütetes und durch Rituale aufrechterhaltenes Gut ist, dem Frauen allenfalls dienen, aber das sie nicht infrage stellen dürfen? Renate Bitzan beantwortet diese Frage mit zwei Phänomenen: der Stabilisierung der Szene von Innen und der Scharnierfunktion in die Mitte der Gesellschaft hinein.

Stabilisiert wird die Szene durch die vermehrte Anwesenheit von Frauen insofern, als die Männer nicht mehr außerhalb auf „Brautschau" gehen müssen. Somit finden sie zunehmend Partnerinnen, die Verständnis für das Engagement innerhalb des Milieus aufbringen und nicht etwa einen Gesinnungswandel einfordern. Auf der anderen Seite erfüllen rechtsextreme Frauen und Mütter eine Scharnierfunktion in die Mitte der Gesellschaft hinein, indem sie sich etwa in lokalen Vereinen, in Schulen oder sonstigen Elternvereinigungen engagieren und dort ihre politischen Überzeugungen einfließen lassen. Und dies gelingt ihnen umso leichter, je länger sich das Bild der friedfertigen, unpolitischen und sicher nicht rechtsextremen Frau hält. 

Spezialfall Mädelschaft. In Österreich haben sich im Gegensatz zu Deutschland bisher noch keine eigenständigen rechten Mädchen- und Frauenorganisationen gebildet. Dafür gibt es dank des sehr alten rechten Erbes andere traditionelle rechte Frauenorganisationen – die „Mädelschaft" als Pendant zur Burschenschaft. Da die deutschnationalen Burschenschaften die Mitgliedschaft von Frauen ablehnen, gibt es in Österreich seit 1988 Mädelschaften, je zwei in Wien und Graz. Andreas Peham ist allerdings überzeugt, dass darin keineswegs eine frauenpolitische Maßnahme zu sehen ist: „Mädelschaften sind dadurch, dass es sie gibt, auch Teil des Ausschlusses. Und sie dürfen ja auch gewisse Sachen nicht: Sie dürfen keine Mensur fechten, sie trinken auch kein Bier, sondern Wein. Die Hauptfunktion von solchen Mädelschaften ist es, für den WKR-Ball für die Burschen Mädels bereitzustellen. Wir haben es hier also eher mit einem völkischen Heiratsmarkt zu tun als mit einer eigenständigen Frauenorganisation."

  

 

1 Verfassungsschutzbericht des ÖsterreichischenInnenministeriums,http://www.bmi.gv.at/downloadarea/staatsschutz/BVT%20VSB%202008%2020080909%20online.pdf.

2 Bitzan, Renate: Impulsreferat „Frauen im Rechtsextremismusin Theorie und Praxis", Universität Göttingen, 23.1.2008.

3 „So werden Mädchen zu Nazi-Bräuten", Interview mit RenateFeldmann, Der Spiegel, 23.1.2007.

4 Braune Schwestern. Frauen in der rechten Szene: vomMutterkreuz bis zum Skingirl. Eine Broschüre der Sozialistischen JugendOberösterreichs.