Neue (affektive) Arbeit, alte Dualismen

Zur feministischen Kritik am Begriff der „immateriellen Arbeit“

Der Begriff der immateriellen Arbeit nimmt in Michael Hardts und Antonio Negris Theorie-Bestseller Empire einen zentralen Stellenwert ein. In der Figur des/der immateriellen ArbeiterIn konkretisieren H/N ihre materialistische Ontologie der biopolitischen Produktivität in der Phase der Postmoderne. Sie entwerfen damit eine Anthropologie der Postmoderne, in der sich der Mensch auf spezifische, nämlich kybernetische, von Computertechnologien hergeleitete Weise selbst erschafft. Dabei beziehen sie sich u.a. auf die feministische Theoretikerin Donna Haraway und deren Konzept des „Cyborgs“. Bloß ist das bei Haraway ein ganz anderes als bei H/N. Sie entwirft den Cyborg als ironische, und nicht unschuldige Form einer situierten, in die spezifischen, aktuellen Diskurse über Technologien und Leben eingreifenden Technologiekritik. H/N tendieren dagegen eher dazu, mit ihrer Emphase produktiver Körperlichkeit und Hybridisierung von Mensch und Maschine den alten sozialistischen Glauben an die mögliche „neue Verwendung der Maschinen und Technologien “ (411), an ihre einfache Umnutzbarkeit wiederzubeleben – eine Tendenz, die durch den starken Bezugauf Informations- und Kommunikationstechnologien in Empire bestärkt wird. Im Gegensatz dazu wird sich mit Biotechnologien und z.B. deren Verstrickungen in eugenische Selektionsmechanismen leider nicht beschäftigt.

H/N erweitern mit demBegriff der affektiven Arbeit Maurizo Lazzaratos Konzept der immateriellen Arbeit. Die These von der immateriellen Arbeit besagt, dass der Postfordismus durch die vor allem qualitativ gedachte Vorherrschaft neuer Arbeitsverhältnisse im Dienstleistungssektor geprägt ist. Diese revolutionierten auch die anderen, nun als nachgeordnet gedachten Sektoren der Ökonomie. Bei Lazzarato stehen dabei vor allem die Aspekte der Information und der Kommunikation im Zentrum der Analyse. H/N erweitern die Analyse der immateriellen Arbeit im Empire umeinen dritten Aspekt, eben den der affektiven Arbeit.

Mit dem Begriff der affektiven Arbeit können die neuen Produktivkräfte nunmehr als ganzheitlich konstruiert werden; sie betreffen das ganze soziale Leben. „Gerade dadurch, dass Intelligenz und Affekt (oder genauer: der Geist in gleicher Weise wie der Körper) zu primären Produktionskräften werden, fallen Produktion und Leben überall dort, wo sie wirksam werden, zusammen; denn Leben ist nichts andere als die Produktion und Reproduktion eines Sets von Körper und Geist.“ (373) Während die informationellen und kommunikativen Aspekte der immateriellen Arbeit von dem Modell des Computers abgeleitet werden, beanspruchen H/N, mit affektiver Arbeit das zu meinen, „was in feministischen Untersuchungen zur ‚Frauenarbeit‘ als ‚Arbeit am körperlichen Befinden‘ bezeichnet wird“ (304). Obwohl sie affektive Arbeit zwar nicht als die von Frauen geleistete Arbeit, sondern als Element jeder immateriellen Arbeit beschreiben, bleiben traditionelle Zuschreibungen geschlechtsspezifischer Arbeitsteilung in merkwürdiger Weise lebendig.

Denn erstens werden die Zuordnungen zwischen intellektueller und emotionaler Arbeit klar verteilt. Auf der einen Seite stehen dem Geist zugeordneten Tätigkeiten, die auch als „symbolisch-analytische Dienstleistungen“ zusammengefasst werden und deren Aufgabengebiete, die „Problemerkennung, Problemlösung und ‚strategischeMakleraktivitäten‘“ umfassen. Auf der anderen Seite betonen die Autoren dieKörperlichkeit und Emotionalität in personen-bezogenen Dienstleistungen oder in der Produktion von Affekten in „virtuellen Kontakten“, etwa in der Unterhaltungsindustrie. Dabei blenden sie den strategischen, analytischen und problemlösenden Aspekt dieser Arbeiten aus. Zudem wird affektive Arbeit letztlich als nicht-verdinglichte, nicht-instrumentalisierte Tätigkeit gedacht, wobei „zwischenmenschliche Kontakte“ als egalitär und gemeinschaftlich, als nicht-hierarchisch vorgestellt werden. So avanciert affektive Arbeit ins Zentrum des kommunistischen Potentials der Biomacht: „Affektive Arbeitproduziert soziale Netzwerke, Formen der Gemeinschaftlichkeit, der Biomacht.“ (304)

So schreiben H/N mit dieser vagen Verortung des utopischen Potenzials der neuen Produktivkräfte letztendlich eine lange Tradition linker Idealisierung von Frauenarbeit und Reproduktionsarbeit als Ort der Nicht-Entfremdung und Herrschaftsfreiheit fort. Der Diener, den sie feministischer Theoriebildung zu diesen Fragen (sowieso nur in einer Fußnote) erweisen, ist angesichts dieser Konzeption wohl eher als eingentleman-likes Abwimmeln feministischer Kritik zu verstehen.

Auf den ersten Blick sieht es so aus, als ob sich H/N zudem bei der affektiven Arbeit in klassisch-linker Manier einzig mit bezahlter Arbeit, also mit „affektiven Aspekten“ von Erwerbsarbeit beschäftigen. So beziehen sich die wenigen deskriptiven Elemente, mit denen H/N den Begriff der affektiven Arbeit ausfüllen, auf alte wie neuere Dienstleistungssektoren (Gesundheitsdienste, Werbebranche etc). Kein Wunder: Linke Theoretiker neigen dazu, sich erst dann mit Tätigkeiten zu beschäftigen, die im Rahmen der geschlechtsspezifischen Arbeitsteilung Frauen zugeschrieben werden, wenn diese im Erwerbsarbeitssektor auftauchen und deswegen sozusagen gezwungenermaßen in Kapitalismusanalysen eingehen müssen.

Allerdings ist es zueinfach, Empire eine Zentriertheit auf die Erwerbsarbeit vorzuwerfen. Denn behauptet wird, dass alle Tätigkeiten, die bisher dem Reproduktionsbereich zugeordnet wurden, durch die neuen Arbeitsverhältnisse in die kapitalistische Produktivität eingehen, und eine Trennung zwischen Produktion und Reproduktionfolglich unsinnig geworden ist. Die Produktivkräfte „durchziehen und konstituieren unmittelbar nicht nur die Produktion, sondern auch den gesamten Bereich der Reproduktion. Hier könnte man sich erinnert fühlen an feministischeTheoretikerinnen wie z. B. Frigga Haug, die Geschlechterverhältnisse als Produktionsverhältnisse analysieren, oder auch an einen feministischen Arbeitsbegriff, der die historische Genese von gesellschaftlich als notwendig erachteten Tätigkeiten nicht auf die Tauschwertproduktion begrenzt. In eine ähnliche Richtung scheint auch H/Ns Forderung zu zielen, neue Frauenbewegungen nicht, wie in der neuen sozialen Bewegungsforschung üblich, als kulturelle, spezifische, oder als ökonomisch nachgeordnete Kämpfe in der„Reproduktionssphäre“, sondern als unmittelbar ökonomische zu untersuchen.

Will man diesem Anspruch aber tatsächlich gerecht werden, müsste man die Organisation der Grenze zwischen bezahlter und unbezahlter Arbeit selbst ins Zentrum einer Kritik der politischen Ökonomie rücken – als Grundlage, auf der die Verschiebungen dieser Grenze überhaupt erst verstanden werden können.

 

Literatur:

Haraway. Donna: Die Neuerfindung der Natur. Primaten, Cyborgs und Frauen, Frankfurt a. M. 1995

Hardt, Michael und Antonio Negri: Empire. Die neue Weltordnung,Frankfurt a. M. 2002.

Haug, Frigga: Zur Theorie der Geschlechterverhältnisse, in:Das Argument, Nr. 243, 2001, S. 761-787.

Lazzarato, Maurizio: ImmaterielleArbeit. Gesellschaftliche Tätigkeit unter Bedingungen des Postfordismus, in Atzert, Thomas (Hg.): Umherschweifende Produzenten. Immaterielle Arbeit und Subversion, Berlin 1998, S. 39-52.

 

Der Text ist die stark gekürzte und überarbeitete Version eines Artikels aus FANTOMAS. Magazin für linke Debatte und Praxis, Nr. 2, 2002.

Der Text erscheint in Bildpunkt. Zeitschrift der IGBildende Kunst, Wien, Frühjahr 2009,„Immaterielle Arbeit und ihr Material“.