Militärische Flüchtlingsbekämpfung

Die Europäische Union behandelt Flüchtlinge als Bedrohung, welche abgewehrt, mit deren Ursache sich aber nicht auseinander gesetzt werden muss. Mit militärischen Mitteln geht sie gegen Hilfesuchende vor.

„Europa und Deutschland besitzen nach wie vor eine hohe Anziehungskraft für Menschen, die ihre Heimat aufgrund von Krieg und Bürgerkrieg, Staatszerfall, Verfolgung, Umweltzerstörung, Armut, Hunger oder anderen Notlagen verlassen haben, um nach besseren Lebensbedingungen zu suchen“, stellt das Bundesministerium der Verteidigung in ihrem aktuellen „Weißbuch – zur Sicherheitspolitik Deutschlands und zur Zukunft der Bundeswehr“ fest. „Die innenpolitischen Folgen unkontrollierter Migration als Folge von Flüchtlingsbewegungen sind ein wachsendes Problem der europäischen Gesellschaft.“. Dass sich neuerdings deutsche Militärs mit dem Thema Migration befassen, sollte alarmieren.

Schon heute unterstützt Deutschland die „Europäische Agentur für die operative Zusammenarbeit an den Außengrenzen“ (kurz Frontex), die mit militärischen Mitteln gegen Flüchtlinge vorgeht. Neben Personal stellt die Bundesregierung Frontex auch vier Hubschrauber, ein Schiff und weiteres technisches Gerät wie zum Beispiel Wärmebildkameras zur Verfügung. Neben den bisher eingesetzten Gerätschaften sollen zukünftig auch unbemannte Aufklärungsdrohnen, Satelliten und Radartechnik zur Grenzüberwachung eingesetzt werden. Frontex koordiniert die nationalen Grenzschutzbehörden der EU-Mitgliedsstaaten – Chef der Agentur ist der finnische Ex-Militär Brigadegeneral Ilkka Laitinen. Ziel von Frontex ist die Sicherung der EU-Außengrenzen: Flüchtlinge sollen diese erst gar nicht erreichen. Daher setzt die Grenzschutzagentur verstärkt auf Vorbeugung. Um die Überfahrt der Hilfesuchenden von Senegal und Mauretanien auf die zu Spanien gehörenden kanarischen Inseln zu verhindern, patrouillieren Frontex-Schiffe vor der nordwestafrikanischen Küste. Auch zwischen der Türkei und den griechischen Inseln sowie zwischen Malta und Nordafrika kontrolliert Frontex. Abgefangene Flüchtlingsboote werden zurückgeschickt. Frontex ist aber auch auf Flughäfen und an Grenzübergängen im Einsatz, kontrolliert Pässe und spürt die Schleichwege „illegaler“ Einwanderungswilliger auf.

Mit der ihrer vorbeugenden Flüchtlingsbekämpfung verstößt das EU-Grenzregime gegen bestehende Asylgesetze. Selbst Menschen, denen in der EU Asyl gewährt würde – beispielsweise aus den Gründen, die im Bundeswehr-Weißbuch aufgelistet sind – haben keine Chance, dieses in Deutschland geltend zu machen, da sie erst gar nicht ins Land gelangen können. Noch erschreckender ist das Menschenbild, das Frontex an den Tag legt. Flüchtlinge werden wie eine Plage angesehen, die mit brachialen militärischen Mitteln abgewendet werden muss. Dass es sich um Not leidende Menschen handelt, wird übergangen. Wer verlässt schon freiwillig seine Heimat, lässt allen Besitz und alle Freunde hinter sich und wagt stattdessen eine riskante und oft tödliche Überfahrt in eine ungewisse Zukunft?

Weitere Informationen:
www.imi-online.de
http://www.frontex.antira.info

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