2013?

Zwischen der Finanzkrise und der Bereitschaft der Wählerinnen und
Wähler, die Linkspartei zu wählen, gibt es offenbar keinen direkten Zusammenhang.
Jedenfalls weisen die gegenwärtigen Umfragen – Stichwort
»Sonntagsfrage« – einen solchen nicht aus. Die Zahlen liegen irgendwo
bei zehn, zwölf Prozent. Dies relativ stabil, aber nicht mehr.
Man könnte meinen, Lafontaine habe seit langem recht gehabt, und das
müsse sich jetzt auch in steigenden Umfrageergebnissen widerspiegeln.
Doch dem ist wohl nicht so: In Zeiten der Krise schauen die Wähler offenbar
vor allem auf die Regierenden und erwarten, daß diese »etwas
tun«. Kanzlerin Merkel und Finanzminister Steinbrück scheinen die Helden
des Tages, korrekt: Heldin und Held. In Großmedien wird angemerkt,
die »Große Koalition« hätte vor der Krise wie eingeschlafene Füße gewirkt,
sei jetzt jedoch zu großer Form aufgelaufen und habe gehandelt.
Frau Merkel mit entschlossenem Gesicht vor der Kamera, neben ihr der
Finanzminister.


Die SPD verweist vor allem auf ihn, wenn sie erinnert: »Opposition ist
Mist« und Regieren schön. Steinmeier, der Kanzlerkandidat für 2009,
verblaßt da eher. Die Politikwissenschaftler beziehungsweise Parteienforscher
sind derzeit ohnehin eher skeptisch, was eine SPD-Kanzlerschaft
anbetrifft. Das liegt allerdings auch daran, daß sie noch etwas unsicher
in dem neuen Parteiengefüge herumtasten. Das derzeitige Umfragehoch
der CDU werde allerdings nicht anhalten, wenn es auf den Wahltag
zugeht, und das -tief der SPD ebenfalls nicht. So die Annahmen. Eher
sieht es so aus, als sei der Parteienzuspruch gedrittelt: etwa ein Drittel
Christdemokraten, ein Drittel Sozialdemokraten und ein Drittel die drei
Oppositionsparteien im Bundestag. Von denen wiederum rutscht nachden derzeitigen Befunden keine unter die Fünfprozentklausel, während
die Anteile zwischen ihnen innerhalb des Drittels etwas schwanken.


Parteienforschung befaßt sich vor allem auch mit den Möglichkeiten
der Regierungsbildung aus dem Parteiensystem heraus. Und die sind
inzwischen anders als noch vor wenigen Jahren. Die Kernklientel –
idealtypisch bei der CDU das katholische Milieu mit häufigem Kirchgang
und bei der SPD das gewerkschaftlich organisierte Facharbeitermilieu –
schrumpft; die Wähler haben zunehmend keine »feste Parteibindung«, das
heißt, sie wählen dieses Mal anders als beim nächsten oder dem vorigen
Mal; bei Bundestagswahlen anders als bei Landtags- oder Kommunalwahlen;
gehen mal wählen und mal nicht. Der Wähler, der Lümmel, ist
unberechenbar geworden. Man muß ihn umschmeicheln, doch er bemerkt
früher, wenn er belogen wird. Das Parteienwesen leidet darunter,
daß das Wahlwesen schwieriger geworden ist. Der Antikommunismus
schwindet als integrative Klammer des sogenannten bürgerlichen Lagers.
Lagerwahlkämpfe sind überhaupt immer weniger machbar, auch wenn
die CDU beides – die antikommunistische Karte zu spielen und Lagerwahlkampf
zu machen – im Jahre 2009 wohl noch einmal versuchen wird.


Hessen hat gerade gezeigt, daß schon die einseitige Koalitionsaussage
eher hinderlich ist: Die FDP will nur mit der CDU, diese nicht mit den
Grünen, die wiederum nicht mit der CDU, gern aber mit der SPD, aber
alle nicht mit den Linken. So kam es eben nicht zu einer Regierungsbildung:
SPD-Grün reichte nicht, Schwarz-Gelb auch nicht; die Grünen
wollten nicht der Lückenbüßer für eine schwarz-gelbe Koalition sein
und die FDP nicht für eine SPD-grüne; und Koch-Ypsilanti ging sowieso
nicht. Damit war alles blockiert, bis auf Ypsilantis Versuch mit der LINKEN,
der durch die Gewissensträger verhindert wurde.


Nun kommen die Neuwahlen am 18. Januar 2009. »Leihstimmen«
nach dem Motto: »Wählt FDP, damit ein CDU-Ministerpräsident regieren
kann!«, wird es nicht mehr geben. Jede Partei muß um ihrer selbst willen
gewählt werden, wegen ihres mehr oder weniger überzeugenden
oder attraktiven Programms, wegen ihres Personals und/oder wegen ihrer
politischen Positionen. Damit weiß der Wähler aber auch weniger
als früher, was er für eine Regierung bekommt – es wird erst gewählt
und dann geprüft werden, mit wem eine Regierungsbildung möglich ist.
Keine Koalitionsaussage zu machen, heißt da für die SPD in Hessen allerdings
auch: »Koch muß weg!« funktioniert nicht, und man geht gegebenenfalls
in eine »Große Koalition«. So wird der große Wahlverlierer
noch zum lachenden Ersten.


Im Bund haben Müntefering und Steinmeier für 2009 eine Koalition
mit der LINKEN ausgeschlossen; NATO-Räson und Militäreinsätze stünden
dem entgegen, anderes auch, aber mindestens dies. Die Grünen haben in Hamburg ein Segel in Richtung CDU gesetzt; im Grunde sind sie
schon jetzt keine linke Partei mehr, nur viele an ihrer Basis haben das
noch nicht gemerkt. SPD-FDP-Koalitionen hat es sowieso schon immer
gegeben. Dennoch meinen viele Beobachter, eher käme es zur Fortsetzung
der »Großen Koalition«. Der CDU mag es gleich sein, ob sie mit »Jamaika
« oder der SPD regiert. Für die SPD aber – sie wird 2009 kaum stärker
sein als die CDU – steht wohl fest, sie stellt den Kanzler nur in einer
anderen Konstellation.


Wenn nach der nächsten Bundestagswahl noch einmal eine »Große
Koalition« kommt, wird auf beiden Seiten 2013 kaum der Wunsch da sein,
noch einmal eine Legislaturperiode in dieser Verkoppelung dranzuhängen,
schon wegen des Kanzlerproblems vor allem bei der SPD nicht. Will
sie dann aber nicht von der FDP erpreßbar sein, braucht sie die »rot-rotgrüne
« Option; sie muß die Öffnung zur LINKEN enttabuisieren.


Unter der sozialdemokratischen Perspektive werden durchaus schon
mal Bedingungen hin- und hergedreht: Die LINKE müsse sich »auf den
Boden der Realitäten stellen« und die Frage »Gestaltungsanspruch versus
Fundamentalopposition« zugunsten der Gestaltung beantworten, sie
müsse ihre Programmatik entsprechend abrunden, und es brauche »ein
Godesberg« in bezug auf die Außenpolitik. Dem steht gegenüber, daß die
angesichts der Weltfinanzkrise veränderten Umstände es eher erfordern,
die politischen Herausforderungen gemeinsam zu definieren, als
den verkristen Wirklichkeiten nachzulaufen.


Und vielleicht werden manche 2013 auch ganz froh sein, den Abzug
der Bundeswehr aus Afghanistan auf die Forderungen der LINKEN zu
schieben. Anderenfalls müßte schließlich eingestanden werden, daß die
Entsendung der Soldaten bereits 2002 falsch war.