THTR - Pannenreaktor mit Zukunft?!

Im westfälischen Hamm steht ein stillgelegter Thorium-Hochtemperatur-Reaktor (THTR). Der Reaktor ging 1983 in Betrieb und wurde nach zahlreichen Pannen und dem Austritt radioaktiver Strahlung bereits 1989 heruntergefahren - trotzdem gelten THTR-Reaktoren als Zukunft der Atommeiler.

Niemand hatte geahnt, was am 4. Mai 1986 im Forschungsreaktor in Hamm-Uentop geschah - alle Welt blickte nach Tschernobyl, wo 8 Tage zuvor ein Atomreaktor explodiert war. Im THTRHamm klemmten am 4. Mai 1986 mehrere Kugelbrennelemente in dem Rohrabzugssystem des Atomreaktors und wurden schließlich mit erhöhtem Druck in die Umwelt geblasen. Die Messanlagen waren zu dieser Zeit aufgrund von Wartungsarbeiten abgeschaltet. Anstatt den schweren Vorfall zu melden, versuchte die Betreiberfirma ihn zu vertuschen. Erst durch Messungen von UmweltschützerInnen wurde bekannt, dass die erhöhte Radioaktivität im Ruhrgebiet nicht nur von der Reaktorkatastrophe in Tschernobyl her rührte, sondern auch aus dem THTR Hamm stammte. Diese und weitere Pannen sowie allgemeine Sicherheitsbedenken führten schon 1989 - nach nur 423 Betriebstagen - zur Abschaltung des Hochtemperaturreaktors in Norden des Ruhrgebiets.

Heute befinden sich noch 1,6 Kilo höchstradioaktiver Stoffe wie Plutonium und Thorium im Atomreaktor, eine Gefahr besteht also auch nach der Abschaltung. Noch im Jahr 1992 ist radioaktives Tritium aus der Anlage ins Grundwasser gelangt. Hohe Kosten verursacht der Pannenreaktor ebenfalls - die jährlichen Stilllegungskosten betragen 5,6 Millionen Euro von denen die heutige Betreiberfirma RWE nur 166.000 Euro übernimmt. Für die restlichen Kosten kommt das Bundesland Nordrhein-Westfalen, das eine Mitverantwortung bei dem Projekt trägt, auf. Der Stilllegungsbetrieb soll noch bis 2027 andauern.

„Wir wurden für einen hochgefährlichen Reaktortest missbraucht", empörte sich Horst Blume von der Bürgerinitiative Umweltschutz Hamm auf der diesjährigen Tschernobyl-Gedenkkundgebung, die vor dem THTR stattfand. Der Bürgerinitiative Umweltschutz Hamm seien zahlreiche Krebsfälle in der Region rund um den stillgelegten Atomreaktor bekannt. Dennoch wurde der Reaktor nicht von der im Dezember 2007 veröffentlichten Leukämiestudie des Bundesumweltministeriums berücksichtigt. Dabei sind die Menschen in der Region wegen der zahlreichen Störfälle im Forschungsreaktor besonders gefährdet. Die Bürgerinitiative hat dem Bundesumweltministerium im Juli 4.000 Unterschriften zur Erstellung einer Leukämiestudie am Standort des Thorium-Hochtemperaturreaktors Hamm überreicht. Ob das Ministerium reagiert, bleibt abzuwarten.

Anders sieht es mit der gefährlichen Technologie aus - die wird schon heute in alle Welt verkauft. In Südafrika wird unter deutscher Beteiligung nahe Kapstadt ein THTR gebaut; Ende April 2008 wurde mit dem Bau eines THTR in China begonnen. Beide Projekte werden von einem Professor der Universität Dresden fachlich begleitet - dieser wird durch deutsche Steuergelder finanziert. Der deutsche Staat und deutsche Unternehmen sorgen also rund um den Globus für die Verbreitung von Hochrisikotechnologie, die selbst in Deutschland aus Sicherheitsgründen lieber heruntergefahren wird.

 

Weitere Informationen:

www.reaktorpleite.de

 

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