Kontinent der Chancen

Das Ende der weißen Dominanz in Afrika

Afrika hatte bisher ein dramatisch schlechtes Jahr 2008. Die Präsidentschaftswahl in Kenia mündete Anfang des Jahres in gewaltsame ethnische Auseinandersetzungen, die über 1500 Menschen das Leben kostete und zur Vertreibung von 300 000 Menschen führte. Rebellen konnten im Tschad über tausende Kilometer von der sudanesischen Grenze aus mit Pick-up-Trucks fast ungehindert zum Präsidentenpalast in N’Djamena vordringen und letztlich nur durch das Eingreifen der französischen Armee an der Machtübernahme gehindert werden. In Kamerun legten tausende Jugendliche mit Straßenblockaden mehrere Tage das Land lahm, um gegen steigende Preise und einen Präsidenten zu protestieren, der qua Verfassungsänderung bis zu seinem Lebensende an der Macht bleiben will. Die Bilanz: einige Dutzend Tote und 200 Jugendliche, die in Schnellverfahren zu 15 Jahren Haft verurteilt wurden. In Südafrika kam es jüngst zu heftigen Ausschreitungen gegen Einwanderer aus den benachbarten afrikanischen Staaten. Und auch die anhaltend dramatischen Zustände im Sudan und in Simbabwe, wo sich Robert Mugabe nur mit Wahlbetrug und brutaler Gewalt an der Macht hält, zeigen, dass noch lange nicht der gesamte Kontinent auf dem Weg zur Demokratie ist – und dass auch die Afrikanische Union immer wieder eklatante Schwächen offenbart.

Ist der nicht nur von der Bundesregierung proklamierte „Kontinent der Chancen“ also bloß eine große Propaganda-Schimäre der Wohlmeinenden? Handelt es sich nicht vielmehr um den Teil der Erde, wo nach wie vor verfeindete Volksgruppen mit Knüppeln, Macheten, Granatwerfern und Kalaschnikows aufeinander losgehen, um sich wechselseitig zu massakrieren?

Nun ist weder das vorhandene Gewalt- und Hasspotential vermeintlicher „Normalbürger“, noch die Existenz machtbesessener, korrupter und unfähiger Eliten eine Exklusivität Afrikas. Wie Vorurteile und Abneigungen in einem aufgeheizten und polarisierten Umfeld in die Tolerierung oder auch Ausübung von Gewalttaten gegen Nachbarn münden können, ist nicht nur beim Auseinanderbrechen Jugoslawiens deutlich geworden. Wenn in Deutschland „Ausländer“ unter Duldung der zahlreichen Zuschauer durch Straßen gehetzt werden, dann ist das mit den Gewaltexzessen in Eldoret, Nakuru und Kisumu in Kenia zwar nicht vergleichbar. Es zeigt aber, wie schnell das breite Fundament von Konventionen und Institutionen, die in einem zivilisierten Staat wie der Bundesrepublik für das zivile Austragen von Konflikten sorgen, brüchig werden kann.

In der Beobachtung Afrikas, einzelner Länder oder auch der dortigen Führungseliten neigen selbst seriöse und langjährige Beobachter zum „Schwarz-Weiß-Denken“ und zum „Maximalismus“. Entweder „kaputter Kontinent“ oder „Hoffnungsträger“, entweder „unfähig und korrupt“ oder „Lichtgestalt“. Ulrich Menzel hat vor Kurzem an dieser Stelle einen Essay mit dem Titel „Von Asien lernen?“ veröffentlicht. Dort fragt er, warum Entwicklung in vielen Teilen Asiens so gut und in Afrika so relativ schlecht funktioniert. Seine Antwort lautet, dass die erfolgreichen asiatischen Länder über eine lange Tradition von Staatlichkeit, kultureller und intellektueller Blüte verfügen. Selbst die Kolonialisierung hätte – zum Beispiel in China – nur „oberflächlich“ stattgefunden und das gesellschaftliche Gefüge des Landes kaum verändert.

Genau diese Tradition jahrhunderte- oder gar jahrtausendealter eigener gefestigter Staatlichkeit fehlt Afrika, abgesehen von der Mittelmeerküste und dem Sonderfall Äthiopien. Und das, was an eigenständigen Strukturen vorhanden war, wurde durch die Kolonialisierung vollständig zerstört und deformiert. Deshalb wird man Afrika zugestehen müssen, dass es für die Ausbildung eines staatlichen Gewaltmonopols Zeit braucht. Gesellschaftlich akzeptierte Institutionen lassen sich nicht von außen verordnen, sondern müssen sich in Konflikten mühsam herausbilden. Das war in Europa nicht anders.

 

Licht oder Schatten

Bleibt die spannende Frage, ob es in Afrika in den letzten Jahrzehnten signifikante Zivilisierungs- und Entwicklungsfortschritte gegeben hat. Ich befasse mich seit über 25 Jahren beruflich und privat mit Afrika. Das bedingt, will man nicht zum Zyniker werden, einen gewissen „Berufsoptimismus“. Allerdings wäre die Intensität des persönlichen Engagements sicher geringer, wenn ich rückblickend nicht feststellen könnte, dass sich in Afrika allen Katastrophen zum Trotz viel zum Positiven gewendet hat.

Ich mache Fortschritte nicht in erster Linie an gebauten Schulen, Alphabetisierung, Lebenserwartung oder Straßenkilometern fest. In allen diesen Bereichen geht es glaubwürdigen Statistiken zufolge voran. Für mich liegt – wenn ich 25 Jahre zurückschaue – der entscheidende Unterschied in der heutigen Ausbildung und Professionalität meiner afrikanischen Gesprächspartner. Ich erinnere mich noch gut daran, dass die ersten afrikanischen Unternehmer, die ich in Nigeria kennenlernte, Frühstücksdirektoren oder, politisch inkorrekt formuliert, „Strohpuppen“ ihrer ausländischen Geschäftspartner waren. Sie wurden gebraucht, weil Ausländer in Nigeria gesetzlich gezwungen waren, 50 Prozent der Anteile an ihren Unternehmen an lokale Anteilseigner abzugeben. In der Community der ausländischen Experten war es unbestrittener Konsens, dass sich Afrikaner nicht für verantwortliche Positionen eignen, da sie leicht beeinflussbar, nicht qualifiziert und unzuverlässig seien. Wenn eine Position im Management einer Gesellschaft an Afrikaner vergeben wurde, dann die des Personalchefs; und dies hatte fast immer Alibicharakter. Private Kontakte zwischen Schwarzen und Weißen auf gleicher Augenhöhe waren in diesen Kreisen vereinzelte Ausnahmen. Und nach der Freilassung von Nelson Mandela war es die einhellige Auffassung fast aller älteren Kolleginnen und Kollegen, dass Südafrika jetzt ins Chaos stürzen würde.

Das zumindest hat sich gründlich geändert. Wer heute in Nigeria erfolgreich Geschäfte machen will, wird sich mit sehr selbstbewussten und vielfach auch verdammt guten nigerianischen Unternehmern und Managern auseinandersetzen müssen. Das Zeitalter der Dominanz der „weißen Experten“ geht nun auch in Afrika seinem Ende entgegen. Als der französische Unternehmer Vincent Bolloré nach Ausbruch des Bürgerkrieges in der Elfenbeinküste gezwungen war, den Großteil seiner weißen Fachkräfte („Expatriates“) abzuziehen, merkte er plötzlich, dass seine Unternehmen auch problemlos ohne sie funktionierten. Heute kommen auch aus exzellenten Hochschulen Afrikas, wie der Technischen Hochschule aus Kumasi in Ghana, den Universitäten in Kenia oder der Jesuitenhochschule in Yaoundé in Kamerun, afrikanische Akademiker auf den Arbeitsmarkt, die den Vergleich mit ihren westlichen Studienkollegen in keinerlei Hinsicht scheuen müssen.

Viele Bereiche des Wirtschaftslebens, wie Anwaltskanzleien, Wirtschaftsprüfer, EDV-Firmen, Banken, Versicherungen, Transportunternehmen, die Bau- oder die Nahrungsmittelindustrie, sind zunehmend „afrikanisiert“. Qualifizierte und berufserfahrene afrikanische Manager besetzen die Leitungspositionen. Und was für mein Tätigkeitsfeld, die Wirtschaft, gilt, lässt sich auf viele andere Bereiche der afrikanischen Gesellschaft übertragen. Im Gesundheitsbereich sind die Zeiten, wo man in den Provinzkrankenhäusern kaum einen afrikanischen Arzt fand, vorbei. In Behörden, Kirchen oder auch Nichtregierungsorganisationen findet man häufiger Afrikaner, die eine Zeitlang in Europa an verantwortlicher Stelle gearbeitet haben, die es aber jetzt in ihre Heimatländer zurückzieht.

 

Bildung, Aufschwung, Bürgerkrieg

Nun schützt Bildung nicht vor Bürgerkrieg. Die vom ivorischen Präsidenten der Elfenbeinküste, Laurent Gbagbo, im Machtkampf als Schlägertrupps eingesetzten „Jeunes Patriotes“ waren vorwiegend Studenten und Abiturienten. Intellektuelle Brillanz kann mit gewalttätiger Skrupellosigkeit einhergehen, zumal wenn der Einsatz für die „gerechte Sache“ tribalistische Motive bemäntelt. Gegenüber der gewalttätigen Logik der Straße bleiben selbst ausgebildete gesellschaftliche Strukturen hilflos, insbesondere dann, wenn Zivilcourage das Leben kosten kann, wie es in einigen Teilen Kenias Anfang des Jahres der Fall war. (Es gab immerhin auch Landesteile, in denen politische und gesellschaftliche Eliten den Ausbruch von Gewalttätigkeiten aktiv verhindert haben.) Ethnische Zugehörigkeiten prägen weiterhin die Gesellschaften großer Teile Afrikas, auch wenn die Herausbildung einer globalisierten Mittelschicht in einigen afrikanischen Schwellenländern die ethnischen Gegensätze zeitweise übertünchte. Die Dynamik der wirtschaftlichen Entwicklung kann diese Gegensätze sogar noch verschärfen. So wäre die Entwicklung der Elfenbeinküste zum weltweit größten Exporteur von Kakao ohne den Zuzug von hunderttausenden Landarbeitern und Bauern aus Mali und Burkina Faso nicht möglich gewesen. Diese entwickeln aber mit der Zeit Ansprüche auf das Land, das sie bewirtschaften – Ansprüche, die die alteingesessene Bevölkerung nicht selten mit blutiger Gewalt beantwortet.

Die Dynamik ethnischer Konflikte ist auch nicht primär das Ergebnis geplanter Politik. Die Tatsache, dass die Kikujus in Kenia als Handwerker, Bauern und Händler am stärksten vom wirtschaftlichen Aufschwung profitierten und damit zum Objekt des Neides anderer Volksgruppen wurden, hat auch viel damit zu tun, dass sie im Schnitt besser ausgebildet sind und unternehmerischer denken und handeln. Ein Kikuju-Taxifahrer wird viele, viele Überstunden machen, damit seine Kinder auf eine private, bessere Grundschule gehen können. Solche ethnischen Mentalitätsunterschiede können ihre Ursache in der gesellschaftlichen Organisationsform der traditionellen Stammesgesellschaften haben, die bis in die heutige Zeit wirken. So führt die starke Leistungs- und Wettbewerbsorientierung der Bamilike in Kamerun dazu, dass heute acht von zehn erfolgreichen kamerunischen Unternehmern, vom Kleinhändler bis zum Besitzer einer Bank, dieser Volksgruppe entstammen. In der Bamilike-Kultur gibt es den Alleinerben. Dies ist aber nicht der Älteste, sondern derjenige Sohn, der nach Ansicht des Vaters oder der Familie „der Beste“ ist. Die Nichterben ziehen in die Ferne und investieren ihren Ehrgeiz darin zu beweisen, dass sie mindestens so erfolgreich sind wie der benannte Erbe.

Solche kulturellen Unterschiede wurden von den Kolonialherren im Rahmen einer Politik des „Teile und Herrsche“ gefördert und zementiert und wirken bis heute nach. Leider hat die Welle der Demokratisierung in Afrika dazu geführt, dass viele Politiker auf ethnische Polarisierung gesetzt haben, um Wahlen zu gewinnen. Man denke nur an Gbagbo in der Elfenbeinküste oder Raila Odinga in Kenia. Als „sozialistischer“ Oppositionspolitiker konnte Gbagbo mit seinem Diskurs der „Ivoirité“ auf die Unterstützung der Sozialistischen Internationale setzen, während sich der kenianische Oppositionspolitiker und Industrielle Odinga mit seiner Forderung nach Gerechtigkeit, die unterschwellig eine klare ethnisch polarisierende Färbung hatte, von dem deutschen Musiker und „Linken“ Andrej Hermlin, dem Sohn des bekannten Schriftstellers Stephan Hermlin, in der Presse feiern ließ.

Und dennoch: Die Welle der Modernisierung, die Afrika erfasst hat, mag zeitweise ethnische Konflikte und neopatrimoniale Herrschaftsverhältnisse bestärken; mittel- und langfristig entzieht sie traditionellen Strukturen die Basis.

Das positive wirtschaftliche Wachstum fast aller afrikanischen Staaten in den letzten vier Jahren wurde weitgehend den steigenden Rohstoffpreisen zugerechnet. Doch das ist weniger als die halbe Wahrheit. Die Wachstumsimpulse sind vielmehr zu einem erheblichen Teil auf bedeutende Strukturveränderungen afrikanischer Ökonomien zurückzuführen. Exemplarisch dafür ist die Reform des nigerianischen Bankensektors. Dieser zählte noch vor fünf Jahren über 100 Banken, nicht wenige zu dem Zweck gegründet, ihren Eigentümern Geld und Kredite zu beschaffen. Geldwäsche, Korruption und Umgehung der Devisenbestimmungen des Landes waren weit verbreitet. Die größeren, seriöseren Institute machten ihr Geschäft im Wesentlichen mit der Finanzierung des Im- und Exportes sowie mit einigen großen Unternehmen.

Dieses Bild hat sich radikal gewandelt. Mit der Auflage, dass alle Banken innerhalb von zwei Jahren mindestens 200 Mio. Euro Eigenkapital aufzuweisen haben, haben Regierung und Bankaufsicht die nigerianische Bankenlandschaft in kurzer Zeit völlig verändert. Es sind nur 25 Bankinstitute übrig geblieben, die sich das nötige Kapital weitgehend über die Börse beschaffen mussten. Die erforderlichen Milliarden Euro wurden dabei zu einem Großteil von Nigerianern aus dem In- wie Ausland aufgebracht. Aus eigentümergeführten Instituten wurden Aktiengesellschaften, die für eine breit gestreute Anteilseignerschaft Rendite erwirtschaften müssen. Die Luft für Gefälligkeitskredite und Patronage wird damit dünner, stattdessen entwickelt sich zwischen den Banken ein lebhafter Wettbewerb auf dem Markt für Konsumenten- und Unternehmenskredite. Auch das Geschäftsfeld der Mikrofinanzierung und der ausländischen Diaspora wird jetzt von einer Reihe von nigerianischen Geschäftsbanken ernsthaft bearbeitet. Für viele Nigerianer, die bisher bei New Yorker Banken in Lohn und Brot standen, ist die Rückkehr nach Lagos zu einer professionell und auch monetär attraktiven Alternative geworden.

 


Wirtschaftliche Revolutionen

Das Beispiel Nigerias steht nicht allein. Die meisten Länder Afrikas weisen heute einen gesunden und dynamischen Finanzsektor mit einer funktionierenden Bankaufsicht aus, der – entgegen einem verbreiteten Vorurteil – auch zunehmend Kredite für kleinere und größere afrikanische Unternehmer bereitstellt. Und der Finanzsektor steht wiederum nicht allein, was die Umwälzung von traditionellen Verhältnissen in Afrika anbelangt. Noch einschneidender dürfte die Revolution im Telekommunikationsbereich sein. Lag die sogenannte Teleintensität, das heißt die Zahl der Telefonanschlüsse pro Kopf der Bevölkerung, noch Ende des letzten Jahrzehnts bei zwei bis drei Prozent, so beträgt sie heute aufgrund der Verbreitung des Mobilfunks in Schwellenländern wie Ghana, Senegal oder Gabun bereits über 25 Prozent, Tendenz rasch steigend. Alle diese Länder investieren heute massiv in den Ausbau von sogenannten Backbone-Glasfasernetzen und in Unterseekabel, was die Verfügbarkeit hochwertiger Internetverbindungen bis in kleinere afrikanische Mittelstädte in den kommenden Jahren deutlich verbessern und die Kosten der Internetnutzung verringern dürfte.

Doch auch diese technologische Revolution hat nicht nur Lichtseiten. Im kenianischen Wahlkampf wurden ethnische Hassbotschaften vorwiegend via SMS verbreitet. Andererseits ist klar, dass zum Beispiel Fischer, Kakao- oder Gemüsebauern mit dem Mobiltelefon weit mehr Informationen über Märkte erhalten als zuvor, die Machtbasis von Zwischenhändlern und traditionellen Autoritäten somit schrittweise untergraben wird.

Und die nächste wirtschaftliche Revolution deutet sich schon an. Ausgehend vom südlichen und östlichen Afrika erobern moderne Supermarktketten wie Shoprite aus Südafrika oder Nakumatt aus Kenia den Kontinent. Die Erfolgsformel ist denkbar einfach: eine hypermoderne und komfortable Einkaufsumgebung mit Preisen bei den wichtigen Nahrungsmitteln, die unter denen der traditionellen Märkte liegen. Nun mag man diese Entwicklung, die den afrikanischen Straßenmärkten zum Teil die wirtschaftliche Grundlage entziehen wird, bedauern. Sie bringt in der Tat eine tiefgreifende Veränderung sozialer Beziehungen mit sich. Aus selbstständigen Händlern werden Angestellte von Supermärkten, aus Subsistenzbauern, die gelegentlich Überschüsse auf dem nahe gelegenen Markt verkaufen, Vertragsbauern für Unternehmen, die die Supermärkte in den rasch wachsenden Städten mit Nachschub versorgen. Wie schon durch das Voranschreiten der Telekommunikation werden durch die Veränderung der Handelsstrukturen informelle durch formelle Wirtschaftskreisläufe ersetzt. Dies erklärt, wesentlich stärker als alle technische Entwicklungshilfe, den erstaunlich deutlichen Anstieg der Steuereinnahmen in allen afrikanischen Schwellenländern. Die formelle Ökonomie ist auf dem Vormarsch, und damit verbreitert sich auch die Steuerbasis.

Die bessere Ausbildung und der Strukturwandel der Ökonomie wirken sich wiederum auf die Zusammensetzung der Eliten aus. Neben den alten Eliten, die ihr Emporkommen ethnischer oder politischer Patronage verdanken, gewinnen Leistungseliten an Gewicht. Und selbst die Firmenkonglomerate, deren ursprüngliche Akkumulation sich politischer Begünstigung verdankt, müssen zunehmend professionell geführt werden, wollen sie sich im globalisierten Wettbewerb behaupten.

Wer heute in Afrika in der Lage ist, die wachsende Kaufkraft mit intelligenten Geschäftsmodellen – im Handel, im Bereich der Telekommunikation, der Erzeugung von preiswerten und attraktiven Lebensmitteln oder mit intelligenten Bauträgermodellen, die auch für die untere Mittelschicht ein eigenes Haus erschwinglich machen – zu bedienen, wird im Zweifelsfall mehr und nachhaltiger Geld verdienen als der Warlord, der eine Minenkonzession mit Gewalt verteidigt. Diese Erkenntnis dürfte nicht zuletzt die Kompromissfähigkeit von Regierung und Opposition in Kenia beflügelt haben. Und gerade weil der „autoritäre Entwicklungsstaat“ in Afrika, anders als in Asien, keine wirkliche historische Basis hat, wird sich das Austragen der mit der Modernisierung verbundenen Konflikte kaum „asiatisch“ organisieren lassen. Für die modernen nachwachsenden afrikanischen Führungseliten gibt es deshalb zur westlichen Demokratie keine Alternative (was von der chinesischen Politik in Afrika vielfach übersehen wird).

Dramatische politische Krisen und Konflikte sollten deshalb nicht dazu führen, die Augen vor den in Afrika wirkenden längerfristigen Trends zu verschließen. Afrika bleibt ein Kontinent der Chancen, auch wenn Konflikte und Bürgerkriege zeitweise das Gegenteil vermuten lassen.


1 Wie es Hans Christoph Buch in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ vom 15.2.2008 formulierte.
2 Ulrich Menzel, Von Asien lernen? In: „Blätter“, 3/2008, S. 43-51.
Analysen und Alternativen - Ausgabe 08/2008 - Seite 77 bis 81