Die Luftschlösser der Atomkraft

in (22.10.2008)

Die Atomindustrie wittert Beute: Die Verlängerung von Laufzeiten scheint realistisch, der Ausstieg aus dem Ausstieg ist in Sicht. Die bislang stabile Mehrheit der Deutschen gegen Atomkraft bröckelt. Die Anti-AKW-Bewegung ist perplex, dass sich die öffentliche Meinung so schnell gewandelt hat. Damit hatte niemand gerechnet. Die Atomindustrie hingegen ist besser vorbereitet und nutzt die Gunst der Stunde. Die PR-Strategen wissen, dass sie sowieso nur in Krisenzeiten eine Chance haben, ihre Märchen unters Volk zu jubeln. Und so sind Klimaschutz und hohe Energiepreise die Themen, auf die sich die Atomlobby stürzt wie schon vor dreißig Jahren. Die Argumente wurden bereits tausendfach widerlegt. Doch damals wie heute dienen sie dazu, die Luftschlösser einer nuklearen Welt aufrechtzuerhalten.

Minimaler Klimaschutz... 

Welchen Beitrag Atomkraft zum Klimaschutz leisten kann, hat gerade letztes Jahr noch das Öko-Institut Darmstadt vorgerechnet. Unter Rückgriff auf eine Datenbank, in der vor- und nachgelagerten Prozesse der Stromerzeugung berücksichtigt wurden, hat die Forschungseinrichtung herausgefunden, dass die Kilowattstunde Atomstrom 31 Gramm CO2 produziert. Berücksichtigt man, dass dabei keine nutzbare Wärme erzeugt wird, ähneln Atomkraftwerke aus Klima-Sicht modernen Gas-Blockheizkraftwerken.

Zu berücksichtigen ist auch, dass der Klimawandel ein globales Problem ist, und dass Atomkraft nicht einmal drei Prozent am weltweiten Energieverbrauch ausmacht. Selbst wenn die Energie, die heute aus der Kernspaltung gewonnen wird, vollständig durch fossile Brennstoffe ersetzt würde - und davon ist bei dem derzeitigen Boom der Erneuerbaren nicht auszugehen - wären die Auswirkungen auf das Klima minimal. 

... maximale Kosten.

Mindestens genauso alt ist das Märchen der billigen Atomenergie. Atomkraft ist nicht billig und war es noch nie. Von Anfang an wurde diese Risikotechnologie in Milliardenhöhe staatlich gefördert. Auch heute noch wird mehr an Atomkraft geforscht als an erneuerbaren Energien. Und das obwohl keine Ernst zu nehmende Politikerin Atomkraft als die Zukunftstechnologie sieht.

Die Kosten für die Endlagerung werden auf spätere Generationen abgewälzt, die Kosten im Falle eines Unfalls auf die Gesellschaft. Billig ist der Atomstrom nur für den Hersteller. Versichert sind die Atomkraftwerke bis zu einer Summe von 2,5 Milliarden Euro. Das klingt viel, ist aber ein Klacks, wenn es zum Super-GAU kommt. Das Bundeswirtschaftsministerium beziffert die Gesamtschadenshöhe auf 5 Billionen Euro, also das 2000(!)fache - die zahlreichen Todesfälle, Tragödien und Einzelschicksale sind ohnehin nicht in Geld messbar. 

Und selbst wenn sich an diesen skandalösen Zuständen nichts ändert, wird ein Weiterlaufen der deutschen Atomkraftwerke sicherlich nicht zu billigerem Strom führen - sondern allemal zur weiteren Gewinnsteigerung auf Seiten der großen Atomkonzerne. Denn der Strompreis ist (weitestgehend) einheitlich und wird festgesetzt durch die Kraftwerke, deren Kosten am höchsten sind. Und das sind Atomkraftwerke bei weitem nicht. Sind die Baukosten eines AKWs erst einmal gedeckt, verwandelt es sich in einen reinen Goldesel. Jedes Jahr Laufzeitverlängerung bringt pro Atomkraftwerk über 100 Mio. Euro Zusatzgewinne. Kein Wunder, dass die Luftschlösser einer nuklearen Welt permanent aufwendig restauriert werden.

Bleibt zu hoffen, dass diese Luftschlösser explodieren, bevor jenes Schicksal einem Atomkraftwerk widerfährt.

 

-----

Dieser Artikel kann gerne weiterverbreitet werden, unter folgenden
Bedingungen:  Nennung der Autorin bzw. des Autors und des Erscheinens
in der utopia; keine kommerziellen Zwecke; keine Bearbeitung. (Lizenz)