„Ein treuer und unbelohnter Diener seines Landes“

Risiko CIA-Connection: Spionagelohn nicht einklagbar

Er sei „jahrelang ein treuer und unbelohnter Diener seines Landes gewesen“, heißt über den Helden auf der letzten Seite des ersten historischen Romans der amerikanischen Literatur, in James Fenimore Coopers „Der Spion“ aus dem neuzehnten Jahrhundert. Jüngst beschäftigte ein „unbelohnter Diener seines Landes“ den Obersten Bundesgerichtshof der Vereinigten Staaten in Washington, der am 2. März 2005 in der Sache „Tenet versus Doe“ entschieden hat, daß Klagen gegen die Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika und deren Nachrichtendienste auf Lohn aus Spionageverträgen erfolglos bleiben müssen. Die Kläger, ein Ehepaar, die im Rechtsstreit unter dem fiktiven Namen „John und Jane Doe“ auftreten, machten gegenüber der Regierung und dem CIA geltend, daß die CIA es unterlassen habe, versprochene finanzielle Unterstützungen im Gegenzug für während des Kalten Krieges erbrachte Spionagedienste zu leisten. Im Urteil werden die Kläger beschrieben als „frühere Bürger eines fremden Landes, das zu jener Zeit als Feind der Vereinigten Staaten angesehen wurde, und wo John Doe ein hochrangiger Diplomat für dieses Land war“. Als dieser Interesse geäußert habe, sich in die USA abzusetzen, sei er vom CIA überredet worden, noch eine Weile auf Posten zu bleiben, um nachrichtendienstlich für die USA zu arbeiten; dazu wurde versprochen, die Regierung würde die „Reise in die USA arrangieren und für das Leben finanzielle und persönliche Sicherheit gewährleisten“. Die Kläger wurden nach ihrem Überlaufen unter falschem Namen und Hintergrund Bürger der Vereinigten Staaten und bekamen von der CIA den „PL-110“ Status, also finanzielle und auf ihrer Sicherheit dienende Hilfen. John Doe erhielt eine Beschäftigung im Bundesstaat Washington. Die Steigerungen seinen Einkommens aus dieser Arbeit führten zum dem entsprechenden Abschmelzen der CIA-Stipendiums bis zu dem Punkt, an der er einer Aussetzung der Zahlungen für die Dauer seiner Arbeit zustimmte. Jahre später, 1997, wurde er jedoch bei einem Umstrukturierung seiner Arbeitsstelle, einem Zusammenschluß, „freigesetzt“ und es war ihm unmöglich – infolge der Restriktionen, die ihm von der CIA für sein Arbeitsprofil auferlegt waren – neue Arbeit zu finden. Sie wandten sich an die „Agentur“, d.h. bekanntlich „Agency“, aber diese verstand sich nicht als Agentur für Arbeit und verweigerte finanziellen Beistand, so daß es schließlich zum Rechtsstreit kam. Die Insider können nun spekulieren, wer die von den USA Enttäuschten sein könnten, gab es doch im maßgeblichen Zeitraum etliche prominente Überläufer, die teilweise auch öffentlich viel Aufmerksamkeit fanden wie etwa der stellvertretende Generalsekretär der Vereinten Nationen, der UdSSR-Diplomat Arkadi Nikolajewitsch Schewtschenko, der im April 1978 in die USA wechselte (vgl. die 1985 englisch und deutsch erschienene Darstellung: Arkady N. Shevchenko, „Breaking with Moscow“ / „Mein Bruch mit Moskau“) oder im November 1985 die Odyssee des KGB-Mitarbeiters Witali Jurtschenko (vgl. Ronald Keßler, „Escape from the CIA“, New York 1992). Der Oberste Gerichtshof wies die Klage ab, da auf den vorliegenden Fall die Totten-Rechtsprechung aus dem Jahre 1875 Anwendung finde. Enoch Totten, der Verwalter William A. Lloyds, beanspruchte einst Leistungen für Spionagedienste während des Bürgerkriegs – Lloyd hatte eine Vereinbarung mit Präsident Lincoln im Juli 1861, hinter den Linien der Konföderierten, die Truppendislozierungen, Forts und andere Befestigungsanlagen der Südstaaten auszukundschaften, wofür ihm monatlich zweihundert Dollar gezahlt werden sollten. Nach dieser alten Rechtsprechung kann die Regierung nicht verklagt werden, soweit sich die Klage auf Spionagevereinbarungen bezieht. Denn bei diesen handele es sich um geheime Verträge, mit deren Natur es unvereinbar sei, daß ein ehemaliger Spion hieraus Forderungen geltend mache. Es müsse einen Bereich von Staatshandeln geben, dem Geheimnisschutz zukomme, was wiederum dem Offenlegungs- und Beweisgeboten von Rechtsstreitigkeiten widerspreche, so daß solche Geheimdiensttätigkeiten nicht justiziabel seien. Das überrascht den juristischen Laien nicht, dem gewärtig ist, daß solche Dienste für die „Dienste“ nur auf einem Gentleman’s Agreement beruhen, oder wie es der Supreme Court einst im Totten-Fall beschrieb:“Both employer and agent must have understood that the lips of the other were to be for ever sealed“. So ist Spionagelohn Rechtsgegenstand nur für den ausspionierten Staat, der diesen beim enttarnten Spion einzieht – mit problematischen, fiktiven Berechnungen, wie zahlreiche Prozesse zur innerdeutschen Spionage nach dem Untergang der DDR jüngst deutlich machten. Das Urteil paßt zwar zum Lob auf die wenig verrechtlichten Arbeitsbeziehungen, aber es nun nach Ausscheiden des CIA-Direktors George Tenet zum Jobwunder für die angeschlagenen amerikanischen „Dienste“ führt, erscheint zweifelhaft, erinnert es potentielle Bewerber doch an das Risiko ihres Jobs. [Verfasst: 11. März 2005]