Ein erster Schritt in die richtige Richtung

50 Jahre Gleichberechtigungsgesetz

in (26.05.2008)

Vor 50 Jahren, am 3. Mai 1957, verabschiedete der Bundestag das Gesetz über die Gleichberechtigung von Mann und Frau auf dem Gebiet des bürgerlichen Rechts.

Das Gesetz war ein erster Schritt zur Umsetzung des Gleichbehandlungsgebots im Ehe- und Familienrecht. Schon mit der Gründung der Bundesrepublik Deutschland war im Grundgesetz (GG) von 1949 in Artikel 3 Absatz 2 festgeschrieben worden, dass Männer und Frauen gleichberechtigt sind. Gleichwohl tat man sich mit der rechtlichen Verwirklichung der Gleichstellung in den Anfangsjahren der Bundesrepublik schwer. Bereits im Jahr 1953 hätten gesetzliche Neuregelungen unterhalb der Verfassungsebene erfolgen müssen, da alle Bestimmungen, die dem Grundgesetz widersprachen, zum 31. März 1953 außer Kraft traten. Dies galt für große Teile des Ehe- und Familienrechts, die die Wertung des verfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgebots nicht berücksichtigten. Trotzdem dauerte es weitere vier Jahre bis der Deutsche Bundestag endlich das erste Gleichberechtigungsgesetz verabschiedete. Die gesetzlichen Neuerungen zur Verwirklichung der Gleichberechtigung stießen auf erbitterten Widerstand vieler männlicher Parlamentarier. Die Vorstellung, dass die natürliche Verschiedenheit der Geschlechter auch in der Rechtsordnung ihren Niederschlag finden müsse, war damals noch weit verbreitet. Dies zeigt beispielsweise die Diskussion um den väterlichen Stichentscheid.

Väterlicher Stichentscheid

Trotz hitziger Debatten für mehr Gleichberechtigung bei Fragen der Kindererziehung verankerte das Gleichberechtigungsgesetz von 1957 ein Letztentscheidungsrecht des Vaters in Erziehungsfragen - den so genannten Stichentscheid. Der mit dem Gleichberechtigungsgesetz neu gefasste § 1628 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) lautete: "Können sich die Eltern nicht einigen, so entscheidet der Vater; er hat auf die Auffassung der Mutter Rücksicht zu nehmen."1 In Ergänzung dazu übertrug § 1629 BGB die gesetzliche Vertretung des minderjährigen Kindes dem Vater. Der Mutter stand die gesetzliche Vertretung nur zu, soweit sie die elterliche Gewalt allein ausübte oder das Vormundschaftsgericht ihr das in § 1628 Abs. 1 BGB verankerte Entscheidungsrecht des Vaters aus Gründen des Kindeswohls übertragen hatte. Zur Rechtfertigung dieser offensichtlich verfassungswidrigen Bestimmungen wurde in der Debatte von einem damaligen Abgeordneten Dr. Weber (CDU/CSU) vorgetragen: "Wir kennen in Gemeinschaften vielfach das so genannte Zweier-Problem: Man kann ja doch zu einer Entscheidung nicht kommen, wenn sich zwei gleichberechtigt gegenüberstehen. Wenn diese Gemeinschaft aber eine Entscheidung soll treffen können, dann muss eine Regelung vorgesehen sein, nach der der eine oder der andere sie treffen kann. Weshalb muss und soll der Mann diese Entscheidung treffen? Die Begründung entnehmen wir aus der ganzen Entwicklung seit Jahrhunderten..."2 Mangels stichhaltiger inhaltlicher Gründe blieb dem Abgeordneten nichts anderes übrig als die künftige rechtliche Benachteiligung der Frau mit der patriarchalen Unterdrückung von Frauen in den vergangenen Jahrhunderten zu rechtfertigen. Daneben wurde die Regelung zum väterlichen Letztentscheidungsrecht auch damit begründet, dass diesem männlichen Vorrecht das Recht der Frau auf Letztentscheidung im Haushalt korrespondiere. Diese verfassungswidrige Auffassung kommentiert Hildegard Krüger (Mitautorin eines Kommentars zum ersten Gleichberechtigungsgesetz) zutreffen mit den Worten: "Die Frage, ob das Kind die höhere Schule abschließt oder in die Lehre kommt, ob sein schielendes Auge operiert wird oder als ständiger Schönheitsfehler bleibt, ob die Tochter studiert oder Verkäuferin wird, lebenswichtige Fragen, die die von der Frau geborenen Kinder betreffen, werden irgendwelchen mehr oder weniger unwichtigen Fragen der Haushaltsführung gleichgesetzt."3

Nachhilfe aus Karlsruhe

Die Regelungen zum väterlichen Letztentscheidungsrecht waren glücklicherweise nicht lange gültig. Kurz nach Inkrafttreten gab das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) dem Parlament ein wenig Nachhilfe in Sachen Gleichstellung und erklärte die §§ 1628 und 1629 Abs. 1 BGB für verfassungswidrig. Dazu führte das BVerfG sinngemäß aus, dass Artikel 3 Abs. 2 GG auch im Verhältnis von Mann und Frau zu ihren Kindern volle Geltung entfalte und daher Vater und Mutter die elterliche Gewalt rechtlich gleichberechtigt auszuüben hätten.4 Zu berücksichtigen ist jedoch, dass die VerfassungsrichterInnen trotz der fortschrittlichen Entscheidung im Hinblick auf den väterlichen Stichentscheid im selben Urteil die objektiven biologischen oder funktionalen Unterschiede der Geschlechter im Familienrecht betonten und daraus unterschiedliche rechtliche Bestimmungen im Hinblick auf die Rolle der Ehegatten erlaubten. So verwiesen sie darauf, dass es mit dem Gleichheitsgebot des Grundgesetzes durchaus zu vereinbaren sei, dass § 1360 BGB bestimmt, die Ehefrau erfülle ihre Verpflichtung, durch Arbeit zum Unterhalt der Familie beizutragen in der Regel durch die Führung des Haushaltes, der Ehemann dagegen durch Erwerbstätigkeit. Das Urteil brachte - jedenfalls teilweise - die althergebrachte Familienhierarchie ins Wanken. Kein Wunder, dass so mancher Familienpatriarch tobte, ob des drohenden Verlusts seiner Vormachtstellung. Die konservativ-katholische Wochenzeitung "Rheinischer Merkur" stimmte ein in das Klagelied vom Untergang des Abendlandes und kommentierte das Urteil mit den Worten, die Entscheidung beruhe auf der "abenteuerliche(n) Irrlehre, der Staat sei - repräsentiert vom Vormundschaftsrichter - der legitime Vater- und Mutter-Ersatz", und entspreche insofern "jene(n) wilden Anfangszeiten des Sozialismus, als anarchistisch lebende Berufsrevolutionäre sich der Frau gegenüber dadurch entpflichteten, dass sie deren unbeschränkte Freiheit und Gleichheit proklamierten". Man könne sich leicht vorstellen, "wie vergnügt man sich in der Sowjetzone die Hände über diese formaldemokratische Einebnung der Familie reiben wird".5 Frauenemanzipation und Sozialismus, pfui Teufel!

Güterrecht und Leitbild Hausfrauenehe

Trotz aller Kritik an den Unzulänglichkeiten des ersten Gleichberechtigungsgesetzes gelang es, erste Ansätze rechtlicher Gleichstellung durchzusetzen. Zu nennen ist hier z.B. die Neuregelung des Güterstandsrechts. Bis zum 31. März 1953 wurde bei einer Heirat das Vermögen der Frau der Verwaltung und Nutznießung des Ehemannes unterstellt, soweit nicht durch Ehevertrag ein anderer Güterstand vereinbart wurde. Dies hatte zur Folge, dass Ehefrauen nicht mehr frei über ihr eigenes Vermögen verfügen konnten. Die Vermögensverwaltung in den Händen des Mannes in Verbindung mit seinem generellen ehelichen Entscheidungsrecht konnte für die Frau die Gefahr fortwährender ehelicher Schwierigkeiten bis hin zur Demütigung in der Rolle einer "Bittstellerin" zur Folge haben. Mit Inkrafttreten des Gleichberechtigungsgesetzes wurde der gesetzliche Güterstand der Zugewinngemeinschaft geschaffen, bei dem das Vermögen des Mannes und das der Frau nicht gemeinschaftliches Vermögen werden. Ein weiterer Schritt zur Gleichstellung der Geschlechter war die ersatzlose Streichung des Kündigungsrechtes des Ehemannes, welches diesem erlaubte, die Arbeitsverträge seiner Frau - unter Einschaltung des Vormundschaftsgerichtes - zu kündigen, wenn die ehelichen Interessen durch die Tätigkeit der Frau beeinträchtigt wurden. Der Gesetzgeber hielt jedoch im ersten Gleichberechtigungsgesetz am gesetzlichen Leitbild der Hausfrauenehe fest (§ 1356 BGB) und sprach der Frau nur dann das Recht zu, erwerbstätig zu sein, soweit dies mit ihren Pflichten in Ehe und Familie vereinbar war. Erst mit Inkrafttreten des Ersten Gesetzes zur Reform des Ehe- und Familienrechts am 01. Juli 1977 wurde das gesetzliche Leitbild der Hausfrauenehe aufgehoben und die Verantwortung für den Haushalt und die finanzielle Versorgung der Familie ausdrücklich beiden Geschlechtern gleichberechtigt zugewiesen.

Wie gehtÂ’s weiter...

Seit 1957 hat sich in gleichstellungspolitischer Hinsicht zwar einiges verbessert. Rechtlich haben Frauen ungehinderten Zugang zum Arbeitsmarkt. Viele Frauen sind mittlerweile berufstätig und dadurch wirtschaftlich nicht mehr bzw. nicht mehr so stark von ihren PartnerInnen abhängig. Es gibt gute Ansätze der Frauenförderung, wie z.B. die Quotenregelungen im Bundesgleichstellungsgesetz (§§ 8,9 BGleiG) und den Landesgleichstellungsgesetzen. Dennoch bleibt festzuhalten, dass für den Bereich der Privatwirtschaft ein den Gleichstellungsgesetzen vergleichbares rechtliches Regelwerk fehlt und dass trotz der bisher erreichten rechtlichen Gleichstellung es noch erheblich an der faktischen Durchsetzung mangelt. Dies zeigt sich beispielsweise daran, dass Frauen in Führungspositionen immer noch unterrepräsentiert sind. So waren Frauen im Jahr 2003 lediglich mit 10 % in den höchsten Entscheidungsgremien der jeweils 50 größten börsennotierten Unternehmen vertreten.6 Zwischen Männern und Frauen besteht nach wie vor ein erhebliches Lohngefälle. Auch sind es immer noch zu mehr als 90 % Frauen, die Familienpflichten wahrnehmen und dadurch Karriereeinbrüche erleiden. Zwar steht die bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie derzeit auf der politischen Agenda. Dies kann jedoch nicht über die Tatsache hinwegtäuschen, dass, wer in diesem Land ein egalitäres Familienmodell leben möchte, neben den steuerlichen Nachteilen (das Ehegattensplitting fördert nach wie vor die Hausfrauenehe) vor allem ein Kinderbetreuungsproblem hat. Zwar haben Kinder ab dem vollendeten dritten Lebensjahr einen gesetzlichen Anspruch auf einen Kindergartenplatz. Ende der 1990er Jahre wurde in Westdeutschland aber noch nicht einmal jedes fünfte Kindergartenkind ganztags betreut. Für unter Dreijährige ist die Situation noch wesentlich schlechter. In Bayern, Baden-Württemberg und Rheinland Pfalz gab es Ende der 1990er Jahre beispielsweise nur für 1,5 Prozent der unter Dreijährigen einen Krippenplatz.7 Angesichts der erst jungen Tradition rechtlicher Gleichstellung der Geschlechter und der jahrhundertealten Tradition patriarchaler Entrechtung von Frauen ist es zwar nicht verwunderlich, dass Frauen immer noch benachteiligt werden. Doch genau hier gilt es anzusetzen und strukturelle Benachteiligungen zu beseitigen. Die Schaffung von flächendeckender, bezahlbarer hochwertiger Kinderbetreuung wäre dabei ein wichtiger Schritt. Lena Dammann lebt und arbeitet in Hamburg. 1 Bundesgesetzblatt I 1957, 609. 2 Protokoll der 206. Sitzung vom 3.5.1967, zitiert nach Krüger, Hildegard / Breetzke, Ernst / Nowack, Kuno, Kommentar zum Gleichberechtigungsgesetz (1958), 508. 3 Krüger, Hildegard / Breetzke, Ernst / Nowack, Kuno, Kommentar zum Gleichberechtigungsgesetz (1958), 507. 4 BVerfGE 10, 59 ff. 5 Wenger, Paul Wilhelm, Vaterlose Gesellschaft, in: Rheinischer Merkur v. 7.8.1959, zitiert nach van Rahden, Till, Demokratie und väterliche Autorität: Das Karlsruher "Stichentscheid"-Urteil von 1959 in der politischen Kultur der frühen Bundesrepublik, Ausgabe 2, 2005, zu finden unter http://www.zeithistorische-forschungen.de 6 Bundesregierung (Hrsg.), 2. Bilanz Chancengleichheit - Frauen in Führungspositionen, Februar 2006, http://www.bmfsfj.de, zu finden unter Publikationen / Forschungsnetz / Forschungsberichte. 7 Ein Fundus an Zahlen und Statistiken findet sich bei Pfundt, Karen, Die Kunst in Deutschland Kinder zu haben, 2004.