Sozialpolitik und Soziale Arbeit jenseits des Wohlfahrtsstaats: Leben auf eigenes Risiko

"Verwundbarkeit und Unsicherheit der eigenen Existenz und die Notwendigkeit, Lebensziele unter den Bedingungen akuter und nicht aufhebbarer Ungewißheit zu verfolgen, werden in einer durchschnittliche

... modernen Gesellschaft dadurch verstärkt, daß alle Lebensäußerungen den Kräften des Marktes ausgesetzt sind. [Â…] Der heutige Staat hat mittlerweile seine früheren programmatischen Eingriffe in die vom Markt geschaffene Unsicherheit aufgegeben oder sehr stark eingeschränkt, er hat die Fortdauer und Intensivierung der bestehenden Unsicherheit verkündet." Zygmunt Bauman

"Das Tolerieren einer Unterklasse ist wirtschaftlich machbar und politisch risikolos. Aber es verrät eine Bereitschaft, die Grundwerte des Bürgerstatus - gleiche Teilnahmerechte für alle - für eine Kategorie von Menschen außer Kraft zu setzen, wodurch überdies der diesen Werten immanente Anspruch auf eine universale Geltung geschwächt wird. Anders gesagt, wenn wir es zulassen, daß, sagen wir, fünf Prozent der Bevölkerung der Zugang zu unserer Bürgergemeinschaft verwehrt wird, dann sollten wir uns nicht wundern, wenn überall in der Gesellschaft Zweifel an der Gültigkeit unserer Werte aufkommen." Ralf Dahrendorf

I
Wir sind Zeugen eines radikalen gesellschaftlichen Umbruchs, dessen längerfristige Konsequenzen noch gar nicht so recht abzusehen sind. Gern will man uns glauben machen, daß mit dem 11. September 2001 die Welt eine andere geworden sei.2 Aber es ist nicht der Terrorismus, durch den unsere Zivilisation aus dem Gleichgewicht gerät, sondern es sind die Kräfte, die in ihrem Inneren wirken, die Gesetze des Marktes, denen alles untergeordnet wird. Die gegenwärtige Metamorphose der Gesellschaft stellt sich dar als ein rücksichtsloser Bruch mit ihrer eigenen Geschichte. An die Stelle eines Individuen und Gesellschaft miteinander verbindenden contrat social 3 tritt zunehmend ein Partikularismus, der sich allein an wirtschaftlichem Erfolg orientiert und dem die Durchsetzung ökonomischer Interessen auch mit den Mitteln "außerökonomischer Zwangsgewalt" (Blanke et al. 1975: 425, 471) als legitim erscheint. Von daher wundert es einen auch nicht, daß mit der ökonomischen Globalisierung auch die Globalisierung der Gewalt Schritt hält. Daß von diesem Gesellschaftsvertrag immer mehr Abstand genommen wird, läßt sich überall erkennen: an der Arroganz, mit der die Apologeten der fundamentalistischen Heilslehre des Neoliberalismus das Gesetz der freien Konkurrenz als das einzige Gesetz, das sie gelten lassen, verkünden und durchsetzen, an dem massenhaften Anstieg der Arbeitslosigkeit und der Prekarität der Arbeits- und Beschäftigungsverhältnisse, an dem Ab- und Umbau der wohlfahrtsstaatlichen Sicherungs- und Unterstützungssysteme, an der wachsenden Zahl von Menschen, die aus der Gesellschaft ausgegrenzt werden und denen die Chance auf Teilhabe verwehrt wird. Zugleich wird Abschied genommen von einer Utopie, die seit über 200 Jahren das große Ziel abendländischer Politik war: von einer demokratisch erfaßten Gesellschaft autonomer Individuen, die die Art und Weise ihres Zusammenlebens selbst bestimmen. Im Gegenteil, beschritten wird ein Weg in einen autoritären Staat, bei dem nicht nur die seit dem späten 18. und frühen 19. Jahrhundert mühsam erkämpften sozialen Errungenschaften wie etwa der Normalarbeitstag 4 oder die Staat, Wirtschaft und Haushalt miteinander verbindenden 5 "wohlfahrtstaatlichen Arrangements" (Kaufmann 1977: 27 ff.) zur Sicherung der Reproduktion der Arbeitskraft bei Krankheit oder Arbeitslosigkeit zum Beispiel den Gesetzen des Marktes geopfert werden, sondern bei dem auch die Leidtragenden dieser Entwicklung, die sogenannten Modernisierungsverlierer, intensivierter gesellschaftlicher Kontrolle und verschärfter staatlicher Repression ausgesetzt sind. Hierbei kommt der Sozialpolitik und der SozialenArbeit, gewissermaßen von ihren ursprünglich solidarischen Füßen 6 auf den nunmehr sozialdarwinistischen neoliberalen Kopf gestellt, eine zentrale Schlüsselstellung zu, indem sie, statt die Sicherung der Existenz zu gewährleisten, fortan subjektive Unsicherheit und Verunsicherung zur Grundlage der von ihr im Einklang mit den Verfechtern der neoliberalen Heilslehre geforderten Eigenverantwortung erhebt.

Wenn wir verstehen wollen, wie dieser sich derzeit in vielen entwickelten kapitalistischen Gesellschaften zutragende Formwandel des Staates herauszubilden vermochte, der beschrieben werden kann als Übergang vom keynesianischen Welfare State zum schumpeterianischen Workfare State, und welche Konsequenzen hiermit für die Sozialpolitik und die Soziale Arbeit einerseits und die davon negativ betroffenen Individuen 7 andererseits verbunden sind, dann ist wenigstens auf die folgenden drei Punkte etwas genauer einzugehen. Zum ersten (Kap. II) ist in groben Zügen zu umreißen, welches Verständnis von Sozialpolitik und Sozialer Arbeit den angestellten Überlegungen zugrunde liegt und in welchem Verhältnis beide zueinander stehen. Zum zweiten (Kap. III) wird sich näher mit der Entwicklungsdynamik und den Strukturveränderungen jener hier in Rede stehenden konkret-historischen Gesellschaftsformationen zu befassen sein, die im Vokabular der sogenannten französischen Regulationsschule als Übergang von der fordistischen zur postfordistischen Gesellschaftsformation analysiert und theoretisiert werden. Zum dritten (Kap. IV) ist nach den Konsequenzen zu fragen, die sich aus dem Formwandel des Staates vom Welfare State zum Workfare State für die Sozialpolitik allgemein und die personenbezogenen sozialen Dienstleistungen im besonderen ergeben. Verdeutlicht werden soll dies am Fall der Bundesrepublik Deutschland, die unter dem Euphemismus "aktivierender Staat" das propagiert, was im angelsächsischen Sprachraum als Workfare State bezeichnet wird. Hierbei wird die Plausibilisierung der These im Vordergrund stehen, daß an die Stelle der bisherigen politischen Programmatik der Gewährleistung von Chancen gesellschaftlicher Teilhabe durch wohlfahrtsstaatliche (Re-)Integrationsmaßnahmen die neoliberale Praxis der sozialpolitischen Produktion und Verwaltung sozialer Ausgrenzung getreten ist, was letztlich für die Soziale Arbeit nichts anderes bedeutet, als selbst einem Prozeß der institutionellen Ausgrenzung unterworfen zu sein.

II
Wirft man einen Blick auf die Geschichte des Wohlfahrtsstaats, eigentlich wäre hier der Plural angezeigt, weil es wegen der nationalen Unterschiede in den politisch-sozialen Machtverhältnissen, den weltanschaulich- politischen Vorstellungen der zentralen Akteure und den jeweiligen institutionellen Arrangements ›den‹ Wohlfahrtsstaat nicht gibt 8, dann zeigt sich, daß dieser, und zwar ungeachtet des Plurals, entstanden ist als historisch notwendige politische Antwort auf negative Auswirkungen des Umbruchs von der feudalen, agrarischhandwerklich geprägten Gesellschaft zur kapitalistisch-industriellen Gesellschaft. Für das Verständnis von Sozialpolitik und Sozialer Arbeit, beides ja Formen, in denen der Wohlfahrtsstaat seinen institutionellen Niederschlag gefunden hat, ist damit zwar ein erster Anhaltspunkt gegeben, der jedoch für deren analytische Durchdringung nicht hinreicht. Hierzu bedarf es eines funktionalen Referenzpunktes, von dem aus sich beide theoretisch bestimmen lassen. Aus einer gesellschaftstheoretisch fundierten Perspektive scheint ein solcher Referenzpunkt zweifellos die staatliche Bearbeitung des mit der kapitalistisch- marktwirtschaflichen Ökonomie aufgeworfenen Dauerproblems der Sicherung der Reproduktion von Arbeitskraft zu sein. Zur Bearbeitung dieses Problems hat derWohlfahrtsstaat ein Set von Programmen, Institutionen und Prozeduren herausgebildet, mit deren Hilfe er einerseits umfangreiche Ressourcen in Form von Steuern und Beiträgen an sich zieht und andererseits diese seiner Klientel in Form von Infrastruktur-, Geld-, Sach- und Dienstleistungen zur Verfügung stellt. Dem liegt die folgende Beobachtung zugrunde.

In einer nach dem Prinzip kapitalistischer Warenproduktion organisierten Ökonomie ist die individuelle Existenzsicherung der Arbeitskraftbesitzer strukturell mit Lohnarbeit als dem Normalmodus der Arbeitskraftreproduktion verknüpft. Das heißt, in der Regel sind Arbeitskraftbesitzer gehalten, ihre Arbeitskraft auf einem eigens dafür vorgesehenen Markt, dem Arbeitsmarkt, zu verkaufen, um über den Weg des Tausches Arbeitskraft gegen Lohn ihre Reproduktion sicherstellen zu können. Deswegen erscheint ihnen die Gefährdung der Tauschvoraussetzungen etwa wegen Arbeitslosigkeit, Krankheit, Behinderung, Alter oder fehlender Qualifikation auch als Gefährdung der Arbeitskraftreproduktion selbst. Da, soziologisch gesehen, nun wenig dafür spricht, daß subsistenzmittellose Individuen gewissermaßen spontan oder aber allein aufgrund des "stumme[n] Zwang[s] der ökonomischen Verhältnisse" (Marx 1977: 765) ihre Arbeitskraft auf demArbeitsmarkt zum Kauf anbieten, ist die Lohnarbeiterexistenz eine höchst unwahrscheinliche, das heißt sozial und kulturell äußerst voraussetzungsvolle Form menschlicher Existenz, die in aufwendigen Prozessen auf der Ebene der Sozialintegration als "Pflicht normiert" und auf der Ebene der Systemintegration als "Zwang installiert" (vgl. Offe 1983: 51) werden muß, wenn sie eine zentrale Rolle bei der Organisation der persönlichen Existenz spielen soll.9

Mit Bezug auf diesen Hintergrund können beide, Sozialpolitik und Soziale Arbeit, begriffen werden als politisch institutionalisierte Reaktion auf das für kapitalistisch-marktförmig verfaßte Gesellschaften stets prekäre Problem der gesellschaftlichen Verallgemeinerung des Lohnarbeitsverhältnisses, das zwei Seiten umfaßt. Zum einen geht es um die Sicherstellung jenes Kommodifizierung genannten Prozesses, durch den mittels repressions-, sozialisations- und protektionspolitischer Programme, Maßnahmen und Institutionen menschliche Arbeitskraft zur Ware und damit zum Gegenstand von Tauschhandlungen wird. In diesem Zusammenhang wären zu nennen die Kriminalisierung und Verfolgung von alternativen, aber nicht unbedingt legalen oder zumindest sozial geachteten Reproduktionsmöglichkeiten wie Bettel, Diebstahl, Raub oder Prostitution, die staatlich organisierte Vermittlung von die Akzeptanz der Lohnarbeiterexistenz befördernden Normen und Werten sowie die Minimierung des am Arbeitsmarkt zwischen Nachfragern und Anbietern bestehenden Machtgefälles. Zum anderen geht es um die Sicherstellung jenes De- Komodifizierung genannten Prozesses, durch den vornehmlich mittels gesundheits- und transferpolitischer Programme, Maßnahmen und Institutionen a) die Marktgängigkeit von Arbeitskraft beständig aufrechterhalten beziehungsweise wiederhergestellt wird und durch den b) dem Verkaufszwang von Arbeitskraft institutionelle Grenzen gesetzt werden wegen vorübergehender Beschädigung (z. B. Krankheit) oder dauerhafter Entbehrlichkeit (z. B. Arbeitslosigkeit, Alter) oder wegen anderweitigen gesellschaftlichen Bedarfs (z. B. Aufzucht).

Mit anderenWorten: Mittels Sozialpolitik und Sozialer Arbeit wird das Lohnarbeitsverhältnis gesellschaftlich verallgemeinert und zugleich individuell annehmbar gestaltet, und zwar indem sie einerseits die marktförmige Verausgabung von Arbeitskraft erzwingen und andererseits selektiven Dispens vom Verkaufszwang erteilen. Da dies jeweils mit Mitteln und in Formen und Ausmaßen erfolgt, die den Wandlungen der politisch-ökonomischen Rahmenbedingungen geschuldet sind, bedeutet dies, daß sich Sozialpolitik und SozialeArbeit in Wellen bewegen der Erzwingung (Kommodifizierung), der temporären Suspendierung (De-Kommodifizierung) und der Rückkehr zur Erzwingung (Re-Kommodifizierung) des Tausches Arbeitskraft gegen Lohn. Beide erfüllen hierbei drei Kernfunktionen: sie sichern ökonomisch die Reproduktion der Arbeitskraft, politisch die Reproduktion des loyalen Stimmbürgers und sozio-kulturell die Aufrechterhaltung einer als gerecht angesehenen Sozialordnung.

Indem Sozialpolitik und Soziale Arbeit Reproduktionsprobleme bearbeiten, sind sie gewissermaßen definitionsgemäß mit faktischen oder potentiellen Abweichungen von einer als gegeben unterstellten Reproduktionsnormalität befaßt, einer Normalität im Sinne einer sowohl empirisch beobachtbaren Regelmäßigkeit als auch einer verbindlich geforderten sozialen Verhaltensregel. Da eine "Norm all jenes abwertet, was auf sie bezogen nicht als normal gelten darf" (Canguilhem 1977: 163), sind mit ihrer Setzung stets auch gesellschaftliche Selektionsprozesse verbunden, aufgrund deren Abweichungen vom Normalen je nach Umstand integriert oder ausgegrenzt werden.Mit Bezug auf die Lohnarbeit heißt dies: Hat Lohnarbeit einmal den Status von Normalität erlangt, so bedarf jede Abweichung ihr gegenüber der Rechtfertigung. Je weniger dies gelingt, je weniger also dieAbweichungen von der Normalität der Erwerbsarbeit als normale, das heißt als gesellschaftlich legitimierte Suspendierung etikettierbar sind, desto mehr werden sie ausgegrenzt, und zwar je größer Maß und Dauer der Abweichungen sind. (vgl. AG Sozialpolitik 1986)

Hieran wird deutlich: Sozialpolitik und Soziale Arbeit stehen zur Reproduktionsnormalität Lohnarbeit in einer Regel-Ausnahme- Beziehung, insofern durch sie allgemein verbindlich geregelt wird, welche Personenkategorien bei welchen Tatbeständen von welchem Zeitpunkt an für welche Zeitspanne mit welchen Statusrechten und welchen materiellen Folgen von der faktischen Pflicht 10 zur Teilnahme amArbeitsmarkt entbunden werden. Gleichwohl läßt sich bezüglich dieser Regel-Ausnahme-Beziehung ein bedeutsamer Unterschied feststellen, der es rechtfertigt, Sozialpolitik als reguläre und SozialeArbeit als irreguläre Form derAusnahme zu bezeichnen. Der über den Grundsatz der Nachrangigkeit vermittelte Unterschied zeigt sich darin, daß Sozialpolitik der Standardfall und Soziale Arbeit der Sonderfall der Abweichung von der Reproduktionsnormalität Lohnarbeit als Leitbild gilt. Mithin stellt Soziale Arbeit bezüglich Sozialpolitik eine Ausnahme ersten und bezüglich der Reproduktionsnormalität Lohnarbeit eine Ausnahme zweiten Grades, das heißt eine Ausnahme von der Ausnahme dar.11

Im Falle der Bundesrepublik Deutschland hat sich nun ein hierarchisch gestuftes zweistöckiges Sicherungs- und Unterstützungssystem herausgebildet, in dem die Bewältigung der wohlfahrtsstaatlichen Aufgaben arbeitsteilig erfolgt durch die wechselseitige Verknüpfung zweier distinkter institutioneller Kontexte. Der ›Oberstock‹ oder die ›Beletage‹ des bundesdeutschen Wohlfahrtsstaats, in dem sich vornehmlich die Institutionen der Sozialversicherung befinden, ist zuständig für die Bearbeitung der allgemeinen Risiken, das heißt der Standardrisiken wie Alter, Pflegebedürftigkeit, Krankheit, Invalidität und Arbeitslosigkeit. Die Sozialpolitik ist hierbei darauf gerichtet, mittels ihrer Leistungen ihre Adressaten zu einer Lebensführung zu veranlassen und zu befähigen, die ihnen als selbständige zugerechnet wird. Demgegenüber sind den Institutionen des "Unterstocks" (Schäfer 1966: 67) oder des ›Parterres‹ desWohlfahrtsstaats, der Sozialen Arbeit, jene individuellen, familiären und sonstigen besonderen Aufgaben übertragen, die vom ›Oberstock‹ nicht in Form standardisier- und versicherbarer Leistungen bearbeitet werden können. 12 Im Gegensatz zur Sozialpolitik überläßt Soziale Arbeit als "personenbezogene soziale Dienstleistung" (vgl. grundlegend Bauer 2001) ihren Adressaten jedoch nicht selbst die Bearbeitung der Einschränkungen der selbständigen Lebensführung, sondern sie greift aktiv in den Prozeß der Bearbeitung besagter Einschränkungen ein. Soziale Arbeit läßt sich mithin begreifen als eine institutionalisierte Form wohlfahrtsstaatlichen Handelns, das bezogen ist nicht auf die Standardrisiken selbst, sondern auf die Folgerisiken von deren unzureichender Absicherung. Hierbei ist, systemtheoretisch gesprochen, zwischen Exklusionsvermeidung, Inklusionsvermittlung und Exklusionsverwaltung als grundlegenden Funktionen Sozialer Arbeit (vgl. Bommes/Scherr 1996) zu unterscheiden. Folgt man dieser Beschreibung Sozialer Arbeit, dann wird klar, daß Soziale Arbeit nicht in der Lage ist, ihreAufgaben autonom zu bestimmen. Sie wird vielmehr geprägt von den für die Sozialpolitik relevanten politischadministrativen Strukturen und den sie begründenden Normen. Denn diese legen für die Soziale Arbeit den sowohl organisatorischinstitutionellen als auch ressourcenmäßigen Rahmen fest, innerhalb dessen ihre Aufgabenerfüllung organisiert wird. Infolgedessen sind Umstellungen in der Programmatik desWohlfahrtsstaats unmittelbar folgenreich für das, was Soziale Arbeit zu leisten vermag.

III
Es wurde einleitend darauf hingewiesen, daß für das Verständnis des sich gegenwärtig vollziehenden Formwandels des Staates vom Welfare State zum Workfare State es erforderlich ist, sich mit der gesellschaftlichen Entwicklungsdynamik und den Strukturveränderungen jener ›Fordismus‹ und ›Postfordismus‹ genannten konkret-historischen Gesellschaftsformationen und insbesondere mit den krisenhaften Übergangsprozessen zwischen diesen näher zu befassen. Dies soll im folgenden in der hier gebotenen Kürze geschehen.

Bei der Analyse kapitalistischer Gesellschaften unterscheidet ›der‹ Regulationsansatz 13 zwischen Akkumulationsregimen einerseits, das heißt einem als gesellschaftliche Norm gefaßten spezifischen Modus von Produktions- und Konsumtionsbedingungen, und Regulationsweisen andererseits, das heißt institutionalisierten Formen der Verhaltenskoordination. Zu den Akkumulationsregimen zählen vor allem die phasenspezifisch unterschiedlichen Strategien der Kapitalverwertung und Mehrwertproduktion, die Organisationsstrukturen des Arbeits- und Produktionsprozesses, die damit verbundenen spezifischen Reproduktions- und Konsumtionsmuster sowie die mit der Aufteilung des Wertprodukts in Löhne, Profite und Steuern einhergehenden Konkurrenz- und Konfliktverhältnisse. Hierbei können Akkumulationsregime historisch wie national spezifische Formen annehmen, je nachdem, ob es sich um eine extensive oder intensive Akkumulation mit oder ohne Massenkonsumtion 14 handelt. Damit die im Grunde instabilen und konfliktorischen Akkumulationsregime sich im Zeitablauf relativ dauerhaft und kohärent reproduzieren können 15, sind sie auf institutionelle Formen wie etwa politisch-rechtliche Regelsysteme, gesellschaftlich institutionalisierte Kompromisse sowie soziokulturelle Normen- und Wertesysteme angewiesen, die die ökonomischen und gesellschaftlichen Beziehungen regeln und die in ihrer Gesamtheit eine in sich ebenfalls widersprüchliche und konfliktorische Regulationsweise darstellen. Obwohl Akkumulationsregime und Regulationsweise in einem eigentümlichen und äußerst widersprüchlichen Verhältnis zueinander stehen, bilden sie aber doch als relativ einheitlicher Funktionszusammenhang einen spezifischen Vergesellschaftungsmodus, worin sich die gesellschaftlichen Widersprüche dynamisch bewegen können.16

Mit dem als "Fordismus" bezeichneten Vergesellschaftungsmodus ist nun jene Gesellschaftsformation thematisch, die sich in etwa datieren läßt von den 30er Jahren bis in die 70er Jahre des vorigen Jahrhunderts. In ökonomischer Hinsicht betrachtet, beruhte das sie charakterisierende Akkumulationsregime auf einer tayloristischen, das heißt hochgradig arbeitsteilig und technologisch effizient organisierten industriellen und standardisierten Produktion von Massenkonsumgütern (›economies of scale‹) durch relativ gering qualifizierte Arbeitskräfte und einer dieser korrespondierenden Massenkonsumtion infolge der Verallgemeinerung des Lohnarbeitsverhältnisses. Unter diesen Produktions- und Konsumtionsbedingungen entwickelte sich eine spezifische Regulationsweise beziehungsweise Form des Staates, der unter dem Etikett ›keynesianischer Welfare State‹ von sich reden machte und dessen wesentlichen Spezifika insbesondere die folgenden sind:

  • hohes Wirtschaftswachstum,
  • nationalstaatlich relativ geschlossener und regulierter Finanzsektor,
  • stetige Steigerung des Reallohneinkommens,
  • Existenz starker Gewerkschaften,
  • Etablierung korporatistischer Arrangements zwischen Staat, Kapital und Arbeit, insbesondere zur Begrenzung von Lohnkämpfen im Hinblick auf die Sicherung von Vollbeschäftigung,
  • staatliche Sicherstellung von Vollbeschäftigung durch Umverteilung zugunsten der Nachfrageseite zum Zwecke der Stimulierung der Massenkaufkraft,
  • kontinuierliche Erweiterung von wohlfahrtsstaatlichen Sicherungs- und Unterstützungssystemen,
  • fortschreitende De-Kommodifizierung der Ware Arbeitskraft durch eine zunehmende Institutionalisierung sozialer Bürgerrechte,
  • forcierter Ausbau der Beschäftigung im öffentlichen Dienst.

Ingesamt war die keynesianisch-wohlfahrtsstaatliche Regulationsweise gerichtet auf eine Homogenisierung der ökonomisch-sozialen Lebensbedingungen, die ihren sichtbarsten Ausdruck wohl in dem normativen Leitbild des "Normalarbeitsverhältnisses" (Mückenberger 1985; 1986) 17 fand, sowie auf die Befriedung ökonomisch-sozialer Konflikte durch den Ausbau wohlfahrtsstaatlicher Sicherungs- und Unterstützungssysteme gegenüber den Reproduktionsrisiken einer kapitalistisch-marktförmig verfaßten Gesellschaft.

Vergleichbar mit den anderen ›großen Krisen‹ 18 in der Geschichte des Kapitalismus, zeichnete sich mit der Internationalisierung der ökonomischen Krisenerscheinungen Mitte der 1970er Jahre in dem existierenden Vergesellschaftungsmodus ein Strukturbruch ab, der zum Ausdruck brachte, daß die Wachstumsdynamik des fordistischen Akkumulationsregimes im Rahmen der keynesianisch-wohlfahrtsstaatlichen Regulationsweise an Grenzen gestoßen war, was eine Restrukturierung des Verhältnisses von Akkumulationsregime und Regulationsweise erforderlich machte, um die Voraussetzungen zu schaffen für einen erneuten langfristigen ökonomischen Aufschwung. Dies hatte zur Folge, daß sich der enge Konnex von Akkumulation, Wohlfahrtsstaat und Massenkonsumtion, der das ›goldene Zeitalter‹ des Fordismus charakterisierte, zunehmend auflöste. Aus der krisenhaften Zuspitzung der ökonomischen und politischen Entwicklungen, die sich in einem Syndrom aus einer anhaltenden ökonomischen Wachstumsschwäche mit hoher Massenarbeitslosigkeit, einem deutlichen Legitimationsschwund des politischen Systems und einer mit sozialen Ausgrenzungsprozessen einhergehenden Vertiefung sozialer Ungleichheiten bündelte, erwuchs das Projekt der neoliberalen Rekonstruktion der Gesellschaft, dessen Konturen in den 1980/90er Jahren immer deutlicher wurden.19 Es formulierte eine Strategie zur Überwindung der Krisenphänomene, die im öffentlichen Diskurs erfolgreich präsentiert wurde als ein aus der Logik der kapitalistischen Entwicklungsdynamik resultierender unabwendbarer ›Sachzwang‹.20

Der von den neoliberalen Apologeten als ›Lösung‹ propagierte Vergesellschaftungsmodus unterscheidet sich in zentralen Punkten von dem an seine Grenzen geratenen fordistischen Modell der Vergesellschaftung. In ökonomischer Hinsicht besteht die ›Lösung‹ bezüglich des Akkumulationsregimes in einer auf der technologischen Grundlage der Mikroelektronik als zentraler "Basisinnovation" (Mensch 1977: 56 ff.) enorm flexibilisierten und spezialisierten Produktion von Massenkonsumgütern mit der Möglichkeit der schnellen Anpassung an die Konsumentenmärkte (›economies of scope‹) durch sowohl hoch- wie auch geringqualifizierte Arbeitskräfte in den Kern- beziehungsweise Randbereichen der Produktion und einer infolge der Segmentierung und Polarisierung der Beschäftigtenstruktur in Teilbereichen steigenden konsumtiven Nachfrage. Dieser Restrukturierungsprozeß vollzieht sich im Kontext der ›Globalisierung‹ 21 genannten Internationalisierung von Produktion und Finanzmärkten auf der Basis sukzessiv deregulierter und liberalisierter Waren-, Dienstleistungs-, Finanz- und Kapitalmärkte, und zwar mit dem Ergebnis, daß die weltweite Entgrenzung der Wirtschaftsräume den noch immer als Nationalstaat verfaßten und damit nach innen gerichteten Wohlfahrtsstaat zwingt, sich in einen Staat umzuwandeln, dessen prioritäre Aufgabe darin besteht, durch Schaffung entsprechender Rahmenbedingungen, sprich ›Standortpolitik‹, den inter- beziehungsweise transnational operierenden Unternehmen günstige Verwertungsvoraussetzungen zu schaffen. Und das heißt, dem global immer flexibler agierenden Kapital das zu bieten, was es sucht: niedrige Steuern, Sozialabgaben und Löhne.

Will man den neoliberalen Marktfundamentalisten Glauben schenken, denen bekanntlich jeglicher Staatsinterventionismus als ein den Markt lähmendes Gift erscheint, so stellt in der globalisierten Standortkonkurrenz der Nationalstaaten der Staat alter Prägung, insbesondere dessen wohlfahrtsstaatliche Sicherungs- und Unterstützungssysteme, einen kostspieligen Wettbewerbsnachteil dar. Aus diesem Grunde werden die "Evangelisten des Marktes" (Dixon 2000) nicht müde, unter der Signatur der Globalisierung einen Staat zu fordern, der sich aus der Sphäre der Ökonomie vor allem als regulierender und intervenierender Staat zurückzuziehen und sich auf die Gewährleistung optimaler Verwertungsbedingungen zu beschränken habe, was in concreto heißt, Märkte zu deregulieren, öffentliche Leistungen und Funktionen zu privatisieren, wohlfahrtsstaatliche Ausgaben zu senken und individuelle Rechtsansprüche zu beschneiden, um nur einige der angepriesenen therapeutischen Antidots zu nennen. Unter diesen Bedingungen bildete sich in den letzten Jahren eine neue Regulationsweise beziehungsweise Form des Staates heraus, der im sozialwissenschaftlichen Diskurs unter dem Kürzel des "nationalen Wettbewerbsstaats" (Hirsch 1998) beziehungsweise des "schumpeterianischenWorkfare State" (Jessop 1994) analysiert wird. Beide in der Denktradition des Regulationsansatzes stehenden Konzepte zielen zwar in die gleiche Richtung, betonen allerdings unterschiedliche Aspekte des Formwandels.Während Hirsch den in Rede stehenden Formwandel als Übergang vom "Sicherheitsstaat" zum "nationalen Wettbewerbsstaat" beschreibt und hierbei vorrangig auf die Außendimension der Restrukturierung der Regulationsweise abstellt, d. h. auf die strukturelle Wettbewerbsfähigkeit der nationalen Ökonomie im Kontext der Globalisierung, akzentuiert Jessop mit dem Begriff "workfare state" vorrangig deren Binnendimension.

Charakterisiert ist diese neue Form des Staates durch die folgenden Merkmale:

  • schwaches bis mittleres Wirtschaftswachstum,
  • deregulierte und globalisierte, das heißt nationalstaatlich entgrenzte Finanzmärkte,
  • real sinkende Masseneinkommen,
  • Existenz geschwächter Gewerkschaften,
  • teilweise politische Ausgrenzung der Gewerkschaften und Stilisierung zu Sündenböcken für die desolate Wirtschaftsund Beschäftigungslage,
  • Flexibilisierung des Arbeitsmarktes und Prekarisierung der Lohnarbeitsverhältnisse,
  • fortschreitender Abbau von wohlfahrtsstaatlichen Sicherungsund Unterstützungssystemen,
  • verstärkte (Re-)Kommodiizierung der Ware Arbeitskraft durch Aushöhlung sozialer Bürgerrechte,
  • Verschlankung des Staates durch Reorganisations- und Privatisierungs- beziehungsweise Vermarktlichungsmaßnahmen.

Im Vergleich zur keynesianisch-wohlfahrtsstaatlichen Regulationsweise kann mithin die des schumpeterianischen Workfare State betrachtet werden als eine, mit der der vormals existierende Klassenkompromiß zwischen Kapital und Arbeit aufgekündigt und durch ein neues Regime herrschaftlicher Ungleichheit ersetzt wird. Dies erfolgt gewissermaßen durch eine Neudefinition des Verhältnisses von Staat und Ökonomie, nach der der Staat die Freiheit des Marktes nicht mehr länger zu definieren und zu überwachen hat. Der Staat hat nun vielmehr eine Entwicklung zu fördern und zu exekutieren, mit der der Markt selbst zum organisierenden und regulierenden Prinzip des Staates wird und bei der die Regierung zu einer Art Unternehmensleitung einer Aktiengesellschaft 22 mutiert, deren Aufgabe in der Universalisierung des Wettbewerbs und der Generalisierung des Ökonomischen besteht. Begründet wird all dies vor allem mit Rekurs auf die als naturgesetzlicher ›Sachzwang‹ inszenierte Weltmarktkonkurrenz einerseits und mit dem Hinweis auf den Wohlfahrtsstaat als dem Haupthindernis in der internationalen Konkurrenz um Standortvorteile andererseits. Folgerichtig werden denn auch Sozialpolitik und Soziale Arbeit dem Primat der Ökonomie nach- und untergeordnet, indem sie so umgestaltet werden, daß sie immer weniger als Ausgleich der Marktkräfte fungieren, sondern, ganz im Gegenteil, deren Logik unterstützen, zum einen, indem sie durch Ausrichtung an betriebswirtschaftlichen Effizienzkriterien und unternehmerischen Kalkülen selbst einer Ökonomisierung unterworfen werden, zum anderen dadurch, daß sie ihre nunmehr zu ›Kunden‹ 23 avancierten lienten mittels Arbeits- und Sozialdisziplinierung zur bedingungslosen marktförmigen Verausgabung von Arbeitskraft anzuhalten trachten 24. Daß die Disziplinierungsfunktion der Sozialpolitik und Sozialen Arbeit hierbei keineswegs nur auf diejenigen zielt, die auf staatliche Transferleistungen angewiesen sind, sondern stets und vor allem auch auf die arbeitsfromm-rechtschaffenen und potentiell arbeitslosen Bürger, liegt auf der Hand. Aus Herrschaftsperspektive besteht nämlich ein Interesse am (Fort-)Bestand eines kontrollierbaren wie wahrnehmbar sozial-kontrollierten Armutspotentials, dessen gesellschaftliche Funktion es ist, an ihm die Drohung mit der ›offiziellen Armut‹ demonstrieren zu können. Denn ebenso, wie der durch Sozialpolitik angedrohte Einkommensverlust Existenzängste entfesselt, fördert auch die Angst vor Diskriminierung und Stigmatisierung Tendenzen zur Anpassung.25 Internalisierte Angst vor sozialer Isolierung, sozusagen sublimierte Form des Ostrazismus, und Anpassungsdruck durch soziale Kontrolle arbeiten Hand in Hand: reicht erstere zur Stabilisierung normgerechten Verhaltens nicht mehr aus, übernimmt letztere größere Anteile an der Sicherung der Sozialintegration.

Mit anderen Worten: Während im keynesianischen Welfare State die De-Kommodifizierung von Arbeitskraft im Vordergrund von Sozialpolitik und Sozialer Arbeit stand, gerät im schumpeterianischen Workfare State die Strategie der Re-Kommodifizierung ins Zentrum sozial- und sozialarbeitspolitischer Strategien. Oder, um es in der Sprache der Luhmannschen Systemtheorie zu formulieren: War für den keynesianischen Welfare State eine politische Programmatik kennzeichnend, die die Verhinderung von Exklusion und die Ermöglichung von (Re-)Inklusion zu zentralen staatlichen Aufgaben machte, so wurde diese mit dem paradigmatischen Wechsel zum schumpeterianischen Workfare State hinfällig und ist durch die Produktion und Verwaltung von Exklusion ersetzt worden.

IV
Der hier als Bruch in der keynesianisch-wohlfahrtsstaatlichen Regulationsweise beschriebene paradigmatische Wechsel vollzieht sich derzeit in vielen entwickelten kapitalistischen Gesellschaften, wenn auch mit nationalen Variationen. Auf den Fall ›Bundesrepublik Deutschland‹ soll im folgenden etwas detaillierter eingegangen werden.

Mit dem Kabinettsbeschluß "Moderner Staat - Moderne Verwaltung " (vgl. Bundesregierung 1999) vom 1. Dezember 1999 wurde unter der Ägide der neoliberal gewendeten rot-grünen Bundesregierung unter dem damaligen Bundeskanzler Gerhard Schröder erstmals ein Politikprogramm verabschiedet, das als Agenda für die Umsetzung des Konzeptes des "aktivierenden Staates" gelesen werden kann. Zum Konzept des "aktivierenden Staates" vgl. allgemein Lamping et al. (2002), zu dessen Bedeutung als Ansatz zur Umgestaltung des Sozialstaates im besonderen die Beiträge in Dahme et al. (2003) sowie Mezger/West (2000). Es weist eine gewisse Nähe auf sowohl zu dem in den USA von den Republikanern unter Bill Clinton mit dem Versprechen "to end welfare as we know it" (Clinton, C.; zit. nach: Lessenich 2003: 215) in den 1990er Jahren initiierten und exekutierten wohlfahrtsstaatlichen Reformprogramm wie auch zu dem britischen Reformprogramm des "Dritten Weges" 26 (Giddens 1999) von New Labour unter Tony Blair mit dem Motto "Keine Rechte ohne Verpflichtungen" (ebd.: 81). Seitens der Bundesregierung reklamierte man damit für sich, eine Alternative zu der von Konservativen und Neoliberalen vorgetragenen Wohlfahrtsstaatskritik etwa einer Margaret Thatcher formuliert zu haben. Das Programm sei, so jedenfalls die offiziellen Verlautbarungen, insofern eine Alternative, als es eben nicht wie die konservativ-neoliberalen Reformansätze, die sich allesamt der Idee des ›schlanken Staates‹27 verpflichtet sähen, eine Rücknahme politischer Gestaltungsansprüche intendiere, sondern vielmehr eine Konkretisierung und Neubestimmung staatlichen Handelns, mit der der staatliche Verwaltungsapparat, die wohlfahrtsstaatlichen Sicherungs- und Unterstützungssysteme und das Verhältnis zwischen Staat und Bürger neugestaltet werden solle. Zentral gehe es mit dem Programm darum, die Selbstregulierungskräfte der Gesellschaft zu stärken, die sozialmoralische Orientierung auf das Gemeinwohl 28 zu fördern, des Einzelnen Eigenverantwortung zu steigern und ein neugestaltetes Prinzip der Verantwortungsteilung zwischen Staat und Gesellschaft zum Leitbild des Staates zu erheben, bei dem dieser als Moderator und Impulsgeber der gesellschaftlichen Entwicklung fungiert. Erreicht werden solle dies insbesondere durch das Beachten des Handlungsgrundsatzes des "Fördern und Fordern", der wohl als das Hauptkennzeichen des "aktivierenden Staates" gelten darf.

Der Grundgedanke der Maxime des "Fördern und Fordern" ist vielleicht am ehesten im Sinne einer staatlich herzustellendenAusbalancierung von individuellen Rechten und Pflichten zu verstehen, bei der die Komponente des ›Fördern‹ darauf zielt, Hemmnisse für die Entwicklung individueller Verantwortung und gesellschaftlichen Engagements abzubauen, während hingegen mit der Komponente des ›Fordern‹ das Ansinnen des Staates deutlich gemacht wird, von jedem als Gegenwert zur staatlichen Förderung einen Beitrag zur Gestaltung seines eigenen und des gesellschaftlichen Lebens einzufordern. Mit anderen Worten: Der Staat ist zur Förderung seiner Bürger nur bereit, wenn auch diese ihrerseits bereit sind, für ihre Förderung eine entsprechende Vor- oder zumindest Gegenleistung zu erbringen. Dahinter verbirgt sich die Vorstellung, auf seiten des hilfebedürftigen Bürgers bestünde eine Pflicht, die staatlich gewährte Existenzsicherung als Gegenleistung ›abzuarbeiten‹, eine Vorstellung, die einen zwar durchaus an das neutestamentarische Gebot "Wenn einer nicht arbeiten will, dann soll er auch nicht essen!" (2. Thess 3, 10) erinnert, das aber in jenen Tagen gemünzt war gegen eine müßiggehende Oberschicht, während es heutzutage abstellt auf Hunger und Verelendung als Triebkraft für Arbeitsmotivation und damit auf den stummen Zwang der Existenznotwendigkeiten.29 Wenn man dieser Leistung- Gegenleistung-Konzeption anhängt, dann ist es nur konsequent, sich nicht mehr ernsthaft, wie es Politik und Verwaltung in der Bundesrepublik Deutschland tut, um die Eingliederung der erwerbsfähigen hilfebedürftigen Arbeitslosen in den Ersten Arbeitsmarkt zu kümmern, sondern diesen ›Arbeit um jeden Preis‹ aufzuzwingen, sei diese nun regulär oder prekär, bezahlt oder unbezahlt.

Was man unter dem euphemistisch als "Aktivierung" beschriebenen Aufzwingen von ›Arbeit um jeden Preis‹ zu verstehen hat, mag exemplarisch am Beispiel der "aktivierenden Arbeitsmarktpolitik" in Gestalt der sogenannten "Hartz I-IV"-Gesetze 30 verdeutlicht werden, die aus Sicht sowohl der seinerzeitigen rot-grünen wie auch der derzeitigen schwarz-roten Bundesregierung unter Bundeskanzlerin Angela Merkel eine konsequente Beachtung der Maxime des "Fördern und Fordern" darstellen. Betrachtet man die mit den Hartz-Gesetzen auf denWeg gebrachte Arbeitsmarktreform etwas genauer, so fällt auf, daß das Schwergewicht der Instrumente zum Abbau der Arbeitslosigkeit auf einer Erhöhung der Effizienz der Arbeitsvermittlung liegt. Dahinter verbirgt sich die absurde Annahme, das in der Bundesrepublik Deutschland nunmehr schon ungefähr 30 Jahre währende zentrale gesellschaftliche Problem der Massen- und Langzeitarbeitslosigkeit sei im wesentlichen ein Mismatch-Problem, also eines der fehlenden Übereinstimmung zwischen den Arbeitskraftverkäufern und -käufern hinsichtlich Qualifikation, Entlohnung und Bedingungen des Arbeitskräfteeinsatzes. Eng verbunden mit dieser vorurteilsbehafteten Sicht wird überdies den Arbeitslosen unterstellt, sie unternähmen keine ernsthaften Anstrengungen zur Überwindung ihrer Lage, da sie sich hierzu wegen der ›zu generösen‹ staatlichen Transferleistungen nicht hinreichend motiviert sähen. Vor dem Hintergrund einer solchen Problemdiagnose verwundert es selbstredend nicht, daß in der Therapie zur Verringerung der Arbeitslosigkeit vornehmlich an den vermeintlichen Defiziten der Arbeitslosen (wie fehlender oder inadäquater Qualifikation, unzureichender Flexibilität und Mobilität und überhöhten Einkommensvorstellungen) angesetzt wird, und zwar entweder auf indirektem Wege, indem den erwerbsfähigen hilfebedürftigen Arbeitslosen mit der Reduzierung oder gar dem vollständigen Entzug der Unterstützungsleistungen und damit der Existenzgrundlage gedroht wird, oder auf direktem Wege durch ›Überzeugungsstrategien‹ wie Information und Beratung oder durch Maßnahmen zu Erhalt, Verbesserung oder Wiederherstellung der sogenannten Beschäftigungsfähigkeit, also der habituellen Eigenschaft, sich willig überall und jederzeit in den enger gewordenenArbeitsmarkt flexibel und mobil einzufügen, mit dem Ziel, die eigene Existenz durch Arbeit selbst sichern zu können. Das heißt, den erwerbsfähigen hilfebedürftigen Arbeitslosen wird im Regelfall (wegen der auf dem regulären Arbeitsmarkt faktisch nicht vorhandenen Arbeitsplätze und des damit verbundenen strukturellen Unvermögens, durch Maßnahmen der aktiven Arbeitsförderung Angebot und Nachfrage am Arbeitsmarkt bei Massenarbeitslosigkeit in Übereinstimmung zu bringen) keine existenzsichernde Erwerbsarbeit angeboten, sondern nur die Pflicht auferlegt, in einem rechtlich prekären Status eine Gegenleistung für den Erhalt der staatlichen Leistungen zur Existenzsicherung zu erbringen, sei es in Form von "Mini-Jobs", "Midi-Jobs" oder in Form der Arbeitssimulation in Praktika ohne Aussichten auf Übernahme in reguläre Beschäftigung oder von Maßnahmen zur Überprüfung der Arbeitswilligkeit oder im Rahmen von öffentlichen Arbeitsprogrammen wie etwa den sogenannten "Ein-Euro-Jobs".

Die hier bloß in groben Zügen dargestellte Aktivierungspolitik, mit der die Rückkehr betrieben wird von der kollektiven materiellen Daseinsvorsorge zur eigenverantwortlichen persönlichen Selbstsorge und zum individuellen Risikomanagement, indem sie mittels Maßnahmen der wohlfahrtsstaatlichen Entsicherung und Entrechtung eine Re-Kommodifizierung der Arbeitskraft erzwingt, also die Arbeitskraftbesitzer wieder verstärkt den Marktgesetzen ungeschützt aussetzt, um sie zu marktkonformem und eigenverantwortlichem Verhalten anzuhalten, erweist sich in sozialer Hinsicht als höchst problematisch. Denn sie führt qua Aufkündigung des bislang geltenden "impliziten Gesellschaftsvertrages" (Moore 1987: passim) 31, Arbeit existenzsichernd zu entgelten, zu einer im sozialwissenschaftlichen Diskurs als ›Spaltung der Gesellschaft‹ thematisierten dauerhaften sozialen Ausgrenzung immer größerer Bevölkerungsgruppen 32. Gemeint ist damit die Beschränkung oder Vorenthaltung von namentlich über Erwerbsarbeit, Geld und Rechtsansprüchen vermittelter Teilhabe an mehr oder weniger zentralen Bereichen oder Ressourcen der Gesellschaft für eine zunehmende Anzahl von Personen, die infolgedessen nicht nur einen Statusverlust erleiden, sondern auch mit Statusdiskriminierung leben müssen und damit gewissermaßen im metaphorischen Sinne an den Rand der Gesellschaft gedrängt werden. Dieses Phänomen ist, historisch gesehen, keineswegs ein neuartiges, sondern kapitalistischen Gesellschaften inhärent. Seit seinem Bestehen hat die soziale Ausgrenzung von Arbeitslosen und Armen den Kapitalismus begleitet, worauf in markanter Weise etwa Marxens Formulierung hindeutet, jeder Lohnarbeiter sei "virtueller Pauper" (Marx 1974: 497).33 Und doch kann gesagt werden, daß sozialer Ausgrenzung heute eine neue historische Qualität zukommt, und zwar aus wenigstens drei Gründen: zum ersten, weil sie vor dem Hintergrund eines zuvor nie gekannten Niveaus gesellschaftlichen Wohlstands und einer damit verbundenen kollektiv erkämpften politischen Verantwortung für die Wohlfahrt des Einzelnen auftritt und erlebt wird; zum zweiten, weil sie nicht mehr ein soziales Randphänomen darstellt, sondern nunmehr über prekäre Arbeits- und Beschäftigungsverhältnisse und Arbeitslosigkeit bis in die Mitte der Gesellschaft hineinreicht; und zum dritten, weil mit demWechsel vomWelfare State zum Workfare State Sozialpolitik und Soziale Arbeit selbst von der Idee abrücken, daß die Gesellschaft für die Gefährdung der Existenz ihrer Mitglieder verantwortlich und deshalb auch verpflichtet ist, die Sicherung der Existenz zu gewährleisten, und sie statt dessen subjektive Unsicherheit und Verunsicherung zur Grundlage der von ihr geforderten Eigenverantwortung erheben. Allerdings erfolgt dies nicht wie früher durch den Entzug oder die Verweigerung von Rechten, sondern durch eine staatlich-politisch bewirkte Erosion der auf soziale Teilhabe gerichteten Substanz von Rechten.

Daß von den knapp skizzierten Entwicklungen in Politik, Ökonomie und Gesellschaft die Soziale Arbeit als Erbringerin personenbezogener sozialer Dienstleistungen nicht unberührt bleiben konnte und kann, liegt auf der Hand. Denn diese äußern sich zentral auf zweifache Weise: Zum einen ist die Soziale Arbeit von einem besorgniserregenden Auseinanderdriften von Bedarfen auf der einen Seite (in Form sich ausweitender sozialer Hilfebedürftigkeit wegen Arbeitslosigkeit und Armut) und Ressourcen auf der anderen Seite (in Form sich verknappender fiskalischer Mittel wegen des arbeitslosigkeitsbedingten Sinkens der staatlichen Einnahmen) organisatorisch-institutionell unter Druck gesetzt. Zum anderen sieht sie sich - allein schon vermittelt über die stärkere organisatorisch-institutionelle Verzahnung des Systems der Sozialversicherungstransfers (›Oberstock‹) und des Systems der personenbezogenen sozialen Dienstleistungen ("Unterstock"), wie sie im Rahmen der Hartz-Gesetze mit der Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe vollzogen wurde - aufgrund ihrer Indienstnahme für das workfare-politische Handlungsprinzip des "Fördern und Fordern" in ihren professionsspezifischen Handlungsvollzügen beeinträchtigt.

Mit Bezug auf den erstgenannten neuralgischen Punkt bestehen die Konsequenzen für die Soziale Arbeit in deren Verbetriebswirtschaftlichung beziehungsweise Ökonomisierung 34, womit jene Strategien angesprochen sind, mit denen versucht wird, den gestiegenen Regulierungsbedarf einer gespaltenen Gesellschaft bei begrenzten fiskalischen Mitteln auf dem Wege der Steigerung der Effizienz und Effektivität der personenbezogenen sozialen Dienstleistungen zu erreichen. Hierbei gelten der Sozialen Arbeit, ablesbar an Vokabeln wie ›Qualitätssicherung‹, ›Outputorientierung‹, ›Controlling‹ oder ›Outsourcing‹, um nur einige zu nennen, die Prinzipien und Methoden der Privatwirtschaft als Referenzmodell. Umgesetzt wird dieses durch eine Strategie, die in der Bundesrepublik Deutschland unter dem Namen ›Neues Steuerungsmodell‹ und im internationalen Kontext als ›New Public Management‹ Publizität erlangte, nämlich durch innerorganisatorische Reorganisationsmaßnahmen einerseits und die Auslagerung der bislang von (semi-)staatlichen Einrichtungen erbrachten personenbezogenen sozialen Dienstleistungen in einen wettbewerbsförmig strukturierten Markt andererseits.35 Dahinter steht die Annahme, daß mit der Implementation managerialer Verfahren und Strukturen und der Etablierung des Konkurrenzmechanismus es zu einer Leistungs- und Qualitätssteigerung und damit zu einer Kostensenkung für die Dienstleistungserbringung komme. Für die Soziale Arbeit bedeutet dieser Prozeß ihrer marktwirtschaftlichen Restrukturierung zugleich eine Neudefinition ihres Maßstabes, an dem sie sich auszurichten hat. Denn er orientiert diese nunmehr auf die Erfüllung von Kernaufgaben und entläßt sie dadurch fürs erste aus der direkten Verantwortung für die Sicherung des Wohls ihrer Klientel. Mit anderen Worten: Im Zuge ihrer Ökonomisierung fällt der Sozialen Arbeit also nur noch die Gewährleistungsverantwortung zu, das heißt, die Erbringung spezifischer personenbezogener sozialer Dienstleistungen durch wen und in welcher Form auch immer sicherzustellen.

Hinsichtlich des zweitgenannten Punktes, der workfare-politischen Indienstnahme der Sozialen Arbeit, kommt ihr hingegen, wenn man so will, dieAuffangverantwortung zu für all jene Fälle, bei denen die Gewährleistung allein nicht ausreicht. Da in kapitalistisch verfaßten Waren- und Geldökonomien sich soziale Teilhabe aus Sicht der Gesellschaftsmitglieder zentral danach bemißt, ob diese Zugang haben zu einer Erwerbsarbeit, die ihnen eine kulturell angemessene Existenzsicherung ermöglicht, diese aber wegen der anhaltenden Massenarbeitslosigkeit und Prekarisierung 36 der Arbeits- und Beschäftigungsverhältnisse einem wachsenden Teil der Bevölkerung verwehrt und der Staat nicht gewillt und aufgrund seiner prekären Finanzlage und seines schleichenden Souveränitäts- und Autonomieverlustes infolge der Globalisierung zum Teil immer weniger in der Lage ist, die soziale Ausgrenzung einer wachsenden Anzahl seiner Bürger sozialpolitisch umfassend zu kompensieren, ist mit einer Verstetigung der sozialen Ausgrenzungsprozesse zu rechnen. Unter diesen Voraussetzungen rückt die Verdichtung der Exklusionsverwaltung ins Zentrum der Sozialen Arbeit, was nichts anderes bedeutet, als die Betroffenen einer fortwährenden "fürsorglichen Belagerung" auszusetzen, mit der elementare Grundrechte mißachtet oder gar außer Kraft gesetzt werden.

Ob die Soziale Arbeit mit Hilfe ihrer markwirtschaftlichen Restrukturierung und ihrer Umstellung in Richtung Exklusionsverwaltung die anstehenden Herausforderungen einer gespaltenen Gesellschaft zu bewältigen vermag, kann trefflich bezweifelt werden. Denn für die Soziale Arbeit, deren Klientel und die Gesellschaft insgesamt erweist sich vieles von dem, was derzeit in der Bundesrepublik Deutschland noch in den Anfängen steckt, bereits in jenen Ländern als höchst problematisch, die ihr, wie die USA und Großbritannien, als Vorbild dienten. So hat sich etwa durch die Workfare-Politik in den besagten Ländern die Einkommensarmut auch unter den Erwerbstätigen verbreitert. (vgl. Ludwig-Mayerhofer 2005: 215) Mit anderen Worten: "Es ist nicht anzunehmen, dass die Bundesrepublik im neoliberalen Weltmeer eine Insel der Glückseligen bleiben wird. Vielmehr deutet Vieles darauf hin, dass auch hier zu Lande, eine Entwicklung bereits begonnen hat, in deren Verlauf sich eine Annäherung an amerikanische und vor allem britische Vorbilder herausbilden wird." (Schaarschuch 2000: 162) Für die Soziale Arbeit als Profession impliziert die Entwicklung der Rationalisierung von Sozialadministration und Dienstleistungserbringung einen Trend zur Taylorisierung und Standardisierung der Arbeitsvorgänge und zu einer damit einhergehenden Dequalifizierung des Personals 37 einerseits und einer verstärkten Polarisierung der Beschäftigungsstruktur zwischen operativen und dispositiven Tätigkeiten andererseits, was in einer vergrößerten Lohnspreizung resultieren wird. (vgl. ebd.: 159 ff.; ferner Dahme/Wohlfahrt 2006) Für die Klientel der Sozialen Arbeit bedeutet es, daß die für die Soziale Arbeit typische ›Beziehungsarbeit‹ droht, an den Rand gedrängt zu werden, weil durch die Workfare-Politik das Durchsetzen von Disziplin und Anpassung an Lohnarbeit zum methodischen Prinzip der Sozialen Arbeit erhoben wird, wodurch die in der bisherigen Fallarbeit bewährten Handlungsprinzipien wie Ursachensuche, hermeneutisches Fallverstehen und Lebensweltorientierung sich zunehmend als kontraproduktiv entpuppen dürften. Und für die Gesellschaft als eine ihrem Anspruch nach demokratisch verfaßte unheilvoll schließlich ist, daß die in den beiden Strategien sich ausdrückende Minimalisierung der Standards einer zivilisierten Gesellschaft nicht nur zu einer Untergrabung der sozialen Voraussetzungen der Ausübung des Bürgerstatus führen kann, sondern auch, um es mit Habermas zu formulieren, zu einer "moralische[n] Erosion der Gesellschaft [Â…], die jedes republikanische Gemeinwesen in seinem universalistischen Kern versehren muß" (Habermas 1995: 186 f.).

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Michael Wolf - Prof. Dr. rer. pol., Sozialwissenschaftler, Hochschullehrer für Sozialpolitik und Sozialplanung am Fachbereich Sozialwesen der Fachhochschule Koblenz. Zuletzt in UTOPIE kreativ: Hartz IV: ausgrenzende Aktivierung oder Lehrstück über die Antastbarkeit der Würde des Menschen, Heft 194 (Dezember 2006). Kontakt: wolf@fh-koblenz.de

1 Der Beitrag greift Überlegungen auf und vertieft und verbreitert sie, die unter dem Titel "Die neoliberale Restrukturierung personenbezogener sozialer Dienstleistungen. Kritische Notate zur Sozialen Arbeit im schumpeterianischen Workfare State" anläßlich der Fachtagung "Unsere Zukunft als Dienstleister in einem sich wandelnden Umfeld" des Berufsbildungswerkes (BBW) Neuwied am 7. April 2006 vorgetragen wurden.

2 Vgl. aus einer weltpolitischen Perspektive kritisch zur These eines ›Geschichts- oder Epochenbruchs‹ bzw. einer ›Zeitenwende‹ Müller (2003).

3 Diese politische Vokabel der Aufklärung ist untrennbar mit Rousseau (1979: 16 ff.) verbunden, der sie in Opposition zu den politischen Theorien des Besitzbürgertums einführt und sich für eine Gesellschaftsordnung ausspricht, durch die die Individuen auf der Basis einer freiwilligen Vereinbarung sich zur prinzipiellen und unter bestimmten Umständen aufkündbaren Bereitschaft verpflichten, zum Zwecke der Selbsterhaltung sowie der Erhaltung der Freiheit aller wie auch der Sicherung des Fortbestands des Gemeinwesens, des corps social, auf die Durchsetzung persönlicher Freiheiten und Interessen zu verzichten.

4 Zum Kampf um den Normalarbeitstag vgl. immer noch Marx (1977: 279 ff.).

5 Der Sachverhalt, daß die Vergesellschaftung der Produktion von Wohlfahrt in unterschiedlichen Formen erfolgt, die einer je spezifischen Logik unterliegen und zueinander in einer sowohl komplementären als auch konkurrierenden Beziehung stehen können, wird in der sozialwissenschaftlichen Literatur mit den Begriffen ›Wohlfahrtsmix‹ oder ›Wohlfahrtspluralismus‹ umschrieben (vgl. Evers 1990, Evers/Olk 1996).

6 Vgl. hierzu etwa mit Bezug auf Léon Bourgeois, neben Charles Gide wichtigster Protagonist der Bewegung des Solidarismus, mit der sich in Frankreich der Wohlfahrtsstaat Bahn brach, Zoll (2000: 78 ff.) sowie ferner Ewald (1993: 462 ff.).

7 Weil sie immer auch Prozesse der Reorganisation der Ökonomie sind, die in aller Regel mit einer Reallokation von Produktionsfaktoren einhergehen, verursachen gesellschaftliche Modernisierungsprozesse zumeist Kosten, die von den Betroffenen unter Umständen als höchst schmerzvoll erfahren werden. Dies heißt aber nicht, es gäbe nur Modernisierungsverlierer. Es gibt auch Modernisierungsgewinner. Allerdings gilt es hierbei zu beachten, daß der Status des Gewinners bzw. des Verlierers nicht ein für allemal festgeschrieben ist, weil, spieltheoretisch formuliert, die pay-offs sozialen Handelns, also dessen Gewinne und Verluste, nicht nur sozial, sondern auch zeitlich ungleich verteilt sind, so daß im Zeitablauf aus kurzfristigen Gewinnern auch langfristige Verlierer wie umgekehrt aus kurzfristigen Verlierern auch langfristige Gewinner werden können.

8 Im Hinblick auf die Entstehung und Entwicklung der Wohlfahrtsstaaten vgl. statt anderer Alber (1982) und Flora et al. (1977), hinsichtlich des Versuches, Gruppen ähnlicher nationaler Wohlfahrtsstaaten zu systematisieren, die einflußreiche Studie von Esping- Andersen (1990), ferner Kaufmann (2003), Schmidt (1998) sowie die Beiträge in Lessenich/Ostner (1998) zur Kritik und Weiterentwicklung der von Esping-Andersen entwickelten Typologie.

9 Zum strukturellen Zusammenhang zwischen kapitalistischer Reproduktionsnormalität und Diskriminierung ihrer Abweichungen durch Sozialpolitik vgl. AG Sozialpolitik (1986).

10 Formell gesehen, ist den Arbeitskraftbesitzern selbstverständlich freigestellt, ob sie ihre Arbeitskraft verkaufen wollen oder nicht. Im entgegengesetzten Falle wären sie einem Zwangsarbeitsverhältnis unterworfen, einem Arbeitsverhältnis also, das die Organisationsform der ›freien‹ Lohnarbeit auflösen würde.

11 Der Grundsatz der Nachrangigkeit besagt im Kern, daß an erster Stelle alle eigenen Möglichkeiten des Einsatzes der Arbeitskraft, des Einkommens und des Vermögens und sodann die reproduktionssichernden Leistungen anderer gesellschaftlicher (Familie) und staatlicher Instanzen auszuschöpfen sind, bevor die Reproduktionssicherung zum Gegenstand der nachdem Fürsorgeprinzip organisierten wohlfahrtsstaatlichen Sicherungs- und Unterstützungsleistungen wird.

12 Vgl. hierzu auch Leibfried/ Tennstedt (1985), die mit ihrer Entgegensetzung von "Armenpolitik und Arbeiterpolitik" den gleichen Sachverhalt von ›Unterund Oberstock‹ ansprechen, oder auch, in systemtheoretischer Perspektive, die Differenzierung zwischen Erst- und "Zweitsicherung" von Bommes/Scherr (2000: 140) sowie ferner Gerstenberger, die auf die zentrale politische Bedeutung der Institutionalisierung der Sozialversicherung hinweist, mit der eine "hoheitliche Scheidung" (Gerstenberger 1981: 43) der ›superioren‹ Arbeiter von den ›inferioren‹ Armen vollzogen wurde. Eine Scheidung, die ihren ›Hebel‹ an den verhaltenssteuernden Momenten des Strebens nach Reputierlichkeit (Aufstiegsorientierung) und sozialer Distinktion (Abstiegsvermeidung) anzusetzen vermag. Was Brückner für die Bevölkerungsmassen in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts konstatiert, gilt heute noch ungeschmälert: "Nicht arm, nicht Objekt solcher scherbengerichtsartigen Fürsorge zu werden, nicht in die Randgruppe der ›drop outÂ’s‹ zu stürzen, wurde zur permanenten Sorge breiter Bevölkerungsschichten. Wer nichts als seine Arbeitskraft anzubieten hat [Â…], kann dieser ›Sorge‹ nie ganz entrinnen. Sie motiviert zur zäh festhaltenden Affirmation an Merkmale der ›Herrenschicht‹ - und nicht nur, weil Reputation die Abwesenheit jenes Randgruppen-Elends ausdrückt oder Arbeiter gegen das ›Lumpenproletariat‹ abgrenzt." (Brückner 1973: 22)

13 Es ist im Grunde unzulässig, von ›dem‹ Regulationsansatz zu reden, da unterschieden werden kann zwischen einer werttheoretischen Variante mit Aglietta und einer preistheoretischen Variante mit Boyer als den wohl jeweils namhaftesten Vertretern; vgl. hierzu die profunde Arbeit von Hübner (1990).

14 Beispiele hierfür wären etwa für eine extensive Akkumulation ohne Massenkonsumtion: Frankreich in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts; für eine intensive ohne: die USA zwischen den beiden Weltkriegen, für eine intensive mit:Westeuropa und die USA seit den 1950er Jahren und für eine extensive mit: die USA seit Mitte der 1960er Jahre, so Hübner (1990: 144) mit Bezug auf Boyer.

15 Da Stabilität und Kohärenz lediglich ›Fluchtpunkte‹ des historischen Prozesses darstellen, sind sie nur zu definieren als dynamischer Gleichgewichtspfad bzw. als Entwicklungspfad mit den geringsten Strukturspannungen.

16 Vgl. den verdichteten Überblick von Lipietz (1985).

17 Der Begriff "Normalarbeitsverhältnis" verdankt sich den erhellenden Überlegungen Mückenbergers (1985; 1986), der damit ein Arbeitsverhältnis charakterisiert, das dauerhaft und kontinuierlich ist, auf Vollzeitbasis erfolgt sowie Qualifikation voraussetzt und an das die geltende Arbeitsund Sozialordnung vorteilhafte Schutz- und Gewähr- (leist)ungsfunktionen knüpft. Da der Begriff zwei gesellschaftlich wirksame Aspekte von Lohnarbeit als dem kapitalistischen Normalmodus der Arbeitskraftreproduktion ausdrückt: nämlich zum einen das Faktische im Sinne einer empirisch beobachtbaren Regelmäßigkeit und zum anderen das Geltende im Sinne einer verbindlich geforderten sozialen Verhaltensregel - denn das "Normale bedeutet [Â…] sowohl Verbreitung wie Demonstration der Norm" (Canguilhem 1977: 163) -, ist es wichtig auseinanderzuhalten, daß das in bezug auf eine Norm genannte Faktum mit eben dieser Norm nicht deckungsgleich ist. Soll heißen, daß das empirische Normalarbeitsverhältnis nicht identisch ist mit seinem normativen Leitbild. Eine Differenz, die bei der Rede von der ›Erosion‹ des Normalarbeitsverhältnisses zumeist übersehen wird, so als ob nach Beendigung des Erosionsprozesses kein Normalarbeitsverhältnis mehr bestünde.Was unter der Voraussetzung des Fortbestehens der kapitalistischen "Basisinstitutionen" (vgl. Müller et al. 1978: 11 ff.) jedoch gleichwohl zu erodieren vermag, ist das jeweils herrschende normative Leitbild.

18 Man spricht für gewöhnlich von ›kleinen Krisen‹ und von ›großen Krisen‹. Beim ersten Typus der Zuspitzung und Entschärfung von Widersprüchen handelt es sich um adaptive Prozesse innerhalb der von der Produktionsweise vorgegebenen Form bzw. um, regulationstheoretisch gesprochen, "Krisen innerhalb der Regulation " (Lipietz 1985: 113). Beim zweiten Typus hingegen entfalten sich die Widersprüche in einer Weise, bei der die strukturellen Formen der gesellschaftlichen Reproduktion, innerhalb deren sich die Widersprüche bewegen, mehr oder minder tiefe Brüche erleiden. In diesem Fall spricht die Regulationsschule auch von "Krisen der Regulation" (ebd.). ›Große Krisen‹ fallen demnach zusammen mit den Depressionen der etwa 50 bis 60 Jahre währenden sog. Kondratieff-Zyklen, wie sie in der Theorie der ›langen Wellen‹ über langfristige Entwicklungstendenzen des Kapitalismus beschrieben werden; vgl. statt vieler Altvater (1982), Mandel (1983).

19 Zunächst in Chile unter Augusto Pinochet, der die sog. Chicagoboys um Milton Friedmann, den Vordenker des Monetarismus, nach Santiago holte, um die chilenische Wirtschaft nach den neuen Maßstäben umzugestalten, dann in den USA unter Ronald Reagan, der in radikaler Ausübung eines Laissez-faire-Kapitalismus (Reagonomics) eine völlige Umorientierung hin zu einer reinen Angebotsökonomik herbeiführte, sowie in Großbritannien unter Margaret Thatcher, die ihren Feldzug gegen den Wohlfahrtsstaat und die Gewerkschaften (Thatcherism) unter das Motto "Wer nicht arbeitet, soll auch nicht essen" stellte. Mittlerweile sind neoliberale Programme zu Leitbildern der gesamten europäischen Politik avanciert, wobei unter dem Einfluß von Weltbank und Internationalem Währungsfonds insbesondere in den mittel- und osteuropäischen Ländern der Umbau der Steuer-, Finanz- und wohlfahrtsstaatlichen Sicherungs- und Unterstützungssysteme nach neoliberalen Mustern erfolgte.

20 Es gilt bei der Sachzwangrhetorik daran zu erinnern, daß nicht Krisen ›an sich‹, sondern deren spezifische Wahrnehmung und Deutung durch die politischen Akteure den Handlungsdruck erzeugen, den man ihnen interessengeleitet, d.h. zur Legitimation des eigenen Handelns, hypostasierend zuschreibt.

21 ›Globalisierung‹ fungiert in öffentlichen und wissenschaftlichen Diskursen vielfach geradezu als Schlüsselbegriff für etwas gänzlich Neues. Diese Auffassung ist zwar nicht völlig falsch, aber auch nicht völlig richtig. Denn das, was gemeinhin ›Globalisierung‹ genannt wird, nämlich die zunehmende Verflechtung ökonomischer Aktivitäten in Form der Internationalisierung von Produktion und Finanzmärkten, ist welthistorisch betrachtet keineswegs neu, sondern hat seinen Ausgangspunkt im Europa des 16. Jahrhunderts. Es ist aber auch nicht so, daß die derzeitigen Veränderungen lediglich eine Fortführung früherer Globalisierungsprozesse darstellen. Charakteristisch für die heutige Situation ist das Überwinden von Raum und Zeit auf der Basis der modernen Informations- und Kommunikationstechnologien, wodurch weltumspannende ökonomische Aktivitäten in ›Echtzeit‹ möglich werden, sowie die Gewichtsverlagerung im Verhältnis von Ökonomie und Politik, bei der letztere zunehmend zur abhängigen Variablen ersterer degradiert wird. Aus der zwischenzeitlich unübersehbar gewordenen auch sozialwissenschaftlichen Literatur vgl. den Überblick von Brock (1997) sowie Friedrichs (1997).

22 Wird der Staat als ›Unternehmen‹ betrachtet, wie es die Rede von der "Deutschland AG" (Ederer/ Schuller 1999) sinnfällig beschreibt, besteht die Möglichkeit, sich die Bürger vorzustellen als das dem ›Unternehmen‹ angehörige ›Personal‹, das es für den Wettbewerb unter den Nationalstaaten (Stichwort: ›Standort Deutschland‹) durch eine ›Personalentwicklungspolitik‹ (Stichwort: ›lebenslanges Lernen‹) fit for the job zu machen und auch zu erhalten gilt. Denkbar ist aber auch, so der ehemalige Wirtschaftsminister Werner Müller in seinem dem Buch von Ederer/ Schuller beigefügten "Brief an die Aktionäre" (ebd.: 3), die Bürger als Aktionäre zu betrachten, die gegenüber dem Management, also der Regierung, ihre Wünsche und Interessen formulieren können. Demokratietheoretisch höchst problematisch sind beide Sichtweisen, weil sie das Verhältnis zwischen Bürger und Staat bzw. Politik nicht mehr politisch, sondern ökonomisch bestimmen. Für den Gedanken, den Staat als Aktiengesellschaft zu betrachten, gibt es in der klassischen liberalen Theorie zahlreiche Vorbilder, an erster Stelle selbstredend Locke; vgl. hierzu Macpherson (1980: 283 ff.).

23 Sozialpolitik ist entstanden, weil der Lohnarbeiterexistenz die Gefährdung der Arbeitskraftreproduktion infolge von Zahlungsunfähigkeit inhärent ist. Den Arbeitskraftbesitzer zu konzeptualisieren als ›Kunden‹ der Sozialpolitik bzw. So-zialen Arbeit, mißachtet unzulässig, daß bei Eintritt des Risikofalles ›Lohneinkommensverlust‹ es dem Arbeitskraftbesitzer dann gerade an jenem mangelt, was einen Kunden auszeichnet: hinreichende Zahlungsfähigkeit und -bereitschaft.

24 In der neoliberalen Konzeption von Gesellschaft ist das Ökonomische nicht mehr wie im Frühliberalismus ein fest umrissener und eingegrenzter gesellschaftlicher Bereich mit spezifischer Rationalität, Gesetzen und Instrumenten, sondern das Ökonomische umfaßt nunmehr prinzipiell alle Formen menschlichen Handelns. (vgl. Lemke et al. 2000: 14 ff.) Hierbei gilt der Markt als jener Mechanismus der Handlungskoordination, der allen anderen überlegen sei. Dies rechtfertigt es, den Prozeß der Restrukturierung des Wohlfahrtsstaats mit der Vokabel "Vermarktlichung" zu versehen, die Nullmeier (2004) zufolge drei verschiedene Dimensionen umfaßt: die interne im Sinne der marktförmig organisierten Produktion von Wohlfahrt, die externe im Sinne der marktförmigen Herstellung von Weltmarktfähigkeit und die subjektbezogene im Sinne der Erziehung des Bürgers zur Marktlichkeit.

25 "Die Furcht vor allem Auffallenden und Abweichenden ist enorm groß, und ein stärkerer Hüter des bestehenden Zustands als alle Polizei." (Burckhardt, J.; zit. nach: Brückner 1973: 17)

26 Als geistiger Wegbereiter des "[j]enseits von Links und Rechts" (Giddens 1997) verstandenen britischen Reformprogramms des "Dritten Weges" - in der Bundesrepublik Deutschland auch etwas mehrdeutig als "Politik der Neuen Mitte" (Hombach 1998) adaptiert - kann Giddens (1999; 2001) gelten, der vorschlägt, "auf der Grundlage des Prinzips ›keine Rechte ohne Verpflichtungen‹ einen neuen Gesellschaftsvertrag zu schließen" und eine "umfassend angebotsorientierte Wirtschaftspolitik zu entwickeln, die marktwirtschaftliche Wachstumsfaktoren mit einer strukturellen Reform des Wohlfahrtsstaats erlaubt", der "sich zu einem ›Sozialinvestor‹ entwickeln muß" (Giddens 2001: 62).

27 Zu dem aus den Diskussionen um lean management und lean production in der Privatwirtschaft entlehnten und auf eine Begrenzung der Staatsaufgaben und -ausgaben zielenden, den Bereich der Inneren Sicherheit aber selbstredend aussparenden Begriff des schlanken Staates vgl. Lamping et al. (2002: 13 ff.).

28 Wessen Wohl auch immer das Gemeinwohl sein mag, so wäre ideologiekritisch zu fragen, zumal der Topos des Gemeinwohls eher der rechten denn der linken politischen Kritik geläufig ist; vgl. hierzu neuerdings Offe (2002).

29 Zum historischen Wandel des Verhältnisses von Arbeiten und Essen und den sich daraus für den Umgang mit Armut ergebenden Konsequenzen vgl. Vobruba (1985).

30 "Erstes" und "Zweites Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt" ("Hartz I u. II") sind am 1. Januar 2003 in Kraft getreten, "Hartz III" am 1. Januar 2004 und "Hartz IV" in Form des neu geschaffenen SGB II (Grundsicherung für Arbeitsuchende) am 1. Januar 2005 sowie am 1. August 2006 das SGB-II-Fortentwicklungsgesetz, das in den Medien zunächst als Hartz- IV-Optimierungsgesetz bekannt wurde. Zu Inhalt und Umsetzung der Hartz-Gesetze vgl. den immer noch informativen Aufsatz von Brütt (2003), als erste Einschätzung zum SGB-IIFortentwicklungsgesetz Buestrich (2006) sowie Völker (2006).

31 Mit dem Begriff des "impliziten Gesellschaftsvertrages" werden Regeln oder Normen angesprochen, auf die sich die Mitglieder einer Gesellschaft verständigt haben, wenn auch nicht explizit in Form formaler, geschriebener Verfassungen oder Verträge, sondern vielmehr in einem "nicht-verbalisierten Rahmen gegenseitigen Verstehens" (Moore 1999: 38 f.). Dies besagt aber nicht, daß diese Regeln oder Normen das Verhalten der Akteure nicht doch maßgeblich beeinflussen, da mit ihnen - von Herrschenden und Beherrschten - Grenzen gezogen und Verpflichtungen eingegangen werden. Sie bilden bei Moore zumeist die Grundlage für das Verständnis von Ungerechtigkeit, deren Empfindung und Deutung selbst wiederum Ausgangspunkte sind für "Unmut und moralische Entrüstung" (ebd.: 277) und Widerstand. Eine ähnliche Sichtweise findet sich bei Thompson (1980), der mit seinem Konzept der "moralischen Ökonomie" darauf aufmerksam macht, daß Handlungsweisen und Verhaltensmuster von individuellen wie kollektiven Akteuren sich vielfach orientieren an der traditionsbestimmten Vorstellung eines ›richtigen und guten Lebens‹, weswegen eine gröbliche Verletzung dieser moralischen Grundannahme häufig Anlaß war und ist für widerständiges Verhalten.

32 Das Phänomen der mit der Verfestigung der Massenarbeitslosigkeit einhergehenden Tendenz zur Normalisierung von sozialen Polarisierungs- und Marginalisierungsprozessen wird in der jüngeren Zeit in der sozialwissenschaftlichen Literatur unter dem Stichwort ›Exklusion‹ bzw. ›soziale Ausgrenzung‹ diskutiert (vgl. stellvertretend Herkommer 1999, Kronauer 2002, Pilgram/ Steinert 2000 für einen Überblick über die Debatte), die allerdings, wie so häufig, nicht ohne Vorläufer ist, um nur an den Topos von der ›Zweidrittelgesellschaft‹ (vgl. statt anderer Natter/ Riedelsperger 1988) zu erinnern, der selbst wiederum seinen Ahnen hat mit der "Neuen Sozialen Frage" (Geißler 1976) und so weiter und so fort.

33 Ein Sachverhalt, der in der heutigen Armutsforschung kaum Berücksichtigung findet. Eine rühmliche Ausnahme hiervon bildet der leider viel zu wenig beachtete Beitrag von Zander (1975), der unter Rekurs auf die Marxsche Kritik der politischen Ökonomie Armut begreift als ein Strukturmerkmal des Kapitalismus und mithin als Kennzeichen von Proletarität, von lohnabhängiger Existenz. Armut dient somit nicht länger als Kriterium der Abgrenzung einer von den Lohnabhängigen getrennten Randgruppe. Im Gegenteil, sie bildet ein beide Gruppen verbindendes ›Scharnier‹.

34 Vgl. hierzu statt anderer die Beiträge in Lindenberg (2000).

35 Zu den aus der Managementtheorie importierten Ansätzen zur Infragestellung und Umgestaltung des Weberschen Modells bürokratischer Herrschaft (vgl. Weber 1985: 124 ff., 551 ff.) siehe mit Bezug auf den von der Kommunalen Gemeinschaftsstelle für Verwaltungsvereinfachung initiierten Modernisierungsprozeß Budäus (1994) und Rei-chardt (1994), mit Bezug auf die Soziale Arbeit die Beiträge in Merchel/ Schrapper (1996) sowie Reis/Schulze-Böing (1998). Was die Befürworter einer Verbetriebswirtschaftlichung der öffentlichen Dienstleistungsproduktion eint, ist nicht nur deren Glaube an die These vom Staatsversagen, sondern auch an die Überlegenheit des Marktes. Bei aller berechtigten Kritik an der Wirksamkeit von Staatstätigkeit wird hierbei allerdings nicht gesehen, daß in gleicher Weise auch von einem Marktversagen gesprochen werden muß, weil reale Märkte nicht so funktionieren, wie es die Axiomatik des neoklassischen "Modell-Platonismus" (Albert) fordert. Als eine empirisch-praktische Kritik am Staats- wie Marktversagen ließe sich etwa das erneute Erstarken der sozial(politisch-)en Selbsthilfebewegung Ende der 1970er, Anfang der 1980er Jahre interpretieren.

36 Vielfach werden prekäre Arbeits- und Beschäftigungsverhältnisse (so u.a. befristete Beschäftigung, Teilzeitarbeit, Leiharbeit, "Mini-" oder "Midi-Jobs", "Ich-AGs" oder "Ein-Euro-Jobs") in negativer Abgrenzung zum Normalarbeitsverhältnis (siehe nochmals Anm. 17) definiert, allerdings ohne hierbei hinreichend zu beachten, daß Prekarität zwischenzeitlich selbst eine Normalität geworden ist (vgl. Brinkmann et al. 2006). Hieraus wäre eigentlich zu folgern, daß das empirische Normalarbeitsverhältnis (nicht dessen normatives Leitbild wohlgemerkt) heute im wesentlichen durch das Merkmal der Prekarität gekennzeichnet ist. Insofern kommt dem aus ›prekär‹ und ›Proletariat‹ gebildeten Amalgan ›Prekariat‹ durchaus eine heuristische Funktion zu, weil es einerseits daran erinnert, daß Pauperität grundsätzlich identisch ist mit Proletarität, da der doppelt "freie Arbeiter" (Marx 1974: 183) selbst dann, wenn er erwerbslos ist, virtuell abhängig ist vom Lohn (bzw. einem Lohnersatz), und weil es andererseits darauf aufmerksam macht, daß die derzeitige qua Prekarisierung bewirkte Aktualisierung der fundamentalen Verunsicherung und Entsicherung aller Arbeits- und Lebensbereiche nicht einem ›Sachzwang‹ oder deus ex machina geschuldet ist, sondern eine, die von Menschenhand herbeigeführt wurde und wird. "Man wird den Verdacht nicht los, daß Prekarirät nicht das Produkt einer mit der ebenfalls vielzitierten ›Globalisierung‹ gleichgesetzten ökonomischen Fatalität ist, sondern vielmehr das Produkt eines politischen Willens. [Â…] Die Prekarität ist Teil einer neuartigen Herrschaftsform, die auf der Errichtung einer zum allgemeinen Dauerzustand gewordenen Unsicherheit fußt und das Ziel hat, die Arbeitnehmer zur Unterwerfung, zur Hinnahme ihrer Ausbeutung zu zwingen." (Bourdieu 2004: 110 f.) Vgl. in diesem Zusammenhang auch Castels' (2000: 336 ff.) scharfsinnige Analyse der modernen Lohnarbeitsgesellschaft, in der eindringlich die destabilisierenden Rückwirkungen aufgezeigt werden, die von der sich zunehmend ausbreitenden "Zone der Verwundbarkeit", also der Prekarität, und der "Zone der Entkoppelung", sprich der sozialen Ausgrenzung, auf die "Zone der Integration", d. h. den Kern der Arbeitsgesellschaft, ausgehen und das Fundament der gesellschaftlichen Integration zu zersetzen drohen.

37 Zu nennen sind in diesem Zusammenhang u. a. jene Programme, die derzeit unter dem Label ›evidence based practise‹ in der Sozialen Arbeit meist unkritisch als ein Beitrag zu deren Professionalisierung diskutiert werden und mit denen die Klienten einem möglichst standardisierten diagnostischen ›Assessment‹ zu unterziehen sind, um deren ›Risk-Need-Profil‹ ermitteln und, hierauf aufbauend, das für das jeweilige Profil wirksamste EBPProgramm durchführen zu können. Ignoriert wird hierbei, daß die Aufgabe der ›Professionellen‹ im "EBP nur noch technischer Natur [ist; M.W.]: Es geht darum, das Programm an den zugewiesenen AdressatInnen detailgenau und gradlinig nach den Programmvorschriften, den ›Manualized Practice Guidelines‹ zu exekutieren. Es ist nicht erforderlich, dass sie wissen, warum sie welche Maßnahme verwenden, und genau genommen ist es nicht einmal wichtig, dass sie wissen, was sie tun. All das, was Professionalität ausmacht, scheint im Kontext einer manageriellen EBP mehr oder weniger überflüssig." (Ziegler 2006: 151)

in: UTOPIE kreativ, H. 206 (Dezember 2007), S. 1153-1170