Waffenhandel global

Zur Verhinderung des internationalen Waffenhandels bedarf es neuer Instrumentarien

"There are over 550 million firearms in worldwide circulation. That's one firearm for every twelve people on the planet. The only question is: How do we arm the other 11?"

Dies fragt sich gedankenverloren Nicolas Cage in Andrew Niccols "Lord Of War" ("Händler des Todes")1 und veranschaulicht damit zweierlei - die wirtschaftliche Dimension des internationalen Waffenhandels ebenso wie die Skrupellosigkeit, mit der so mancher versucht, sich daran zu beteiligen.

Wirtschaft gegen den Menschen

Tatsächlich ist das ökonomische Ausmaß des sich fernab öffentlicher Wahrnehmung abspielenden Waffenhandels beeindruckend. Momentan befinden sich rund 600 Millionen Kleinwaffen weltweit im Umlauf und jedes Jahr kommen 8 Millionen hinzu. Von diesen Exporten stammen 88 Prozent von den ständigen Mitgliedern des UNO-Sicherheitsrates, also den USA, Großbritannien, Russland, Frankreich und China. Der Wert der jährlich weltweit genehmigten Waffenexporte wird auf ca. 21 Milliarden US-Dollar geschätzt. Die USA, Großbritannien und Frankreich haben von 1999 bis 2002 mehr an Waffenexporten nach Afrika, Asien, Lateinamerika und in den Nahen Osten verdient, als sie diesen Ländern an Entwicklungshilfegeldern zur Verfügung gestellt haben.2 Umgekehrt wiederum geben Länder in Afrika, Asien, Lateinamerika und im Nahen Osten durchschnittlich 22 Milliarden US-Dollar jährlich für Waffen aus. Die Hälfte dieses Betrages würde genügen, um jedem Kind in diesen Ländern den Besuch der Grundschule zu ermöglichen. Ein Drittel aller Länder dieses Planeten gibt mehr Geld für das Militär als für das Gesundheitswesen aus. Ethische Bedenken scheinen in diesem Geschäft eine bestenfalls zweitrangige Rolle zu spielen. Dabei wird pro Minute ein Mensch durch konventionelle Waffen getötet, 500.000 jedes Jahr. Weltweit haben ca. 300.000 KindersoldatInnen in Konflikten den Finger am Auslöser. Immer wieder werden Frauen und Mädchen in bewaffneten Konflikten unter vorgehaltener Waffe Opfer sexueller Gewalt, so zum Beispiel 15.700 Frauen in Ruanda und 25.000 Frauen in Kroatien und Bosnien.

Von Europa in die Welt

Auch deutsche Rüstungskomponenten finden sich in vielen (Bürger-)kriegen wieder: So genehmigte die Bundesregierung zwischen 1999 und 2002 den Export von Munitionsbestandteilen, einer ballistischen Prüfanlage und Teilen einer Munitionsproduktionsanlage im Wert von mehr als 2,2 Mio. EUR in das vom Bürgerkrieg geschüttelte Nepal. Britische Panzerhaubitzen bewegten sich 2003 auf Ketten der deutschen Firma Diehl Remscheid über irakischen Sand und selbst in der VR China, gegen die seit dem Tiananmen-Massaker von 1989 trotz gegenteiliger Bemühungen der Europäischen Union3 ein Waffenembargo in Kraft ist, rollen Panzer und tauchen U-Boote mittels speziell gefertigter deutscher Motoren.4 Doch die BRD ist nicht allein: Insgesamt haben EU-Staaten im Jahr 2003 Ausnahmen vom Waffenembargo im Wert von ca. 413 Millionen Euro genehmigt.5 Noch im Vorjahr bezifferte das offizielle Journal der Europäischen Union die Summe der Waffenexport-Lizenzen auf lediglich 210 Mio. EUR. Binnen Jahresfrist hat sich der an sich untersagte Waffenkauf der Chinesen in Europa damit fast verdoppelt. Die Frage drängt sich auf: Wie kann all dies sein? Wenn ethische Grundsätze schon hinter wirtschaftlichen Interessen zurückzutreten scheinen, wo ist der juristische Riegel?

Doppelt hält schlechter

Seltsamerweise gibt es derer auf nationaler Eben gleich zwei: das Außenwirtschaftsgesetz (AWG) und das Kriegswaffenkontrollgesetz (KWKG). Ergänzt werden sie durch die "Politischen Grundsätze der Bundesregierung für den Export von Kriegswaffen und sonstigen Gütern", die unter Anderem unter Bezug auf die Menschenrechte zu restriktiver Handhabung im Umgang mit Ausfuhrgenehmigungen anhalten, als unverbindliche Interpretationshilfe jedoch faktisch an der Genehmigungspraxis nichts ändern.6 Das KWKG als Ausführungsgesetz zu Art. 26 II GG regelt den Export sämtlicher ausdrücklich als "Kriegswaffen" definierter Waffen und einiger besonderer Komponenten, die an sich noch keine Waffen darstellen, aber als Bestandteil in ein Waffensystem eingebaut werden können. Weil diese Waren besonders gefährlich sind, ist jeder Export erstmal unter Strafandrohung verboten, solange er nicht ausnahmsweise genehmigt wird.7 Das Außenwirtschaftsgesetz regelt den Export sämtlicher Rüstungsgüter, soweit sie nicht als "Kriegswaffe" dem KWKG unterliegen. Dabei folgt es der genau umgekehrten Logik: Exporte dieser Güter sind zwar genehmigungspflichtig, können nach § 7 I AWG aber allein untersagt werden, "um die wesentliche Sicherheitsinteressen der BRD zu gewährleisten, eine Störung des friedlichen Zusammenlebens zu verhüten, oder zu verhüten, dass die auswärtigen Beziehungen der BRD erheblich gestört werden." Im Gegensatz zum KWKG ist also erstmal alles erlaubt, was nicht nach den Kriterien des § 7 I AWG verboten ist. In allen anderen Fällen besteht ein sich aus dem volkswirtschaftlichen Interesse ableitender Genehmigungsanspruch.8

Gut getarnt ist halb verkauft

Will eine deutsche Firma also Waffen exportieren, so gilt es, diese in einer Weise anzubieten, dass sie unter das ausfuhrfreundliche AWG subsumiert werden können. Sollte der Export dann noch - unwahrscheinlicherweise - nicht genehmigt werden, so muss die BRD dies begründen, wogegen wiederum der Rechtsweg offen steht. Der Trick besteht beispielsweise für Komponenten von Panzerfahrzeugen somit darin, die Komponenten als "dual use"-Güter offiziell auch für zivile Fahrzeuge anzubieten, etwa für Baumaschinen. Aber auch fast komplette Kriegsmaschinen können exportiert werden, soweit man die typisch militärischen Einzelteile wie z.B. Kanonenaufsätze zunächst weglässt. Diese können über das KWKG in die Mitgliedsstaaten der EU, der NATO sowie in die NATO-gleichgestellten Staaten9 und dann "über Bande" in Drittstaaten nachgeliefert werden. So können zum Beispiel Komponenten an die USA geliefert werden. Von dort wiederum finden seit Jahrzehnten durch die militärischen Finanzierungsprogramme "Foreign Military Sales (FMS)" und "Foreign Military Finance (FMF)" Waffensysteme ihren Weg nach Ägypten, Israel, Pakistan, Taiwan und Kolumbien - allesamt Staaten, in die Direktimporte nach dem KWKG nicht ohne weiteres direkt genehmigt werden würden. Über diese Schlupflöcher hinaus besteht mehr und mehr die Möglichkeit, die "sensiblen" Komponenten gar nicht erst der Kontrolle durch AWG und KWKG aussetzen zu müssen. Im Zuge der Globalisierung entstehen länderübergreifend agierende Rüstungskonzerne, deren Wertschöpfungskette sich über mehrere Staaten erstreckt. Dies ermöglicht, die Einzelteile je nach Gesetzeslage in verschiedenen Ländern herzustellen, bevor sie dann zu einem in dieser Form sehr schwer zu exportierenden Waffensystem zusammengebastelt werden. Der konzerninterne Warenverkehr und Joint-Venture-Konstruktionen mit anderen Rüstungsunternehmen machen es fast unmöglich, einzelne Produktionsschritte nachzuvollziehen. So erfasst die weltweit in allen Wirtschaftszweigen zu beobachtende Transnationalisierung der Produktionsstätten immer mehr auch den Waffenhandel und unterhöhlt selbst das löchrige nationale Exportkontrollrecht.

Zahnlose Abkommen

Zunehmende Bedeutung gewinnen dementsprechend internationale Abkommen zur Rüstungsexportkontrolle. Noch steht die internationale Gemeinschaft ganz am Anfang einer wirksamen Kontrolle der Rüstungstransfers. Dabei sind erste Schritte durchaus schon getan, so etwa das Kleinwaffenaktionsprogamm der Vereinten Nationen, die Waffensammelprogramme in Mali oder das Kleinwaffenmoratorium in Westafrika. Das Problem dabei: Die bestehenden Abkommen bleiben weitgehend Stückwerk und entfalten aus verschiedensten Gründen faktisch wenig Wirkung. So ist beispielsweise im weltweiten Rahmen als bedeutendstes Abkommen 1996 das "Wassenaar-Arrangement on Export Controls for Conventional Arms and Dual Use-Goods and Technologies (WA)" in Kraft getreten. Unterzeichnet von weltweit 39 Staaten, darunter mit Ausnahme von Zypern alle EU-Staaten sowie Japan, die Türkei und die USA, soll das Abkommens die Ausfuhr von konventionellen Waffen und "dual use"-Gütern zwar nicht verhindern, doch zumindest ein wenig transparenter machen. Dies geschieht, indem die Mitgliedsstaaten Listen über rüstungssensitive Güter anlegen, die der nationalen Exportkontrolle unterfallen sollen. Die Mitgliedsstaaten entscheiden weiterhin selbstständig über den Export von solchen Gütern, informieren jedoch die anderen Mitgliedsstaaten. Dieses Prozedere soll verhindern, dass abgelehnte Anfragen von anderen Mitgliedsstaaten positiv beschieden werden und insofern eine Harmonisierung der Waffenexportpolitik bewirken. An sich eine gute Idee, in die zu investieren sich lohnen könnte. Momentan jedoch ist der Effekt dieses Abkommens nicht stark genug, um die Schlupflöcher im nationalen Recht zu stopfen oder ihnen effektiv entgegenzuwirken. Hierzu bedürfte es klarer, rechtlich verbindlicher Exportrichtlinien und supranationaler Kontrollen - nichts hiervon kann das Wassenaar-Abkommen gewährleisten. Ein anderes Beispiel ist der 1998 beschlossene EU-Verhaltenskodex für Rüstungsexporte, der unter anderem die Achtung der Menschenrechte im Endbestimmungsland als Kriterium vorsieht. Wiederum ein guter Ansatz - mit wiederum letztlich wenig Wirkung. Erstens ist der Kodex lediglich eine unverbindliche Erklärung des europäischen Rates und sieht keinerlei Sanktionsmechanismen vor. Zweitens gilt er nicht für Waffenkomponenten. Und letztlich legen die Mitgliedsstaaten die Kriterien unterschiedlich aus. So weigerte sich Deutschland 2002 unter Verweis auf die Menschenrechtslage, Sturmgewehre nach Nepal zu liefern. Vergebens - noch im selben Jahr belieferte Belgien, das wie Deutschland dem Verhaltenskodex unterliegt, die nepalesische Regierung mit 5.500 Maschinengewehren.10 Allein diese beiden Beispiele zeigen, wie mangelnde Verbindlichkeit, unpräzise Formulierungen, unterschiedliche Auslegung der Ausfuhrkriterien, fehlende Transparenz und vor allem die mangelnde Kontrolle auch an sich gute Ansätze im Sand verlaufen lassen.

Bitte unterschreiben Sie hier

Es bleibt festzuhalten: Für große Rüstungskonzerne wird es trotz der bestehenden Rüstungsexportinstitute zunehmend einfacher, Waffen auszuführen. Notwendig ist somit auf einerseits die grundlegende Korrektur des nationalen Kontrollsystems nach den strengeren Kriterien des KWKG und seine sofortige Umsetzung in der Genehmigungspraxis sowie vor allem eine internationale Konvention, die klare und verbindliche Waffenkontrollmechanismen schafft und sicherstellt, dass sich die Regierungen auch daran halten. Der Text für eine solche Konvention wurde bereits auf Initiative mehrerer FriedensnobelpreisträgerInnen ausgearbeitet.11 Fehlen nur noch die Unterschriften. 1 "Weltweit kursieren etwa 550 Millionen Schusswaffen. Jeder zwölfte Erdenbewohner verfügt also über eine. Bleibt die Frage, wie man die restlichen elf beliefern kann!" 2 amnesty international, aiinfo nr. 04/03. 3 Die Zeit v. 17.3.2005. 4 Nassauer/Steinmetz: Komponenten - die vergessenen Rüstungsexporte, S. 3f.; Die Zeit v. 14.4.2005. 5 http://www.dw-world.de/dw/article/0,2144,1518916,00.html, (5.9.2006). 6 Eine Analyse von Tobias Pflüger unter http://www.uni-kassel.de/fb5/frieden/aktuell/pflueger.html, (5.9.2006). 7 Vgl. §§ 19-20a, 22a KWKG. Das KWKG gehört somit zum Nebenstrafrecht. 8 Vgl. § 3 I AWG. 9 Australien, Japan, Neuseeland und die Schweiz. 10 http://www.oxfam.de/download/UN-ATTBerichtDEUTSCH.pdf, (5.9.2006). 11 http://armstradetreaty.org/att/att.framework.pdf, (5.9.2006).