Kündigen Ist Klever: KIK

Während in der Güterproduktion nur noch um den Erhalt von Arbeitsplätzen gekämpft wird, geht es im nur begrenzt in Billiglohnländer auszulagernden Einzelhandel noch um ArbeitnehmerInnenrechte.

Gescheitert war der erste Versuch einen Betriebsrat für die Beschäftigten des Textildiscounters KiK zu wählen im Herbst 2006 daran, dass der von der Geschäftsleitung dominierte Wahlvorstand einfach nicht tätig geworden war. Als Reaktion führte die GPA-DJP (Gewerkschaft der Privatangestellten, Druck, Journalismus, Papier) im Rahmen einer Informationskampagne unter allen Beschäftigten per Post eine Befragung durch. Ergebnis laut Regionalsekretär und Projektleiter Georg Grundei: 98 Prozent aller Befragten wünschten sich einen Betriebsrat, 85 Prozent bekommen die Vor- und Abschlussarbeiten nicht bezahlt, sechzig Prozent beklagten, dass ihre Wochenarbeitszeit willkürlich geändert wurde, die vereinbarte Arbeitszeit wurde bei jeder/m zweiten nicht eingehalten. Die Geschäftsleitung riet MitarbeiterInnen daraufhin ab, der Gewerkschaft beizutreten. Diese bringe nur Missstimmung ins Unternehmen. Anlass für die GPA-DJP zu einer Klage wegen Kreditschädigung. Wegen der nicht bezahlten Vor- und Abschlussarbeiten führen die Gebietskrankenkassen derzeit eine Prüfung durch, denn durch die ebenfalls nicht bezahlten Versicherungsbeiträge besteht der Strafbestand des Sozialbetrugs. Schließlich musste die Geschäftsleitung nachgeben und Betriebsratswahlen zulassen.

Pyrrhussieg der Beschäftigten.
Zwei Tage nach Ausschreibung der Wahl wurde Filialleiter Andreas Fillei, Spitzenkandidat der Liste "Wir sind KiK", fristlos entlassen und ein Hausverbot über ihn verhängt. Die Umsätze in Filleis Filiale seien merklich zurückgegangen, so KiK-Österreich-Geschäftsführer Wolfgang Seebacher. Gegen die Entlassung wurde umgehend bei Gericht Klage eingebracht, denn Umsatzrückgänge sind bei weitem nicht ausreichend für eine Entlassung. Im Gegensatz zur normalen Kündigung, die unter Einhaltung der Fristen ohne Angabe von Gründen jederzeit möglich ist, müssen bei einer Entlassung grobe Verstöße des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber, wie etwa Diebstahl, vorliegen. Andernfalls ist das Einhalten der Fristen einer normalen Kündigung zumutbar. Aber auch dafür, dass man mit seiner Arbeitsleistung unzufrieden sei, fand Fillei keinerlei Hinweise. Er erklärte gegenüber "Format": "Ich wurde oft gelobt und war auch als möglicher Bezirksleiter im Gespräch." Aber man habe ihm mitgeteilt, dass sich die Mitarbeiter durch seine Wahlwerbung belästigt fühlen würden. Seebacher sagte dazu, er habe von Filleis Kandidatur nichts gewusst. "Es gab keine offizielle Liste für die Betriebsratswahl."

Operation 22. Februar.
Auf Initiative der GPA-DJP wurden gegen die Entlassung Filleis in nur zwei Wochen 8.000 Protestmails gesammelt, in denen die Geschäftsführung auch aufgefordert wurde, Betriebsratswahlen durchzuführen. Das Hausverbot gegen Fillei wurde am 22. Februar gerichtlich aufgehoben. Zwar bleibt die Entlassung bis zur Entscheidung des Arbeitsgerichts aufrecht, Fillei durfte jedoch nun wieder wahlwerbend die KiK-Filialen betreten. Ebenfalls am 22. Februar marschierten Hunderte DemonstrantInnen vor der KiK-Zentrale in Wien auf, um ihren Unmut über das Verhalten der Geschäftsführung kundzutun. Bundesweit fanden für alle KiK-MitarbeiterInnen von der GPA-DJP organisierte Info-Abende statt, an denen hundert MitarbeiterInnen teilnahmen und bei denen Beratungsgespräche geführt wurden. Erneut wurde eine Betriebsratswahl von den KiK-Beschäftigten begrüßt. Ebenfalls anwesend: Manager und Bezirksleiter, die laut GPA-DJP in einigen Fällen sogar unerlaubterweise fotografierten.

Spitzfindig.
Am Montag, dem 26. Februar, brachte Andreas Fillei fristgerecht den Wahlvorschlag ein. In letzter Minute kam der Vorschlag zur Korrektur zurück. Es sollten alle Unterstützungsunterschriften auf ein einziges Formular geschrieben werden. In einem Kraftakt gelang es, dieser Anforderung zeitgerecht zu entsprechen, indem der Wahlvorschlag auf zwei formal unabhängige Listen aufgeteilt wurde. Letztendlich wurde Andreas Fillei jedoch schriftlich mitgeteilt, dass sein Wahlvorschlag nicht zugelassen wurde. Angeblich waren Unterschriften unlesbar und die Koppelung der zwei Wahlvorschläge verboten. Somit wurde nur die Liste von Martin Reischl, Assistent der Geschäftsführung und Vorsitzender des Wahlvorstandes zugelassen. Es wurde umgehend geklagt. Der Richter bestätigte zwar die Korrektheit des Wahlvorschlages der Liste(n) "Wir sind KiK", aber Beschlüsse des Wahlvorstandes können nur im Zuge einer Anfechtung der gesamten Betriebsratswahl bekämpft werden und nicht einzeln. Somit fand die Betriebsratswahl plangemäß vom 13. bis zum 15. März statt. Die Gewerkschaft wird die Wahl anfechten.

Einfallsreichtum.
Nicht nur die KiK-Geschäftsführung sprühte nur so vor lauter Ideen, wie denn der aufsässigen Belegschaft Herr zu werden sei. Auch die GPA-DJP zeigte sich erfreulich kreativ darin, neue Kampfmittel auszutesten. Bei der "AnKi(c)K" Kampagne kamen einige neue Arbeitskampfmethoden zum Einsatz. Schon seit einigen Jahren bewährtes Mittel sind die Umfragen unter MitarbeiterInnen. So erhält nicht nur die Gewerkschaft Informationen, sondern auch die Befragten selbst nehmen oft erstmals bewusst ihre Arbeitssituation wahr. Die Befragung per Post erfolgt unabhängig vom Unternehmen, anonym. Somit ist für die Befragten nicht dasselbe Risiko bei der Beantwortung verbunden, wie bei einer nur betrieblichen Agitation. Die sensationell gute Rückflussrate von 35 Prozent bei der KiK-Befragung bestätigt die Effizienz dieses Mittels - ist doch ansonsten bei Umfragen per Post nur mit etwa zehn Prozent beantwortet zurückgeschickter Fragebögen zu rechnen.

Auch der Globalisierung schenkt die Gewerkschaft endlich Augenmerk. Konkret wird im Falle KiK mit der deutschen Dienstleistungsgewerkschaft "verdi" zusammen gearbeitet, denn auch in Deutschland sehen sich die Angestellten ähnlichen Arbeitsbedingungen gegenüber. Leider bleiben die Verbindungen zu den ArbeiterInnen der in Billiglohnländern wie Bangladesch ansässigen Produzenten noch auf sporadische Besuche mit Entwicklungshilfecharakter beschränkt und äußern sich noch nicht in grenzüberschreitenden Kampfmaßnahmen. Aber immerhin sind erste Ansätze vorhanden. Völlig neu ist das Konzept der "Partnerschaften": In der GPA-DJP organisierte BetriebsrätInnen aus örtlich nahen Betrieben betreuen die Beschäftigten einer Filiale und coachen künftige BetriebsrätInnen, egal ob die Coaches nun ebenfalls als VerkäuferInnen tätig sind oder in der Produktion. Damit verfolgt die GPA-DJP ihren Kurs einer branchenübergreifenden ArbeiterInnenorganisation weiter. Dies birgt vor allem für Frauen Chancen: Denn es kann eine Rückkehr zur Gewerkschaftspolitik vor Ende der 1950er werden, deren Zielsetzung auch die Angleichung der Löhne zwischen den verschiedenen Berufsgruppen war. Die Abkehr von dieser Politik und die geschlechtsspezifische Berufswahl hatten dazu geführt, dass die Einkommensschere zwischen Frauen und Männern immer weiter auseinanderklaffte.

Hausaufgaben.
Über sechzig Prozent aller Handelsangestellten sind Frauen. Die Dreifachbelastung durch Beruf, Haushalt und Kinderbetreuung schwächt jedoch die Kampfkraft der Frauen. So sind es großteils Männer, die den gewerkschaftlichen Kampf anführen. So sehr führende Gewerkschafter in den Medien etwa bei der Diskussion um die Liberalisierung der Ladenöffnungszeiten auf die besondere Situation der im Handel arbeitenden Frauen aufmerksam machen, so wenig wird es Frauen an der Basis ermöglicht, sich ebenfalls zu beteiligen. Etwa indem während den oft mehrtägigen Gewerkschaftsseminaren Kinderbetreuung angeboten wird. Dies mag auch die eher magere Beteiligung an den KiK-Info-Abenden erklären. BetriebsratsanwärterInnen wie Andreas Fillei werden von der GPA-DJP juristisch etwa bei einer Klage gegen eine Entlassung unterstützt. Diese Unterstützung müsste um Kinderbetreuung und eventuell sogar Unterstützung bei der Hausarbeit erweitert werden, will die Gewerkschaft die Beteiligung von Frauen steigern. Und das muss eine Gewerkschaft, die einen Berufsstand vertritt, in dem großteils Frauen arbeiten.

Dieser Artikel erschien in: an.schläge, das feministische Magazin,
www.anschlaege.at