FeldbefreierInnen vor Gericht

Gewaltfreier Widerstand gegen Genmaisanbau

Über 500 Menschen hatten im Frühjahr vergangenen Jahres im Internet namentlich ihre Bereitschaft zur Zerstörung von Genmaispflanzen bzw. ihre Solidarität mit den FeldbefreierInnen angekündigt.

Auch Ort und Termin des Geschehens im brandenburgischen Badingen waren lange vorher bekannt. Hunderte nahmen am letzten Juli-Wochenende 2006 an dem großen gentechnikfreien Camp teil und bereiteten sich auf ihren Einsatz gegen den Genmais vor.

Am Aktionstag schlugen die FeldbefreierInnen der Polizei ein Schnippchen: Anstatt brav zur angemeldeten und umfangreich polizeigesicherten Demo zu kommen, erreichten über 80 der Aktiven nach einem Spurt über Stoppelfelder das Genmaisfeld von der "falschen" Seite. Etliche Quadratmeter Genmais wurden bei der Aktion unschädlich gemacht.
Von vornherein war den Beteiligten bewusst, dass ihre Aktion zivilen Ungehorsams ein juristisches Nachspiel haben könnte. Nun hat es begonnen. Zahlreiche Aktive und in Rechtsfragen bewanderte Menschen unterstützen die GentechnikgegnerInnen dabei. Die Prozesse sind - inklusive eventueller Bauchschmerzen, schwieriger Entscheidungen und kostspieliger oder abzusitzender Strafen - eine wichtige Chance, die Brisanz des Themas noch einmal an die Öffentlichkeit zu bringen.
Am 11. Januar 2007 wurden die ersten acht FeldbefreierInnen vor dem Amtsgericht Zehdenick der gemeinschaftlichen Sachbeschädigung angeklagt. Schon in der Vorbereitung zeigte es sich, dass acht Menschen auch acht Ideen haben, wie ihr Prozess am besten anzugehen ist. Während einige sich deutlich zu ihrer Feldbefreiung bekennen und ihre Entscheidung vor Gericht überzeugend erläuterten, machten andere gar keine Angaben zur Sache oder betonten die wackelige Beweislage.
Einer der Angeklagten hatte zuvor Akteneinsicht gefordert und die Unterlagen genau durchgearbeitet. Mit Erfolg: Eine Polizeikommissarin, die zeitgleiche Geschehnisse an mehreren Orten bezeugte, musste im Gerichtssaal zugeben, dass sie einiges davon nur von Kollegen gehört hatte. Der Prozess platzte und muss später erneut stattfinden.
Ein besonders wichtiges Argument in der juristischen Auseinandersetzung war der "Notstandsparagraph" des BGB (§ 228) und des Strafgesetzbuches, wonach die Zerstörung von Dingen durchaus legitim wäre, wenn damit eine Gefahr für einen selbst oder andere abgewendet werden könne. Dieser Argumentation wollte der Zehdenicker Richter jedoch nicht folgen. Er erklärte zwar, dass er selbst gegen Gentechnik auf den Feldern wäre, und zeigte mehr als einmal im Prozess, dass er nur ungefähre Vorstellungen von den Auswirkungen der Risikotechnologie hat, verurteilte dann aber sieben Angeklagte zu jeweils 10 bis 15 Tagessätzen, immerhin unter dem Antrag des Staatsanwalts.
Eine Woche später fand ein weiterer Prozess statt: Der Berufsimker und Feldbefreier Michael Grolm trat dem Anwalt des Gentechnikkonzerns Monsanto gegenüber. In dem Zivilverfahren vor dem Landgericht Neuruppin ging es um eine Unterlassungsforderung des Badinger Gentech-Anbauers. Der wollte den streitbaren Imker, der ihm offensichtlich aus den Medien bekannt war, dazu zwingen, für die Zukunft von seinen Feldern fern zu bleiben.
Vor Beginn des Prozesses bauten ImkerInnen und AktivistInnen der Initiative "Gendreck weg" eine Klagemauer aus Bienenkästen auf. "Nicht wir sollten hier auf der Anklagebank sitzen, sondern der Konzern Monsanto, der gegen den Willen der Bevölkerung die Gentechnik zur Tatsache machen will", betonte Michael Grolm. Er wies im Gerichtssaal darauf hin, dass seine Imkerei und wirtschaftliche Existenz akut gefährdet wären.
Bereits jetzt muss jeder Imker den Honigabfüllern schriftlich garantieren, dass seine Produkte gentechnikfrei sind. Eine solche Garantie wird mit zunehmendem Anbau genmanipulierter Pflanzen unmöglich, da Bienen in einem Radius von 7 Kilometern Blüten aufsuchen.
Zu einer Entscheidung kam es an diesem Tag nicht. Der Prozess wurde vertagt, damit die FeldbefreierInnen auf die erst im Gerichtsgebäude erhaltene Anklageschrift schriftlich eingehen können.
Sie werden weiter vor Gericht, auf der Straße und auf den Feldern für ihre Sache kämpfen.
Ziviler Ungehorsam wird notwendig, wenn die Politik trotz zahlreicher und bereits langjähriger Protestarbeit von vielen Organisationen, Initiativen und Einzelpersonen nicht handelt.
Einmal ausgebracht, ist Agrogentechnik nicht mehr zurück zu holen. Dem Mais drohen andere Pflanzensorten zu folgen.

Die Prozess-Serie wird fortgesetzt

Es werden weitere Klagen gegen die TeilnehmerInnen der Aktion in Badingen erwartet. In der Nähe von München kommt es ebenfalls zum Gerichtstermin: Eine Feldbefreiungsaktion, die "Gendreck-weg" zu Pfingsten 2006 ankündigte und dann absagte, hat auch ein juristisches Nachspiel. Drei Personen sind angeklagt, zu Straftaten aufgerufen zu haben. Zwei von ihnen waren die Verantwortlichen im Sinne des Presserechtes der Internetseite, einer der Anmelder der dann abgesagten Demonstration am Versuchsfeld in Poing bei München.
Ein Blick in die Nachbarländer lässt hoffen: Sowohl in Spanien als auch in Frankreich sind in den letzten Monaten Feldbefreierinnen und Feldbefreier vor Gericht freigesprochen worden.

Jutta Sundermann

Die Prozesse kosten Geld - bitte unterstützt die juristische Arbeit der FeldbefreierInnen.
Konto des Rechtshilfefonds: Konto-Nr.: 401 687 1300;
BLZ: 430 609 67; GLS Bank Bochum
Es wird auch 2007 wieder Aktionen gegen Gentechnik und voraussichtlich ein großes Aktionswochenende im Juli geben. Schon heute können Absichtserklärungen abgegeben werden. www.gendreck-weg.de

Artikel aus: Graswurzelrevolution Nr. 317, Monatszeitung für eine gewaltfreie, herrschaftslose Gesellschaft, 36. Jahrgang, März 2007, www.graswurzel.net