Kriegsökonomie und ihre Profiteure

Die Beispiele Afghanistan und Kongo

in (08.03.2007)

Der Artikel beschreibt, anhand der Beispiele Kongo und Afghanistan, wie das westliche Militär maßgeblich dazu beiträgt, die Ausplünderung dieser Länder abzusichern.

Sowohl in der Europäische Sicherheitsstrategie (ESS) selbst als auch in den Berichten, die gegenwärtig zu ihrer Implementierung im Europäischen Parlament verhandelt werden, wird ganz offen angesprochen die Frage nach einer ökonomischen Interessensicherung durch die europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik angesprochen.

In dem Bericht zur ESS des CDU-Manns Karl von Wogau[1], der auch Vorsitzender des Unterausschusses Sicherheit und Verteidigung im Europäischen Parlament ist, wird sie ganz klar als Aufgabe der Europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik benannt. Dort wird festgestellt, "Â…dass die EU die ungehinderte Versorgung der Industrie und der individuellen Verbraucher mit Gütern, insbesondere mit Kraftstoffen, sicherstellen muss." Das bedeutet die ungehinderte Versorgung der Industrie als militärische Aufgabe. Weiter wird ausgeführt, dass dies auch "die Sicherheit des Schiffs- und Flugverkehrs und der Pipelines" umfasst.

Die Sicherung der Pipelines ist explizit als militärisch zu lösende Aufgabe benannt, nicht nur innerhalb der EU, sondern global. Man will sich außerdem militärisch schützen gegen einen "Angriff" auf Datennetze, auf lebenswichtige Kommunikations-, Finanz- und Energiesysteme. Daran kann man bereits sehen, dass die Frage der ökonomischen Interessensdurchsetzung durchaus auch von den Militärpolitikern der EU mitgedacht wird. Es geht in der Sicherheitsstrategie und in dem Bericht zu ihrer Implementierung darum, dass die EU "Â…ihre Glaubwürdigkeit als globaler Akteur stärkt". Das heißt, die EU sieht einerseits die Aufgabe dieser ökonomischen Interessensdurchsetzung, andererseits wird aber auch gesagt, dass die EU militärische Maßnahmen anwenden muss, um ihre Glaubwürdigkeit als globaler Akteur zu stärken. Die Mittel, die dafür eingesetzt werden sollen, sind in die Sicherheitsstrategie und den Bericht eingesenkt. Das sind nach ihrer eigenen Bezeichnung zivilmilitärische Mittel. Die Bezeichnung mit "zivilmilitärisch" wird als Passepartout, der alles aufschließen soll, verwendet. Zum Beispiel wird selbst der EU-Generalstab als zivilmilitärische Zelle benannt, die es zu stärken gelte. Aufgabe sei es, sie "zu einem Operationszentrum, zu einem europäischen Hauptquartier weiter zu entwickeln". Es geht der EU nicht nur um rein militärische Maßnahmen, sondern im Grunde hat man aus dem Irakkrieg folgende Schlussfolgerung gezogen: Es ist essenziell für den Erfolg der Militärmissionen, dass es diese enge zivilmilitärische Zusammenarbeit gibt, insbesondere für den "Wiederaufbau nach Konflikten". Das heißt, dass es eine abgestimmte zivilmilitärische Strategie geben soll, in die Zivilakteure von vornherein als Teil der militärischen Strategie mit eingebunden werden. Diese zivilen Akteure müssen natürlich auch irgendwie bezahlt werden. Davon wird es auch im Bezug auf Afghanistan gehen.

Ich werde im Folgenden an den Beispielen der Demokratischen Republik Kongo und Afghanistans zwei verschiedene Modelle der Plünderung vorstellen. Die Profitinteressen in Afghanistan sind die Interessen derer, die im Rahmen dieser zivilmilitärischen Zusammenarbeit vor Ort investieren. Das gestaltet sich wie folgt: Es gibt eine zivile Begleitstrategie zu der Militärintervention in Afghanistan und im Rahmen dieser zivilen Begleitstrategie kommt es zu massenhaft Aufträgen an Baufirmen, Sicherheitsfirmen etc. Von vornherein ist eine Verzahnung mit der Militärstrategie vorgesehen, weil diese zivilen Akteure die militärische Komponente schützen helfen und die Besatzungspolitik abrunden sollen.

Beim Kongo gestalten sich die Profitinteressen anders, denn dort sind die Interessen der internationalen Gemeinschaft an Aufbau und Investment nicht so groß. Es gibt zwar einige zugesagte Aufträge z.B. für die Louis Berger International Group (US Baufirma), die für 1,2 Mrd. $ Straßen im Kongo bauen soll und einen großen Auftrag an Siemens, aber wenn man Afghanistan und Kongo vergleicht, wird in Afghanistan viel mehr internationale Hilfe ausgegeben. Im Kongo geht es bei den Profitinteressen eher darum, dass die Regierung Kabila und deren Stützung durch die EU dazu dient, die kriminelle Privatisierung zu Gunsten internationaler Minenkonzerne abzusichern. In Kinshasa ist eine Kleptokratie an der Macht, die die Ressourcen verschleudert. Zum Beispiel wurden sämtliche Bergbaukonzessionen zu Billigstpreisen an internationale Minenkonzerne übergeben, die genau aus den Ländern kommen, die auch Truppen im Rahmen dieser EU-Militärmission entsandt haben oder aber aus den USA und Kanada, also aus Ländern, die an der Stützung des Regimes Kabila entscheidend beteiligt waren und sind.

Afghanistan: Organisierte Dysfunktionalität

Zur "Unterstützung" Afghanistans durch die EU ein paar sehr beeindruckende Zahlen aus einem Papier zu einer Polizeimission der EU in Afghanistan:

Hilfe von der EU innerhalb der letzten 5 Jahre (2002-2006): 3,7 Mrd. EUR
Weitere Zusagen der EU-Kommission in Höhe von: 2,4 Mrd $

Von den 3,7 Mrd. EUR wurden 3,4 Mrd. Euro für Wiederaufbaumaßnahmen und Entwicklung ausgegeben. 627,5 Mio. EUR für so genannte humanitäre Hilfe. Parallel haben Staaten wie Deutschland Gelder dem Aufbau der Polizei in Afghanistan gewidmet, wofür in den letzten 5 Jahren 70 Mio. EUR ausgegeben und so nach eigenen Angaben mindestens 3500 afghanische Polizisten ausgebildet wurden. Außerdem ist stolz in diesem Papier aufgelistet, dass im Rahmen dieser ISAF-Mission 23 EU-Mitgliedsstaaten engagiert sind. Das ist schon deshalb verwunderlich, weil es sich um eine NATO-Mission handelt, es aber nicht so viele NATO-Mitgliedsstaaten innerhalb der EU gibt. Aber auch Staaten wie z.B. Schweden haben im deutschen Sektor eigene Truppenkontingente, die eng mit der NATO dort zusammenarbeiten und Teil der ISAF-Mission sind. Das Ausmaß der Beteiligung der EU dient dem Rat als Beleg dafür, dass man EU-Mittel für eine künftige Polizeimission bereitstellen sollte.

Auch bemerkenswert ist, dass die Anzahl der Truppen aus EU-Staaten in den letzten 5 Jahren von 3000 Soldaten auf 15.000 gestiegen ist. Aufgrund der angespannten Sicherheitslage gibt es schon jetzt Zusagen über weitere Truppenentsendungen nach Afghanistan. Zum Beispiel hat Polen 2000 neue Soldaten insbesondere für den Süden des Landes zugesagt und von anderen Staaten gibt es weitere Bewilligungen über kleinere Kontingente. Wenn man aus dem Blickwinkel derer, die die Besatzungspolitik dort betreiben, den Erfolg gewichten wollte, dann muss man feststellen, dass die völlig aus dem Ruder gelaufene Sicherheitslage dafür spricht, dass auch dieses Konzept, welches mit Aufbau- und humanitärer Hilfe verfolgt worden ist, völlig gescheitert ist, bzw. vor seinem Scheitern steht. Interessant ist ebenfalls, dass es Analysen gibt, die darauf verweisen, wofür die bisher ausgegebenen Mittel eigentlich verwandt wurden. Das ist eine entscheidende Frage, weil ein Großteil der ausgegebenen Mittel, sowohl von EU- als auch von US-Seite, dafür genutzt wurden, allein die Profitinteressen westlicher Konzerne zu bedienen. Zum Beispiel hat die Louis Berger International Group bisher in Afghanistan allein 665 Mio. $ für Straßenbau, Bau von Schulen etc. eingestrichen. Es gab außerdem ein Zusatzgeschäft, welches die Verpflichtung beinhaltete, 81 Kliniken zusätzlich zu bauen. Die Berichte von kritischen Institutionen verweisen jedoch darauf, dass die "geschenkten" Kliniken im Grunde zusammenfallen und unbrauchbar sind, wie auch die gesamte sonstige Infrastruktur. Das ist einigermaßen überraschend, weil diese Firma etliche Straßenbauprojekte betreut, wie z.B. den Highway von Kandahar nach Kabul und auch eine Verbindungsstraße von Kabul in den Norden Afghanistans, und da ist der Befund von den KritikerInnen, die sich das Ganze vor Ort angeschaut haben und Umfragen in der afghanischen Bevölkerung gemacht haben, dass im Grunde schon nach einem Jahr beide Straßen unbrauchbar geworden sind. Und zwar deswegen, weil die Profitrate von der Louis Berger International Group so hoch gesetzt wurde und die anderen beteiligten Subcontractors auch noch ihr Stück von Kuchen abhaben wollten. So entsprach das verbaute Material keinen Mindestanforderungen an Qualität. Ähnliche Berichte gibt es von Schulen und anderen Bauprojekten. Das heißt, es wird von der internationalen Staatengemeinschaft massiv investiert. Es verdienen in erster Linie Konzerne wie die Louis Berger International Group, die relativ hohe Profitraten abziehen und als dysfunktionales Surplus kommt noch hinzu, dass das, was sie eigentlich liefern, noch nicht einmal brauchbar ist. Das ist überraschend, weil die Straßen auf der einen Seite zwar einen zivilen Nutzen, aber auf der anderen Seite auch eine militärische Funktion haben. Zum Beispiel hat die neue Straße von Kabul nach Kandahar die Fahrzeit von 13 auf 5 Stunden verkürzt, und damit die Möglichkeit eröffnet, schneller Nachschub in den unruhigen Süden zu bringen. Das Ganze scheitert jedoch an der Dysfunktionalität dieser Kriegsökonomie oder dieses spezifischen Kapitalismus, wo westliche Konzerne mit zu hohen Profitraten rangehen.

Auch die US-Hilfe kann man in Zahlen darstellen:

Hilfe der USA innerhalb der letzten 5 Jahre (2002-2006): 3,5 Mrd. $

Wenn man sich dagegen die Situation der Bevölkerung ansieht, ist Lage mehr als erschreckend: es gibt weiterhin eine sehr niedrige Frauenalphabetisierungsrate, die bei 19% liegt, die Arbeitslosigkeit in Kabul beträgt 30%, die Sterblichkeit bei Kindern vor dem ersten Lebensjahr 20%, alle 30 Minuten stirbt eine afghanische Frau bei der Geburt ihres Kindes usw.

Es ist ein humanitäres Desaster und auch hier lautet der kritische Befund, dass ein Großteil des Geldes, das von der internationalen Staatengemeinschaft veranschlagt wird, nicht bei den Menschen ankommt. Aufgrund dessen baut sich in Afghanistan ein zusätzlicher Widerwille gegen alles, was nach "Westen" aussieht, auf. Zur massiven und vor allem gleich bleibenden Armut kommt hinzu, dass sich eine Parallelgesellschaft entwickelt hat, die aus den westlichen HelferInnen und den Vertragsnehmern besteht. Es gibt beispielsweise ein Luxushotel für die Vertragsnehmer in Kabul, in dem eine Übernachtung zwischen 200 und 250 $ kostet und das trotzdem voll belegt ist. Auch daraus erwächst massiver Widerwille der Bevölkerung gegen die "Westler", die eine Schicht bzw. Parallelgesellschaft der Ultrareichen bilden. Sehr interessant in diesem Zusammenhang ist, dass die Repräsentanz der Weltbank in Kabul davon spricht, dass 35-40% der internationalen Hilfsgelder durch Korruption innerhalb der westlichen Konzerne verschwinden. Hier ein Zitat des Weltbankdirektors von Kabul: "In den 30 Jahren meiner Karriere habe ich etwas derartiges noch niemals gesehen." Daraus lässt sich schließen, dass diese Korruption durchaus besondere Ausmaße angenommen hat.

Diese besondere Art der Klassengesellschaft in Afghanistan bildet sich bei jedem dieser internationalen Projekte neu ab. Zum Beispiel ist es bei den Straßenbauprojekten so, dass der afghanische Arbeiter bei der Louis Berger Group 7 Tage in der Woche arbeiten muss. Er bekommt kein Krankengeld oder sonstige Zuwendungen und erhält dafür 90$ im Monat. Die türkischen Aufsichtskräfte dagegen bekommen mindestens 1000 EUR/Monat. Daran sieht man, dass der westliche Helfer immer das 10-, 100- oder 1000fache seines afghanischen Kollegen verdient. Dass das zu einer entsprechenden Missstimmung beiträgt, kann sich jeder vorstellen. Neben der Bauwirtschaft gibt es einen zweiten ökonomischen Zweig, der extrem vom Krieg in Afghanistan profitiert. Es handelt sich um die Sicherheitswirtschaft.

25% der Mittel, die der US-Botschaft zu Verfügung stehen, werden ausschließlich für Sicherheit ausgegeben. Hierbei werden private Vertragsnehmer angeheuert, die tausende bewaffnete private Kräfte angestellt haben, die bspws. den Schutz von Bauprojekten garantieren. Diese Sicherheitskräfte werden extrem gut bezahlt. Es wird von Margen von bis zu 1000 $ am Tag geredet. Sie fahren in entsprechenden Fahrzeugen, die um die 120.000 $ kosten, umher. Ein Jahresgehalt eines dort tätigen Sicherheitsbeamten summiert sich in etwa auf 200.000 $. Dieses Sicherheits(un)wesen ist mittlerweile über ganz Afghanistan verbreitet. Also überall dort, wo die internationale Staatengemeinschaft Projekte finanziert, verdienen diese Sicherheitsfirmen mit. Deren Bezahlung wird aus den Hilfsgeldern finanziert. Derlei Firmen sind zumeist von ehemaligen Geheimdienstlern, Ex-Militärs etc. gegründet worden. Firmen wie Dyncorp, Blackwater und Global Risk Strategie sind dort aktiv. Es existieren Berichte, wonach ein Sicherheitsmann aus Unmut seinen Übersetzer erschossen hat. Nach diesem Vorfall wurde er von seinen Kollegen umgehend ausgeflogen. Es folgten weder Untersuchung noch Anklage oder Prozess. Der Familie des Getöteten wurde etwas Geld zugesteckt, um den Tod mit Geld zu sühnen, aber weder wurde der mutmaßliche Mörder der afghanischen Justiz übergeben, noch wurde überhaupt irgendein Verfahren gegen ihn eröffnet. Im Grunde ist dort ein Raum des durch die Sicherheitsfirmen selbst gesetzten Rechts entstanden, das in diesem Fall nur als Standrecht bezeichnen werden kann. Diese Sicherheitsfirmen übernehmen ebenfalls die Ausbildung afghanischer Polizeikräfte für die USA. Im Verhältnis zur deutschen Polizeiausbildung steht es 1/10. Die USA hat 804 Mio. $ in den letzten 5 Jahren für das Training von 60.000 afghanischen Polizeioffizieren ausgegeben, die von Sicherheitsfirmen trainiert wurden. Dieses Geld ging unmittelbar an diese Firmen. Es gibt also ein gut florierendes Besatzungsgeschäft. Geschäftsfeld 1 ist das Bauwesen, Geschäftsfeld 2 der Sicherheitssektor und Geschäftsfeld 3, nicht anders als hier in Tübingen, ist der Beratungssektor. Auch diese Beratungsfirmen schneiden sich ein großes Stück des Kuchens heraus.

Ein Beispiel: Eine US-Beratungsfirma, die einen Plan entworfen hat, um den afghanischen Agrarmarkt wieder aufzubauen bzw. um entsprechende Programme zu entwickeln, hat in den letzten 3 Jahren 153 Mio. EUR bekommen. Es verwundert kaum, dass im Vorstand dieser Firma enge Verflechtungen mit der US-Regierung existieren. Der Vorstand bzw. die Vorstandsmitglieder haben von 1990-2003 unter anderem 100.000 $ an die Republikaner in den USA gespendet. Insgesamt ist es so, dass man davon ausgehen muss, dass ein ausländischer Berater ein durchschnittliches Gehalt von 1000 $ pro Tag erhält. Für einen Berater müssen ca. 500.000 $ im Jahr ausgegeben werden, wovon das Gehalt ca. 150.000 $ beträgt. Als zweites Beispiel lässt sich die Randon Group anführen, seit 2001 ebenfalls eine sehr aktive Beraterfirma in Afghanistan, der 52 Mio. $ gezahlt wurden. Diese Firma verfügt über engste Verbindungen zur Bush-Administration, unter anderem ist dort Bush-Intimus James Baker im Vorstand.

Im Klartext heißt das, dass neben der Korruption der internationalen Firmen ein Großteil der internationalen Hilfsgelder dafür ausgegeben wird, kaputte Straßen zu bauen, die Beratung dafür zu organisieren und die Sicherheit zur Verfügung zu stellen. Zugespitzt formuliert handelt es sich um eine Art der organisierten Dysfunktionalität. Aus diesem Grund gibt es auch jetzt große Bemühungen, das Beratungs- und Sicherheitswesen ein wenig zurückzubauen. Bisher ist jedoch wenig Konkretes bekannt und insbesondere nach der Verschlechterung der Sicherheitslage ist die Wahrscheinlichkeit doch relativ groß, dass insbesondere für die Sicherheitspartner wesentlich mehr Geld als bisher eingesetzt werden muss. Man sieht ganz deutlich, dass es mehrere Akteure gibt, die auch ein Interesse daran haben, dass die Sache so weiterläuft.

Denn wenn man mit Angst Geld verdient, muss dafür gesorgt werden, dass die Angst nicht abnimmt, damit das Profitinteresse entsprechend bedient wird. Es entwickelt sich also ein Eigeninteresse an einer Kriegsökonomie, weil die Margen extrem hoch sind, sowohl für die Firmen, als auch für Einzelpersonen, die dort als Berater, Sicherheitsleute oder Baufachleute tätig sind.

Kongo: die Jagd nach Bodenschätzen

Im Kongo gestaltet sich die Sache etwas anders: Das Investment der internationalen Staatengemeinschaft hält sich dort bisher denkbar in Grenzen. Zunächst einmal Dazu möchte ich erst einmal ein paar Zahlen vorausschicken: Im Kongo war vom 30. Juli bis Ende 2006 die EU-Militärmission EUFOR DRC vor Ort, eine Kampftruppe von 2100 Mann mit einem zusätzlichen Kontingent (Hauptkontingent im Wartestand) in Gabun. Es waren vor allem deutsche Soldaten, die dort warteten, während die eigentliche Kampftruppe, französische Soldaten, in Kinshasa selbst stationiert wurden, zusammen mit spanischen und auch polnischen Soldaten. Der Kongoeinsatz dieser EUFOR ist insofern für Deutschland eine Premiere, weil zum ersten Mal das Einsatzführungskommando in Potsdam die Leitung/Führung dieses autonomen - also vollständig von der NATO und damit den USA geführten - Militäreinsatzes der EU übernommen hat. Dabei bestand aber das Problem, dass die Stimmung für den Militäreinsatz im Kongo hier in der Bundesrepublik nicht besonders günstig war. Es gab dazu schwankende Umfragen, aber es pendelte sich bei 60-65 % von Leuten, die gegen einen Kongoeinsatz der Bundeswehr waren, ein, was aber die Bundeswehr nicht weiter anfocht und die Bundesregierung schon gar nicht.

Der Kongo selbst ist ein unglaublich reiches Land. Reich an Bodenschätzen, die wichtigsten darunter: Kupfer, Kobalt, Diamanten, Gold, Germanium, Zinn, Holz, Erdöl, Uran, Zink, Silber, Mangan, zum Teil Weltreserven von ganz entscheidendem Ausmaß lagern also im Kongo, dazu noch Unmengen an Wasserkraft. Wie gesagt, der Kongo ist reich, aber die Kongolesen sind bitterarm. Das durchschnittliche Bruttoeinkommen in 2003 lag bei 100 US $. 80% der dortigen Bevölkerung muss mit einer Tagesration von unter 1 US $ auskommen bzw. kommt eben nicht damit aus. 72% sind unterernährt und pro Monat sterben 31.000 Menschen allein an Hunger und Kriegsfolgen. Also insgesamt eine äußerst schlechte Verfassung.

Ohne hier noch einmal die ganze Geschichte des kongolesischen Bürgerkriegs aufzurollen, soll hier aber dennoch auf ein viel sagendes Detail hingewiesen werden: 1995 hat die Minengesellschaft American Mineral Fields den Vormarsch nach Kinshasa des Vaters des jetzigen Präsidenten, der auch Kabila hieß, massiv mit Geldern unterstützt und dann als Lohn 1997 einen Großteil der Anteile an der damals noch staatlichen Bergbaugesellschaft bekommen bzw. hat einfach Projekte aus dieser staatlichen Bergbaugesellschaft namens Gécamines überschrieben bekommen. Das ging dann so lange, bis 1998 der alte Kabila den Bruch mit Ruanda und den USA vollzogen hat. Anschließend wurden die Bergbaukonzessionen der American Mineral Fields wieder weggenommen und einer südafrikanischen Minengesellschaft übertragen. Ruanda hat daraufhin den rohstoffreichen Osten des Kongos besetzt und der junge Kabila dann in der Folge insgesamt 70% der Aktiva von der staatlichen kongolesischen Minengesellschaft veräußert, darunter nahezu alle Bergbaukonzessionen an internationale Großkonzerne im Ausland. Das heißt, fast der gesamte Reichtum des Landes ist an internationale Bergbaukonzerne vergeben worden und die Leute vor Ort sehen nichts davon. Der EU-Entwicklungskommissar Louis Michel hatte einmal argumentiert, was man denn wolle, natürlich gäbe es da diese internationalen Bergbaukonzerne, aber die würden doch Arbeitsplätze vor Ort schaffen, dies käme doch den Kongolesen zugute und man sollte doch nicht gegen diese Veräußerungen und Privatisierungen eben dieser staatlichen Minengesellschaft polemisieren. Insgesamt ist es so, dass es im Kongo, zumindest bis jetzt, auch noch so etwas wie eine institutionalisierte Kleptokratie gibt, das heißt, die Vizepräsidenten der bisherigen Regierungen haben auch die Ressourcen, auch was Dienstleistungen und Konzessionen angeht, unter sich aufgeteilt.

Zum Beispiel der Herr Bemba, der jetzt bei den Wahlen angeblich verloren hat, dessen Partei und Miliz hat das gesamte Tankstellennetz des Landes überschrieben bekommen und die staatliche Ölfirma. Dafür war als Gegengeschäft vorgesehen, dass Kabila dann die Luftraumbehörde sowie das Staatsfernsehen überschrieben bekommt. So haben die Kriegsherren die Claims untereinander aufgeteilt. Aber die entscheidende Auseinandersetzung ging, und darum ging es auch bei den Wahlen, darum, wer die Zentralmacht beherrscht, denn nur der kann im großen Maßstab auch die Bergbaukonzessionen an Private vergeben. Deshalb gab und gibt es eine ganze Reihe von internationalen Bergbauunternehmen, die in Joseph Kabila investiert haben. Beispielsweise George Forrest, der, auch wenn dieser es immer abstreitet, ein enger Freund der Familie von EU-Entwicklungshilfekommissar Louis Michel ist. Forrest ist ein Mann, der selber eine der größten Kupferminen im Kongo besitzt und der nachweislich den Wahlkampf von Joseph Kabila mitfinanzierte. Das bedeutet, der größte belgische Minenunternehmer hat wesentlich in den Wahlkampf von Kabila investiert, weil das für ihn hieß, dass seine früheren Investitionen unter einem künftigen Präsidenten Kabila abgesichert sind. Deshalb auch dieses ganz direkte Investment. Zufällig ist der Mann auch noch Honorarkonsul für Frankreich in Lumumbashi, einem der größeren Orte im Süden. Hier kommt Frankreich ins Spiel, das ein massives Interesse am Kongo und an den kongolesischen Bodenschätzen hat. Das wirft auch ein Schlaglicht auf die Spannungen, die es bei diesem Militäreinsatz zwischen Deutschland und Frankreich gab.

Um die deutsche Beteiligung am EU-Einsatz zu rechtfertigen musste Franz Josef Jung, der deutsche Verteidigungsminister, Interessen benennen, welche die deutsche Wirtschaft dort angeblich habe, weshalb er offen Rohstoffsicherung und Flüchtlingsabwehr benannte. Seine eigenen Kollegen haben ihm aber gesagt, im Grunde machen wir dort den Job für die Franzosen und für uns springt nicht genug heraus. Das war die Kritik von vielen konservativen Kollegen an diesem Kongoeinsatz. In der Tat ist es so, dass die Interessen französischer Unternehmen dort in weitaus größerem Maße bedient wurden, wenn auch der Einsatz sicherlich zur Investitionsabsicherung deutscher Unternehmen gedient hat. Da gibt es einmal, wie bereits angesprochen, einen Auftrag an Siemens über 550 Mio. $ für die Wiederherstellung der Stromproduktion, also für Staudammreparatur etc., der so natürlich abgesichert wurde, aber auch zwei große deutsche Holzeinschlagsfirmen, die im Kongo tätig sind. Auch die haben natürlich über diese EU-Militärintervention eine Absicherung ihrer Profitinteressen erfahren. Aber nicht durch die Intervention direkt, so einfach kann man sich das nicht vorstellen, sondern dadurch, dass über den EU-Einsatz die Wiederwahl Kabilas gewährleistet wurde. Kabila ist der Garant, dass die US- und die EU-Profitinteressen in der Demokratischen Republik Kongo gesichert werden. Was sehr überrascht ist, wie weit man dabei gegangen ist. Zum Beispiel hat sich Louis Michel von Anfang an persönlich für diese Intervention eingesetzt und sich persönlich für Kabila ausgesprochen. Kurz vor den Wahlen ist er im Radio gefragt worden, was Kabila für ihn bedeute und er antwortete, er sei "ein Schatz" für den Kongo. Für ihn ist Kabila der Mann, den es zu unterstützen galt und auch das wurde ganz engagiert in der Folge betrieben. Michel hat für diese Äußerung ein wenig Ärger bekommen. Es gab einige Vorwürfe, dass die EU sich nicht neutral verhalten habe, aber im Grunde sind alle Rücktrittsforderungen von "linken Quertreibern" einfach nur an ihm abgeprallt und die EU hat weiterhin auf Kabila gesetzt und auch die EUFOR-Mission zur Absicherung der Wahlen (eigentlich der Wiederwahl von Kabila) eingesetzt.

Betrachtet man nun die Nachrichtenlage, hat Kabila angeblich mit 58% zu 41% gegen Bemba gewonnen. Es gibt allerdings mehrere Berichte aus Provinzen von Wahlbeteiligungen zwischen 102% und 112%! Auch hier kann man sagen, dass die EU - zynisch gesprochen - ihr Ziel erreicht hat, nämlich eine größtmögliche Wahlbeteiligung bei diesem demokratischen Prozess zu erreichen. Das Problem im Kongo ist damit nicht erledigt, weil selbst diese gefälschten Wahlen bzw. Wahlergebnisse erkennen lassen, dass es eigentlich eine Zweiteilung von Einflusszonen zwischen Bemba und Kabila innerhalb des Kongo gibt, die zum Teil auch an ethnischen Grenzen verläuft. Das heißt, es gibt jede Menge Zündstoff bei der Bevölkerung, die, anders als hier immer wieder berichtet wird, ganz offen in Kinshasa die Unterstützung der EU für Kabila angeprangert hat. Es gibt zum Teil weinerliche Berichte von EU-Truppen, dass ihre Fahrzeuge bei der Fahrt durch die Stadt mit Steinen beworfen wurden und dass Leute ihnen bedeutet hätten, sie würden ihnen die Kehle durchschneiden, wenn sie aus ihren Fahrzeugen kommen. Die EU wird dort als Akteur wahrgenommen, welcher den Potentat, der den gesamten Reichtum des Landes verschleuderte - nämlich Kabila - unterstützt hat. Das alles unter dem Vorwand der Absicherung der Wahlen und auch einer humanitären Intervention.

Desaster der EU-Sicherheits- und Militärpolitik

Im Bezug auf Kongo muss man festhalten, dass dieses schlechte Bild des Militäreinsatzes in der Öffentlichkeit auch damit zu tun hatte, dass aufgrund der Gemengelage klar war, dass die humanitäre Intervention öffentlich nicht so gut vermittelt werden konnte. Dass dort nach einem Bürgerkrieg, der 3,5 Mio. Menschen das Leben kostete jetzt zur Absicherung der Wahl und zu Evakuierungsmissionen 2100 europäische Soldaten eingeflogen worden sind. Das alles war der kongolesischen Bevölkerung nur schwer zu vermitteln.

Der Fortgang der Ereignisse bei dem 1. Wahlgang der Präsidentschaftswahlen, hat auch denjenigen Recht gegeben, die von vornherein sehr skeptisch gegenüber diesem EU-Militäreinsatz eingestellt waren. Denn dort ist Folgendes passiert: Nach dem ersten Wahlgang hat ein Radio, welches unter Kontrolle Bembas steht, den Wahlsieger Kabila angegriffen und wurde daraufhin von loyalen Polizeitruppen des Herrn Kabila angegriffen. Es kam danach noch einmal zu einem Treffen von EU-Botschaftern und von Botschaftern, die das internationale Aufsichtskomitee bilden, im Haus von Herrn Bemba, wo es zu massiven Angriffen durch Truppen von Kabila kam, sodass die EU-Botschafter unter dem Beschuss ihres Verbündeten im Keller ausharren mussten. Man kann das mit Fug und Recht als das Bild bezeichnen, in dem das ganze Desaster der EU Sicherheits- und Verteidigungspolitik gerinnt. Man sitzt im Keller und wird vom Verbündeten beschossen mit den Waffen, die man ihm vorher lieferte und lässt sich dann von der eigenen EUFOR-Truppe befreien.

Zum Abschluss noch eine letzte Zahl aus dem Kongo: Eine dieser kriminellen Privatisierungen die Kabila und Familie vollzogen haben, war die einer Kupfermine im August 2005 an die US-Minengesellschaft Dodge. Diese wurde für 60 Mio. $ verkauft. Die Schätzungen über den Wert der Kupfer/Kobalt-Vorkommen dieser Mine liegen jedoch bei 23 Mrd. $.

Endnoten

[1] Dieser Bericht, der dem Europäischen Parlament zur Abstimmung vorgelegt wurde, enthielt konkrete Forderungen nach Aufrüstung und einer "robusteren" gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik und wurde vom zuständigen Ausschuss mit 33 zu neun Stimmen angenommen. (Die Redaktion)