Atombank?

Nein Danke!

Vor kurzem konnte durch eine Kampagne gegen den Neubau eines Atomkraftwerks in Belene (Bulgarien) die Finanzierung durch deutsche Banken verhindert werden (vgl. GWR 314).

Von Umwelt-schützerInnen wurde vor allem kritisiert, dass sich der Standort in einer Erdbebenregion befinde. Das Projekt galt als gescheitert.

Die großen Banken waren nicht bereit, Geld zu geben. Inzwischen versucht die EU-Kommission in die Presche zu springen und hat einen Kredit über 200 Millionen Euro versprochen. (1) Ob diese Zusage allerdings praktische Relevanz hat, ist fraglich: Aus dem bulgarischen Energieministerium hieß es, dass diese Summe "nur ein kleiner Teil der Finanzierung" sei. In den Umweltschutzorganisationen munkelt man, dass hier nur geblufft werde. Das politische Signal solch einer Kredit-Zusage ist allerdings fatal: Wo selbst die Banken nicht an einer Finanzierung interessiert sind, die Umweltschutzziele nur aus Marketinggründen verfolgen, wird eine unkontrollierbar gefährliche Technologie von der Politik "gepuscht".
Die Umweltorganisation urgewald befürchtet "eine Welle weiterer Neubauten gerade im Osten" Europas, wenn die ersten Atomkraftwerke erst einmal finanziert sind. Pläne dafür gebe es bereits genug: insbesondere in Rumänien, Bulgarien und der Slowakei. Daher soll die erfolgreiche Kampagne gegen die Finanzierung von Belene nun weitergeführt und ausgebaut werden: Nun gehtÂ’s ums Ganze: Die Banken sollen generell keine Atomanlagen mehr finanzieren. Unter dem Motto "Atombank? Nein Danke! - Mit meinem Geld keine Atomgeschäfte" will urgewald zusammen mit anderen Organisationen wie campact, Robin Wood und Greenpeace die Deutsche Bank und UniCredit (in Deutschland: HypoVereinsbank) dazu bringen, einen Grundsatzbeschluss gegen die Finanzierung von Atomanlagen zu fällen. (2)
Währenddessen wird in anderen Kreisen laut über ein Comeback der Atomkraft nachgedacht. In der österreichischen Zeitung "Die Presse" wird von einem "AKW-Bauboom" gesprochen, Bulgarien liege mit dem Vorhaben neue AKWs zu bauen, "voll im Trend". (3) Ob Atomkraft international auf dem Vormarsch ist oder eher auf dem abfallenden Zweig, ist politisch umstritten. Solch ein "AKW-Bauboom" wird dann gerne als Argument für die Atomkraft herangezogen, beispielsweise von Walter Hohlefelder, Präsident des Deutschen Atomforums: "In Europa findet ein positiver Umschwung zu Gunsten der Kernenergie statt. In Deutschland ist diese Entwicklung noch politisch blockiert". Und um sich an den sogenannten Atomkonsens nicht mehr gebunden fühlen zu müssen, erklärt er, dass sich "die globalen Rahmenbedingungen für die Energieversorgung entscheidend verändert" hätten. (4) Diese Rhetorik ist längst schon von anderen Spitzenmanagern aus der Atomindustrie bekannt. (5)
Unabhängig davon, dass eine europaweite Atomkraft-Renaissance die Atomkraft auch nicht sicherer macht oder den Atommüll weniger stark strahlen lässt, ist das mit dem "positiven Umschwung" gar nicht so eindeutig. Süddeutsche BürgerInnen-Initiativen haben Daten der internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) auswerten lassen, das Ergebnis: Weltweit würden nur wenige neue Atomkraftwerksbaustellen begonnen werden, seit 2000 seien es 17 gewesen.
Dass Atomkraft auch global betrachtet keine realistische Alternative zu der fossilen Energieversorgung ist, zeigt eine neue Studie von Professor Klaus Traube. Um die Hälfte der globalen Stromversorgung zu decken, müssten weitere 2100 (!) Atomkraftwerke gebaut werden - 442 gibt es bisher. Die atomkritische Ärzteorganisation IPPNW bringt ähnliche Zahlen: "Um nur 10 Prozent der fossilen Energie zu ersetzen, müssten größenordnungsmäßig 1000 zusätzliche Atomkraftwerke errichtet werden". (6) Weltweit spielt Atomkraft auch gar nicht so eine große Rolle, der Großteil der Atomenergie wird in den USA, in Frankreich, Japan und Deutschland produziert.
Wenn in diesen Ländern auf zukunftsträchtige, umweltfreundliche Energien gesetzt sowie Energiesparpotentiale genutzt würden, dann könnte eine Welt ohne Atomkraft in greifbare Nähe rücken. Aber bis dahin liegt noch ein weiter Weg vor uns.

Felix

Anm.: 1) Reuters vom 21.11.2006
2) Infos: www.ausgestrahlt.de, www.urgewald.de www.atombank-nein-danke.de
3) "Energiekrise löst AKW-Bauboom aus", von Doris Kraus und Axel Reiserer in "Die Presse" vom 1. 12. 2006
4) "Zahl der Atomkraftwerke sinkt", ngo-online.de vom 28.11.06
5) vgl. "Atomausstieg selber machen - nur wie?", Artikel von Fabiola Wunderlich, in: GWR 314, Dezember 2006
6) "Horrorgemäde", ngo-online.de vom 16.11.06

Artikel aus: Graswurzelrevolution Nr. 315, Monatszeitung für eine gewaltfreie, herrschaftslose Gesellschaft, 36. Jahrgang, Januar 2007, www.graswurzel.net