Wie Hartz Frauen zurück an den Herd bekommt

Hartz bekämpft die Armen - und Armut ist weiblich

in (01.02.2004)

Im Vorspann des Hartz-Papiers steht zu lesen, dass "alle weiteren Schritte [...] überprüft werden müssen, inwieweit sie dem Postulat der Gleichstellung Rechnung tragen bzw. indirekt Benachteiligungen fortschreiben oder neue entstehen lassen." Wer sich näher mit Inhalt und Auswirkungen des Hartz-Konzeptes beschäftigt, wird feststellen, dass es sich hierbei um nichts weiter als eine hohle Phrase, ein leeres Bekenntnis handelt.

Die Hartz-Reformen im Bereich der Arbeitsmarktpolitik sind eine Kampfansage vor allem an jene, die von Armut bedroht und in besonderem Maße vom Staat abhängig sind. Frauen stellen in dieser Gruppe einen besonders hohen Anteil. Ein Grund hierfür ist, dass Frauen auch bei gleicher Qualifikation weniger verdienen, oft aber auch in schlechter bezahlten "Frauenberufen" arbeiten.

Teilzeitarbeit und Flexi-Jobs sind weiblich: Frauen sind diejenigen, die als "zweite Schicht" zusätzlich zur Erwerbsarbeit sämtliche Reproduktionsarbeit unbezahlt erledigen, ob Kinderversorgung, Pflege Familienangehöriger oder Putzen des Klos, und deshalb auch auf dem Arbeitsmarkt im Hinblick auf Vollzeitstellenangebote weniger verfügbar sind als Männer.

Das Grundübel des schlechteren Verdienstes setzt sich in den sozialen Sicherungen fort: Wer weniger verdient, bezahlt weniger in die Rentenversicherung. Wer flexibel oder geringfügig beschäftigt ist, zahlt keine oder nur mit Unterbrechungen Sozialabgaben. Wer nicht oder zu wenig einzahlt, bekommt auch nie Auszahlungen - und hat anstatt eines Anspruchs auf soziale Sicherungen nur die Möglichkeit die staatlichen Sozialleistungen als Bittstellerin und mit entwürdigender Prüfung des Bedarfs zu erhalten.

Armut von Frauen und Kindern steigt unablässig - Altersarmut ist schon heute weiblich. Schon jetzt erhalten Frauen niedrigere Lohnersatzleistungen als Männer. 85% der Frauen, die Arbeitsosenhilfe beziehen, erhalten weniger als 600 Euro im Monat, jede fünfte Frau weniger als 300 Euro.
Nur jeder 20.ste Mann erhält so niedrige Leistungen; in den Alterssicherungssystemen werden die Einkommensunterschiede fortgeschireben. Die eigenständigen Altersrenten von Frauen liegen im Osten bei 60 %, im Westen bei 50% der Männerrenten. Schon jetzt erhalten 22% der arbeitslosen Frauen keine Arbeitslosenhilfe, 40 % der Frauen gar keine Leistungen - sie sind abhängig von Partnern und deren goodwill.

Brauchen Frauen weniger Geld?

Die Hartz-Gesetze verstärken alle bestehenden geschlechterspezifischen Benachteiligungen, mehr noch: sie sind Programm.
Die Verdrängung von Frauen aus gesicherten Vollzeitbeschäftigungen zugunsten von "Familienvätern" ist gewollt. Das Geschlechterverhältnis in Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik wird anhand der überkommenen Idee des "Normalarbeitsverhältnisses" - Existenz eines männlichen Ernährers und die Frau "verdient dazu" - rearrangiert. , statt Beschäftigungsmodelle und solche der sozialen Sicherung anzulegen, die den veränderten Verhältnissen einer Erwerbsbiografie im globalisierten Kapitalismus Rechnung tragen.
Nur wer annimmt, dass Arbeit weder den Lebensunterhalt sichern muss, noch z.B. die Altersvorsorge leisten soll, kann wie die Bundesregierung den Ausbau der geringfügigen Beschäftigung vorantreiben. Die 325-Euro- Flexijobs werden zu 400-Euro Jobs, und nicht ihr Abbau, sondern die Zunahme solcher nicht-existenzsichernder Jobs ist das Ziel. Wer in einem Privathaushalt beschäftigt ist, wird doppelt bestraft: Gegenüber den "normalen" Geringfügigen liegt der pauschale Versicherungsbeitrag des Arbeitgebers statt bei 25% hier nur bei 12% - die eingesparten 13% kommen allein dem Geldbeutel des Arbeitgebers zugute. Freiwillige Renten- und Krankenversicherung ist aus so einem Minijob schon nicht mehr zu bezahlen - allein der Einstiegssatz der Gesetzlichen Krankenkassen liegt bei ca. 120 Euro. Dies trifft mutmaßlich nicht nur Haushaltshilfen, sondern auch typische Frauenberufe wie Hauswirtschafterin, Altenpflegerin, Erzieherin etc. Berufe, die zwar schon jetzt unterbezahlt sind, aber in der Regel doch noch geeignet waren, Lebensunterhalt und soziale Sicherungen zu finanzieren.

Die "Ich-AG" fügt sich nahtlos ein in dieses Konzept: Sie ist nichts anderes als staatlich bezuschusste Arbeit mit geminderten Ansprüchen an die Arbeitgeber. Da "Ich-AGen" zwar rentenversicherungspflichtig sind, aber die Pflege- und Krankenversicherung freiwillig ist, sparen Arbeitgeber den eigenen nicht unerheblichen Beitrag ein. Eine weitere Variante, die sich geschlechtsspezifisch auswirken wird, ist die "Familien-AG", denn in dieser ist nur der - typischerweise männliche - Ich- AG-Gründer versichert, alle Familienmitglieder arbeiten mit und haben keinerlei eigene, der arbeiten mit und haben keinerlei eigene, nicht abgeleitete Versicherungsansprüche.

Die ökonomische Basis gibt hier ein eindeutiges Geschlechterverhältnis vor, denn in der Regel wird der männliche Familienernährer Frau und Kinder billig beschäftigen. Während er sich versicherungsrechtliche Ansprüche erwirbt, gehen sie leer aus. Allein die Idee der billig mitarbeitenden Familienmitglieder mutet mittelalterlich an.

Die strukturell prekäre Lage von Frauen auf dem Arbeitsmarkt wird also durch die Umsetzung der Hartz-Vorschläge verschärft, die Chancen zur Erlangung sozialer Sicherung bleiben geschlechtsspezifisch vorbestimmt.
Nach Hartz sollen Frauen wieder zurrück an den Herd und raus aus der Arbeitslosenstatistik - welches Mittel könnte da effektiver sein, als ihre ökonomische Abhängigkeit zu verstärken?

- Dieser Text erschien in der Ausgabe 1/2004 der "Zündstoff" (Regionalausgabe der Tendenz für Rheinland-Pfalz& Hessen)