Bürgerkrieg im Sudan

Armut und Krieg als Folge der Globalisierung

Der Bürgerkrieg in der westlichen Region Darfurs stellt die dritte Phase des Bürgerkriegs im Sudan dar. Ein Blick auf zweite Phase des Bürgerkriegs von 1983 bis 2002, die sich in erster Linie auf .

... den Süden des Landes konzentrierte, macht die Beziehung zwischen dem Krieg im Sudan und Prozessen der Globalisierung deutlich. In den letzten Jahren haben sich die westlichen Medien stark auf die Gewalt gegen die Zivilbevölkerung konzentriert, die von Mitgliedern der arabischen Janjaweed-Miliz, unterstützt durch das Regime in Khartum, ausgeübt wurde. Die im Sudan begangenen Übertretungen der Menschenrechte sind dramatisch. Jedoch greifen alle Versuche, den Konflikt zu analysieren, der im westlichen Sudan wütet zu kurz, betrachtet man nicht die historische Entwicklung der Wirtschaft des Landes. Während des gesamten 20. Jahrhunderts war die Wirtschaft des Sudans stark am Export orientiert. Eingeleitet durch die britische Kolonialzeit wurde diese Politik auch nach der Unabhängigkeit 1956 fortgesetzt. Da die britische Industrie in Lancashire große Mengen Baumwolle benötigte, wurde zu Beginn des 20. Jahrhunderts die sudanische Kolonie als Versorgungsquelle ausgewählt. Um den Bedürfnissen der britischen Industrie gerecht zu werden, wurde eine riesige Bewässerungsanlage, das Gezira-System, gebaut. In den drei Jahrzehnten bis zur Unabhängigkeit machte Baumwolle 70 Prozent des Exportertrags aus. Nicht weniger als 80 Prozent dieses Ertrags wurden durch das Gezira-System erzielt. Auch wenn der Prozentanteil an Sudans Exporten später fiel, 1987 waren es 42,1 Prozent, war Baumwolle bis zum Ende der 1990er Jahre Sudans Hauptexportartikel. Ende der 1990er Jahre vollzog der Sudan einen Wandel vom Baumwoll- zum Öl-Exporteur. Eine entscheidende Rolle spielten dabei der Internationale Währungsfond (IWF) und die Weltbank. Während des ersten "Zehn-Jahres-Plans" (1961/62 - 1970/71) ließ die Regierung den am Export orientierten Baumwollanbau ausweiten. Die Weltbank vergab eine Reihe von Darlehen. Diese Darlehen wurden für die Finanzierung des Imports von Maschinen verwendet und ermöglichten es der Regierung, die Baumwolllandwirtschaft besonders im südlichen Kurdufan zu fördern. Seit Ende der 1970er Jahre erteilte der IWF im Zusammenhang mit der steigenden Verschuldung Sudans Regierung wirtschaftliche Ratschläge. Die Pläne des IWF sahen eine Abwertung der Währung, ein Verstärken des Exports und Sparmaßnahmen vor. Der massive politische Protest ist nicht erst durch die Militarisierung der sudanischen Politik hervorgerufen worden, sondern zeigte sich schon in früheren Phasen. Durch steigende Nahrungsmittelpreise verursacht richtete sich der Widerstand schon früh gegen die Regierung sowie den IWF. In den 1990er Jahren haben Weltbank und IWF aufgehört den Sudan zu unterstützen. Heute führen die riesigen Auslandsschulden, 2003 geschätzt auf 21 Milliarden Dollar, zur Auferlegung von Finanzstrafen.

Wandel im Handel: Aus Baumwolle wird Öl

Die Auswirkungen für den Sudan waren durch den rasanten Wechsel dramatisch. Gemäß dem 2002 veröffentlichten UN-Bericht über die Least Developed Countries (LCD), eine Gruppe von 50 besonders armen Ländern, wurde der Sudan 1999 durch den Exportwandel zum Entwicklungsland. Dabei schien der Wandel zunächst eine kluge Entscheidung der Regierung gewesen zu sein. Anfang der 1980er Jahre sah sich das Land mit schnell steigenden Rechnungen für Ölimporte konfrontiert. Ölimporte schluckten 1982 nicht weniger als 75 Prozent des Exportertrags und trugen so zu einem wachsenden Defizit bei. Während der 1990er Jahre setzte sich Sudans Abhängigkeit von Ölimporten, die das Land jährlich mehr als 300 Millionen Dollar kostete, unvermindert fort. So erschien die Entscheidung die Importabhängigkeit des Landes zu beenden als eine gute Entscheidung. Jedoch lässt sich beim näheren Betrachten des Wachstums der Ölförderung der Zusammenhang zum verheerenden Bürgerkrieg erkennen. Die Ölförderung war Quelle der Kriege und wurde durch Kriegsverbrechen begleitet. Die Gegenden des Ölabbaus und jene, in denen eine lange Rohrleitung zum Hafen Sudans im Nordosten gebaut wurde, sind umkämpfte Gebiete, in denen Guerillakämpfer schon seit Jahrzehnten für die Selbstbestimmung der Bevölkerung kämpfen. Als die amerikanische Chevron-Gesellschaft erstmals 1980 Öl in Heglig entdeckte, erteilte ihr die sudanische Regierung eine Konzession. Schnell jedoch wurde der Ölabbau der Chevron Ziel von Angriffen durch bewaffnete Kämpfer der sudanesische Volksbefreiungsarmee (SPLA), denn die Bevölkerung im Süden wurde nicht an den Gewinnen beteiligt. Die damalige Regierung bemühte sich, den Widerstand gegen die Ölerforschung und Förderung durch den Gebrauch einer brutalen Taktik zu untergraben. Mehrere Menschenrechtsberichte zum Sudan haben in den letzten Jahren darauf hingewiesen, dass schon in den 1980er Jahren die Regierung eine Politik der Entvölkerung, der Umsiedlung zu Gunsten des Ölabbaus, verfolgte. Die Erforschung, Förderung und die Verarbeitung von Öl (in einer durch Shell gebauten Ölraffinerie) wurde nicht nur aufgenommen, um Sudans Importabhängigkeit zu beseitigen, sondern auch um Öl in den Weltmarkt zu exportieren. Abbaurechte wurden in Blöcke geteilt und auf westliche und asiatische Ölfirmen verteilt. Die Talisman Energy Inc. aus Kanada, die chinesische nationale Erdölgesellschaft, die schwedische Lundin Oil und die französische TotalFinaElf sind die Hauptakteure. Die Konzessionen halfen der sudanischen Regierung, schnell ihre Exporteinnahmen durch das Öl an zu heben. In den Jahren 2001 bis 2004 hat die Regierung ungefähr 400 bis 500 Mio. US-Dollar pro Jahr durch den Ölexport verdient. Zwei Drittel der Exporte waren für China bestimmt, Sudans Haupthandelspartner.

Krieg als Folge der Globalisierung

Jedoch wurden die Gewinne nicht für die Förderung des Sozialsystems verwendet. Stattdessen wurden die Kriegsanstrengungen der Regierung im Süden und in Darfur gestärkt. Im Gegensatz zu anderen sich im Krieg befindenden afrikanischen Nationen hat sich die sudanische Regierung dabei nicht allein auf den Import von Waffen aus dem Ausland verlassen. Nach einem Bericht der Christian Aid über den Sudan 2001 sind die neu gebauten staatlich finanzierten militärischen Produktionsanlagen auf den Bau leichter Waffen, Maschinengewehre und Munition ausgerichtet. Komplexere Waffensystemen werden weiterhin eingeführt, zweifellos finanziert durch die steigenden Exporteinnahmen durch das Öl, was dramatische Folgen für die Bevölkerung im Sudan gehabt hat. Das Budget für Militärausgaben hat sich seit dem Bau der Pipeline mehr als verdoppelt, von 162 Millionen US-Dollar 1998 zu 327 Millionen US-Dollar zwei Jahre später. Berichte internationaler Menschenrechtsorganisationen haben festgestellt, dass der Sudan in den letzten Jahren fast die Hälfte des Haushalts im Zusammenhang mit dem Bürgerkrieg verbraucht hat. Seit dem Wandel 1999 hat die Einfuhr von Jagdflugzeugen und Kampfhubschraubern zugenommen. Hervorgetan hat sich vor allem Russland in der Belieferung des Regimes in Khartum mit Waffen. Das schwedische Friedensforschungsinstitut SIPRI hat aufgezeigt, dass mehr als drei Viertel der Waffenimporte von 1994 bis 2004 allein aus Russland geliefert wurden. Und obwohl es schwierig ist, direkte Verbindungen zwischen den Waffenimporten und der Ölausfuhr zu belegen, gibt es wenig Zweifel daran, dass der Kauf neuer Waffen durch die Ausfuhr von Öl finanziert wurde. Dieser Mechanismus des internationalen Tauschs von Waffen gegen Öl wird "disparate exchange", also ein zynischer Tausch von Waren, genannt.

disparate exchange: Waffen für Öl

Ein weiterer wichtiger Aspekt im Bürgerkrieg stellt die Politik der Entvölkerung dar. Die erzwungene Vertreibung von Bürgern im Süden hat eine lange Geschichte, geht bis in die 1980er Jahre zurück und ist Teil der Kriegsstrategie der Regierung. Diese Politik wurde bis zum Ende der 1990er Jahre fortgesetzt. Nach einem 2003 veröffentlichten Bericht der Human Rights Watch (HRW) wurden ungefähr 174.200 Menschen in der oberen Westnilregion über einen Zeitrahmen von gerade einmal drei Jahren umgesiedelt. Die Umsiedlungen fanden in Gebieten die für die Ölerforschung und Förderung vorgesehen waren statt, und sie wurden mit Waffengewalt durchgesetzt: Die Luftwaffe bombardierte erst die Dörfer, dann wurden die Dorfbewohner mit Gewalt vertrieben - zurück blieb eine Spur der Vernichtung. HRW argumentiert, dass importierte Hubschrauber für die Entvölkerung genutzt wurden und so die schreckliche Verbindung zwischen "ungleichem Austausch" und Kriegsverbrechen deutlich wird. Der Human-Rigths-Watch-Bericht und Berichte von amnesty international, Christian Aid und European Coalition on Oil in Sudan zeigen die Verantwortung von Ölfirmen für das Leiden der Menschen im Sudan auf. Laut HRW "halfen" Ölfirmen, wie im Fall der Talisman Energy Inc. und der Greater Nile Petroleum Operating Company, der Regierung sogar bei der Entvölkerung. Die Streitkräfte der Regierung konnten Flugplätze und die Straßeninfrastruktur der Firmen nutzen. Ein weiterer Akteur im Bürgerkrieg im Sudan sind die Vereinigten Staaten. Seit dem Abzug Chevrons in den 1980er Jahren war keine US-amerikanische Ölvereinigung an der Ölerforschung und Ölförderung im Sudan mehr beteiligt. Es gibt jedoch eine bedeutende Lobby konservativ-religiöser Organisationen in den Vereinigten Staaten, die die südlichen Oppositionskräfte mit christlichem Hintergrund bevorzugen. Denn obwohl in der Vergangenheit die US-Regierung Sanktionen gegen den Sudan aussprach, versuchte man schließlich Verhandlungen zwischen dem Regime in Khartum und der SPLA zu erreichen. Der HRW-Bericht gibt an, dass im US-Kongress vorgeschlagene Sanktionen gegen Auslandsölfirmen, die Geschäfte im Sudan tätigten, am Widerstands der US-amerikanischen (Öl und Finanz)-Interessen scheiterte. 2002 wurden Friedensgespräche durch amerikanische Vermittler geführt. Diese liefen auf eine Abmachung zur Beendigung der Feindschaften in der Form eines Memorandums, das am 15. Oktober 2005 unterzeichnet wurde, hinaus. Die Abmachung wurde jedoch durch sudanische Oppositionskräfte aus dem Norden sofort kritisiert und als ein diktatorisches Geschäft zwischen zwei Militärmächten bezeichnet. Kurz nach der Unterzeichnung brach in vollem Umfang der Widerstand im westlichen Darfur aus und bestätigte damit, dass die US-Regierung die Interessen einer wichtigen Gruppe übergangen hatte. In einem Interview stellt der Gesandte der Vereinten Nationen für den Sudan Jan Pronk fest, dass es völlig falsch war die Frage um die Rolle Darfurs in den durch die USA vermittelten Friedensgesprächen auszulassen. Es scheint, als ob die US-Regierung aus dem Gefühl handelte, in den sudanischen Ölgeschäften vernachlässigt worden zu sein, und nun, egal was die Folgen für die sudanische Bevölkerung bedeuteten, versucht verlorenen Boden wieder gut zu machen. Der Sudan ist ein Paradebeispiel für eine am Export orientierte Wirtschaftspolitik, die durch IWF und Weltbank ausgehöhlt wurde. Der Einfluss den Auslandsölfirmen dabei auf den Bürgerkrieg gehabt haben ist erschreckend. Diese Ölfirmen tragen eine Verantwortung für die Kriegsverbrechen der Regierung. Der "disparate exchange" ist eine brutale Folge der Globalisierung und zeigt sich in der Geschichte des sudanischen Krieges und vieler anderer Kriege auf dem afrikanischen Kontinent. Peter Custers aus: ak - analyse & kritik - Zeitung für linke Debatte und Praxis/Nr. 507/16.6.2006