Gewaltfreier Widerstand der Irokesen setzt Kanadas Regierung unter Druck

Kanada. Seit zwei Monaten halten Irokesen bei Caledonia (Ontario) ein Baugelände besetzt, das sie als ihr Eigentum beanspruchen.

Rassistischer Mob wurde von der Polizei gehindert, die indianischen Barrikaden zu stürmen. Unterstützergruppen organisieren unterdessen Solidaritätsaktionen im ganzen Land.

Am 20. April waren 150 mit Schusswaffen, Reizgas und Elektroschockern bewaffnete ProvinzpolizistInnen (OPP) bei dem Versuch gescheitert, ein seit zwei Monaten von Irokesen besetztes Baugelände bei Caledonia (Ontario) zu räumen. Während solidarische Mohawks der Tyendinaga-Reservation bei Belleville unter den Augen der Polizei am 21. April vorübergehend eine wichtige Eisenbahnverbindung bei Toronto unterbrachen, errichteten die LandbesetzerInnen bei der Stadt Caledonia Barrikaden und blockierten den Highway 6. Gegen die dadurch verursachte Behinderung von Berufsverkehr und Geschäftsleben demonstrierten wiederum etwa 3.000 nichtindianische EinwohnerInnen Caledonias am 24. April.
Während einige Redner versicherten, für die Anliegen der IndianerInnen Verständnis zu haben und dafür verhaltenen Beifall erhielten, zeigte ein Teil der DemonstrantInnen die kanadische Flagge, stimmte die Nationalhymne an und beschimpfte die IndianerInnen.
Schließlich konnte ein rassistischer Mob von ungefähr 500 Personen nur durch das Eingreifen der Polizei davon abgehalten werden, mit Gewalt gegen die Barrikaden vorzugehen.
Die Landbesetzung hatte am 28. Februar begonnen, als Hunderte von IndianerInnen einer Aufforderung irokesischer Clan-Mütter von der nahegelegenen Six Nations-Reservation folgten, ein Baugelände zu besetzen, auf dem der Bauträger Henco Industries eine Luxuswohnsiedlung mit 200 Häusern errichten will. Die Irokesen beanspruchen das Grundstück jedoch als Teil ihres rechtmäßigen Nationalterritoriums.
Den IndianerInnen, die während der Amerikanischen Revolution auf britischer Seite gekämpft hatten und deshalb von ihrem Land vertrieben worden waren, hatte die Krone auf beiden Seiten des Grand Rivers ca. 380.000 Hektar Land übertragen.
Der heutige Streit geht nun unter anderem darum, ob die Irokesen das Gebiet bereits im Jahr 1841 verkauft, so die Version der Regierung, oder nur verpachtet hätten.
Sicher ist, dass den IndianerInnen ihr Land bis auf einen kleinen Rest von etwa fünf Prozent in den vergangenen 200 Jahren nach und nach geraubt worden ist.
Für die seit dem 26. April wieder aufgenommenen Verhandlungen über die Bedingungen für die Beendigung der Blockade wird kein rasches Ende erwartet.
Je länger aber der Belagerungszustand dauert, desto größer wird die Versuchung für die Regierung sein, die Aktion durch einen Rundumschlag der Sicherheitskräfte zu beenden.
Die Provinzpolizei wurde schon durch Kräfte der Bundespolizei (RCMP) verstärkt. Nachdem die Clan-Mütter bestimmten, dass ihr Protest gewaltfrei verlaufen sollte, betonten die indianischen Sprecher immer wieder, auf Waffengewalt verzichten zu wollen.
Auch Premierminister Stephen Harper verkündete bislang, sich eine friedliche Lösung zu wünschen.
Wie The Dominion bereits am 22. April berichtete, scheint Kanada jedoch Streitkräfte in der Region zusammenzuziehen.
Während der Oka-Krise im Jahr 1990 hatte die Regierung schon einmal einen Großteil der nationalen Streitkräfte gegen einige hundert Mohawks eingesetzt, die für ihre Landrechte stritten. Je mehr öffentliche Unterstützung die BesetzerInnen erhalten, desto unwahrscheinlicher wird die militärische Eskalation.
Deshalb werden landesweit eine Reihe von Solidaritätsaktionen geplant. Am 22. April trafen sich im weit entfernten Vancouver (British Columbia) mehr als 100 IndianerInnen zu einer Solidaritätskundgebung.
David Dennis, Vizepräsident der United Native Nations, forderte: "Kanada muss aufhören, seine Konflikte mit den Ureinwohnern mit Waffengewalt zu lösen."
Thomas Wagner

Artikel aus: Graswurzelrevolution Nr. 309, Monatszeitung für eine gewaltfreie, herrschaftslose Gesellschaft, 35. Jahrgang, Mai 2006, www.graswurzel.net