Felder der Ehre

Sport(förderung) - das Militär als Akteur

Wie die Bundeswehr mit Sport und dessen Förderung ihre Interessen bedient(e), - und damit einen Hintergrund für die laufende Debatte zu Bundeswehreinsätzen im Inneren -, beschreibt Fabian Virchow

Am Ende der diesjährigen Olympischen Spiele in Turin hatten es die deutschen AthletInnen geschafft - Platz 1 im Medaillenspiegel der Nationen. Insgesamt 29 Edelmetalle hatten die 161 mitgereisten SportlerInnen errungen.

Zu den Gratulanten zählte auch Militärminister Franz Josef Jung, was nur diejenigen überraschen mag, denen das Ausmaß der Sportförderung durch die Bundeswehr nicht bekannt ist. Neun von elf Gold-, acht von zwölf Silber- und zwei von sechs Bronzemedaillen hatten "SportsoldatInnen" erkämpft. Damit hätte die Bundeswehr alleine, so Jung, in der Nationenwertung den dritten Platz belegt.

ZuschauerInnen der Winterspiele sind zwar die Namen von Kati Wilhelm, Michael Greis oder vom "Hackl Schorsch" bekannt, kaum jedoch ihre militärischen Ränge und noch weniger das Ausmaß und die Geschichte dieser Sportförderung. Obwohl die Unterstützung des Spitzensports nach Aussagen des zuständigen Dezernatsleiters im Bundesministerium der Verteidigung, Josef Nehren, "ursächlich nicht zu den Kernaufgaben der Bundeswehr" gehört, so hat sie dennoch "einen hohen Stellenwert, der auch daran abzuschätzen ist, dass Spitzensportlerinnen und Spitzensportler das Bundeswehr-Logo abhängig von den entsprechenden Regelungen in ihrem jeweiligen Sport tragen oder im Bereich der Öffentlichkeitsarbeit und Nachwuchsgewinnung der Bundeswehr eingesetzt werden".[]

Den Sportverbänden ging es in der Konstituierungsphase der Bundeswehr offiziell nicht nur darum, einen erneuten "Missbrauch" des Sports durch das Militär auszuschließen, sondern auch um eine Art Richtlinienkompetenz und prioritäre Zuständigkeit für dieses gesellschaftliche Feld. In diesem Sinne wurde 1956 geregelt, dass die Bedingungen zum Erwerb des Deutschen Sportabzeichens auch als Leistungsmaßstab für den Sport in der Bundeswehr gelten und die Bildung von Militärsportvereinen nur dort möglich sein solle, wo es keine zivilen Sportvereine gebe. Mit dieser Vereinbarung wollte sich der Deutsche Sportbund (DSB) nicht nur der Gründung von rivalisierenden Sportvereinen erwehren, wie es sie im Nationalsozialismus beispielsweise als Luftwaffen-Sportvereine gegeben hatte; mit der Zurückweisung des "Militarismus", der im "Knobelbechersport" versinnbildlicht war, wurde auch die Propagierung eines "unpolitischen" Sports verbunden. Dies bedeutete freilich nicht, dass sich führende Sportfunktionäre nicht positiv zur erneuten Aufstellung einer Armee und zur Wiederbewaffnung geäußert hätten.

Zu der sich in der Folgezeit entwickelnden Kooperation zwischen der Bundeswehr und dem DSB gehörten logistische Unterstützungsleistungen bei sportlichen Großveranstaltungen, so etwa 1963 beim Turnfest in Essen, sowie die gezielte Förderung des Spitzensports im Kontext der sogenannten "Systemkonkurrenz". In der DDR hatte es bereits früh eine entsprechende systematische Förderung gegeben, in der die Nationale Volksarmee eine tragende Rolle spielte. Bereits 1956 war die Armeesportvereinigung Vorwärts gegründet worden, der zahlreiche Armeesportklubs folgten, deren Trainingsmöglichkeiten auch von Jugendlichen rege genutzt wurden. Diese Konstellation trug dazu bei, dass AthletInnen der DDR vergleichsweise gut bei den Olympischen Spielen abschnitten. Zwar hatte es in der Bundesrepublik Deutschland auch in den 1960er Jahren Unterstützung für Spitzensportler gegeben, die in den Streitkräften Dienst taten, und im Vorfeld der Olympischen Spiele in Mexiko im Jahr 1968 wurden spezielle Trainings in Berglagen durchgeführt, doch den Durchbruch in diesem Bereich stellten die nahenden Olympischen Spiele in München 1972 dar. Am 8. Mai 1968 eröffnete der Deutsche Bundestag der Bundeswehr per Beschluss die Option zur Einrichtung von Sportfördergruppen - eine Entscheidung, die die Integration der Sportförderung der Bundeswehr in das System des organisierten Hochleistungssports im DSB markiert. Die Verlagerung der 1957 gegründeten Sportschule der Bundeswehr vom bayerischen Sonthofen in das nordrhein-westfälische Warendorf im Jahr 1978, wo sich auf dem Gelände auch ein Olympiastützpunkt befindet, hat zur weiteren Vertiefung der Kooperation beigetragen.

Förderung und Symbiose

Schon in der Rede anlässlich der Grundsteinlegung dieser Einrichtung am 15. November 1974 äußerte der damalige Präsident des DSB, Willi Weyer, Dankbarkeit gegenüber der Bundeswehr und lobte das Bundesministerium der Verteidigung für die Offenheit gegenüber den Wünschen und Vorstellungen des DSB.[] Mit Blick auf die nur zwei Jahre zurückliegenden Olympischen Spiele in München erinnerte er daran, dass "in unseren Olympia-Mannschaften 1972 doppelt so viele Soldaten gestanden haben wie in denen des Jahres 1968". Die von der Bundeswehr und dem DSB ergriffenen Maßnahmen seien demnach erfolgreich gewesen.

Diese systematische militärische Sportförderung, die es auch in Armeen anderer Staaten gibt, hat bei der Bundeswehr Anfang des 21. Jahrhunderts den Umfang von insgesamt 25 Sportfördergruppen erreicht, denen etwa 740 SportlerInnen aus 67 Sportarten zugerechnet wurden. Zu den geförderten Sportarten zählten u.a. Fußball, Rudern, Schwimmen, Boxen, Schießen, Kanu fahren, Rugby, Minigolf, Schach und Billard. Zu den zentralen Voraussetzungen zur Aufnahme in die Sportförderung der Bundeswehr gehört ein entsprechendes Votum des jeweiligen bundesweiten Sportverbandes sowie die Bereitschaft, SoldatIn zu werden. Gehören die so ausgewählten SportlerInnen ohnehin bereits zu den Besten ihrer Disziplin, so führt das Nichterreichen der im Rahmen des Sportförderprogramms gesetzten Ziele zur Rückversetzung in die militärische Einheit und den Verlust der mit dem Status SportsoldatIn verbundenen privilegierten Trainings- und Wettkampfmöglichkeiten.

Die militärische Sportförderung trägt maßgeblich zu den von deutschen Athleten erkämpften Olympischen Medaillen bei. Bei den Winterspielen im japanischen Nagano wurden 16 von 29 Medaillen von SportsoldatInnen gewonnen, d.h. knapp 55 %; vier Jahre später in Salt Lake City waren es 71 %. Bei den Sommerspielen 2000 in Sydney waren von den 428 aus Deutschland entsandten AthletInnen 113 SportsoldatInnen, die 24 von 56 Medaillen errangen. Bei den Spielen in Athen 2004 wurde ein gutes Drittel der SportlerInnen von SportsoldatInnen gestellt, die die Hälfte (24) aller Medaillen (48) gewannen. Das Team der Gewichtheber setzte sich ausschließlich aus Sportlern zusammen, die im Rahmen der Sportförderung der Bundeswehr trainierten. In einigen Disziplinen, wie etwa dem Bobfahren, gehören die Sportsoldaten seit Jahren zur Weltspitze.

In den vergangenen Jahrzehnten hat sich eine enge Symbiose zwischen der Bundeswehr und den Sportverbänden im Bereich der Sportförderung entwickelt. Es besteht inzwischen eine signifikante Abhängigkeit des Spitzensports und zahlreicher SpitzensportlerInnen von der Sportförderung der Bundeswehr. Hinsichtlich der Nordischen Ski-Weltmeisterschaften hieß es von Verbandsvertretern beispielsweise: "Ohne die Bundeswehrsoldaten wäre die Weltmeisterschaft im eigenen Lande zum Nullsummenspiel geworden".[]

Die Leistungen der SportsoldatInnen werden innerhalb der Bundeswehr umfangreich kommuniziert. Berichte von größeren Sportereignissen, an denen SportsoldatInnen teilnehmen, wie etwa die Biathlon-Weltmeisterschaften im thüringischen Oberhof, werden vom Militärsender Radio Andernach für die im Ausland eingesetzten Einheiten der Bundeswehr ausgestrahlt. Auf den Internet-Seiten der deutschen Streitkräfte nimmt das Thema Sport einen prominenten Platz ein, die wöchentliche Bundeswehrpublikation [i]aktuell[/i] widmet mindestens eine ihrer wöchentlich meist zwölf Seiten dem Thema SportsoldatInnen, und zum Informationsangebot der Bundeswehr gehört auch eine Broschüre, die sich ausschließlich diesem Aspekt widmet.

Nachwuchswerbung

Hinsichtlich der Erfüllung der ihr gestellten Aufgaben und im Vergleich mit anderen gesellschaftlichen Akteuren wie beispielsweise politischen Parteien oder Medien genießt die Bundeswehr in der Bevölkerung ein vergleichsweise hohes Ansehen.[] Dies korrespondiert jedoch nicht mit einer entsprechenden Bereitschaft junger Menschen, der Wehrpflicht bei der Bundeswehr nachzukommen oder sich für einen längeren Zeitraum zu verpflichten. Angesichts des einfachen Verfahrens, mit dem in der Bundesrepublik Deutschland heute der Kriegsdienst verweigert werden kann, und der gestiegenen Wahrscheinlichkeit, als Soldat in Auslands- bzw. Kriegseinsätze mit den damit verbundenen Belastungen und Risiken geschickt zu werden, hat die Bundeswehr die Palette ihrer Informations-, Werbe- und Rekrutierungsmaßnahmen beträchtlich erweitert und modernisiert, um einen qualifizierten Personalbestand sichern zu können.

Im Jahr 2002 organisierte die Bundeswehr erstmalig die BW-Olympix. Dabei wurden etwa eintausend junge Menschen im Alter von 16 und 17 Jahren für ein Wochenende in die Sportschule der Bundeswehr in Warendorf eingeladen, um sich bei Spaß und Musik neben der Teilnahme an Sportwettbewerben auch "über die attraktiven Karrierechancen zu informieren, die die Bundeswehr als Arbeitgeber bietet". Die etwa 800 sportbegeisterten Jugendlichen, darunter etwa 25 % junge Frauen, die im Jahr 2004 an den BW-Olympix teilnahmen, wurden mit Bussen auf das Kasernengelände gebracht, wo sie sich - wie Soldaten - gruppen- und zugweise aufstellen mussten, da es auch darum ging, die Bundeswehr kennen zu lernen bzw. - so eine Publikation der Bundeswehr - "die Bundeswehr als attraktiven Arbeitgeber zu präsentieren"[]. Der erste Tag endete mit einer Party, die jedoch durch die für 23 Uhr angeordnete Bettruhe zeitlich begrenzt wurde. Während des Wochenendes fanden Wettkämpfe in den Disziplinen Fußball, Schwimmen, Beach-Volleyball, Leichtathletik und Orientierungslauf statt. Da sich die Bundeswehr auf dem Gelände nicht nur mit Informationsständen präsentierte, sondern auch Waffensysteme zeigte, konnten die Jugendlichen neben einem Hubschrauber auch "eine Fliegerfaust bestaunen"[]. Die Zielsetzung, Jugendlichen Einblicke in das soldatische Berufsbild zu geben, sie ansatzweise mit militärischen Gepflogenheiten vertraut zu machen und für den "Dienst an der Waffe" zu gewinnen, schlug sich auch in den bei den BW-Olympix ausgelobten Preisen nieder: Die SiegerInnen im Schwimmwettbewerb konnten eine Fahrt auf einem Schiff der Marine gewinnen; ein Besuch bei den Gebirgsjägern winkte den SiegerInnen im Fußballspielen, und in der mit militärischen Anforderungen am unmittelbarsten korrespondierenden Disziplin, dem Orientierungslauf, wurde den Erstplatzierten ein Flug zu Einheiten der Bundesluftwaffe auf der italienischen Insel Sardinien versprochen.

Macht dieses "jugendgerechte Angebot", das einer "Punktlandung"[] gleichkomme, mit einigen Gepflogenheiten des militärischen Alltags vertraut (z.B. Antreten in Formation, verordnete Bettruhe), so bleiben andere Dimensionen, insbesondere die Realität des Krieges, Zerstörung, Verwundung und (möglicher) Tod unthematisiert. Eine solche Banalisierung von Militär und Krieg stellt auch die Kampagne BW-Beachen ‘05 dar, bei der der staatliche Gewaltapparat im Sommer 2005 in Urlaubsorten als Veranstalter eines Beach-Volleyball-Wettbewerbes mit dazu gehörendem Musikprogramm und Strandparty auftrat. Nach vier Vorausscheidungen fand das Finale in Warnemünde statt; zu den ersten drei Preisen gehörte ein Besuch der Beachvolleyball-WM 2005 in Berlin, ein Flug mit der Luftwaffe nach Sardinien sowie ein fünftägiges Sommercamp bei der Marine in Eckernförde. Da, so der Beauftragte für militärische Nachwuchsgewinnung, Generalmajor Wolfgang Otto, die Bundeswehr "in manchen Regionen nicht mehr vertreten" sei, habe sie nur "bei solchen Veranstaltungen (Â…) die Möglichkeit ihrer Zielgruppe zu zeigen, dass wir mehr sind als über den Kasernenhof marschierende Soldaten".[] Auch im Rahmen dieser Veranstaltung wurde das Sportprogramm von Informationsangeboten über Laufbahnen und Verwendungen in der Bundeswehr begleitet und die teilnehmenden Jugendlichen erhielten zahlreiche Einblicke in militärische Abläufe und Aufgabenstellungen.

Sport und nationales "Wir"

Dass Sport wie andere Bereiche sozialen Handelns auch sozial und kulturspezifisch durchformt ist und gesellschaftliche Verhältnisse ebenso zum Ausdruck bringt wie er sie auch reproduziert, lässt sich - hier mit Blick auf das Militär/ische und den Krieg - historiographisch wie kultursoziologisch anhand zahlreicher Spuren in unterschiedlichen gesellschaftlichen Feldern nachvollziehen. Zur Vermessung des in seiner Komplexität schwierig zu bestimmenden Verhältnisses von Militär, Krieg und Sport gehört - soziologisch bedeutsam - deren Bezug zur Rekonstruktion der Nation.

Die SportsoldatInnen der Bundeswehr leisten nicht nur einen Beitrag als Werbeträger und Rekrutierungsmedium, sondern tragen auch zur Integration bei. Eine Hauptfunktion der Anteilnahme an sportlichem Geschehen besteht in "der Integrationsleistung des Sports, indem ein gruppenspezifisches Zusammengehörigkeitsgefühl erweckt wird. Die Großgruppen des Staates und der Nation [hier sei ergänzt: des Militärs, F.V.] bedürfen solcher Erlebnisse, weil sie für den einzelnen nur schwer real und konkret erfahrbar sind"[]. Diesem Verständnis folgte auch zwanzig Jahre später ein Kommentator der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, der die Erfolge der SportsoldatInnen als Beitrag zum "nation-building" in einem Land anpries, das über Jahrzehnte geteilt gewesen sei.

Dass Sport als paradigmatisches Feld der Rekonstruktion von (Staats-)Nationen gelten kann, lässt sich an sogenannten "Nationalsportarten"[] und (internationalen) Großveranstaltungen aufzeigen. So stellen etwa die Eröffnungszeremonien der Olympischen Spiele solche "elaborately staged and commercialized narratives of nation"[] dar. Entsprechend wurden in der Eröffnungszeremonie der Olympischen Winterspiele in Salt Lake City, nur wenige Monate nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001, mit dem Auftritt des Kapitäns der Eishockey-Mannschaft, die zur Hochzeit des Rüstungswettlaufs zwischen der USA und der Sowjetunion das favorisierte Team der UdSSR im Kampf um die Goldmedaille 1980 bezwungen hatte, Inszenierungselemente eingewoben, deren außen- und militär(politisch)e Konnotation im aktuellen Kontext unübersehbar war.

Das Abschneiden der jeweiligen "Nationalmannschaften", das regelmäßig an der Zahl der gewonnenen Medaillen gemessen und in tabellarischen Rankings rasch erfass- und interpretierbar gemacht wird, gilt auch als Indikator für das ‚nationale Prestige‘ eines Landes. Staatsoberhäupter interpretieren das schlechte Abschneiden der Olympiateams als "Nachlassen unserer einst bewunderten nationalen Stärke" (John F. Kennedy) bzw. "nationale Schande" (Charles de Gaulle). Entsprechend ist die Teilnahme an Endspielen und mehr noch deren Gewinn eine häufig genutzte Gelegenheit für die Repräsentanten der Staatsnation, sich und das nationale Kollektiv in Szene zu setzen.

Symbolische Rekonstruktionen

Die gesellschaftliche Reichweite des Sports als massenkulturelles Phänomen, insbesondere bei Großereignissen wie Weltmeisterschaften und Olympischen Spielen, ist enorm. Die Erinnerung an sie trägt - wie die Erinnerung an Kriege - beträchtlich zur Konstruktion "nationaler Identität" bei. Der Gewinn der Fußballweltmeisterschaft im Jahre 1954, mythologisiert als der "Triumph von Bern", wurde zeitgenössisch von vielen Sportfunktionären in Deutschland als Ausdruck "wahren Deutschtums" gefeiert und in zahlreichen Medien und großen Teilen der Bevölkerung als wichtiger Schritt der Überwindung des Paria-Status im System der internationalen Beziehungen gewertet.[] Zahlreiche Länderspielbegegnungen von Fußballnationalmannschaften[] bieten medial vermittelte Gelegenheiten, "sleeping memories" zwischenstaatlicher Konflikte und national(istisch)e Untertöne aufzurufen.[] Sport "reinforce[s] antagonisms bred on battlefields, keep[s] alive memories of ‚battles long ago‘, defeats deep in the past and victories recorded in history books, and as such exacerbate[s] antipathy, fuel[s] hostility and extend[s] dislike".[] Fand sich aufgrund des erfolgreichen Abschneidens des Radrennfahrers Jens Voigt bei der "Tour de France" 2005 auf der Titelseite der BILD-Zeitung die Schlagzeile "Endlich wieder ein deutscher Held!", so ist dies lediglich ein aktuelles Beispiel für die Bedeutung, die dem Sport als "nationalistische Sprache"[] bei der (Re-)Konstruktion "nationaler Identität" zukommt. Bedürfen Nationen als "symbolische Konstruktionen" (Balibar/Wallerstein) der fortwährenden Reproduktion in unzähligen, meist unspektakulären Interaktionen des Alltags, so eignet sich Sport hierzu besonders gut, da an den mit ihm - in den Wettkampfarenen wie in seiner medial vermittelten Präsenz - verknüpften und sozial gelebten sowie interaktiv hergestellten Praxen einerseits eine große Zahl von Menschen partizipiert, andererseits in seinen "narrative contributions"[] offener als andernorts kulturelle und nationale Stereotypisierungen vorgenommen werden können bzw. das Ausleben nationalistischer Gefühle mindestens toleriert wird. "The sportsfield and battlefield are linked as locations for the demonstration of legitimate patriotic aggression".[]

Angesichts des breiten Interesses des Publikums am Spitzensport, der als bedeutender Teil der Populärkultur insbesondere bei männlichen Jugendlichen und Erwachsenen zu den häufigsten Themen der Alltagsgespräche gehört, sowie der Bedeutung von Sportheroen als Bezugspunkte eines "nationalen Wir" lässt sich begründet vermuten, dass dort, wo der Sportler als "nationale Figur" mit dem Soldaten zusammenfällt, der historisch ebenfalls als "nationale Figur" bzw. als "Vertreter des nationalen Interesses" konstruiert wurde[], - eben in der Figur des Sportsoldaten -, nicht nur die alltägliche Rekonstruktion der Nation, sondern auch des Militärs als Institution im Sinne eines banalen Militarismus[] stattfindet. Dies wird besonders sichtbar in der massenmedialen Präsentation, etwa anlässlich eines Besuchs von Spielern der deutschen Fußballnationalmannschaft bei Bundeswehrsoldaten im Einsatz, den die BILD-Zeitung auf die paradigmatische Schlagzeile: "Unsere Jungs bei unseren Soldaten" brachte.

Anmerkungen

[] DTTB-Plätze beim ‚Bund‘ auf dem Prüfstand (2004): http://tischtennis-weekly.de/archiv/20040 415S3.html (15.08.2005).

[] Willi Weyer: Rede anlässlich der Grundsteinlegung für die Sportschule der Bundeswehr am 15. November 1974 in Warendorf (Auszug), in: Sportschule der Bundeswehr (Hg.): Sportschule der Bundeswehr. Porträt einer Schule, Koblenz 1993, S. 32.

[] Vgl. Gerd Kebschull: Heimspiel alpin, in: Y. Magazin der Bundeswehr 4/2005, S. 90-92.

[] Johannes Becker: Aspekte psychologischer Kriegsvorbereitung - Der Wandel der Legitimationsbasis für Militär in der Bundesrepublik Deutschland, in: Ralph-M. Luedtke/Peter Strutynski (Hg.): Dem Krieg widerstehen. Beiträge zur Zivilisierung der Politik, Kassel 2001: Jenior, S. 118-138; Heiko Biehl: Armee im Einsatz. Meinungsbild der Bevölkerung zu Aufgaben und Einsätzen der Bundeswehr, in: Information für die Truppe 49 (2005) 1, S. 47-49.

[] Nicolaas Bongaerts, (2004): ‚Wir haben gezeigt, was wir können‘, in: BW-aktuell 39 (2004) 24, S. 8-9, (8).

[] Andreas Meier, Andreas: Die Bw-Olympix 2004, in: Hardthöhenkurier 20 (2004) 3, S. 38-39, (38).

[] Wolfgang Otto (Generalmajor): http://www.bundeswehr.de/jugend/040607_olympix_2004.php (09.06.2004).

[] Nathalie Poulheim/Holger Wilkens: Die Jugend im Blick, in: BW-aktuell 40 (2005) 24, S. 6.

[] Detlef Grieswelle: Sportsoziologie, Stuttgart 1978: Kohlhammer, S. 98.

[] Roman Horak/Georg Spitaler: Sport Space and National Identity. Soccer and Skiing as Formative Forces: On the Austrian Example, in: American Behavorial Scientist 46 (2003) 11, S. 1506-1518.

[] Jackie Hogan: Staging the Nation. Gendered and Ethnicized Discourses of National Identity in Olympic Opening Ceremonies, in: Journal of Sport and Social Issues 27 (2003) 2, S. 100-123, (102).

[] Arthur Heinrich: The 1954 Soccer World Cup and the Federal Republic of GermanyÂ’s Self-Discovery, in: American Behavorial Scientist 46 (2003) 11, S. 1491-1505.

[] Vgl. Pablo Alabarces/Alan Tomlinson/Christopher Young: Argentina versus England at the France ’98 World Cup: narratives of nation and the mythologizing of the popular, in: Media, Culture & Society 23 (2001), S. 547-566; Hywel Bishop/Adam Jaworski: ‚We beat ‘em‘: nationalism and the hegemony of homogeneity in the British press reportage of Germany versus England during Euro 2000, in: Discourse & Society 14 (2003) 3, S. 243-271.

[] Allen L. Sack/Seljan Suster: Soccer and Croatian Nationalism. A Prelude to War, in: Journal of Sport and Social Issues 24 (2000) 3, S. 305-320.

[] J.A. Mangan (Hg.): Militarism, Sport, Europe. War Without Weapons, London & Portland, OR 2003: Frank Cass, S. 4.

[] William J. Morgan: Sports and the Making of National Identities: A Moral View, in: Journal of the Philosophy of Sport 24 (1997), S. 1-20, (11).

[] William J. Morgan: Patriotic Sports and the Moral Making of Nations, in: Journal of the Philosophy of Sport 26 (1999), S. 50-67, (51).

[] J.A. Mangan: Foreward, in: ders. (Hg.): Shaping the Superman: Fascist Body as Political Icon - Aryan Fascism, London & Portland, OR 1999: Frank Cass, S. xi-xiii, (xii).

[] Ruth Seifert: Militär, Nation und Geschlecht: Analyse einer kulturellen Konstruktion, in: Wiener Philosophinnen Club (Hg.): Krieg/War. Eine philosophische Auseinandersetzung aus feministischer Sicht, München 1997: Fink, S. 41-49, (45).

[] Vgl. Tanja Thomas/Fabian Virchow: Banal Militarism. Zur Veralltäglichung des Militärischen im Zivilen, Bielefeld 2006: transcript.

Dr. Fabian Virchow ist Lehrbeauftragter am Zentrum für Konfliktforschung der Philipps-Universität Marburg. Er forscht in den Bereichen Militärsoziologie, politische Kommunikation und soziale/politische Bewegungen.