Top Secret

Kommentar

in (01.04.2006)

Seit dem 11. September 2001 erleben wir eine fatale Enttabuisierung und Demontage dessen, was einst als Menschenrechtsstandard mühsam und mit vielen Opfern erkämpft worden ist.

Im Kampf für das "westliche Wertesystem", zur Bewahrung von Demokratie und Rechtstaat, scheinen alle Mittel recht zu sein. Selbst jene, die fundamental gegen die Prinzipien eben jener Welt verstoßen, wie Verschleppung und Folter. Dass die Demokratie sich damit selbst aushebelt, scheint wenige zu interessieren. Die rot-grüne Bundesregierung hat diese Terrorismusbekämpfung mit den Mitteln des Terrors auf dem Boden des Grundgesetzes geschehen lassen - und hat sich mitschuldig gemacht. Sie interessierten sich weniger für Grund- und Völkerrecht von Menschen als für die erfolterten Informationen. Was Zeitungen aufdeckten, ist wahrscheinlich nur ein Teil der strukturell intransparenten Geheimdienstaktivitäten.

Die Aufklärung völkerrechtswidriger CIA-Flüge über die BRD und die Beteiligung an der Verschleppung und den Verhören gekidnappter Terrorverdächtiger in Folterstaaten durch den Bundesnachrichtendienst (BND) und das Bundeskriminalamt (BKA) verläuft zäh.
Auch wenn sich das geheime Parlamentarische Kontrollgremium (PKG) mit den Vorfällen beschäftigt hat und mittlerweile ein Regierungsbericht zur BND- Affäre vorgelegt wurde, bleibt vieles ungeklärt. So erlebt man zurzeit zu den CIA-Flügen nur regierungsoffizielles Schulterzucken. Völlig einig zeigen sich SPD und Union in der Frage, ob geheimdienstliche Methoden und Erkenntnisse in die Öffentlichkeit gehören: Nein, die Behandlung der offenen Fragen im PKG sei vollkommen ausreichend. Nichts davon gehöre ins Parlament selbst, denn man "wisse jetzt alles, was die Regierung weiß" (Olaf Scholz, SPD). Die FDP war sich seit der Veröffentlichung des Regierungsberichts über CIA-Flüge, Geheimdienstaktivitäten im Irak, Zusammenarbeit des BND mit dem CIA und der Verschleppung deutscher Staatsbürger erst einmal nicht mehr so sicher, ob man die deutschen Geheimdienstaktivitäten nicht doch lieber hinter verschlossenen Türen behandeln sollte. Auch die Grünen, die sich im Wahlkampf gerne als Bürgerrechtspartei gefeiert haben, schwankten zuerst in der Frage, wie ernst sie die Bürgerrechte wirklich nehmen wollen. Denn schließlich könnte durch einen Untersuchungsausschuss ihr Popstar und ehemaliger Außenminister Joschka Fischer selbst als Mitwisser enttarnt werden.

Mit der Veröffentlichung des Regierungsberichts scheint neben all den Grauzonen nur eines klar zu sein: Innenminister Wolfgang Schäuble (CDU) scheint sich vorerst mit seiner Forderung nach der Legalisierung der Verwendung von unter Folter erpresster Informationen nicht durchsetzen zu können. Die Regierung hat in ihrem Bericht nämlich neue Grundsätze vorgelegt, nach denen Beamte des BKA zukünftig an Auslandsverhören des BND nicht mehr teilnehmen dürfen, die Verhöre nur bei freiwilliger Kooperation des Gefangenen zugelassen werden, und abgebrochen werden müssen, falls es Anzeichen dafür gebe, dass ein Gefangener unter Folterfolgen leide. So schön und gut sich diese neuen Grundsätze anhören, so können sie doch nicht verschleiern, dass das absolute Folterverbot in der Vergangenheit mit Füßen getreten wurde. Und außerdem: Wo und wie soll denn die Kontrolle dieser Grundsätze stattfinden, wenn ausführliche Informationen über Geheimdienste und deren Machenschaften auf keinen Fall an die Öffentlichkeit dringen dürfen?

Denn dies gehört zur Struktur geheimdienstlicher Arbeit: Was geheim ist, bleibt geheim! Dadurch sind Geheimdienste und ihre Methoden faktisch nicht kontrollierbar. Denn bereits der parlamentarischen Kontrolle der Geheimdienste sind enge Grenzen gesetzt. Der prüfende und kritische Blick von außen und gesellschaftliche Transparenz sind gänzlich ausgeschlossen. Sowohl die Gesetze als auch die Arbeit der Geheimdienste erschweren und verhindern den prüfenden und kritischen Blick von außen auf die Tätigkeit dieser Einrichtungen. Wer also gegen die Aushebelung demokratischer und rechtsstaatlicher Grundrechte ist, der sollte sich nichts vormachen mit der Hoffnung Geheimdienste irgendwie doch noch kontrollieren zu können. Dem bleibt nur die eine Forderung: Geheimdienste abschaffen!