Der Ausverkauf öffentlicher Infrastruktur hat begonnen

Nicht mehr der Staat bzw. die Kommunen sollen die öffentlichen Dienstleistungen bereitstellen, sondern private Unternehmen.

in (10.05.2004)

Seit einigen Jahren rennen Grossbanken, Landesbanken und Finanztöchter von Großkonzernen den europäischen Kommunen die Türen ein. Das heiße Sonderangebot heißt kommunaler Daseinsversorgung. Dabei werden städtische Klärwerke, Kanalnetze, Krankenhäuser, Müllverbrennungsanlagen und öffentliche Verkehrsmittel wie schales Bier angeboten. Viele Kommunen stehen seit langem in der Finanzkrise und versuchen, ihre Finanzen durch Verkauf oder durch Umwandlung von kommunalen Betrieben in Eigenbetriebe durch (Teil-)Privatisierungen, sog. Cross-Border-Leasing oder in Umwandlungen in GmbHs in den Griff zu bekommen.

Kapitalisierung des Warencharakters
Anders als bei den meisten Waren blieb der Warencharakter von öffentlichen Dienstleistungen im Hintergrund. Derartige Güter und Dienstleistungen wurden als notwendig zur Deckung von Grundbedürfnissen der jeweiligen Bevölkerung eingeschätzt. Die öffentliche Hand stellte diese Waren in der Vergangenheit bereit und nahm sie somit bewusst aus dem Marktmechanismus heraus. Seit den 90igern erfährt das bisher langfristig stabile Nebeneinander bei "normalen" Gütern und staatlich organisierter Bedarfsdeckung bei Grundbedürfnissen in der Bundesrepublik aber auch in anderen Ländern massive Veränderungsimpulse.

Nicht mehr der Staat bzw. die Kommunen sollen die öffentlichen Dienstleistungen bereitstellen, sondern private Unternehmen.

Die Bereitstellung dieser Güter soll in Zukunft nicht als gelenkte Vorsorge oder Versorgung gesehen, sondern sie sollen dem Marktmechanismus unterworfen werden, also allein nach den Kriterien der Profitproduktion und - realisierung funktionieren.

Umverteilung schafft anlagesuchendes Kapital
Als allgemeines Selbstverständnis galt bisher, dass die Einkommensbesteuerung - die einen Hauptteil der Gelder zur Finanzierung staatlicher Aufgaben aufbringen soll - von der individuellen Einkommensstärke abhängen muss. Wirtschaftlich Starke sollen stärker (mit höheren Steuersätzen) herangezogen werden als wirtschaftlich Schwache. Dieser soziale Aspekt wird seit Jahren und insbesondere mit der Rot-Grünen Steuerreform in das glatte Gegenteil umkehrt. Schon damals war klar, dass die neuen Regeln zu massiven Einbrüchen bei Bund, Ländern und Gemeinden führen würden. Im selben Zeitraum stiegen die Ausgaben der Kommunen für soziale Leistungen durch eine stetig wachsende Arbeitslosigkeit überproportional an.

Der freie Markt machtÂ’s besser?
Nach zwei Jahrzehnten der radikalen Marktöffnung für die einst in öffentlicher Regie betriebenen Dienstleistungen hat sich diese Politik als eine Sackgase erwiesen. Weder haben sich die Versprechen der Protagonisten des Freihandels bestätigt, die Qualität zu steigern und Kosten zu senken. Das glatte Gegenteil ist eingetreten. Private Unternehmen verfolgen in erster Linie den Interessen der Gewinnmaximierung und nicht der allgemeinen Bedarfsorientierung. Schon jetzt ist absehbar das Menschen mit geringeren Einkommen von den Waren ausgeschlossen werden. Die Kommunen werden diesen Trend entgegensteuern, so dass die kurzfristigen Mehreinnahmen durch Privatisierung der öffentlichen Dienstleistungen von den Mehrausgaben der Sozialhilfe verschlungen werden. Das Kernproblem bleibt also bestehen: Ein privater oder deregulierter Dienstleistungsbereich ist jeglicher demokratischer Kontrolle und Gestaltung unzugänglich. Nur wenn die Bereiche der Daseinsversorgung öffentlich verfasst sind, sind sie entsprechend politisch beeinflussbar und potentiell demokratisierbar.