Nicht alles anders, nur rechter

Kommentar

in (18.10.2005)

Endlich sind die Bundestagswahlen und der Bundestagswahlkampf überstanden.

Nun sollte wohl eigentlich der von den Parteien versprochene "Fortschritt" eintreten. Doch was folgt sind stagnierende Koalitionsverhandlungen, weil "der Wähler" - glaubt man PolitikerInnen und Medien − schlecht oder falsch, sich vielleicht sogar ver-wählt hat. Und weil also der kleine Michel mit seiner Schlafmütze mal wieder alles falsch gemacht hat, müssen neue Lösungen her: Da greifen wir mal in den Zaubersack und siehe da, wie wäre es mit einen (simplen) Mehrheitswahlrecht nach dem Prinzip "the winner takes it all". Da können dann auch nicht mehr alle mitspielen, schließlich reicht es doch wohl wenn man die Wahl hat zwischen zwei ParteikandidatInnen. Das mit dem Pluralismus im Parlament wird doch überschätzt und das Objekt Wähler ist damit eh überfordert.

Bleibt zu hoffen, dass diese Konzepte nicht politische Realität werden und ganz tief unten in den Schubladen bleiben. Schließlich ist die WählerIn ein eigenständiges Subjekt, das schon jetzt nur unter Einschränkungen seine Vertretung bestimmen kann.
Trotz des Ergebnisses wird aber auch nach dieser Bundestagswahl (wie immer) eine neue Regierung ins Amt kommen: Eine große Koalition! Da sich beide Parteien schon in der Vergangenheit in der Wirtschafts- und Sozialpolitik nicht so fern waren, kann der Sozialabbau mit Mehrheiten in beiden Kammern noch schneller beschlossen und umgesetzt werden.

Grund- und Freiheitsrechte waren den Gebrüdern Schily/Beckstein schon lange Zeit ein Dorn im Auge und nun sind die Hürden, das Grundgesetz mal endlich ordentlich zu reformieren, deutlich gesunken. Denn schließlich gilt: Wer nichts getan hat, hat auch nichts zu verbergen und dem darf eine Rund-um-die-Uhr-Überwachung durch Geheimdienste und Polizei nichts ausmachen! Auch wenn es nicht ganz so schlimm kommen wird, ist eine weitere Aushöhlung der Bürgerrechte zu befürchten. Der schon seit längerem von der CDU/CSU geforderte Bundeswehreinsatz im Inneren oder die Ausweiterung der Datenspeicherungen im personenbezogenen und Kommunikations-Bereich erscheinen nur noch marginal verhinderbar. Dass sich bei der Terror-Bekämpfung schon die rot-grüne Gesetzgebung durch Rassismus auszeichnete, wird es für MigrantInnen in Deutschland nicht einfacher machen. Neben der hohen staatlichen Kontrolle, Überwachung und regelmäßigen Gängelung, erfahren sie Ausgrenzung im Alltag und besitzen keine wirklichen politischen Einflussmöglichkeiten.

Die europäischen Außengrenzen sollen die europäischen BürgerInnen vor MigrantInnen schützen − so scheint inzwischen die ungeschriebene Maxime der Migrationspolitik. Das bedeutet, dass das Recht auf Asyl massiv ausgehöhlt und die Möglichkeiten der legalen Zuwanderung für die Mehrzahl der MigrantInnen stark eingeschränkt wurden. Es steht zu befürchten, dass das bisher schon nicht gerade freiheitliche und emanzipatorische Zuwanderungsbegrenzungsgesetz der rot-grünen Regierung um weitere repressive Einschränkungen für MigrantInnen ergänzt werden wird. Wahrscheinlich mit vermeintlichen Argumenten der Sorte "Terrorbekämpfung", denn schließlich ist ja jeder Nichtdeutsche ein potentieller Terrorist.

Der Wahlkampf war von Debatten um Standortsicherung und neoliberalen Konzepten gekennzeichnet und in dieser Hinsicht werden sich die etablierten Parteien wohl an ihre "Wahlversprechen" halten. Bleibt dafür zu sorgen, dass trotz alledem antirassistische, emanzipatorische und radikaldemokratische Forderungen auch nach dieser Wahl den Weg in die Öffentlichkeit finden.