Vom Elend historischer Selbstkritik

Text aus Anlass des 15jährigen Bestehens der Historischen Kommission der PDS. Seit 1990 ist der Autor Mitglied der Historischen Kommission der PDS, in der "Hellen Panke" e. V. und im "Treptower Forum

Seit fünfzehn Jahren bemüht sich die Historische Kommission, die politische und geistige Erneuerung der PDS zu begleiten. Wer aber nun rückblickend die in der Partei geführten Debatten über Stalinismus und Staatssozialismus beurteilen soll, steht ziemlich verlegen vor einer Vielzahl von Beschlüssen, Dokumenten, Diskussionen, sich widersprechender Ansichten. Es ist schwierig, den zumeist dissonanten Chor auf ein Unisono zu bringen. Aus dieser Bedrängnis hat mir ein ND-Interview von Manolis Glezos geholfen. Befragt nach dem gegenwärtigen Zustand der "Linken", antwortete der griechische Antifaschist und Widerstandskämpfer: "Ich denke, die Linke - sowohl in Griechenland als auch sonst auf der Welt - kann die Rolle, die sie eigentlich spielen müsste, heute nicht ausfüllen, weil sie in viele kleine Stücke zerfallen ist. Den Grund dafür sehe ich darin, dass die Linke seit dem Scheitern des sozialistischen Experiments in der Sowjetunion vergeblich versucht, ihre eigene Identität zu finden. Warum aber findet sie die nicht? Weil sie sich über die Ursachen für das Scheitern des mit der Oktoberrevolution begonnenen Experiments nicht einigen kann. Dabei sollte doch ruhig jeder seine eigene Meinung bilden. Solange man sich nicht einigen kann, mag jeder an seiner Meinung festhalten und trotzdem gemeinsam mit den anderen handeln: in gemeinsamen Aktionen und in politischer Zusammenarbeit."1 Dem Ratschlag folgend, habe ich den Mut, das dauerhafte Thema unter dem Aspekt eigener Erfahrungen und Einsichten zu reflektieren.

Ich gehörte zur jüngeren Generation der führenden Partei, die 1952 beschloss, die Grundlagen des Sozialismus in der DDR zu errichten. Von "Westen" her angefochten waren seit Churchills Kundgabe des Kalten Krieges in Fulton (1946) und den US-amerikanischen Atomkriegsplänen (1949) gewiss alle Versuche, die seit dem 19. Jahrhundert entwickelten Ideen des Sozialismus und mit ihnen des Humanismus zu verwirklichen. Auch die DDR stand immerfort unter den Anfeindungen des internationalen und westdeutschen Monopolkapitals. Dass aber die freiheitlich-egalitären Blütenträume der sozialen Revolution selbst in der Wirklichkeit des Sozialismus tödlich gefährdet waren, mussten wir frühestens 1953 und spätestens 1956 erfahren. Am 17. Juni 1953 sah ich in Leipzig zuerst den Pavillon der "Deutsch- Sowjetischen Freundschaft" brennen und erkannte darin nur den postfaschistischen Mob, nicht den Arbeiterprotest. Doch drei Jahre später war weltgeschichtlich zu begreifen, dass der praktizierte Sozialismus und der Humanismus in der Realität weit auseinander klafften.

Auf dem XX. Parteitag der Kommunistischen Partei der Sowjetunion (Februar 1956) enthüllte Chruschtschows Geheimbericht 2 unglaubliche Staatsverbrechen, die unter Stalins Regierung begangen wurden. Hitlers Blutspur in ganz Europa war mir bekannt: Sie hatte mich den Losungen "Nie wieder Krieg!" und "Ein neues Deutschland!" folgen lassen. Die ganz unerwartete Wahrheit aber, wie sehr auch Stalin mit Deportationen, Zwangslagern, Meuchel- und Massenmorden seine Blutspur von Brest bis Wladiwostok und sogar anderswo hinterließ, war nun im wörtlichen Sinne niederschmetternd. Aber gab es nicht eine Chance? Es war die Führungsmacht Sowjetunion und ihre Staatspartei, die Fehler und Untaten der Stalin-Clique offen legten - eine Stunde der Wahrhaftigkeit schien angebrochen. Durch historische Kritik und Selbstkritik war immer noch Zukunft zu gewinnen. Jedoch vor dem Maßstab analytischen Denkens konnte die Anklage des toten Stalin unter dem Aspekt des "Personenkults" keineswegs befriedigen. Es war vielmehr eine geschichtlich entscheidende Frage zu stellen: An welchen Grundmängeln musste das von der Sowjetunion ausgehende Sozialismus-Modell kranken, das den Stalinismus mit seinen ungeheuerlichen und unentschuldbaren Verbrechen möglich machte?

Das ist die Kernfrage nach Stalinismus und Staatssozialismus - gültig bis auf den heutigen Tag.

I

Wer damals so dachte, hatte die Logik, nicht die Macht auf seiner Seite. Ulbrichts selektierte Führungsmannschaft, manövrierend unter den Zwängen des Kalten Krieges, aber seit Jahren schon gewöhnt an die Hybris der Macht, belastete kritische Frager mit den inkriminierenden Vorwürfen des "Kapitulantentums", des "kleinbürgerlichen Sozialdemokratismus", der "Parteifeindlichkeit". Im Schlagschatten der politischen Prozesse zu Berlin und Leipzig, mit langjährigen Haftstrafen gegen Harich, Janka und noch weitere Genossen, hagelten auf die junge Intelligenz disziplinierende Parteistrafen, Lehrund Publikationsverbote, Aberkennungen akademischer Rangstufen und Strafversetzungen in die Produktion. Es war eine Zeit, die hart an die Nerven ging. Offene Solidarität wurde niedergemacht. Schnüffler und Denunzianten hatten das Sagen. Dem sanguinischen Rheinländer, der ich war, musste ein Gutmeinender zu Gefasstheit und geduldigem Abwarten raten, weil "Geschichte einen langen Atem" benötige, bis "unsere Zeit" kommen werde. Der Genosse selbst hat sich aus Gründen tiefster Enttäuschung erhängt. Und was eigentlich nie erinnert wird: Weitere Genossen, in auswegloser Resignation, setzten ihrem Leben gleichfalls ein Ende.

Objektiv aber blieb die uns allen gemeinsame Schuld, dass die historische Chance, den überkommenen Sozialismus zu erneuern, in jenen Jahren vertan wurde. Denn in der Weltöffentlichkeit existierten durchaus gültige Antworten auf die Kernfrage nach dem problematischen Wesen des "russischen Sozialismus". Bereits Ch. G. Rakowski, Vorsitzender des Rates der Volkskommissare der Ukraine und Sowjetgesandter in London und Paris, urteilte 1928: "Mit Hilfe demoralisierender Methoden, die denkende Kommunisten in Maschinen verwandeln, die Willen, Charakter, menschliche Würde ertöten, vermochte die Spitze sich in eine unabsetzbare und unantastbare Oligarchie zu verwandeln und sich selbst an die Stelle der Klasse und der Partei zu setzen."3

Die Kritik verschärfte sich im Manifest des "Bundes der Marxisten-Leninisten" (1932), verfasst von dem Moskauer Bezirksparteisekretär M. Rjutin und mehreren Alt-Bolschewiken. Sie verknüpften die Personalkritik, die gegen Stalin, den "Totengräber der Revolution" gerichtet war, mit grundsätzlicher Systemkritik: Das Wesen der proletarischen Diktatur sei entstellt, die Rolle der Sowjets, der Gewerkschaften und des Komsomol zerstört. "[...] Durch unglaubliche Gewalt und Terror, unter der Flagge des Kampfes für die Reinheit der Prinzipien des Bolschewismus und der Einheit der Partei, gestützt auf einen gewaltigen zentralisierten Parteiapparat hat Stalin in den vergangenen Jahren die besten, wahrhaft bolschewistischen Kader der Partei gestürzt und aus der Führung entfernt. [...] Jede revolutionäre Gesetzlichkeit ist verletzt [...]. Der demokratische Zentralismus wurde durch die persönliche Sicht des Führers ersetzt, die kollektive Führung durch ein System von Vertrauensleuten."4

Ein halbes Jahrzehnt später, vor dem ungeheuerlichen Hintergrund der beginnenden Moskauer Prozesse, veröffentlichte Leo Trotzki aus dem norwegischen Exil ebenfalls ein historisches Verdikt: "Verratene Revolution. Was ist die Sowjetunion und wohin treibt sie?" (1936) Mit Berufung auf Lenin und die altbolschewistische Partei enthüllte er einen "Verrat" an der sozialistischen Revolution. Sein zentrales Urteil besagte, dass der ursprünglich angestrebte und andauernd beschworene "demokratische Zentralismus" in Stalins Realsystem degenerierte: zum "bürokratischen Zentralismus".5 Eine neue Kaste hatte sich zum Herrscher über Partei, Klasse und Volk erhoben. Sie bestand nach soziologischen Schätzungen in der Mitte der 30er Jahre aus einer halben Million gesellschaftlicher Würdenträger, fünf bis sechs Millionen Partei-, Staats- und Wirtschaftsfunktionären und ihren 20 Millionen Familienangehörigen - insgesamt etwa 12 bis 15 Prozent der Bevölkerung der Sowjetunion.6 Inmitten des allgemeinen Mangels, wo die überwiegende Volksmasse noch tief unter dem durchschnittlichen Lebensniveau der Hauptländer des Kapitalismus darbte, existierte diese neue Kaste aufgrund des Staatseigentums - mit relativ hohen Gehältern, sozialen Vergünstigungen, Unterschleif, Schmiergeldern etc. - von der Aneignung fremder Arbeit. Sie hatte in Stalin ihren allmächtigen Führer und wider Willen auch ihren Peiniger erkoren. Doch Trotzki hegte die Hoffnung auf eine grundstürzende Korrektur: Eine nochmalige Revolution der Arbeiterklasse könnte die Herrschaft der Partei- und Staatsbürokratie stürzen. Gelänge dies nicht, so werde über kurz oder lang ein Bankrott der Sowjetunion stattfinden: mit darauf folgender Restauration des großen Kapitals - und dies mit Beteiligung angeblich "sozialistischer" Parteifunktionäre, Staatsbürokraten und Administratoren der zentralistisch geleiteten, monopolisierten Wirtschaft.

Die ebenfalls kritischen Einsichten des Italieners Gramsci, der Deutschen Köstler und Münzenberg, des Polen Isaak Deutscher, weiterer Kommunisten und Sozialisten müssen hier übergangen werden 7, damit wir sogleich wieder in die Zeit des XX. Parteitages der KPdSU gelangen. Da urteilten Togliatti und Djilas über dieselben schwerwiegenden Probleme. Der italienische Kommunist und Parteiführer Palmiro Togliatti stellte bereits im Juni 1956 die Theorie des "Personenkults" in Frage: "Früher kam alles Gute von den übermenschlichen positiven Eigenschaften eines Mannes; jetzt wird alles Böse seinen ebenfalls außergewöhnlichen und sogar verblüffenden Fehlern zugeschrieben. In einem wie im anderen Falle sehen wir uns außerhalb der dem Marxismus eigenen verstandesgemäßen Urteilskraft. Außer acht gelassen werden die wahren Probleme, nämlich wie und warum die sowjetische Gesellschaft zu gewissen Formen der Abweichung vom demokratischen Wege und von der Gesetzlichkeit, die sie sich vorgezeichnet hatte, ja, sogar bis zur Entartung gelangen konnte und tatsächlich gelangte."8

Auch Milovan Djilas wandte sich gegen die "Personenkult"-Doktrin. Der Kommunist, Partisanenführer, stellvertretende Ministerpräsident der Sozialistischen Föderativrepublik Jugoslawien verfasste statt dessen eine Systemkritik - als konsequent sozialistischer Moralist und in der tragischen Gewissheit, dafür Kerkerhaft oder gar die Todesstrafe hinnehmen zu müssen: "Die neue Klasse. Eine Analyse des kommunistischen Systems" (1957).9 Wo Trotzki noch "Verrat" an der Revolution gesehen und die Korrektur durch eine zweite Arbeiterrevolution erhofft hatte, gewahrte Djilas eine fortschreitende Entwicklung, die in der Sowjetunion zwangsläufig von der revolutionären Avantgarde-Partei Lenins zum Regime einer privilegierten Staatspartei führte. Dieser Herrschaftstypus war nach dem Zweiten Weltkrieg auf mehrere Länder Ost-Mittel-Europas - selbst auf das in der Wirtschaftspolitik eigenständige Jugoslawien Titos - übertragen worden. Die kritische Bilanz des seit 1917 verlaufenden Prozesses enthüllte nun das Machtsystem von Parteioligarchien und Staatsbürokratien, die sich ihre arbeitenden Klassen und Völker, Nationen und Nationalitäten gefügig machten. Bei allen Verbalien vom Ende der Ausbeutung des Menschen durch den Menschen: sie lebten und regierten auf der Basis des gesellschaftlichen, weithin aber verstaatlichten Eigentums wiederum durch Exploitation der arbeitenden Massen.

Anders als Trotzki mochte Djilas über die Chancen einer neuen Revolution kaum noch spekulieren. Jedoch in Übereinstimmung mit ihm nannte auch er die staatsmonopolistische Existenzform des Real-Sozialismus eine "totalitäre" Diktatur. "Der moderne Kommunismus ist diejenige Form des Totalitarismus, die aus drei Hauptfaktoren zur Kontrolle über das Volk besteht: der erste ist die Macht, der zweite der Besitz, der dritte die Ideologie. Sie sind das Monopol der einen und einzigen politischen Partei oder [...] einer neuen Klasse; und in der gegenwärtigen Situation das Monopol der Oligarchie jener Partei oder jener Klasse. Keinem totalitären System der Geschichte [...] ist es gelungen, gleichzeitig all diese Faktoren zur Herrschaft über das Volk bis zu diesem Grad in sich zu vereinigen."10 Die derart herrschende Parteioligarchie mit ihrem Funktionärsapparat sei unwillens und unfähig, das System durch grundstürzende Reformen zugunsten einer wahren sozialistischen Demokratie des Volkes zu verändern. Mit seiner festungsartigen Abschottung gegen die modernen, zumal wissenschaftlich-technischen und handelspolitischen Entwicklungen einer durch Kalten Krieg gespaltenen Welt werde dieses Regime in Rückständigkeit verharren. Es werde die Akzeptanz des Volkes, sogar der Völker verlieren und in schwer bestimmbarer Zukunft zusammenbrechen.

II

Die hier nur in Auswahl erinnerten kommunistischen Systemkritiker waren die Mahner "unserer Zeit" - und wie gesagt: ihre Gedanken, Erfahrungen, Analysen waren objektiv in der Welt. Wir hätten sie finden, rezipieren, verarbeiten müssen - auch wenn "Trotzki" und "Trotzkismus" in der Erziehungsanstalt des Stalinismus und des Poststalinismus als Inbegriff des "Bösen" galten und verfolgt wurden. Doch wir haben dies nicht getan! Selbst Fritz Behrens, der ebenfalls zum Systemkritiker des Staatssozialismus reifte 11 , bekannte von sich, das Buch von Djilas aus Gründen der Parteidisziplin bewusst nicht gelesen zu haben. So musste es kommen, wie es kam: Versteckt und vereinzelt in Freundeskreisen, gefesselt von den Kontrollen der Staatssicherheit, beschränkt in den eigenen Vorsichten und den Skrupeln einer objektiv falschen Partei- und Staatsdisziplin, verpassten wir den entscheidenden historischen Auftritt. Nicht wir waren die Kraft, die 1989 das Volk mobilisierte.

Der außerordentliche Parteitag der SED/PDS (Dezember 1989) geschah im Nachtrab. Er war eine Reaktion auf die Massenbewegungen seit Anfang Oktober. Doch er brachte endlich Entschei-dungen für eine Umwälzung in der Partei: vor allem die Deklaration des Bruchs mit dem Stalinismus. Als dann mit Applaus der große Besen, das Reinigungssymbol, zu Händen Gysis auf die Tribüne hinaufgereicht wurde, wusste freilich niemand genau, wie schwierig Kritik und Selbstkritik sein würden.

Zunächst stand doch alle Politik unter der historischen Alternative: entweder gelang eine Revolution zwecks "besserer", also wahrhaft sozialistischer DDR (eines volksdemokratischen Rechtsstaates) - oder es siegte die antisozialistische Konterrevolution (für die die Weichen im Dezember 1989 bereits gestellt waren). Das Resultat muss hier nicht besprochen werden. Wohl aber die aus ihm erwachsenen Schwierigkeiten, die PDS zu erneuern und dabei Klarheit über das Erbübel des Stalinismus zu schaffen.

"Wiedervereinigung" entpuppte sich als eine Einverleibung des Territoriums und des Volkes der DDR in die bürgerlich-kapitalistischen Strukturen der BRD.

Keine Revolution, sondern eine Restauration obsiegte, die in historischer Analogie mit der Kolonisierung Indiens durch Großbritannien zu vergleichen wäre, als ein kapitalistisches "Mutterland" die einheimische Wirtschaft des Subkontinents zerstörte und nur zum Teil modernisierte. Die kapitalistische Restauration war vor allem aber auch eine politische, die mit dem triumphalen Behagen aller Restaurationen der Geschichte daherkam. Einer ihrer scheinheiligen Leitsprüche besagte: Was in der alten BRD an den Nazis versäumt wur de, müsse nun an den Sozialisten der DDR exekutiert werden. Damit war nicht bloß die semantische Gleichsetzung von ehemaligen Faschisten und gegenwärtigen Sozialisten formuliert - auf der gutbürgerlichen Hackliste stand die PDS als "Linksextremismus" sogar weit vor den Gruppierungen früherer und nachgewachsener Rechtsextremisten. Dass die PDS, in deren Reihen sich nicht wenige Reformer um neue Ideen und Strukturen mühten, schlechthin als Wurmfortsatz der politbürokratischen SED, wenn nicht Stasi-Enklave inmitten der Bundesrepublik, verteufelt wurde, war Fortsetzung des Kalten Krieges.

Politisch bewussten DDR-Bürgern und zumal Parteimitgliedern wurde die Ehrbarkeit ihres Lebens, ihrer Biographien, aberkannt. Folglich wurden mentale Igelstellungen bezogen, die der PDS-Erneuerung keineswegs förderlich waren. Stets stand die Partei mit dem Rücken an der Wand: durch die Anwürfe des BRD-Regimes zur Gegenwehr gezwungen. Die Mühen der Verteidigung erdrückten jahrelang die nötigen und ehrlichen Mühen der politisch-geistigen Aufklärung. Aufklärung aber musste in der PDS vorrangig heißen: historische Kritik und Selbstkritik gegen Stalinismus und Staatssozialismus.

Seit 1990 arbeitete ich selbst als Mitglied der Historischen Kommission der PDS, Kurator der "Hellen Panke" e. V. und Leiter des "Treptower Forums" in Berlin, die alle für ein Umdenken von leninistisch-stalinistischen zu demokratisch-sozialistischen Auffassungen wirkten. Dabei blieb ich ein "Linker", der seine Identität zu wahren suchte, indem er von der verdeckten Opposition im Staatssozialismus zur legalen Opposition in der bürgerlichen Demokratie gelangte. Doch diese Position war zwiespältig, auch "dialektisch" zu nennen.

Gemäß der Tradition neuzeitlicher Revolutionen streiten "Linke" für die Lebensinteressen der arbeitenden und sozial benachteiligten Klassen und Schichten. "Konsequente Volkssouveränität" ist ihre Forderung, die nach einem nicht bloß bürgerlich-liberalistischen, sondern volksdemokratischen Staatswesen strebt, wo die alte Losung "Freiheit! Gleichheit! Brüderlichkeit!" durch reale Demokratie, soziale Gerechtigkeit und Völkersolidarität verwirklicht wird. Das geht auf 1789, 1848, 1871 und 1917 zurück und ist immer noch Aufgabe der Zukunft geblieben. Überflüssig zu sagen, dass ich mit dem Bemühen des Historikers, das diesbezügliche Erbe der Geschichte zu erinnern, also der bourgeoisen Verteufelung und Vergessenspolitik zu entwinden, zugleich auch ein Verneiner der aktuellen Regime des Großkapitals bin.

Was ich andererseits aber im Sinne meines Themas sagen muss: Als ein "Linker" war und bin ich kein Verteidiger der von der Sowjetunion überkommenen Konstruktion des staatsmonopolistischen Sozialismus, daher auch kein nostalgischer Nachläufer der dahingegangenen DDR. Auf Gegenwart und Zukunft gerichtetes Denken müsste, so meinte ich, die Fehler und die Schandtaten aufklären, die die emanzipatorische Fahne des Sozialismus beschmutzt und besudelt hatten. Rückfällen, sei es auch nur im programmatischen Denken, war gerade jetzt durch geistige Entschiedenheit vorzubeugen - und dies umso mehr, als Erneuerungsstreben und "Poststalinismus" in der PDS unaufhörlich im Streit lagen.

III

Unter den Reformern war strittig, was der Begriff "Stalinismus" bedeute und wie historische Kritik zu denken sei. Als Beispiel sei die Konferenz des Bundesvorstands der PDS und ihrer Abgeordnetengruppe im Deutschen Bundestag vom Oktober 1991 in Kleinmachnow erinnert: "Sicherheitspolitik der DDR. Zur Verantwortung der SED und der Rolle der Staatssicherheit". Dort wurde Stalinismus-Kritik vorzugsweise durch den Versuch der Ideologie-Kritik geleistet. Im Zusammenhang mit der geistespolitischen, auf das Bewusstsein bezogenen These, dass eine "Abkopplung der heroischen Illusion von den Realitäten" der Politik erfolgt sei, wurden die "intellektuellen Eliten der DDR" schlechterdings in die Schuld des Staatssozialismus, seiner Herrschaftsideologie und Polizeigewalt, einbezogen: Die Intellektuellen hätten die Öffentlichkeit ohne kritische Hilfe gelassen; sie hätten sich insbesondere der Jugend verweigert und auf deren Fragen keine Antwort gegeben.12 Deshalb bestünde bei ihnen auch eine Schuld für die Tätigkeit der Staatsorgane, sogar des Ministeriums für Staatssicherheit.

Dieser Verallgemeinerung habe ich widersprochen.13 Denn in Literatur, Künsten, Theatern, Wissenschaften, Produktionsstätten existierten durchaus sozialistische Moralisten, Kritiker, Alternativdenker, die unter den polizeistaatlichen Bedingungen des Totalitarismus gesagt, geschrieben, gemalt, gesungen, dargestellt haben, was ihnen das Gewissen gebot. Etliche gingen dafür in Berufsverbot, Isolation, Gefängnis oder wurden ins Ausland vertrieben. Nicht wenige - obwohl eine Minderheit - stießen bewusst gegen Schranken vor, die von einer allmächtigen Politoligarchie mitsamt ihrem bürokratisch-polizeilichen Apparat errichtet waren. Wer nun erzeugte die Bedrückungen und die Beleidigungen? Wer überwachte Millionen von Staatsbürgern und zumal Tausende von kritischen Intellektuellen, deren Namen man in den Stasiakten finden kann?

Mag auch ein jeder selbst ins Gericht mit sich gehen. Es ist nicht einzusehen, dass die Schuld an Demokratiemangel und Intoleranz, Demagogie und Gewalt unteilbar sei. Das würde die Parteioligarchie, die Nomenklatura, die Stasi von einer Kritik entlasten, die sie wahrlich verdient hat. Und mehr: Die Pauschalität der Schulderklärung würde uns selbst entwerten - die sozialistisch Gesinnten, aber Querdenkenden in der früheren Partei. Deshalb sprach ich für Differenzierung und gegen jedes Pauschalurteil. Wohl weiß ich, dass der Parteiapparat, wohl vermute ich, dass auch die Stasi kein hermetisch geschlossener Kampfverbund war, vielmehr aus Menschen bestand, wo unter Hardlinern, Stupiden und Karrieremachern auch sensible Charaktere wirkten, die die Hoffnungen einer "Perestroika", eines "Neuen Denkens" mittragen wollten - übrigens nicht erst seit 1985. Oppositionell denkende Sozialisten konnten unter Letztgenannten durchaus Duldung finden, um kritische Gedanken an die Öffentlichkeit zu schmuggeln. Doch grundsätzlich war und bin ich für klare Scheidung zwischen Machtträgern und verdeckten oder gar offen bekennenden Oppositionellen, sonst würden Schuld, Mitschuld und Sühne verwischt.

In diesem Zusammenhang habe ich auch damals erinnert, dass seit den 20er Jahren des vergangenen Jahrhunderts eine Systemkritik gegen den Stalinismus entstand, die auf eine struktur-analytische Komplexität abzielte. Kommunistische Oppositionelle und Alternativdenker, die für ihre Kritik mit Freiheit und Leben zahlen mussten, gelangten mit Hilfe ihrer Methodik und Konsequenz zu einer Systemanalyse, die ganzheitlich vorging und zu einem ungemein schwerwiegenden Resultat führte: der Existenz und historisch-politischen Verantwortlichkeit einer neuen herrschenden Kaste oder auch "Klasse" im staatsmonopolistischen Sozialismus. Mancher mag dieses Analyseergebnis nicht gern annehmen. Jedoch die dialektisch umfassende Sicht auf Macht, Eigentum und Ideologie einer Herrschaftskaste, die sich über die Arbeiterklasse und das ganze Volk erhob, macht offenbar, wie totalitär das System war - daher auch, wie schwer es war, eine Freiheit des Geistes zu verlangen, geschweige denn: mit konsequent demokratisch-sozialistischer Bewusstheit in aller Öffentlichkeit zu leben. Angesichts der Realitäten des praktizierten Sozialismus stellt sich die Frage nach Verweigerung und Bewährung, nach Hauptschuld, Mitschuld und Nichtschuld eben weit differenzierter. Man kann die "geistigen Eliten" der DDR nicht en bloc beurteilen, und schon gar nicht sämtliche Intellektuellen unter demselben Schuldkonto abrechnen, wofür die herrschende bürokratische Kaste einzustehen hat. Die Schuld ist nicht gleich. Die Schuld ist abzustufen. Bei aller Selbstkritik und Selbstanklage, die uns dann noch bleiben, ist zu prüfen, ob und wann wir tatsächlich als sozialistische Alternative auftraten und warum wir mit der Art unserer Kritik oder Opposition das System nicht zu wandeln vermochten.

Wenn wir die Ideologie-Kritik mit der umfassenden Systemanalyse verknüpfen, dann wird noch deutlicher: Die Verwerflichkeit der Politik lag nicht nur in der "Abkopplung der heroischen Illusionen von den Realitäten". Das ist geisteswissenschaftlich und ideologiepolitisch formuliert. Das grundlegende Problem lag in den objektiven und subjektiven Faktoren des staatsmonopolistischen Sozialismus als Gesamtsystem.

Der unabdingbare Anspruch, den der klassische Marxismus, die Pariser Kommune, die frühen Sowjets und Rätebewegungen der Revolutionen von 1917/18 gestellt hatten, war preisgegeben worden: Das arbeitende Volk hätte im Sozialismus seine Demokratie, seine Arbeit, seine Besitztümer durch eigene Willensbildung, produktive Selbsttätigkeit und politische Kontrolle bestimmen müssen. Statt dessen dominierte eine bürokratische Kaste den "Arbeiter-und-Bauern-Staat" und das geltende Recht - auch in der DDR. Sie rekrutierte sich durch ein elitäres System der Kaderauslese und der willkürlichen Ernennung von Amtspersonen. Sie besaß Entscheidungsmacht, Kommandogewalt und das Privileg der Meinungsbildung. Sie war behütet durch andauernde Zensur der Medien und der Produkte geistiger Kultur, durch das Fehlen verfassungsmäßiger Beschwerdeinstitutionen, durch die Verweigerung der Gesinnungs-, Versammlungs- und Lehrfreiheit. Und sie wurde kriminalpolitisch geschützt von der allgegenwärtigen Staatssicherheitspolizei. Weil die meisten Individuen dieser Kaste den werktätigen Klassen und Schichten entstammten, trugen sie ursprünglich gewiss die Absicht, Sachwalter des arbeitenden Volkes zu sein. Jedoch emporgehoben und zugleich gefangen in der Hierarchie des Partei- und Staatsapparats, wurden sie letztlich zum Instrument der hohen Repräsentanten und Spitzenfunktionäre - darunter verdiente antifaschistische Kämpfer, die sich zu machtbeflissenen, selbstgefälligen Patriarchen mauserten. Diese geboten, das Volk gut zu hegen, aber auch materiell und geistig unter Kontrolle zu halten, und sie gewöhnten sich an, die jeweils nötige oder mögliche Erfüllung der Volksinteressen als "Geschenke von oben", als obrigkeitlichen Akt zu vollziehen. Das Volk hingegen durfte mit vorgefertigten Dankadressen seine Begeisterung bekunden, obwohl es selbst doch gearbeitet hatte und die Kosten für den Staat zahlte, auch für Immerdieselben auf den Tribünen.

Das aber war noch nicht alles. Indem die Bürokratie ihre Verfügungsgewalt über das "Volkseigentum" ausübte und die Verteilung des Bruttosozialprodukts alljährlich entschied, besaß diese Kaste eine ökonomisch- soziale Fundierung. Sie verwandelte Gemeineigentum des werktätigen Volkes innerhalb des Systems der Nationalen Front der DDR, an dem auch Christdemokraten (CDU), Liberaldemokraten (LDPD), Nationaldemokraten (NDPD) partizipierten, in Parteien- und Staatseigentum - und sie war als Parteien- und Staatsbürokratie dessen unmittelbarer Nutznießer. Dass darunter auch charaktervolle, persönlich bescheidene Individuen waren, kann die historisch-sachliche Erfahrung kaum entkräften: Die herrschende Kaste des staatsmonopolistischen Sozialismus schuf selbst keine materiellen und geistigen Güter, war streng genommen nicht produktiv-werktätig. Aber sie leitete, reglementierte, kontrollierte, bevormundete, verteilte, entschied. Sie nutzte das vom Volk produzierte und vermehrte Gemeineigentum auch für ihre eigene Reproduktion - und dies zunehmend mit Selbstgewissheit und wachsender Verschwendung, mit der Arroganz einer geschichtlich neuartigen Machtbewusstheit und Privilegierung. Die heutige Restauration des großen Kapitals in den ostdeutschen Bundesländern, mit Anhäufung des Reichtums von Unternehmern und Politikern, lässt uns die damalige Aneignung des "Volkseigentums" durch die Führungsklasse eher in einem kleinbürgerlichen Zuschnitt erkennen. Jedoch politbürokratischer Zentralismus und Bevorzugung der Nomenklatura, also einer Arbeiteraristokratie, waren im Marxismus nicht vorgesehen.

Diese Kritik konnte in den Jahren 1990/91 nicht veröffentlicht werden. 14 Wo ich sie mündlich auf Parteitagen und -konferenzen vertrat, stieß sie auf den Widerstand von Genossen der Kommunistischen Plattform oder auf den besorgten Hinweis: Ich solle sie nicht drucken lassen - sie "schade der Partei". Ganz anders war das politische Klima in der Historischen Kommission. Den Text meines Manuskripts "Zu einigen struktur-analytischen Aspekten bezüglich des staatsmonopolistischen Sozialismus in der DDR", der in Berlin nicht zu publizieren war, veröffentlichte Herbert Burmeister, zuvor Geschäftsführer der Historischen Kommission, im Oktober 1992 in Potsdam.15 Zuschriften von Gregor Gysi, Michael Schumann, André Brie ermutigten mich. Es gab Nachauflagen in Bern, Bonn, Hamburg und Potsdam.16 Die nur vierzigseitige Broschüre erstreckte die Strukturanalyse auf die "führende Partei", die "totalitäre Organisation von Staat und Gesellschaft", die "Dominanz des Staatseigentums und die Bürokratisierung der Produktionsweise", die "Herausbildung einer herrschenden Kaste" und auf die "teleologische Geschichtsideologie". Das Ganze erschien stets unter dem Titel "Partei - Staat - bürokratische Kaste".

IV

"Cui bono?" Die uralte Frage hing wie ein moralisches Damoklesschwert beständig über der Historischen Kommission und mir selbst. Natürlich wollten wir das stetige Ringen von Gysi, Bisky und anderen Reformern in der PDS unterstützen. Wir wollten helfen, die historische Kritik und Selbstkritik der Sozialisten zur Konsequenz zu treiben. Doch diese Kritik bot - wider Willen - auch Handreichungen für die bundesdeutsche Konterrevolution, überhaupt für notorische Gegner eines jeden Versuches antikapitalistischer Alternative. Angesichts der von Pfarrer Eppelmann geleiteten Enquête-Kommission des Bundestages (1993) stand ich mit dem Auftrag, die darauf reagierende PDS-Diskussion zu bilanzieren, "zwischen den Stühlen": Einerseits urteilte ich gegen die "Eppelmann-Kommission", die die DDR aus den Zusammenhängen des weltpolitischen und deutsch-deutschen Systemantagonismus heraustrennte, bereits vor Untersuchungsbeginn als "Unrechtsstaat" definierte, das gesamte Gesellschaftsleben und seine Menschen grob in Böse und Gute selektierte - wodurch sich ein Pfarrer zum eifernden Pfaffen, ein geschichtsbeflissenes Gremium noch einmal zur Waffe des Kalten Krieges machte. Andererseits kritisierte ich orthodoxe Abwehrpositionen in der PDS und zugleich den ehemaligen DDR-Politiker Dietmar Keller, der als einzig zugelassener Vertreter der PDS die Prämissen der Enquête-Kommission weitgehend bediente.17

Nach dieser Konfrontation meinte ich schließlich, einen kritischen Beitrag unter den "Linken" im Wesentlichen geleistet zu haben, mich jedoch in der kapitalistischen BRD nicht zum "Saubermann" und "Entlarvungsspezialisten " gegen den Sozialismus deformieren zu wollen. Nur die irreführende Apodiktik, die zwischen Stalinismus und Leninismus schlechthin trennt, blieb ein Gegenstand meines Nachdenkens: In Arbeiten über die Russische Revolution von 1917 bis 1921 versuche ich den Nachweis zu erbringen, dass in der von Lenin geführten Partei der Bolschewiken die nichtdemokratischen Strukturen geschaffen wurden, die dem Stalinismus den Weg bahnten.18 Sonst aber habe ich mich als Historiker wieder auf meine Spezialgebiete der bürgerlichen Revolutionen seit 1789 und der Friedensforschung besonnen.

Bei Kommunisten Europas steht heute die PDS nicht ohne den Vorwurf, eine "reformistische Partei" zu sein. Auch radikale "Linke" der bundesdeutschen "Wahlalternative" (WASG) könnten die politische Zusammenarbeit mit der PDS erschweren. Deshalb wiederhole ich den Titel der vorstehenden Gedanken: "Vom Elend historischer Selbstkritik". Für heute und morgen bleibt bewusst zu machen: Kritik und Selbstkritik sind nicht vergnüglich. Sie sind die bitteren Pillen, die vielleicht helfen, politische und geistige Krankheiten zu bekämpfen - auch Selbsttäuschungen und den latent wirkenden Irrtum, der die Krankheit nach dem Tod des Patienten als ziemlich gute Gesundheit interpretiert. Wer solche Medizin reicht, kann nicht liebenswürdig erscheinen. Er hat - nach dem Wort August Bebels - oft sogar die falschen Lacher und Lobspender auf seiner Seite.

Die Ära der Revolution von 1917 ist zu Ende. Zu Stalinismus und staatsmonopolistischem Sozialismus führt hoffentlich kein Weg zurück. Trotz der unabdingbaren Aufgabe, die inhumane, der volksnahen Demokratie und dem Sozialstaat feindlich gesinnte Strategie von Monopolkapitalisten und Politikern zu entlarven und zu bekämpfen: Die Erneuerung antikapitalistischer Alternativen wird nicht gelingen - ohne kritisch mit uns selbst zu beginnen, ohne "allen Aberglauben an die Vergangenheit" 19 abzustreifen.

Helmut Bock - Jg. 1928; Prof. em. Dr. phil. habil., Historiker; Mitglied der Historischen Kommission beim Parteivorstand der PDS sowie der Leibniz-Sozietät. Zuletzt in UTOPIE kreativ: "Zum geschichtlichen Denken in der PDS", Heft 141/142 (Juli/August 2002), und "Die schöne Revolution. ›Von nun an werden die Bankiers herrschen!‹", Heft 177/178 (Juli/August 2005). Nebenstehender Text wurde am 18. Juni 2005 vor der Historischen Kommission aus Anlass ihres 15jährigen Bestehens vorgetragen.

1 Interview mit Manolis Glezos: In der Aktion muss Einheit herrschen, in: Neues Deutschland, 4./5. Juni 2005.

2 Über den Personenkult und seine Folgen. "Interne Rede" von N. S. Chruschtschow auf dem XX. Parteitag der KPdSU, in: Stalin bewältigen. Sowjetische Dokumente der 50er, 60er und 80er Jahre, hrsg. v. Günter Judick u. Kurt Steinhaus, Düsseldorf 1989; Die Geheimrede Chruschtschows. Über den Personenkult und seine Folgen, Berlin 1990.

3 Zit. nach Leo Trotzki: Verratene Revolution. Was ist die Sowjetunion und wohin treibt sie?, o. O., o. J., S. 98 (deutschspr. Erstausgabe: Zürich 1937).

4 Der Fall des "Bundes der Marxisten-Leninisten", in: Schauprozesse unter Stalin 1932-1952. Zustandekommen, Hintergründe, Opfer, Berlin 1990, S. 25 f.

5 Trotzki, S. 96.

6 Ebenda, S. 131 ff.

7 Vgl. Unabgegoltenes im Kommunismus. Der Funken Hoffnung im Vergangenen, hrsg. v. Klaus Kinner (Diskurs. Streitschriften zu Geschichte und Politik des Sozialismus, H. 17), Rosa-Luxemburg-Stiftung Sachsen, Leipzig 2004.

8 Italienisches Interview von Palmiro Togliatti, Nachdruck: Freies Volk. Zentralorgan der KPD, Düsseldorf, 26. Juni 1956.

9 Milovan Djilas: The New Class. An Analysis of the Communist System, New York 1957.

10 Derselbe: Die neue Klasse. Eine Analyse des kommunistischen Systems, München 1958, S. 226.

11 Fritz Behrens urteilte 1978/79: Dieser Sozialismus sei eine "bereits wieder in Klassen erstarrte" Gesellschaftsordnung. "Es ist eine bürokratische Produktionsweise mit einem staatsmonopolistischen Überbau." Derselbe: Der real existierende Sozialismus, in: UTOPIE konkret, H. 2, Oktober 1990, S. 89.

12 Michael Schumann: Über den Umgang mit unserer Geschichte und die spezifischen Grundlagen der Repression, in: Zweigeteilt. Über den Umgang mit der SED-Vergangenheit, hrsg. v. Gregor Gysi, Uwe- Jens Heuer, Michael Schumann, Hamburg 1992, S. 16 ff., insbes. 25 ff.

13 Helmut Bock: Diskussionsbeiträge, ebenda, S. 50 ff.

14 Einzige Ausnahme: Helmut Bock: Es führt kein Weg zurück. "Stalinismus" in der DDR, in: UTOPIE kreativ, H. 13, September 1991, S. 62 ff.

15 Derselbe: Partei - Staat - bürokratische Kaste (hrsg. v. Brandenburger Verein für Bildung "Rosa Luxemburg" e. V.), Potsdam, Oktober 1992.

16 Schweizerische Vereinigung für Marxistische Studien: VMS - Materialien Nr. 1, Bern 1993; Rücksichten. Politische und juristische Aspekte der DDR-Geschichte, hrsg. v. Lothar Bisky, Uwe-Jens Heuer, Michael Schumann, Hamburg 1993, S. 145 ff.; Ansichten zur Geschichte der DDR, Bd. 3, hrsg. v. Dietmar Keller, Hans Modrow, Hans Wolf, Bonn- Berlin 1994, S. 71 ff.; 2., unveränderte Auflage, Potsdam, Oktober 1995.

17 Helmut Bock: Nach-Denken über die Keller-Rede, in: DISPUT, H. 8/1993, S. 8 ff.; ebenfalls in: Zwischen den Stühlen. Pro und Kontra SED, hrsg. v. Dietmar Keller u. Matthias Kirchner, Berlin 1993, S. 70 ff.

18 Derselbe: Die Russische Revolution. Epochenzäsur, Umweg oder Irrweg der Geschichte? In: Aufstieg und Fall des osteuropäischen Staatssozialismus: Ursachen und Wirkungen (Osteuropa in Tradition und Wandel. Leipziger Jahrbücher, Bd. 6. Rosa- Luxemburg-Stiftung Sachsen), Leipzig 2004, S. 17 ff.; Die Russische Revolution 1917 - 1921. Sieg oder Tragödie? (Pankower Vorträge H. 71, Helle Panke e. V.), Berlin 2005.

19 Karl Marx: Der achtzehnte Brumaire des Louis Bonaparte, in: Marx-Engels- Werke, Bd. 8, S. 117. Marx, der die soziale Revolution schon für das 19. Jahrhundert erwartete, meinte allerdings den Bruch mit den bis dahin auf Ausbeutung beruhenden Gesellschaftsordnungen. Heute gilt die Marx-Sentenz uns selbst: Es ist die eigene problematische Vergangenheit, die "wie ein Alp auf dem Gehirne der Lebenden" lastet, so dass ein Bruch erfolgen muss. Das schließt die Rezeption und die Würdigung antikapitalistischer Charakterzüge im Leben des "real existierenden Sozialismus" der DDR nicht aus.

in: UTOPIE kreativ, H. 180 (Oktober 2005), S. 890-899

aus dem Inhalt:

VorSatz; Essay BOSILJKA SCHEDLICH: Der Mauerfall oder Die Wende; 15 Jahre nach dem Anschluß STEFAN BOLLINGER: Sozialstaat DDR - nur Erinnerung oder auch Herausforderung?, JAN PETERS: Wolfgang Steinitz - ein "Seiltänzer"?, HELMUT BOCK: Vom Elend historischer Selbstkritik., HORST DIETZEL: Abkehr vom Klassenkampf? Die Idee eines neuen Gesellschaftsvertrages in der PDS, HELENO SAÑA: Don Quijote in Deutschland. Wie ein Spanier die deutsche Einheit erlebt BERND RUMP: 15 Jahre "Einheit" Betrachtungen eines Beteiligten, Standorte RICHARD SORG: Die Reichen und Mächtigen - Materialien und Vorschläge zu ihrer Erforschung; Konferenzen & Veranstaltungen WOLFRAM ADOLPHI: Kapitalismus zwischen Konsumismus und Krieg. IX. Internationale Konferenz des Berliner Instituts für kritische Theorie (InkriT); Festplatte WOLFGANG SABATH: Die Wochen im Rückstau; Bücher & Zeitschriften John Kenneth Galbraith: Die Ökonomie des unschuldigen Betrugs. Vom Realitätsverlust der heutigen Wirtschaft (KLAUS MÜLLER) Heribert Prantl: Kein schöner Land. Die Zerstörung der sozialen Gerechtigkeit (JAN SURMANN) Klaus Steinitz: Chancen für eine alternative Entwicklung. Linke Wirtschaftspolitik heute (CHRISTA LUFT) Dieter Wolf, Heinz Paragenings: Zur Konfusion des Wertbegriffs. Beiträge zur "Kapital"-Diskussion (ULRICH BUSCH) Hermann Weber, Ulrich Mählert, Bernhard H. Bayerlein, Horst Dähn, Bernd Faulenbach, Jan Foitzik, Ehrhart Neubert, Manfred Wilke (Hrsg.): Jahrbuch für historische Kommunismusforschung, Bd. 2004 (REINER TOSSTORFF) Christiane Brenner, Peter Heumos (Hrsg.): Sozialgeschichtliche Kommunismusforschung. Tschechoslowakei, Polen, Ungarn und DDR 1948-1968 Arnd Bauerkämper: Die Sozialgeschichte der DDR (STEFAN BOLLINGER) Sören Niemann-Findeisen: Weeding the Garden. Die Eugenik-Rezeption der frühen Fabian Society (THOMAS GONDERMANN); Summaries