›Schöner Leben in Dorfen‹

Neo- und Antifaschismus vor Ort.

Am 4.Juni war die oberbayerische Kleinstadt Dorfen zum fortgesetzten Male Schauplatz einer nazistischen Kampagne gegen das selbstverwaltete Jugendzentrum (JZ). 130 Nazis, vorwiegend aus der NPD, demonstrierten für die Schließung des selbstverwalteten Jugendzentrums unter dem Motto: "Kriminellen keine Plattform bieten! JZ Dorfen schließen".
Die Kampagne der Faschisten begann im November 2004. Nachdem der Verbotsantrag gegen die NPD vor dem Bundesverfassungsgericht scheiterte und die Landtagswahl in Sachsen der NPD enorme materielle Mittel und Selbstbewusstsein bescherte, trat sie unter anderem auch im 14000-Einwohner-Städtchen Dorfen erstmalig an die Öffentlichkeit.
Zwar rüttelt in dem beschaulichen, fast industriefreien Fleck, den viele morgens zur Arbeit in Richtung München oder Flughafen verlassen, um abends zur Pflege des Eigenheims wieder anwesend zu sein, noch nichts an der CSU-Mehrheit und der Dominanz des Kleinbürgertums. Aber die ungebrochene Kontinuität des 1974 gegründeten selbstverwalteten Jugendzentrums bot seither nicht wenigen Jugendlichen eine Möglichkeit, Reglementierungen durch Schule, Arbeit oder Elternhaus zumindest zeitweise zu entfliehen und dabei die Erfahrung zu machen, dass dieser Freiraum erkämpft werden muss und kann.
Die galoppierende Rechtsentwicklung nach dem Anschluss der DDR 1990 brachte einst die Republikaner auch nach Dorfen. Doch anders als in der Nachbargemeinde Taufkirchen, die zu einer Hochburg der REPs avancierte, bekamen sie in Dorfen keinen Fuß auf den Boden. Jede ihrer Veranstaltungen wurde von Dutzenden Gegnern lautstark gestört, Wirte weigerten sich daraufhin, ihre Räume zur Verfügung zu stellen, und schließlich fand sich kein Personal, um in Dorfen eine eigene Ortsstruktur zu bilden. Der Feind der Rechten in Dorfen war damals derselbe wie heute: "die roten Teufel ... die im Jugendzentrum ihr Unwesen treiben" (Dorfener Anzeiger, 1.7.1992).
Im April 2000 dann ein negativer Höhepunkt: Angezogen von ihrem Feinbild JZ Dorfen versammeln sich acht rechte Jugendliche aus Nachbarorten in Dorfen, lassen ab von ihrem Plan, das JZ anzuzünden, da sich vor dem JZ viele Besucher aufhalten und zünden stattdessen das als "Gemeindehaus" bekannte Wohngebäude von sozial Schwachen, darunter viele Migranten, an. Der Brandanschlag, bei dem glücklicherweise keine Menschen unmittelbar körperlich zu Schaden kommen, rückt Dorfen für wenige Tage ins Licht der Öffentlichkeit.
Vier Jahre später spricht sich eines Samstag vormittags die Nachricht eines NPD-Infostands herum. Schnell sind 10-15 junge Leute am Stand, drängeln, schieben und der Stand liegt flach, Flugblätter liegen im Dreck. 14 Tage später präsentieren etwa 15 Nazis mit Flugblättern die "Initiative schöner Leben in Dorfen" und fordern die Schließung des JZ und das Verbot des Vereins Jugendzentrum e.V. Nachdem auch die Flugblattaktion erheblichen Widerstand erfährt, entschließen sich die Faschisten zur Demo. Im Dezember 2004 marschieren etwa 60 Nazis aus NPD und Kameradschaften durch Dorfen, wütend begleitet von 300-400 Antifas, geschützt von rund 250 Polizisten.
Erstmals hat sich anlässlich dieses Aufmarschs ein Bündnis gegen Nazis gegründet, das am Tag der Nazidemo eine Kundgebung mit rund 800 Teilnehmenden abhielt. Wesentlich für den breiten Zulauf zu den Protesten aus dem bürgerlichen Spektrum war die Tatsache, dass es dem Bündnis gelang, die Nähe der für die Dorfener Demo Verantwortlichen zur Kameradschaft Süd und damit zu Martin Wiese und dem versuchten Anschlag auf die Grundsteinlegung des Jüdischen Zentrums in München in die Öffentlichkeit zu tragen.
Während schon Spekulationen über den nächsten Naziaufmarsch in Dorfen die Runde machten, begann die Kampagne der Nazis erste Früchte zu tragen: Die vom rechtskonservativen Dorfener Anzeiger (Lokalblatt des CSU-nahen Münchener Merkur) verbreitete Polizeidarstellung des Vorfalls mit dem Infostand, die wiederum hauptsächlich auf der Version der Faschisten gründete, trug erheblich dazu bei, die Verantwortung für die Heimsuchung Dorfens durch Neonazis einer linken, angeblich gewaltbereiten Antifaszene des JZ zuzuschreiben. Auf einer CSU-Versammlung wurde offen die Lösung dieses Bürgerproblems mittels Schließung des JZ diskutiert und die CSU-geführte Stadtverwaltung verfasste einen Katalog mit erheblichen Auflagen und Einschränkungen des Nutzungsrechts für das Gebäude an der Jahnstraße, das der Verein Jugendzentrum e.V. mietfrei nutzt. Derart ermutigt traten die Faschisten erneut in Dorfen auf: Bei einer FDP-Veranstaltung mit einem Ex-Nazi am "Führergeburtstag" und im Mai mit einer "Mahnwache" im Stadtzentrum.
Der dagegen vom Dorfener Bündnis gegen Nazis am 4.Juni organisierte Aktionstag gegen Rechts schuf den Rahmen für vielfältige Proteste und Veranstaltungen, an denen rund 1000 Menschen teilnahmen: Zunächst blockierten 300 Antifas 45 Minuten lang die Nazidemo, danach ging die mehrstündige Kundgebung der Faschisten im Stadtzentrum in einem Pfeifkonzert Dorfener Bürger unter, die zuvor noch eine symbolische Menschenkette gebildet hatten.
Um dem Jugendzentrum im Zwei-Fronten-Konflikt gegen Faschisten und Stadtverwaltung beizustehen, gründete sich eine Initiative pro JZ, die bereits rund 200 Unterschriften gesammelt hat und zunächst bei Verhandlungen mit Stadt und Behörden hilft. Ob es gelingen wird, den Freiraum JZ Dorfen gegen die Angriffe der Faschisten und ihres rechtsbürgerlichen Echos zu verteidigen, ist nicht sicher, aber möglich. Die mittlerweile ein halbes Jahr dauernde faschistische Kampagne hat in Dorfen nämlich nicht nur reaktionäre Kräfte gegen das JZ mobilisiert, sondern gleichzeitig zu einer vitalen antifaschistischen Praxis und Solidarisierung geführt.