Nach der Wahl in NRW und der Ankündigung von Neuwahlen im Bund

Die Sozialdemokratie hat sich scheinbar mit schallenden Ohrfeigen von den Wählerinnen und Wählern arrangiert. Der Kölner Juso-Vorsitzende zur Lage der SPD und der neuen Linkspartei

Die Sozialdemokratie hat sich scheinbar mit schallenden Ohrfeigen von den Wählerinnen und Wählern arrangiert. Die ersten Analysen der NRW-Wahlen in den Gremien der Partei jedenfalls wurden meist nach dem Motto geführt: In Köln war es ja nicht so schlimm und außerdem ist nur Berlin an der Wahlniederlage Schuld. So richtig zweitere Feststellung in Teilen sein mag: Die Steinbrück-Regierung hat genau diese Berliner Politik aus voller Überzeugung mitgetragen und im eigenen Land etwa über Studiengebühren für bestimmte Gruppen auch selbständig umgesetzt. Gerhard Schröder wiederum versucht über die Ansetzung von Neuwahlen jede Debatte über eine Kurskorrektur in der SPD abzuwürgen. Es wird Vollgas gegeben, bis die Wand respektive die Bundestagswahl kommt. In dieser Situation nun muss die Linke in der SPD sich positionieren und klare Konzepte benennen.

Orientierungslosigkeit ist groß
Gerade auch bei den bisherigen Anhängern von Gerhard Schröder macht sich eine große Verzweiflung breit. Die Politik der Regierung ist grandios gescheitert. Dieses scheitern muss gedeutet werden, um daraus Konzepte für die Zukunft zu gewinnen. Klar ist: Die Sozialdemokratie wurde und wird nur dann von den Menschen gewählt, wenn sie glaubhafte soziale Politik anbietet und durchsetzt. Es ist die historische Aufgabe der Sozialdemokratie, ein besseres Leben für alle Menschen zu erkämpfen. Dies wurde in den vergangenen Jahren unzureichend beachtet - die SPD hat die Interessen der Lohnabhängigen vernachlässigt und ihre Politik zu sehr an den Interessen der Unternehmen ausgerichtet. Will die SPD eine Trendwende einleiten, so ist es unabdingbar, dass sie die Vertretung der Lohnabhängigen mit und ohne Job zum Mittelpunkt ihrer Politik macht - auch und gerade gegen den Widerstand von Unternehmensseite. Die falsche Politik der Vergangenheit auf Bundes- und Landesebene hat maßgeblich zum Wahlergebnis in NRW geführt.
Die Parteirechte regiert nun anders als die Linke auf die Wahlniederlage. Ein Teil schiebt die Schuld mal eben der völlig in der Bedeutungslosigkeit versunkenen Parlamentarischen Linken zu, die zwar jeden Beschluss von Schröder und Co mitgetragen hat, aber dennoch jetzt zum Sündenbock werden soll. An Dolchstoßlegenden wird schon fleißig gestrickt. Gleichzeitig scheint man sich in den Kopf gesetzt zu haben, die Körperschaftsteuer - die Steuer auf Gewinne der Kapitalunternehmen also - noch einmal zu senken, koste es was es wolle. Diese Rechte fährt gegen linke Sozialdemokraten die üblichen FDGO- und Verräterdebatten auf, um die Hegemonie noch einmal für sich brauchbar zu machen und ein Unterhaken aller zum Bundestagswahlkampf sicherzustellen.
Ein Teil der Parteirechten ist jedoch total verunsichert. Dies gilt verstärkt für uneingebundene Parteimitglieder. Ihnen muss Orientierung gegeben werden. Deshalb hat der Vorstand der Jusos Köln bereits am Montag nach der Wahl einen zehn Punkte Forderungskatalog verabschiedet. Diesem Katalog haben sich inzwischen in leicht veränderter Form der Landesverband Berlin und die Jusos Frankfurt angeschlossen. Mit einer großen Mehrheit hat zudem die Delegiertenkonferenz der Jusos Köln ein weiteres Mal einen Kurswechsel eingefordert (beide Papiere unter www.jusoskoeln.de und www.jusos.org). Es gilt nun, die Forderungen nach eine gerechteren und ökonomisch sinnvolleren Politik auch in der Partei durchzusetzen und dem Mainstream klare Positionen entgegenzustellen. Die Kampagne für einen Sonderparteitag der KölnSPD ist hier genau richtig, denn dort wird es erneut möglich sein, auf eine andere Politik zu orientieren.

Nicht unterhaken
Für die Linke in der SPD ist es wichtig, sich nicht wieder vom Wahlkampfeinerlei anstecken zu lassen. Die Alternativen müssen auch im Wahlkampf klar benannt werden, denn es gilt auch, Perspektiven für nach 2005 zu entwickeln und bereits jetzt in der Partei zu verankern. Wenn es der Partei jetzt nicht gelingt, die Kadavergehorsam abzulegen, dann ist sie auf Jahre diskreditiert (falls das nicht eh schon der Fall ist...). Den klar ist auch: Gerhard Schröder konnte seine Politik nur mit Unterstützung weiter Teile der eigenen Partei durchsetzen. Diese Hegemonie in der SPD ist am bröckeln und wir müssen als Linke genau hier ansetzen, um Menschen von der Richtigkeit unserer Konzepte zu überzeugen.

Neue Linkspartei
Für die Linke in der SPD stellt sich jedoch unter Umständen eine weitere Herausforderung: Eine neue Linkspartei aus WASG und PDS unter der Führung von Gregor Gysi und Oskar Lafontaine kann sich schnell zu einem ausstrahlungsfähigen Projekt entwickeln. Spätestens wenn es diesem Bündnis - so es entstehen sollte - gelingt, in den Bundestag einzuziehen, wird es auch für die Linke in der SPD schwer, da die Basis in der eigenen Partei zunehmen erodieren dürfte. Eine sozialdemokratische Partei links der SPD kann und wird gerade auch junge Mitglieder ziehen, die für eine linke Arbeit in der SPD unerlässlich sind. Und auch viele der alten Stützen linker Politik in der SPD liebäugeln mit einem Wechsel in die WASG/PDS. Dieser Wechsel ist legitim. Es muss uns aber gelingen, eine Zusammenarbeit zwischen den beiden Gruppierungen sicherzustellen, denn eines muss auch für diejenigen, die in der SPD bleiben, klar sein: Eine neue Linkspartei wäre ein Gewinn gerade auch für linke SozialdemokratInnen. Eventuell kann es so nämlich gelingen, einen weiteren Keil in die bestehende Hegemonie zu schlagen und dies auch in der SPD fruchtbar zu machen.

Handlungsspielräume nutzen
Die Verunsicherung und Wut gerade auch in NRW eröffnet neue Handlungsspielräume, die es zu nutzen gilt. Jenseits des populistischen Heuschrecken-Palavers von Franz Müntefering müssen Optionen eröffnet werden, die das kapitalistische System wieder grundlegend in Frage stellen. Dies wird uns aber nur gelingen, wenn die Linken gegenseitig für einender einstehen und sich den Rücken freihalten. Wir müssen uns in aller Deutlichkeit positionieren - die Konzepte hierzu gibt es. Ziel ist und bleibt eine demokratische Gesellschaft von Gleichen und Freien jenseits des Zwangs der kapitalistischen Wirtschaftsordnung. Dafür müssen wir kämpfen, ob in der SPD oder anderswo.

Klemens Himpele
Vorsitzender der Jusos Köln. Mitglied im Vorstand des Bundes demokratischer Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler (BdWi)