Unsere Nazis nach dem Untergang

Im Kino samt angeschlossenen Medien versuchen momentan die Kinder und Enkel den Untergang ihrer Väter und Großväter inklusive beigesellten Müttern darzustellen, was zum affektiven ...

... Laienspiel mißlingen muß, weil die Blickrichtung einer ehemaligen Sekretärin und eines ehemaligen FAZ-Sekretärs insofern der Perspektive von Hitlers braver Schäferhündin Blondi gleicht, als der erfreut wedelnde Schweif das Hirn ersetzt. Das Personal im Bunker gibt in Kurzfassung die Volksmehrheit, deren Führer als ihr Bauchredner bis hin zum Exitus im betonierten Erdloch Erfolge anhäuft. Daß Bruno Ganz naturalistisch mit der Hand zittert, genügt dem werten Publikum, als wäre es Effenbergs Stinkefinger. Manche meinten bisher: Der Führer ist out wie Effe. Doch Lunkewitzens Aufbau-Verlag bot dem immerblonden Fußballer eine letzte Plattform wie Eichingers Drehbuch-Kunst dem Adolf.

Nun treten die Nachgeburt-Nazis mit veritablen Wahl-Erfolgen in Brandenburg und Sachsen an, den Untergang, von Eichingers realer Narrentruppe schaurig schön aufgeführt, zu dementieren. Ein Minister wollte etwas verbieten und hat es rasant gefördert. Die Medien schalten bereitwillig vom Untergang zum Aufgang um. Bei Christiansen oder Illner versammeln sich Regierende und mitregierende Opponenten plus wissenschaftlichen Politikastern zur Besserwessirunde. Sind die Neonazis gefährlich? Ja und Nein. Was sagt das Ausland? SPD knapp siegreich in Brandenburg und so minimalisiert an der Elbe, daß sie gerade noch zum Koalieren taugt. Alles rückt weiter nach rechts, um den Nazis das Wasser abzugraben. So kommt die werte Mitte bis zum rechten Rand und auf den Hund, der nicht mehr Blondi heißt.

Was da jetzt in Ostdeutschland von rechts in die Parlamente einrückt, ist nichts als ein Gebräu von sozialer, schulischer und politischer Verwahrlosung, vermischt mit staatlichen Geheimagenten und angeleitet von Nachwuchsverführern, deren Bücherschränke mit Heldenschwarten gefüllt sind, etwa: "Die erste SS-Panzerdivision" oder "Legion Condor - sie flogen jenseits der Grenzen", die Texte scheinhaft objektiv, die Fotos glanzvoll wie die Fliegerasse, deren Namen die Spannweite aufzeigen - Karrieren bei Luftwaffe und Bonner Bundeswehr.

Wir zeigten hier in Ossietzky die militärischen und faschistischen Infektionsquellen oft genug auf. Vonwegen Untergang. Wäre General Heusinger am 20. Juli 1944 an Hitlers Seite, dem feinen Platz der Mitmassenmörder, nicht durch Stauffenbergs Bombe leicht verletzt worden, hätte er im April 45 zur Berliner Bunkerbesatzung gehört. Das Attentat bewahrte ihn davor, und so durfte der General nach seines Führers Armeen auch Adenauers Bundeswehr kommandieren. Eben Demokraten unter sich.

Der Volksbund Deutscher Kriegsgräberfürsorge preist gerade per Brief Erwin Rommel als Widerstandskämpfer und Friedenssoldaten an. Es ist dieser Volksbund, der in Zeitungsannoncen die Toten des 2. Weltkriegs regelmäßig durch Strichlisten kennzeichnet. Wie viele Striche Rommel zu verdanken sind, wagt keiner mehr zu fragen. Etwa zwei Millionen Deutsche wurden als Antifaschisten verfolgt. Sie sind in der Berliner Republik nicht mehr existent. Letzte Erinnerungen an sie werden getilgt. Rommel stieß einst Richtung Palästina vor, bis er weichen mußte, unser Wüstenfuchs. In Eichingers Filmwerk sitzt das Volk zu Tränen gerührt. Die deutsche Mitte wird ihren dumpfen neuen Nazis schon noch zeigen, wie ein anständiger Krieg geführt wird. Der Untergang ist revidierbar.

Unser Volksbund versendet zwei glanzvolle Rommel-Bilder, das erste mit dem Pour le Mérite, das zweite geschmückt durchs Ritterkreuz und vom Mantelkragen verdecktes Hakenkreuz. Ein drittes Foto könnte der wiederauferstehende deutsche Christus mit dem Bundesverdienstkreuz zieren.

Im Spiegel Nr. 41/1986 schrieb Rudolf Augstein über Andreas Hillgrubers Buch "Zweierlei Untergang": "Wer so denkt und spricht, ist ein konstitutioneller Nazi, einer, wie es ihn auch ohne Hitler geben würde." Wo Augstein links war, hatte er recht. Auf denn zum dritten Untergang.

aus Ossietzky 20/2004