Grün wirkt doch - Schleierfahndung abgeschafft

Streichung des § 18 Abs. 7 des Berliner Allgemeinen Sicherheits- und Ordnungsgesetzes. Diese Vorschrift enthält die sog. Schleierfahndung, die sich in den Polizeigesetzen der meisten Länder

Grün wirkt also doch. Zumindest auf Landesebene in Berlin und zumindest ein bisschen. Mitte März dieses Jahres verkündete der Berliner Innensenator Körting, dass einem Antrag der bündnisgrünen Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus entsprochen werden soll, in welchem die Streichung des § 18 Abs. 7 des Berliner Allgemeinen Sicherheits- und Ordnungsgesetzes gefordert wird. Diese Vorschrift enthält die sog. Schleierfahndung, die sich in den Polizeigesetzen der meisten Länder findet und 1999 in Berlin eingeführt wurde.
Als Schleierfahndung wird die verdachts- und ereignisunabhängige Personenkontrolle in öffentlichen Einrichtungen des internationalen Verkehrs und auf Durchgangsstraßen zur vorbeugenden Bekämpfung der grenzüberschreitenden Kriminalität bezeichnet. Das bedeutet, dass die Polizei die Befugnis erhält, grundsätzlich jede/n BürgerIn, die/der sich an einem der genannten Orte aufhält, zwecks Identitätsfeststellung anzuhalten.
Erinnert dies zunächst an die "klassische" Befugnis der Polizei, an bestimmten "gefährlichen" bzw. "gefährdeten" Orten Identitätsfeststellungen durchzuführen, so besteht doch ein wichtiger Unterschied: Die von der Schleierfahndung betroffenen Örtlichkeiten weisen keine erhöhte Relevanz hinsichtlich etwaiger bereits begangener oder noch zu begehender Straftaten auf. Durchgangsstraßen und Verkehrseinrichtungen werden von jedermann/frau benutzt und so stellt sich das Charakteristikum der Schleierfahndung auch dar: Es kann grundsätzlich jede/n überall treffen.
Damit geht es bei einer solchen anlassunabhängigen Kontrolle also nicht mehr um den Schutz eines gefährdeten Rechtsgutes oder zumindest um die Abwehr einer latenten Gefahr (wie z.B. bei einer Verkehrskontrolle), sondern es findet eine Art "allgemeine Risikovorsorge" statt. Der Schleierfahndung immanent ist dabei, dass es zur massenweisen Inanspruchnahme von Nichtbeteiligten kommt, also von Personen, die nicht durch eigenes rechtserhebliches Verhalten oder zumindest eine gewisse Nähe zur polizeilichen Situation Anlass zur Kontrolle geben. Dies widerspricht aber dem Recht des/der Einzelnen, grundsätzlich vom Staat "in Ruhe gelassen zu werden", solange es an einem Bezugspunkt für eine Inanspruchnahme fehlt. Die Unschuldsvermutung wird umgekehrt.
Dem gesetzgeberischen Motiv, nämlich Straftaten mit internationalem Bezug aufzudecken, wird die Schleierfahndung dabei nicht gerecht: Von 1999 bis 2002 fanden acht Kontrollen in Berlin statt, die aber nicht in einem einzigen Fall zu einem einschlägigen Erfolg führten. Diese Erfolglosigkeit veranlasste letztlich auch die rot-rote Koalition dazu, der Abschaffung zuzustimmen.

Maximilian Warntjen, München